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Mensagespräche

Mittwoch, 25. April 2012

Wissenschaftliche Bibliothek/Forschungskoordination: Dr. Volker Bauer

Teil 2

Dr. Volker Bauer, stellvertretende Leitung der Abteilung Stipendien, wissenschaftliche Veranstaltungen und Nachwuchsarbeit der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, war heute Gastdozent in der Vorlesungsreihe „Angewandte Literaturwissenschaft“. Selbstverständlich persönlich bekannt mit dem hauptamtlich Lehrenden und auch voller Elan - davon gehe ich aus - machte dieser einen freundlichen und energischen Eindruck, und in diesen Details möchte ich mich diesmal verlieren:

Die wirklich ungeheuer große Stirn von Dr. Volker Bauer macht die ganze mittlere Partie vom Auge bis zum Mund – kleinlich, obwohl an sich weder Auge noch Nase, noch Mund kleinlich ist. Diese ungeheure Stirn verrät einen furchtbaren Reichtum, einen unbezwinglichen Eigensinn; in der Stirn ist Witz und Unbeugsamkeit sichtbar. Die Augen unter diesen idealisierenden Augenbrauen und in dieser Tiefe, mit diesem hellen, ruhigdurchdringenden Blick – sind die des unermüdeten, ausschöpfenden, aufgrabenden, idealisierenden Beobachters. Kraft haben sie zum Überschauen, Durchschauen, Detaillieren – mehr als schnell und ganz zu umfassen.

Diese Nase! Wie frei! Wie fest! ohne starr zu sein. Die Nase, mir entscheidend für die innere, unerlernte, eigene Größe empfindsamer, feiner Schöpfungskraft, sie überwindet, entscheidet alles. Wer sie nicht fühlt, hier nicht gestehen muss: Nase ist einer der beredsamsten Teile des Gesichts! Der Mund hingegen ist ein Gemeinplatz von Unbestimmtheit, trotz allem nicht ohne Gefälligkeit und Güte. In der Mittellinie des Mundes besonders liegt der Ausdruck von Kraft, ein Spiegelbild der Augen. Dieser zartgeschlossene Mund, das breite und dennoch nicht flache, nicht fleischige Kinn, das Vielfältige im ganzen Gesicht stimmt trefflich mit dem übrigen überein und ist Ausdruck von Nachdenken und sanfter Tätigkeit.

So, stellte sich ein gewisser Lavater die Größen seiner und aller Zeit vor, neu verwoben und trotzdem schlichtweg geklaut von mir. Das Bild, die Grundlage meiner „Beobachtung“ findet sich hier. Und wenn jemand fragt, wieso das Ganze? Ich war gar nicht da, musste Dinge erledigen, die keinen Aufschub duldeten, leider.

Teil 4

Mittwoch, 18. April 2012

Schriftstellerberuf/Creative Writing: Prof. Dirk von Petersdorff

Hiermit begann die Reihe um die Vorlesung "Angewandte Literaturwissenschaft": Text 1.

Am Meer
„Seht dort jenen Surfer gleiten,“

Chapeau! Nur wenige Lyriker der letzten tausend Jahre – sinngemäß umriss Martin Rector einmal seine 2-semestristige Vorlesung „Höhepunkte deutscher Lyrik“ so – hatten Gelegenheit von einem Surfer zu schreiben.
Doppelt Chapeau! Nur wenige Vorlesungen trauen sich vom altbewährten Muster derart radikal abzuweichen. Ich hätte es natürlich wissen können, denn in Ansätzen ist das Konzept bereits in der Ringvorlesung „Leibniz und die Aufklärungskultur“ verfolgt worden, wenn auch dort das Dialogische längst keinen so großen Stellenwert besaß, wie es heute der Fall war.


„wie er kreuzt und wie er powert“

Im Dialog lag dann auch die vermeintliche Stärke beider Dozenten, man merkte es ihnen an wie beide kreuzten und powerten. Es war ein ständiger Wechsel der Ausführungen, der Moderator, der die Fragen möglichst kurz und verständlich formulierte und dem Gastdozenten, der möglichst ausführlich und genau zu antworten versuchte. Man fühlte sich gut unterhalten. Es fehlten die Kameras, die großen bequemen Sessel und das obligatorische Getränk auf dem kleinen Beistelltischchen und dann wäre mir das Format wohl allzu bekannt vorgekommen. So blieb der Rahmen, wenn auch nur des Protokolls wegen dann doch eine Vorlesung und keine Talkshow zur besten Sendezeit.
Auch ich will hier ein wenig kreuzen, denn mein Rahmen soll dieses Gedicht sein, welches ich in der Laudatio ANH’s ( einem Blognachbarn ) zur Vergabe des Literaturpreises der Literatur Nord an Dirk von Petersdorff fand ( ich fand die Laudatio im Netz als PDF zum Herunterladen, sowas soll’s geben ). Ich möchte dabei allerdings nicht ganz so offensichtlich vorgehen, wie es in der Vorlesung der Fall war, indem ich zwischen meiner leidlichen Analyse dieses Gedichts und des Gesprächs beider Dozenten hin und her wechsle.
Das Kreuzen ist auch nicht alles, was passiert ist in der „Vorlesung“. Interessant erscheint zunächst noch das powern. Was vormals, beim Rufen „Seht dort jenen Surfer gleiten“ noch als elegante Fortbewegung auf dem Wasser wahrgenommen werden sollte ( gleiten ), wandelt sich bereits hier zu einer machtvollen, kontrollierten Bewegung in unkontrollierbarem Gewässer. Der Surfer powert! Welcher Lyriker der letzten tausend Jahre konnte mit diesem Verb eine Zeile beschließen?


„durch die wind-verwehten Weiten,“

Hier wird klar, dass es mehr braucht als einen Surfer auf dem Meer, der Surfer braucht Wind; Luftbewegung, die Wellen schafft, Segel füllt und letztendlich die Kraft abverlangt, zu dessen Vergnügen sich der Surfer dem Meer ausliefert. Die heilige Dreifaltigkeit des Surfens sozusagen.
Wir waren ebenfalls zu dritt in der Vorlesung ( natürlich nicht im wörtlichen Sinne ), es gab den Moderator, den Gast und das Publikum. Wem jetzt welche Rolle zukam, möchte ich hier gar nicht weiter erörtern, denn die Runde war im allgemeinen recht locker und auch wenn klar war, dass die beiden Dozenten das Heft in der Hand hielten, so blieb tatsächlich Raum für eigene Überlegungen, die, formuliert in thematisch völlig offenen Fragen, an den Gast gestellt werden konnten. Die Ausbeute war nicht berauschend und die Fragen gingen auch nicht in die Tiefe, die Antworten allerdings waren ausführlich und unverbindlich.

„wo das Meer im Licht erschauert.“

Von einem Schauer konnte bei der Vorlesung keine Rede sein, weder ein wohliger noch ein schrecklicher stellten sich ein. Der herben Kritik aus meinem Anfangstext kann ich nichts hinzufügen, ich muss sogar revidieren. Ehrlich gesagt gab es bis auf die fehlenden Sessel und das Erfrischungsgetränk ( auf Kameras kann ich verzichten ) nicht viel zu kritisieren. Von der hemmenden Ehrfurcht war nicht viel zu spüren, kein Erschauern. Trotz der 5 gestellten Fragen, die größtenteils von den „üblichen Verdächtigen“ gestellt wurden, also denen, die auch sonst bereitwillig mitarbeiten und diese Art Berührungsängste womöglich gar nicht kennen, hatte ich nicht das Gefühl, dass der Charakter der Veranstaltung eher einem Seminar mit Minimalbesetzung glich.
Die Frage war ohnehin nicht, vor wem das Meer, das Publikum, erschauert, sondern worin. Das Meer erschauert im Licht, einem Mitspieler, der immer dann zum Tragen kommt, wenn dem Betrachter sein eigener Standort zum Geschehen ersichtlich wird. Nur selten wird dieser Mitspieler als Entschuldigung missbraucht ( beim Autofahren passiert das ganz gerne, denn im toten Winkel stand dann alles, was wir zufällig erwischt haben, als wir rückwärts aus einer Einfahrt kamen ). Meistens dient er eher der Erklärung unseres eigenen Standpunktes.
Ist es das, was Petersdorff meinte, als er von Ironie sprach, die sich nicht ausschließlich gegen Personen, in diesem speziellen Fall sogar gegen eine ganze Epoche richtet? Ist das überhaupt Ironie, so „modern“ zu dichten und dann ein höchst romantisches Bild heraufzubeschwören? Ich stelle mir gerade vor, wie es wohl aussähe, wenn auf Caspar David Friedrichs „Kreidefelsen“ im Hintergrund ein Surfer auf den Wellen glitte, genau dort wo das Meer im Licht erschauert.


„Das Leben – ein kurzes Erwachen,“

Huch. Eine zweite Strophe! Die kam in der Laudatio gar nicht vor. Die googelte ich beim Eingeben der ersten Zeile des Gedichts und sie stellt mich vor ungeahnte Herausforderungen, ich muss mit meinem Artikel forfahren:
Wo die erste Strophe eine geschlossene Einheit bildet überrascht der Autor hier mit 9 statt der vorher üblichen 8 Silben – und einem Gedankenstrich. Innehalten ist verlangt, und das inmitten der Zeile. Dann erst die Botschaft: die ist schon so oft gehört oder gesagt worden, dass sie wie eine Gardinenpredigt klingt, den Ironieschalter (Slang aus dem Netz, gern benutzt in aller Herren Foren ) kann ich also getrost auf „On“ verharren lassen, nachdem er bei Zeile 4 der ersten Strophe eingeschaltet worden war.
Ja, huch, eine zweite Strophe! Die kam deshalb nicht in der Laudatio vor, weil es nicht darum ging, mit dem Werk bekannt zu machen, sondern weil es um den Autor ging. Ähnlich wie in der Vorlesung, da ging es auch nicht um den Autor Petersdorff, sondern darum, wie er zum Autor wurde, wie er Professor wurde, wie das im Allgemeinen überhaupt vonstatten geht, deshalb hörten wir nur am Rande bzw. am Schluss ein paar lyrische Zugaben, wo mein gewähltes Gedicht leider nicht dabei war. Ob er es zu Benns „Handvoll“ dazuzählt, konnte ich ihn nicht fragen, soweit war ich noch nicht.
Aber zurück zum Text: das Googeln brachte das gewünschte Ergebnis, die zweite Strophe, und ich musste mich fragen, weshalb der DTV die 2009 veröffentlichte Sammlung der „Power-Lyrik“, zusammengestellt von Anton G. Leitner, mit 20 Seiten ins Netz stellt. Ich gehe nicht davon aus, dass es sich dabei um das vollständige Exemplar der Sammlung handelt. Aber anscheinend will doch hier jemand neugierig machen auf Lyrik, dem Urheberrecht zum Trotz völlig kostenlos. Und da komme ich schon mit Riesenschritten auf ein Thema zu, dass einen „Autor“ über kurz oder lang beschäftigen muss:

„ein Glitzern, flüchtiges Treiben,“

Das trifft genau zu: auf das Urheberrecht. Ich würde diesen Punkt hier nicht ansprechen, wenn er nicht Teil der Vorlesung gewesen wäre. Er wurde nicht intensiv diskutiert, sondern vielmehr abgehandelt, so wie es der Großteil der Menschen nun einmal macht. Zu Wort kommen alle, aber schön hintereinander. Ich wollte mich hier in meinem Blog nie darüber auslassen, denn die Diskussion ist müßig. Es gibt einen Text von Lachmann, in dem er sich über die Auffassung des Autorbegriffs beklagt – jene, die das Seminar Dehrmanns „Was ist ein Autor“ besucht haben, können sich vielleicht erinnern – und den Verdienst an der Sache in Frage stellt. Und genau darin liegt doch das Problem, es wird seit mehr als 4000 Jahren eine Schriftkultur gepflegt ( im Gilgamesh-Epos soll es sogar den Ausspruch geben, dass zum Zeitpunkt der Niederschrift des Epos bereits alles geschrieben worden sei ) und wer sich wo bediente und in welchem Maße ist längst nicht mehr überschaubar bis auf die wenigen Beispiele, die gut belegt erst in den letzten 200 Jahren gesammelt wurden. Bleibe ich gleich bei Lachmann, dessen Parzival ja immer noch die gültige Fassung einer längst vergangenen Dichtung darstellt. Oder Helene Hegemann, die sich im Blog von Airen bediente. Wolfram von Eschenbach musste sich nicht dafür rechtfertigen, dass er von seinem „französischen Kollegen“ abgekupfert hat. Auch er glitzerte nur kurz und steht nachwievor für den Parzival. Höchstwahrscheinlich nur dem studierten Germanisten ist bekannt, dass der Parzival, so wie wir ihn kennen oder schon einmal von gehört haben, textkritisch von Lachmann bearbeitet wurde. Was bleibt, ist die Frage nach dem Autor? Höchstwahrscheinlich ist er genauso ein Konstrukt, wie die „Urfassung“ des Faust oder die Urfassung der Nibelungensage, es ist alles eine Frage der Enge der Definition.
Der Ironieschalter übrigens steht weiterhin auf „On“, der Kreuzreim kann hier nicht darüber hinwegtäuschen, dass die beiden ersten als auch die beiden letzten Zeilen eine dichte jeweils gemeinsame Sinneinheit bilden. Der wehmütige Unterton des „Flüchtigen“ spielt sogar noch auf den Schluss der ersten Strophe an, wie ich finde.

„Du mußt Tempo machen!“

Ja, das muss ich, mein Manuskript fasst bereits 2 volle Seiten. Ich verlasse den Ironiesektor und widme mich endlich den wirklich wichtigen Dingen: in seinen Zeilen bestimmt keine herausragende Einzelleistung, das können andere genauso gut. In der Gesamtheit aber offenbart sich etwas Einmaliges. Es ist die Komposition, die ironische Ernsthaftigkeit, die mich an diesem Gedicht so gefesselt hat. Aus der Musik kennt man die Vermischung zweier oder mehrerer Musikstile unter dem Begriff Crossover, ähnlich ist es auch hier gelagert, wenn Anglizismen auf Romantik treffen.

„Du mußt locker bleiben!“

Ich bleibe lieber geschmeidig, denn ich darf nicht vergessen, dass ich einer anderen Generation angehöre. Diese andere Generation übersieht aber nicht die Parallelen zwischen dem „gleiten“ und dem „locker bleiben“, die scheinbare Mühelosigkeit, die in beidem steckt – den geschlossenen Kreis. Sie übersieht auch nicht, in welcher Konstellation die Vokale am Schluss der Zeilen eingesetzt werden, in welchem Wechselverhältnis sie zueinander stehen, die halblangen Diphtonge in „treiben“, „bleiben“, „weiten“ und „gleiten“ und ihre Wirkung aufs Gemüt. Sie stehen für die ausführlichen Antworten des Gastdozenten, wogegen die kurzen, herausgestoßenen „au‘s“ und „ach’s“ auf den „Interviewer“, dem hauptamtlich leitenden Professor zuzuschreiben sind. Diesen Zusammenhang habe ich mir ausgedacht, schließlich wollte ich die Vorlesung in Gedicht pressen – analytisch und nicht den Worten Schillers nach ( ich habe den Originallink leider nicht mehr gefunden, deshalb muss ich hier auf mich selbst zurückgreifen ).
Dafür muss ich locker bleiben, was mir manchmal schwer fällt, vor allem dann, wenn ich solche Sätze höre: „Auch als Blogger kann man sich zum Autor entwickeln.“ Wenn ich mir jetzt den Zusammenhang vergegenwärtige – es ging darum, dass in irgendeiner Zeitung stand, ein Blogger hätte sich bei der Künstlersozialkasse angemeldet, und das kürzlich, also vor vielleicht einer Woche – dann frage ich mich einerseits, ob das Medium Zeitung tatsächlich noch der Höhe der Zeit entspricht und den Ton angeben sollte, und welche schlummernden Ressentiments in unserem Dozenten bisher verborgen blieben. Zum ersten: bereits vor diesem von der Zeitung völlig verschlafenen Termin gab es Blogger, die in die Künstlersozialkasse eingezahlt haben, die „künstliche“ Trennung zwischen Autor und Blogger – soviel zu zweitens – ist demnach eine vor allem von etablierten Medien gestützte Hypothese, die mir fast genauso grotesk erscheint wie der Streit um das Urheberrecht ( ein paar schöne Links zu dem Thema aus meiner Nachbarschaft ). Und drittens erscheint mir das Statusdenken hier zu stark formalisiert, denn nur weil im Durchschnitt jeder Bundesbürger 20.000 Euro Schulden hat, trifft das noch lange nicht auf mich zu. Nur weil ein Blogger in die Künstlersozialkasse einzahlt, ist er ein Künstler, oder was?

Wie der geneigte Leser wahrscheinlich schon längst festgestellt hat, ich habe keine Ahnung von Lyrik. Ich kann den Kreuzreim vom umarmenden Reim unterscheiden aber Blankverse mit 5-hebigen Jambus waren nicht meine Welt, denn ich habe ja Internet und kann mich schlau lesen. Außerdem ist das hier mehr eine Pflicht, denn eine Kür. Auch wenn ich mir sehr viel Mühe gab, auch wenn ich diese Pflicht selbst heraufbeschwor, so bleibt dieser Text doch nur ein Blogeintrag von vielen – nicht auszudenken, wenn ich dafür bezahlt werden würde, dann hätte ich den Lachmann womöglich korrekt zitieren müssen, Recherche betreiben, die unvollständig bliebe und Angriffspunkte lieferte, ich hätte konsequenter Anführungszeichen setzen müssen. Vielleicht wäre ich zu dem Schluss gekommen, den Text gar nicht veröffentlichen zu können, weil hier absolut gar nichts zusammenpasst. Dem setze ich mich nicht aus.

Ich habe jetzt drei Halbe intus, keine notwendige Substanz zum Schreiben, aber in diesem Fall erleichterte es die Sache ein wenig.

Und noch etwas möchte ich anmerken, nachdem dieser Text seit 5 Tagen online ist. Ich habe mir erlaubt, daran zu arbeiten, seine Form flüssiger zu machen und den sperrigen Assoziationen ein paar Erklärungen nachgeschoben, das mache einmal jemand mit einer Zeitung, einer Examensarbeit oder einem bereits veröffentlichten Gedicht, dann heißt es gleich wieder: wo ist die Urfassung? Welcher Text steht dem Autor näher, welcher Text repräsentiert seine Ansichten besser? Das kann ich nicht abschließend beantworten aber den Nutzen aus der Ambivalenz zwischen der Entfernung zum eigenen Text und der trotzdem vorhandenen Nähe zu ihm kann mir nur ein Text im Internet bieten, den ich nach Belieben, wann ich es will, ändern kann.


Hier geht's weiter: Text 3

Donnerstag, 12. April 2012

Angewandte Literaturwissenschaft: Alexander Košenina

Hoffentlich ist dieser Text ( wenn ich denn die Zeit und Muße finde, mich nach jeder Sitzung hinzusetzen und einen Artikel darüber zu schreiben ) als Prolog zu verstehen und in seinen Aussagen kein Dogma. Er dient lediglich zur Einleitung in das hochkomplexe Thema dieser Veranstaltung und meine Erwartungen daran. Hier wird revidiert und bestätigt - mehr revidiert, hoffentlich.

Es geht im folgenden immer um die Veranstaltung: Angewandte Literaturwissenschaft der LUH, betreut durch Alexander Košenina, im Sommersemester 2012.


Als ich 1996 kurz vor dem Abitur zu einer Veranstaltung von „Carpe Diem“ geladen wurde – erst meine zweite Dresscode-Veranstaltung nach der Jugendweihe – kam mein Vater mit. Lachhaft möchte man meinen, war ich doch eigentlich alt genug, um Entscheidungen über mein zukünftiges Leben selbst in die Hand zu nehmen. Im Nachhinein betrachtet, konnte ich froh darüber sein, von meinem Vater, „entmündigt“ worden zu sein. Er hat viele Jahre für eine private Versicherungsgesellschaft gearbeitet, kennt das Haifischbecken. Ich durchschaute damals nämlich nicht, welche perfide Rekrutiermaschine hier ihre Tentakeln ausbreitete, die DVAG ( Deutsche Vermögensberatung ).

Wie komme ich darauf, wo ich doch gerade aus einer Vorlesung mit dem Titel „Angewandte Literaturwissenschaft“ komme? Wieso kommt mir gerade da mein Vater in den Sinn? Aus einem relativ einfachen Grund: die Liste der „Vorträger“ der Veranstaltung – bis auf die Eingangssitzung, die vom zuständigen Professor geleitet wurde – liest sich wie ein „Who is Who“ der literaturwissenschaftlichen Schwergewichte in ihren Fachgebieten. Da kommt nicht irgendwer, da kommen Professoren, Doktoren, Verlagsleiter, Feuilletonisten, Museumsleiter – die wahren Verkörperungen ihrer jeweiligen Institutionen.

Das erklärt natürlich noch nicht, wie ich das mit der Rekrutierveranstaltung eines der größten legalen Drückervereine Deutschlands in Verbindung bringe. Ich musste deshalb an meinen Vater denken, weil sich in dieser Vorlesungs der sogenannte Flaschenhals* die Klinke in die Hand gibt, die von uns Studenten doch höchstens einer von hundert beerben kann. Es sollen uns hier Möglichkeiten erläutert werden, was ein Studium der Literaturwissenschaft für die Karriere bedeuten kann. Kann? Möglichkeiten? Genauso wurde bei der DVAG verfahren, da wurde uns erzählt, wie viel Geld wir verdienen können, in welchen firmeneigenen Resorts wir Urlaub machen dürfen, von Tagungen mit internationaler Prominenz, Werbepartnern und Sponsoring, Kulturförderung – alles im Namen der DVAG. Aber dass wir dafür unsere Großmutter verkaufen müssen, das hat uns niemand gesagt.

Doch zurück zu der illustren Runde von Vorträgern: unser Dozent, ein Professor, den ich sehr schätze, weil er nicht nur die richtigen Ideen hat und manchmal sogar für deren Umsetzung sorgt, ein offenes Ohr für uns Studenten aufbringt und trotz seiner konservativen Meinung der sich verändernden Medienlandschaft gegenüber ( ein Zeitungsleser, der nicht müde wird, uns diesen alten Schinken immer wieder aufzutischen ) bereit ist, hin und wieder über den Tellerrand zu schauen – er spricht immer vom Wissenschaftsbetrieb im Elfenbeinturm, den er gern beenden, erden möchte – stellt also die Gastdozenten vor und mir wird klar, dass er genau den Elfenbeinturm, den er gern beseitigt wissen wollte, den es seiner Meinung nach nicht geben sollte, wenn die Literaturwissenschaft aus ihrer Selbstbeweihräucherung herauskommen möchte, zu uns eingeladen hat, um uns mit deren Werdegängen und Berufungen „bekannt“ zu machen ( das hätte ich jetzt auch viel drastischer und bestimmt weniger gestelzt und verschachtelt ausdrücken können, und steht deshalb Pate für meine Erwartung an die kommenden Sitzungen ).

Ich dachte auch deshalb an meinen Vater, weil ich jetzt, fast 16 Jahre später, längst erkannt habe, dass ich bei der DVAG zwar meine Großmutter verkauft hätte aber kein reicher und glücklicher Mann geworden wäre. Hier in der Vorlesung allerdings sitzt mein Vater nicht neben mir. Ich muss allein entscheiden, ob mir die dargebotenen „Trauben“ nicht sauer aufstoßen werden, ob ich womöglich gar nicht in der Lage sein werde, jemals von den Trauben zu kosten. Ich bin jetzt selber Vater und muss in noch ferner Zukunft vielleicht selber Rat und Stütze sein, wo ich doch nicht einmal hier und heute sicher sein kann, den Zweck des Ganzen zu durchschauen.

Und noch ein Nachtrag in eigener Sache: Die Vorlesung bietet uns die Möglichkeit, einen Schein zu erwerben. Die Studienleistung, die neben der Anwesenheit verpflichtend ist, besteht aus einem kurzen, knackigen Text zu einer der Sitzungen, in dem wir die jeweilige Sitzung und ihren Dozenten porträtieren – nicht mehr als 1-2 Seiten. Das habe ich jetzt auch schon erledigt, möchte das gern regelmäßig machen. Allerdings sind mir die Inhalte und Dozenten weniger wichtig, mir geht es nicht um eine Wiedergabe, sondern um eine Widergabe. Denn den mit Abstand größten Teil sollen meine Assoziationen ausmachen, meine Ressentiments gegenüber Inhalten und Dozenten, meine Skepsis – mein subjektiver Eindruck eben. Keinen meiner Texte werde ich meinem Professor einreichen, ich brauche den Schein nicht und würde dafür wahrscheinlich auch keinen bekommen.

Teil 2

Sonntag, 18. März 2012

Von gläsernen Schuhen und Filterzigaretten

Als ich vorgestern zum ersten Mal seit langem wieder Zeit fand, die Mensa zu besuchen, hätte ich beinah mein Notizbuch vergessen. Und was viel schlimmer war, ich hatte es zwar mit aber machte mir fast keine Notizen. Das ist Mist, weil mir jetzt natürlich der Zusammenhang fehlt, bei dem ich diesen Satz hier in das Buch schrieb:

Der Filter ist das Kondom der Zigarette.

Ich muss dabei immer an Marla Singer denken, wie sie im Abrisshaus hinter Tyler Durden steht, der noch gar nicht weiß, dass er Tyler Durden ist und Kaffe kocht. Dann sagt sie irgendwas über einen gläsernen Schuh, den sie überstreift und aus dem man wieder herausschlüpft und dann wirft man es weg, wie ein Kondom oder anders herum. Sie fasst ihm in den Schritt und er wirft sie raus. Szene zu Ende.

Weil der Satz so eine komische Gedankenkette auslöste, steht er zu Recht in meinem Notzbuch aber wie wir darauf kamen, das habe ich schlicht vergessen. Ich weiß nur noch, dass der Vater vom Arzt ihn so gesagt hat und eben dieser Sohn, mit dem ich in der Sonne saß, der womöglich eine ganz andere Gedankenkette dazu im Kopf hat, sich diesen Satz gemerkt hat.

edit: Ich habe das originale Zitat aufgetrieben bei Wikiquote:

Das Kondom ist der gläserne Pantoffel unserer Generation. Du schlüpfst hinein, wenn du einen Fremden triffst... Du tanzt die ganze Nacht... Und weg damit.

Mittwoch, 29. Februar 2012

Klasse 7

Als hätte Frau Holle die Kissen geschüttelt und statt Schnee schwebten Flocken von Pubertät durch den Raum. Man hätte sie förmlich einfangen und in Säcke stecken können, wäre sie nicht so flatterhaft gewesen. Ich wurde eingangs gefragt, wer ich denn sei. Ich antwortete, ich stelle mich gleich kurz vor, ich bin Praktikant. Beschämtes Abwenden, so hätte sie das gar nicht gemeint, ruft sie noch. Was nur hat sie gemeint?

Die Stimmung war geladen. Die Lehrerin war eine kleine Laterne, die mit ihrem Schein gerade einmal einen Kreis von wenigen Metern erhellte. Außerhalb des Lichtkegels herrschte schnatternder Konzentrationsmangel. Eine Viertelstunde dauerte es allein, die Gruppen zu ordnen und dazu zu bewegen, sich zusammenzusetzen. Komischerweise ging dann alles recht schnell. Die ersten stellten ihr Ergebnis vor, es wurde diskutiert, nicht immer treffend aber mit thematischem Bezug. Gefangen in ihrer Rolle ( die Aufgabe war ein Rollenspiel ) war plötzlich die Stunde um, wie immer, wenn es interessant zu werden droht.

Dienstag, 28. Februar 2012

Der erste Eindruck

Gestern begann ich meine zweite Karriere in der Schule, das allgemeine Schulpraktikum, was dazu befähigen sollte, herauszufinden, ob einem der Lehrerberuf liegt oder nicht. Die erste ist schon so lange her, dass ich mich kaum noch daran erinnern kann. In vielerlei Hinsicht ist diese Ausblendung auch gut so, denn mit der Schule verband ich nie wirklich positive Erfahrungen. Meiner damaligen Rolle als stiller Teilhaber/Beobachter komme ich auch heute wieder nach, nur dass ich meine Beobachtungen nun schriftlich festhalte, um sie mir später noch einmal anschauen zu können.

Mit dem, was uns in Seminaren erzählt wird, hat die Realität überhaupt nichts zu tun und mit jeder Meldung, Kommentar seitens Schüler oder Lehrer rückt mir einerseits die Erinnerung an meine eigene Schulzeit auf die Pelle und andererseits verdeutlicht mir das die Entfernung zwischen der Theorie des Unistoffes und der Wirklichkeit des Schulalltages.

Ich bin an einer IGS, einer integrierten Gesamtschule, die nicht nur fächertechnisch einige Besonderheiten bietet ( GW = Gesellschaftswissenschaften = ein Verbund aus Erdkunde, Geschichte und Politik ), sondern auch in der Organisation Überraschendes parat hält ( es gibt keine Schulklingel und der Unterricht findet in Blöcken von 2 normalen Unterrichtsstunden statt, also 1,5 h ). Hat ersteres noch scheinbare Nachteile ( die wenigsten Lehrer studierten diese drei Fächer, sondern eher maximal zwei davon ), so offenbaren sich beim zweiten Punkt erhebliche Vorteile. Nicht nur dass störende Klingeln fehlen und/oder störende Unterbrechungen evozieren, darüber hinaus erweist sich das Blockmodell gerade für größere Stoffmengen oder auch für aufwendige Präsentationen als hilfreich, da ein 45-Minutenzeitfenster weniger zeitlichen Spielraum lässt.

Ich bin positiv überrascht über das Selbstverständnis mit dem hier in den Klassenstufen 5-9 "fachfremd" unterrichtet wird und konnte zumindest für das Fach Geschichte bisher keinen Nachteil entdecken. Ich habe auch dem "reinen" Geschichtsunterricht einer 11. Klasse beigewohnt und sowohl der Grad der Beteiligung als auch die Komplexität des Themas hätte ich mir in der 11. Klasse so nicht zugetraut, wurde von den Schülern dort aber scheinbar mühelos abgearbeitet.

Mittwoch, 11. Januar 2012

Drei für eins

Nach dem Besuch meiner Lieblingsvorlesung am Dienstag Abend schwirrte mir mal wieder mächtig der Kopf. Nicht nur dass unser Dozent den Eliaschen Kulturbegriff mit dem Begriff der Bildung gleichsetzte, darüberhinaus habe ich immer mehr das Gefühl, dass uns dieser Mann eher davon abraten wollte, den Lehrerberuf auszuüben.

Habe ich persönlich nichts dagegen, und bisher sind mir auch zu seiner schrägen Hypothese keinen wirklichen Gegenargumente eingefallen. Elias stellt ja den "deutschen" Kulturbegriff dem Zivilisationsbegriff des franko- bzw- angloamerikanischen Raum gegenüber und beschreibt dabei einen Wandel von der sozialen zur eher nationalen Begriffsbildung, also was vorher ein ständisches Feld war, wurde dann zum Nationalitätenfeld ernannt. Und in der Tat gibt es zwischen dem Begriff der Bildung und dem der Kultur ( im Eliaschen Sinne ) durchaus Ähnlichkeiten. Allerdings wird ein Vergleich mit dem Zivilisationsbegriff des Franzosen z.B. umso schwerer, wenn ich statt Kultur Bildung benutze.

Tischmanieren, Begrüßungsfloskeln oder eben allgemein moralisch und ethisch normiertes Verhalten spielen in der Genese des Zivilisationsprozesses eine große Rolle, wogegen dies beim Bildungsbegriff nur noch sehr schwammig daher kommt - also nicht in der Ausführung, sondern eher in der Definition. Das "Bildungswesen" und insbesondere der Gesetzgeber sagen dazu:

Die Schule soll im Anschluss an die vorschulische Erziehung die Persönlichkeit der Schülerinnen und Schüler auf der Grundlage des Christentums, des europäischen Humanismus und der Ideen der liberalen, demokratischen und sozialen Freiheitsbewegungen weiterentwickeln. Erziehung und Unterricht müssen dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland und der Niedersächsischen Verfassung entsprechen; die Schule hat die Wertvorstellungen zu vermitteln, die diesen Verfassungen zugrunde liegen.
Nieders. Schulgesetz, §2

Nun könnte man fragen: was hat dann die Schule damit zu tun? Erlangt man in der Schule Bildung? Wen würde ich ad hoc als gebildeten Menschen betrachten und welche Facetten seiner schulischen "Ausbildung" würde ich dabei berücksichtigen. Und hat das dann was mit seinen Manieren zu tun oder Persönlichkeit?

Es ist wohl alles eine Frage der Betrachtung und dabei ähneln sich alle drei Begriffe: sowohl die Zivilisiertheit, das Gebildetsein als auch das Kulturverständnis jedes Einzelnen obliegt der Beurteilung von Außen, und jedem dieser Begriffe wird je nach Herkunft eine andere ästhetische Messlatte zugrunde gelegt.

Dienstag, 10. Januar 2012

Vorspannung

Die Ferien - nein, so heißt das bei uns nicht mehr, jetzt heißt das Vorlesungsunterbrechung - ist vorbei. Ich war zwar schon am Freitag beim Lateinkurs aber irgendwie zählt der nicht richtig. Montags habe ich keine Uni, dafür dienstags den ganzen verdammten Tag lang. In den Wochen vor Weihnachten musste ich immer einmal ein Seminar schwänzen, weil ich sonst einfach nicht durchgehalten hätte. Mein Fehlzeitenkontingent ist jetzt fast aufgebraucht ( ja so etwas gibt es, 2 Termine pro Seminar, ansonsten gibt es keinen Schein ) und so muss ich den letzten Monat durchziehen.

Heute geht's los. So richtig. Latein ist einer der wichtigsten Bausteine des Studiums. Ich könnte sonstwelche Qualifikationen erwerben, aber Deutsch- und Geschichtslehrer werde ich nicht, wenn ich das Latinum nicht habe. Trotzdem ist dieser Baustein irgendwie außer der Reihe. Er passt nicht in den Stundenplan. Es gibt keine Creditpoints dafür. Und gebrauchen werde ich das Lateinische wahrscheinlich in dieser Fächerkombination auch nicht, es sei denn ich versteige mich in der Antike auf ein Fachbegriffe.

Ich trinke gerade meinen letzten Kaffee, Fiete erwartet sehnsüchtig, dass ich meinen Platz an der Tastatur räume, denn satt und sitt ist er und sobald ich mit KLimpern fertig bin, darf er meinen Platz einnehmen und klimpern. Das Geziehe am Arm wird stärker, ich muss jetzt wohl weichen.

Mittwoch, 4. Januar 2012

Braune Soße

Als wir gestern zur Mensa wollten, wußten wir nicht, ob sie denn überhaupt schon wieder geöffnet hat nach der einwöchigen, womöglich längeren Verschnaufpause. Deshalb habe ich kurzerhand im Internet nachgesehen und kam sogleich auf den gestrigen Speiseplan:



Etwas irritiert hatte mich die Bezeichnung "braune Soße" schon. Im Büro, wo ich zum Zeitpunkt der Recherche saß, stieß das natürlich auf wenig Verständnis. Jeder der Mitinsassen hatte eine andere Erklärung für die "braune Soße". Ich bekam, auch der vielen verschiedenen Mutmaßungen wegen, den Auftrag, zu ermitteln, welche Erklärung denn am passendsten war. So machte ich mich also auf den Weg, um zu prüfen, ob die Soße einen Seitenscheitel trug oder ob die Essensfrau hinter dem Tresen beim Ausschenken laut die Soße anpries:"Wollt' Ihr die totale Soße?"

Das Rätsel konnte nicht gelöst werden, denn die Soße war bis auf ihren Namen sehr unauffällig und verhielt sich im Geschmack nicht anders als die braunen Soßen, denen jegliche Spezifikation im Geschmack - sei es zum Beispiel durch Wein oder Sherry - abgeht. Ein bißchen Salz, ein bißchen Farbe, mehr nicht. Zumindest hat der Menüschreiber für mich einen schrägen Humor bewiesen, indem er aus der Soße mehr gemacht hat, als er wahrscheinlich selber wollte, wußte, vielleicht weiß er nicht einmal um sein humoriges Talent.

Donnerstag, 8. Dezember 2011

Von Kellerasseln und Mäeutik

Ich saß am Dienstag Abend erneut in meiner Lieblingsvorlesung. Schulpädagogische Grundlagen. Ein echter Kracher, da hier zum Teil recht unreflektiert schwadroniert wird, was manchmal echt witzig ist. Neulich fragte ein Student, was denn die "Klassenkooperation" bedeute. An die Wand war eine überdimensionale Torte projiziert, die uns nichts anderes zeigen sollte, als dass der Frontalunterricht mehr als 85% der Unterrichtsaufkommens ausmacht. Die sogenannte Klassenkooperation bildete ein Teilstück von vielleicht 3% Prozent. Der Prof antwortete ganz enthusiastisch: Das habe ich mich auch schon gefragt. Was er von solchen Schaubildern hält, hielt ihn nicht davon ab, uns damit zu behelligen, gleichzeitig riet er uns, es auf dem Schulbuchsektor zu versuchen, das wäre ein sehr einträgliches ( freudscher Versprecher inklusive: erträgliches ) Geschäft.

Ich besuche ein Seminar des gleichen Profs zu einem praxisorientierteren Thema, da verlieren wir uns manchmal so sehr in Einzelheiten, dass ich überhaupt nicht bemerke, wie die Zeit vergeht. Hier schult er unseren Geist für jeden noch so kleinen Hinweis, lässt uns alles auf die Goldwaage legen und schon öfter dachte ich bei mir, das kennst du doch aus deiner Schulzeit. Ein unbestimmtes Gefühl von "Falschheit" ( Falschheit im Sinne von: was gesagt wird, ist nicht gemeint ) hatte so manches Lehrergebaren, aber erst jetzt, wo ich mich konkret mit solchen Situationen auseinandersetze, kann ich erklären, woran das lag. Und weil mir das Seminar sehr gut gefällt, gehe ich eben auch in die Vorlesung.

Hier kam es dann am Dienstag zu folgendem Dialog: auf die Frage hin, wie es denn sein könne, dass seine Vorlesung zum gleichen Thema ( die schulpädagogische Grundlagen eben ) einen völlig anderen Schwerpunkt hätte, als die andere Vorlesung dazu und wie er sich denn mit seinem Kollegen verstünde, der offensichtlich ein großer Freund der Reformpädagogik ist ( unser Prof. sieht da einen direkten Zusammenhang zwischen der Reformpädagogik und den vielen Mißbrauchsfällen an Schulen dieser Denkrichtung, Stichwort pädagogischer Eros bei Google, da ist einiges dabei zu dem Thema ), sagte er ganz trocken: Wir respektieren uns und gehen uns aus dem Weg.
Unsere Aufgabe ( also wir Studenten ) sei es, selbst zu entscheiden, was wir uns wo herausfischen, um es später im Lehrerberuf anzuwenden, er und seine Kollegen seien nur da, um die Vielfalt zu wahren, da es ja offensichtlich "Den Einen Weg" nicht gäbe.

Tja, und seitdem frage ich mich, weshalb ich darüber staunen soll, wie modern ein Comenius gewesen ist oder warum das in sich versunkene Betrachten einer Kellerassel kein echtes Interesse nach der sokratischen Methode sei ( diese Brücke gab es wirklich, bin sie gegangen bis die Geschichte mit dem Jever-Bierdeckel-Rätsel kam, da bin ich ausgestiegen ). Viel lieber wäre es mir manchmal in der Schule zu sitzen und über eine Klasse, einen Schüler oder einen Lehrer zu staunen. Wieso wird man Lehrer in einem theorieüberladenen universitären Korpus, anstatt den Lehrberuf an einer praxisorientierten Fachhochschule zu studieren?

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