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Bei den Leisen Tönen. Manchmal braucht es einen Blog, um sich Luft zum Denken zu verschaffen. Keine Steckenpferde, Hobbies oder sonstiges Spezielles, nur Luft zum Denken.

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Dienstag, 19. Dezember 2017

Ref adé

Bin aus dieser Grütze endlich raus. Hatte heute einen meiner schlechtesten Tage ever, hatte die letzten Wochen die schlechtesten Wochen ever, und nun muss ich endlich mal nachholen, was ich schon längst vergessen habe, wie es geht.
Mich entspannt zurücklehnen und ein Buch lesen.
In eine Kneipe gehen und nach dem zweiten Bier sagen, dass ich jetzt noch ein drittes möchte.
Weihnachtsgeschenke kaufen.
Einen Film gucken.
Gucken.
Schlafen.
Gucken.
Essen.
Essen gehen.
Einkaufen gehen.
Autoreparatur nachholen.
Die ganzen vielen kleinen Dinge zu Hause reparieren.
Zum Zahnarzt gehen und meine Wurzelbehandlung zu Ende führen.
Entscheiden, was ich davon als erstes machen will.

Montag, 7. Oktober 2013

Vielleicht - ach!

Den ganzen Tag über schon beschlich mich das Gefühl, auf die Toilette zu müssen. Ich ging, ein ums andere Mal. Zuletzt, ich war gerade dabei die Requisiten des Stückes einzuräumen, konnte ich nicht, weil ich die Arbeit ungern an dieser Stelle unterbreche. Nachher fehlt irgendetwas beim Wiederaufbau und mir oder jemand anderem schwant von diesem Abend und meiner lausigen Arbeitsmoral. Ich unterdrückte also das Gefühl, unterbrach meinerseits die Arbeit der Kostümabteilung, indem ich ihnen von dem verschwundenem Stahlhelm erzählte und erntete dafür sogleich eine volle Box mit Kleidern, die noch auf der Bühne verblieb, als die beiden Frauen längst schon in der Bahn oder im Bus oder auf dem Fahrrad die Heimreise angetreten hatten.

Den ganzen Tag über schon brodelte es. Ein wirklich schlechter Tag kündigt sich ja nicht einfach so an, er beschließt sein Ende in einem fulminanten Finale aus Kleinigkeiten. Man merkt erst ganz zum Schluss, in der Rückschau, sozusagen, was sich alles abgespielt hat. Dann zieht man einen Summenstrich drunter, rechnet nach: da haben wir’s ja, ein wirklich beschissener Tag.

Nach getaner Arbeit stehe ich am Waschbecken und will mir die Hände waschen. Es ist das hundertste Mal, beschleicht mich ein Gefühl, weil ich ständig irgendwo in Schuhcreme hineinfasse, die wahllos auf der Bühne verteilt in Ecken lauert, wo ich gerade meine Griffel anbringe. Sie gehört zum Stück, ich gehöre irgendwie auch dazu, also habe ich gefälligst Schuhcreme an den Händen.

Ich stehe also vor diesem Waschbecken, ziehe meine Finger in Richtung Handfläche, weil man das so macht, wenn man Seife aus dem Spender haben möchte, und muss feststellen, dass mir die Seife zwischen Mittel- und Ringfinger hindurchrinnt, nicht ohne eine hauchzarte Spur in der Mulde zu hinterlassen. Die Spur reicht nicht und ich versuche ein weiteres Mal mein Glück, denke aber nicht daran, auch nur eine Kleinigkeit anders zu machen als zuvor, mit dem gleichen Ergebnis.

Ich wasche mir die Hände und will sie gerade an den sensorgesteuerten Papierzuführer halten, als ich bemerke, dass dieser alle ist. Da habe ich den Strich gemacht, vorsichtshalber, nachher stimmt mein Urteil von dem fulminanten Ende gar nicht. Vielleicht - ach!

Donnerstag, 22. August 2013

Ich habe Visa

Diesen Satz hätte ich gern selbst gesagt, leider war ich nur Zeuge aber deshalb nicht weniger amüsiert. Ich stand gerade hinter dem Tresen der Strandbar, als eine nicht kleine Gruppe von Arbeitnehmern und ihrem Chef per Kanu bei uns eintrudelte. Wir sind ein oft angesteuerter, weil gern empfohlener Zwischenstopp auf den Kanufahrten entlang der Leine und Ihme. Wir sammeln hier die Betriebsausflüge, Geburtstage und Junggesellenabschiede ein und verköstigen unsere Gäste an der einzig wirklichen Ausstiegsmöglichkeit auf dieser Strecke – wir besitzen mehrere Möglichkeiten der Kanuseilmontage, und, was noch viel wichtiger ist, wir haben die richtigen Getränke.

Man kann bereits am Umgang der Leute untereinander erahnen, um was für eine Gesellschaft es sich handelt. Die Betriebsausflüge sind mir natürlich die liebsten, denn das Gemisch aus Siezen und Duzen, die Zusammenstellungen der Arbeitnehmer und Führungskräfte hinsichtlich Alter und Geschlecht lässt viel Raum für Spekulationen.

Die Gesellschaft untereinander duzte sich fast ausnahmslos. Nur der Chef wurde gesiezt, vor allem von den Jüngsten der Runde. Ein paar Ältere duzten ihn auch. Mich verleitete dies und auch die äußerst heterogene Struktur der Anwesenden zu der Annahme, dass es sich um ein inhabergeführtes Geschäft handeln musste, abseits vom reinen Handelsgeschäft, es war ja schließlich Mittwoch. Anders als bei Abteilungen größerer Unternehmen, die je nach Branche ausschließlich Männer oder Frauen beschäftigen können und sich manchmal sogar im Alter nur wenige Ausreißer leisten, war hier alles vorhanden: junge Frauen und Männer, ältere Frauen und Männer und eben den ältesten Mann, dem Chef.

Der Chef stellte sich auch sogleich an den Tresen und bezahlte die komplette Runde der ersten beiden Kanus, während die anderen beiden Kanus mit ihren Insassen noch mit dem Aussteigen beschäftigt waren. Nur einer, der Pechvogel der Gesellschaft, blickte die Verhältnisse nicht und bezahlte selbst. Mir war das egal, für so etwas gibt es immer einen Grund.

Als die zweite Ladung am Strand war und sich auf den Weg zum Tresen machte, rief bereits von weitem eine voranschreitende Frau, sie hätte das Portemonnaie des Chefs, sie bzw. er würde alles bezahlen. Kein Grund zur Eile für die meisten. Einer blieb sogar stehen und erfragte mit bildungsbürgerlicher Attitüde und leicht spöttischen Mundwinkeln, ob sie denn in Besitz der Prokura sei. Ich kann nicht sagen wie die Antwort gemeint war, es gab sowohl Anzeichen von Unverständnis als auch geringfügiger Herablassung bei der so in Frage gestellten Frau. Die Reaktion aber war schlagfertig, egal wie die Szene interpretiert werden könnte: ein kurzer Blick in das Portemonnaie, eine Karte wurde gezückt und wieder hineingeschoben, dann sagte sie mit eben diesem undeutbaren Blick auf den mittlerweile neben ihr stehenden Mann: „Ich habe VISA“, und ging weiter.

Samstag, 17. August 2013

Schach real

Gestern Abend bis tief in die Nacht hinein stand ich hinter dem Tresen der Strandbar und spielte entgegen meiner Gewohnheit zwei Partien Schach. Indem ich das hier bereits so früh am Morgen aufschreibe, beweise ich, dass es zu keinen größeren Verletzungen, Beschädigungen oder anderen Beeinträchtigungen gekommen ist, die ich, mein Mitspieler und Arbeitskollege Herr Putzig oder irgendeine andere Person erleiden musste.

Wir spielten deshalb genau zwei Partien, weil wir nicht mehr Zeit hatten, um in einer dritten noch die Entscheidungsschlacht durchzugehen. In der ersten fegte ich ihn vom Platz, in der zweiten besiegte er mich durch seine Sturheit nicht aufgeben zu wollen. Ich machte einen Fehler und musste die sich bis an die Decke stapelnden Becher abspülen. Wir schafften deshalb genau zwei Partien, weil auch ständig Leute kamen und Getränke von uns wollten.

Samstag, 22. Juni 2013

von 6 auf 2

Es war einer dieser großen, unheimlichen Lastenaufzüge, deren Inneres aus nur zwei Kabinenwänden besteht, weil die jeweiligen Türen der Etagen – oder aber das Mauerwerk dazwischen - den vermeintlichen Eindruck einer geschlossenen Kabine vermitteln. Decke und Fußboden waren metallisch, unten geriffelt, oben glatt und viel zu nah an mir dran.

Ich wollte nach unten fahren. Nachdem ich die Tür hinter mir zufallen ließ, den Schlüssel zur Inbetriebnahme im Schloss herumdrehte und die 2 betätigte, kam plötzlich Bewegung in die Sache. Das Haus schien zu wachsen. Die Etagen sprossen nur so an mir vorbei in den dunklen, schmalen Spalt zwischen der Wand und dem Aufzug. Ich schaute nach oben in den Spalt, wo sich das Haus in der Dunkelheit verlor.

„Von der Schachtwand zurücktreten!“, forderte mich ein Schriftzug in meinem Kopf auf, den ich aus ähnlichen Begegnungen in ähnlichen Aufzügen so oder so ähnlich gelesen haben musste. Erschrocken tat ich einen Schritt ins Innere der Kabine, befürchtend, die ersten Steine, des durch den Himmel ragenden Hauses, könnten sich oben gelöst haben und fallen nun mit lautem Getöse geradewegs den dunklen Spalt hinab. Aber das Poltern erstarb mit der Bewegung des Lastenaufzugs. Ich war von 6 auf 2 gesunken. Ich öffnete die Tür und trat hinaus.

Sonntag, 19. Mai 2013

Schnellsprech

Dialoggewitter im Schauspielhaus auf der Hauptbühne, verfrühte Zeichen und schnelle Bewegungen. Schauspieler und Publikum ergehen sich in einem Theaterstakkato von Ibsen, ein Fünfakter so ganz ohne Kurzweil, denn Kurzweil geht anders, nicht so anstrengend.

Während der Umbaupause flachsen die Akteure in der Kantine. Eilig werden Verkabelungen erneuert, Schweiß abgewischt, Zigaretten gedreht, angesteckt, aufgeraucht, gelacht, geprobt, Getränke getrunken, erneut Zigaretten gedreht, angesteckt, aufgeraucht. Alle werden zur Bühne gerufen, der Umbau ist zu Ende. Nur einer sitzt noch, der mit den Cohibas. Er schaut auf die Uhr und lacht.
„Normalerweise wären wir jetzt erst fertig“
„Wie?“
„Mit dem 3. Akt. Jetzt zu dieser Minute würde erst die Pause beginnen und der Umbau erfolgen.“
„Dann wart ihr entweder schneller oder ihr habt etwas weggelassen?“
„Ja, wir waren schneller als sonst.“

Normalerweise redet er nicht. Ist mir deshalb sehr sympathisch. Weil ich auch nicht viel rede, fällt mir in diesem Gespräch nicht mehr viel ein, was ich noch sagen könnte. Ich schließe damit, wie es Ibsen wohl gefunden hätte, wenn sein Stück plötzlich erheblich schneller vorgetragen würde. Ein Brummeln von rechts und ich denke schon, das war der falsche Kommentar, da spricht er wieder: „Ein Kollege von uns muss einen Zug bekommen. Der fährt 3 Minuten vor dem regulären Ende des Stückes ab.“
Jetzt lachte ich kurz, mit diesem Problem muss sich Ibsen nicht mehr herumschlagen.

Sonntag, 12. Mai 2013

Oberkante

Bei uns zu Haus sind gerade alle krank, außer mir. Sohn und Tochter sind krank. Den Einen plagt Fieber, die Andere plagt Heiserkeit und meine Frau hat Schwindelanfälle und Bauchschmerzen. Ich hatte für heute einen Arbeitstermin angenommen, kurzfristig und ohne darüber nachzudenken, weil ich das Geld brauchte. Ich war nicht da in der Zeit vom Mittagessen bis zum Abendbrot und saß nach einem Telefonat mit der erhaltenen Nachricht steigenden Fiebers auf heißer Kohle. Ich wollte endlich Feierabend machen und die Zeit klebte wie doppelseitiges Klebeband zwischen zwei Blättern aus Papier: ohne Schaden geht es nicht mehr auseinander.

Nicht einmal nach der Uhrzeit konnte ich schauen und es sofort wieder vergessen, wie es meine Angewohnheit ist, denn mein Akku im Telefon war alle. Wenn so etwas passiert, spüre ich ständig das Vibrieren in der Hosentasche, meinen Phantomschmerz. Ich befühlte den Apparat und fragte meine Kollegin nach der Zeit. Ich vergaß sie nicht, wie sonst, die Zeit blieb einfach stehen und ich wagte kaum erneut zu fragen.

Als ich dann kurz vor Dienstschluss die Toilette betrat, bemerkte ich die laufende Spülung in einer der Kabinen. Ich ging hinein, besah mir den Schaden. Der Hebel für die Arretierung der Wasserleitung bei Erreichen der Höchstmarke war defekt. Das Wasser sprudelte darüber hinweg und gluckerte ungenutzt in den Tank. Ich musste das Wasser abstellen. Um den Spülkasten nicht leer laufen zu lassen und damit folgende Gäste das Klo nicht verstopfen, schloss ich die Tür ab, ich holte mir einen Zettel und beschrieb ihn mit dem Wort „Defekt“.

Ich fand kein Klebeband für den Zettel, ich wusste ja bereits, wo es steckte und suchte nicht weiter danach. Ich nahm ein Pflaster aus dem Verbandskasten und befestigte den Zettel mit Hilfe des Pflasters an der Kabinentür, in der Hoffnung, die Botschaft würde schon verstanden werden. Dann hatte ich endlich Feierabend.

Freitag, 22. Februar 2013

Opernball: Hinter den Kulissen ist es einfach überirdisch

Das Motto des diesjährigen Opernballs in Hannover ist „Einfach überirdisch“. Es gibt im Foyer eine kleine Mondkapsel, allerlei bunte Bilder mit fernen Galaxien, Spiralnebeln und sonstigen Erscheinungen, die furchtbar weit weg sind. Es gibt einen Raum der sich thematisch mit Star Trek beschäftigt, eine Barbarella-Suite, eine Bar namens Higgs-Corner und vieles mehr. Eine Zaunbaufirma muss mit dem Blumendekorateur einen Deal gemacht haben, bei dem sich beide eine goldene Nase verdient haben. Es sind im ganzen Opernhaus kleine Knäuel Aluminiumdraht verteilt worden; legte man den Draht geradeaus aus, so entstünde wahrscheinlich eine Strecke von hier bis zum Mond. In jedem dieser Knäuel stecken mindestens 3 Orchideen, dazu kommen noch jede Menge Gestecke in kleinen Vasen, Glasschalen und und und.

Nichts davon hielt für uns, die kleinen Räder im Getriebe der Requisite, eine Überraschung parat. Es war genau der gleiche Job wie im letzten Jahr, in dem Jahr davor, davor und auch noch davor. Seit meinem Einstieg als Aushilfe beim Opernball heißt es für mich und die anderen: am Donnerstag vor dem Opernball kommen mehrere große Wagenladungen mit Stühlen, Hockern, Schemeln, Sesseln, Sofas, Tischen, Beistelltischen, Bartresen, Sitzkissen, Lampen und anderen Kleinigkeiten, die sich auf allen Ebenen im Opernhaus wiederzufinden haben. Was neu war, war die formschöne, mit kleinen Fotos und Erläuterungen versehene Tafel, die am Eingangsportal, dem Hauptanlieferort, aufgestellt wurde. Der Chef stand dort mit einem Stift bewaffnet und kämpfte mit windmühlenartiger Gestik gegen das Chaos. Das Chaos ist schneller als sein Ruf, schneller als das Licht möchte man meinen, denn wir waren noch nicht ganz da und einsatzbereit, da kullerten schon die ersten hektischen Schweißperlen von den Stirnen der Verantwortlichen.

„Wie viele Stühle gehen jetzt da hin? Wie viele sind schon da? Geh mal hoch und funke mich an! Ist die Tischplatte jetzt 70 oder 80 cm im Durchmesser? Nein, die Glasplatten müssen auf den Balkon! Halt! So, jetzt kannst du losgehen, jetzt habe ich dich abgehakt!“ Ich wurde hundertmal abgehakt. Wir alle wurden bestimmt hundertmal abgehakt. Wir nahmen ein Teil, gingen zur Tafel, erfuhren unseren Bestimmungsort und stöhnten, wenn es der dritte Rang war. Es nutzte nix. Ein paar Sachen waren nachher falsch und mussten nochmal woanders hin. Ein paar Sachen kamen nicht, manches war kaputt und von anderen Sachen hatten wir zu viel. Alles in allem hatten wir durch die formschöne, mit kleinen Fotos und Erläuterungen versehene Liste einen kleinen Vorteil gegenüber dem Chaos errungen, den es uns bis zum Schluss nicht mehr streitig machen konnte.

Das Schöne an der Arbeit für die Requisite ist, man kommt in jeden Raum. Man kann sich alles ansehen, die Technik, die Dekorationen. Im Opernsaal hing ein Sonnensystem an der Decke. Verschiedene Planeten machten die Runde, mit Kratern drauf oder ohne, mit Ringen oder ohne, aber alles war sehr bunt und bewegte sich entweder um sich selbst, in der Höhe oder hing einfach still da. Der Boden war mit riesigen Tafeln bedeckt, auf dem die komplette Milchstraße abgebildet war oder nur ein unbedeutender Teil unserer oder einer fremden Galaxis. Wir fanden es nicht heraus, flachsten aber, wie der alte Ministerpräsident mit dem neuen Ministerpräsidenten über den Boden laufen würde und alle beide nach unserem Sonnensystem suchen.
„Guck mal, David, hier muss es sein!“
„Nee, Stephan, das ist viel zu nah am Zentrum, wir sind doch eher in der Peripherie!“

Auf den Seitenbühnen hatten wir leider nicht so viel zu tun, da herrschte noch am meisten Betriebsamkeit. Ich wurde mir dessen immer erst gewahr, wenn ich meinen Stuhl abgestellt hatte und plötzlich mitten im Weg einer Aktion stand, die die Technik plötzlich genau an dieser Stelle auszuführen hatte. Das konnte auch schon mal ein Gespräch sein über eine Dekoration, die sich zufällig über mir befand. Dann sprang ich flink zur Seite und suchte mir ein neues Objekt zum Hin- und Hertragen. Komischerweise war ich nie im Weg, wenn ich mich selbst auf einem befand, selbst wenn ich dabei kurz irgendwo herumstand, weil es nicht weiterging, wuselte es immer um mich herum und nie dort, wo ich war. Aber alles lief freundlich ab, kein Geschrei, kein Anschnauzen, fast alle waren die Ruhe selbst.

In anderen Galaxien, also abseits der Bühnen, gestaltete sich mein Aufenthalt auch irgendwie ambivalent. Auf dem Hinweg, beladen mit Möbeln aller Art, bahnte ich mir meinen Weg durch Floristinnen, Techniker, Fotografen, Kellner usw. und auf dem Rückweg schlenderte ich mit einem großen Pulk an Spaziergängern, die ihr Werk begutachteten, zurück zur Eingangshalle, wo uns wieder neues Gepäck erwartete. Es war immer das Gleiche. Auf dem Hinweg sah ich nur arbeitendes Volk und auf dem Rückweg war ich einer von Vielen, die mit einem Exklusivrecht ausgestattet zu sein schienen: wir waren die ersten, die sich ein Bild vom Opernball machen durften, noch vor der Eröffnung!

Samstag, 16. Februar 2013

Kantinennovellettchen

Wir saßen zu fünft in diesem Raum. Es roch nach abgestandenem Rauch, was mich früher nicht gestört hätte. Meine beiden Kollegen aus der Technik – wir trafen uns zufällig am Eingang der Kantine – wollten ihre Feierabendzigarette mit ihrem Feierabendbier genießen. Wir gingen also in den kleinen Räucherraum und erzählten uns von unserem Tag, bis wir nichts mehr zu erzählen hatten. Das ging etwa 5 Minuten so. Danach schwiegen wir drei.

Uns gegenüber saß ein Schauspieler in „Zivil“. Ich nahm an, dass es seine Zivilkleidung war, denn er sah so natürlich darin aus. Er trug eins dieser rosafarbenen Polohemden mit dem kleinen grünen Reptil drauf. Er rauchte Cohiba ohne Filter und schaute hin und wieder aus seinem Skript nach oben in unsere Runde. Er bewegte dabei kaum den Kopf, denn seine Brillengläser waren so überdimensioniert, dass er nicht hätte darüber schauen können, wenn er den Kopf gehoben hätte. Wie er so dasaß mit seiner Sparsamkeit, kam er mir vor wie ein großes Reptil.

In der Ecke zwischen uns dreien und dem Reptil saß noch ein Schauspieler, dieser war kostümiert und geschminkt. Seit seinem letzten Einsatz auf der Bühne – das Stück lief ja schon geraume Zeit – muss er ein Fass Mehl abbekommen haben. Zumindest waren seine vormals schwarzen Klamotten überall von weißem Staub bedeckt. Auch er sah in ein Skript und blätterte die blau markierten Stellen weg; war wohl nicht sein Text.

Mittlerweile war es totenstill im Raucherabteil des Schauspielhauses. Hin und wieder raschelte ein Papier, eine Zigarette wurde angesteckt oder ausgedrückt, Atmung, Schuhe, die über den Boden scharren.
Kurz darauf ging die Tür auf, ein junger Mann betrat den Raum, gefolgt von einer älteren Dame. Er gehörte offensichtlich nicht zum Haus. Die Frau zeigte nur kurz auf den Zigarettenautomaten in der Ecke, murmelte etwas Unverständliches und ging wieder. Der junge Mann stellte sein Bier auf den Tisch, alle Blicke weilten auf seinen Händen, die in einem Portemonnaie nach Kleingeld suchten. Dann richteten sich die Blicke wieder weg und die Zigaretten purzelten den Schacht herab.

Ich besah mir den Automaten genauer, konnte aber keine Cohiba darin entdecken. Der junge Mann rauchte Nil. Bald ist das Stück zu Ende, dachte ich, mein Blick fiel auf die Armbanduhr des Cohibarauchers, die mir kopfüber entgegenleuchtete. Laut den riesigen Ziffern auf seiner Digitaluhr im Retrodesign war es 21:87 Uhr. Es war natürlich 21:07 Uhr, denn dem Querstrich in der Null, der wegen meines schräg darauf liegenden Blickes ebenfalls zu sehen war, war diese seltsame Zeit zu verdanken. Später stellte sich übrigens heraus, dass er doch nicht in "Zivil" war. Er musste eine Art Kurzauftritt gehabt haben, bei dem ihm jemand auf die linke Schulter kotzte; so begegneten wir uns jedenfalls später im Treppenhaus: er mit Sputum, ich mit Requisiten beladen. „Störe ich hier eigentlich?“, fragte der Nilraucher plötzlich. Niemand bejahte. Ich auch nicht, ich überließ lieber den Schauspielern das Wort. Die schüttelten nur ihren Kopf. Das habe ich noch nie gefragt, dachte ich.

Dienstag, 18. Dezember 2012

Grün beruhigt? Von wegen!

Wir saßen beieinander in der Kantine des Schauspielhauses und unterhielten uns über Dies und Das, als plötzlich ein komplett grüner Mann um die Ecke bog, sich dazu setzte, als ob nichts wäre und zuhörte, als ob seine Erscheinung keinen Eindruck machen würde. Er war nicht nur in einem grünen Kostüm eingekleidet, das sogar seine Finger umschloss, er steckte in grünen Schuhen und hatte außerdem ein grünes Gesicht und grüne Haare. Seine Begleitung, die Ruhe selbst. Die Haare und das Gesicht seien mit einem Airbrush behandelt worden und die grüne Farbe ließe sich leicht wieder entfernen. Schweiß allein reichte schon aus, die Gesichtsfarbe zum Entgleiten zu bringen, eine Dusche täte dies aber ganz bestimmt, so erzählte er uns.

Auf die Frage hin, weshalb er an einem Sonntagmorgen, an dem kein Stück gespielt wurde, in voller Montur und komplett geschminkt in der Cafeteria des Theaters sitzt, antwortete er noch gelassen, dass es sich um einen Fototermin handeln würde für die hiesige Zeitung. Über irgendein Stück sollte also in den kommenden Tagen per Zeitung berichtet werden. Wir fragten zwar, ob er der Grinch sei, was er verneinte, aber nicht, wie das Stück denn heißen würde, das blieb uns ein Rätsel. Vielleicht ging es ja um Außerirdische.

Zufällig war in unserem Besitz eine Zeitung von diesem Format und natürlich musste die Frage aufkommen, ob sich die Verkleidung überhaupt lohne, wo doch bis auf die Titelseiten der einzelnen Rubriken – und den Feuilleton als eigenständige Rubrik gibt es in dieser Zeitung gar nicht – nicht einmal Farbfotos in der Zeitung zu finden sind. Die Ruhe war spurlos verschwunden, kein Blick unter das Sitzmöbel oder an entfernte Tische konnte sie wieder herbeizaubern und so sah sich unser Tischnachbar genötigt, die Kantine zu verlassen und ohne sie zu dem Fototermin zu eilen. Wir saßen da und lachten noch eine Weile.

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