Der alltägliche K(r)ampf
Da war ich als Schüler manchmal nicht so ganz einverstanden mit dem mir mitgegebenen Frühstück und aß das Brot dann eben nicht auf. Manchmal konnte ich die Brotdose dann nicht mehr leeren und versteckte die ungeliebte Stulle unter meinem Bett. Wo sie dann einmal auch meine Mutter fand. Zum Abendessen lag sie dann auf meinem Teller, das angegraute, leicht wellige Brot; vertrocknet nicht verschimmelt.
Die klimatischen Bedingungen von Unterbettseiten und Schubladen sind sich sehr ähnlich, so dass auch meine Tochter in den Genuss eines solchen Oetzibrotes kam. Sehr sparsam fiel ihr Blick aus, als meine Frau ihr einen guten Appetit wünschte.
Die Zweitjüngste hat sich heute etwas Denkwürdiges geleistet. Nach dem Abendessen ging es nach oben zum Duschen und Zähneputzen. Sie musste noch auf die Toilette. Ich darf dabei natürlich gar nichts mehr machen, das macht sie alles allein. Normalerweise ist das nicht so, da das Poabwischen noch nicht so gut funktioniert. Sie ist ja gerade einmal zwei Jahre alt. Heute durfte sie ausnahmsweise, das ersparte mir Geschrei, denn ich wusste ja, danach geht es unter die Dusche.
Dumm nur, wenn die Kacke dann noch am Hintern klebt, dann herabfällt, das Mäuschen hineintritt und anschließend einen Spurt durch die komplette zweite Etage hinlegt, ohne dies alles zu bemerken. Als sie es dann bemerkte, wischte sie den Rest an der Türzarge ab, kam zu mir gelaufen und sagte, sie habe Scheiße am Fuß. Ich musste an Andi Brehme denken und ermahnte sie, dass sie nicht "Scheiße" sagen dürfe. Sie sagte, das sage ich auch immer - scheiße.
Ich bin heute von einer Wespe in den Rücken gestochen worden, weil ich meinen Arm angelegt habe. Die Wespe befand sich auf meinem Hemd und stach zu zu, als sie merkte, es wird eng hier. Dann war es plötzlich nicht mehr eng, denn so ein Stich tut ja weh. Ich nahm den anderen Arm, die Hand, den Zeigefinger und Daumen und identifizierte das Insekt, ohne es zu beschädigen. Ich warf es auf den Boden, wo es konsterniert liegen blieb und sich nach mehrmaligem Anstupsen erst zum Weiterflug animieren ließ.
Vor zwei Tagen seilte sich eine Spinne von der Autodecke, also dem Innendach meines Autos, ab und fiel in die Lücke zwischen Hemdkragen und Hals. Mir lief sie dann über den Rücken, als unwohliger Schauer. Ich lehnte mich an die Rücklehne an, was aber schon zu spät war, denn sie krabbelte auf dem Sitz weiter, den ich schaurig gerührt verließ.
Ich erwäge, das Hemd auszusortieren, denn es war das gleiche.
Ich habe heute eine Mail geschrieben, die mir nicht leicht gefallen ist. Ich musste mich für einen verpassten Termin entschuldigen und um einen neuen Termin bitten. Fast eine Woche gärte diese Mail, die ich immer wieder mit einem Telefonat vor mich hertrieb, das ich dann erst recht nicht zu führen bereit war. Ist das noch Prokrastination oder gibt es dafür eine bessere Vokabel?
Ich habe heute ein Buch eingescannt, weil ich es versäumt habe, dieses in der Bibliothek ausreichend lang auszuleihen, bzw. zu verlängern. Das Buch benötige ich für meine mündliche Prüfung, und weil ich darin noch nicht einmal geblättert habe, es aber seit vorgestern zurückgegeben haben müsste, nun diese Hals-über-Kopf-Aktion; einzelseitig, pdf-formatig. Mein PDF-Programm nimmt nur maximal 5 PDFs und bündelt diese in einer PDF, so dass ich die zuvor schon in unendliche Teilschritte zerlegte Arbeit des einzelnen Einscannens nunmehr ein weiteres Mal durchzuführen habe, indem ich die Einzelseiten wieder zu einem Dokument zusammenfüge. Gerade drucke ich mir das Dokument aus und habe überhaupt keine Lust mehr, darin zu lesen, geschweige denn daraus auch noch etwas Sinnvolles herauszuarbeiten. Das druckt und druckt und druckt. Rauchen.
Gestern suchte ich zu Fontanes Roman „Irrungen, Wirrungen“ nach einer dezidierten Meinung zu Fontanes Pflanzensymbolik und fand erst einmal nichts, außer dem Hinweis, dass es im Handbuch des deutschen Aberglaubens wohl einiges zu entdecken gäbe. Ich schlage mich ja seit geraumer Zeit mit dem Gedanken herum, das Ding endlich zu kaufen, und immer dann, wenn ich soweit bin, ist es plötzlich nicht mehr verfügbar bei meinem Antiquar des Vertrauens.
Das ist aber nicht schlimm, denn wie ich über Wikipedia erfuhr, traute sich die Bibliothek Elbing (Elblag) ein Exemplar dieses Werks einzuscannen und der Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen. Naja, mein Rechner, nicht der schnellste, durch einen Virus, den ich zwar erkennen aber nicht entfernen konnte, massiv beeinträchtigt in seiner Leistung, sollte mir also nun die Freude des Nachschlagens vermitteln.
Ich versuchte sogleich die erste Pflanze: eine Butterblume. Der Eintrag muss sich laut Inhaltsangabe in Band zwei befinden. Ein Aufruf bestätigte dies auf phänomenal glückliche Art und Weise. Ich sah, dass der Band gut 1000 Seiten hatte und schätzte. Ich schlug aufs Geratewohl die Seite 926 auf und fand sofort den richtigen Eintrag. Das ist mir selbst mit einem Buch in der Hand nur selten geglückt:
Butterblume: s. Hahnenfuß
Über irgend etwas hatte ich nachgedacht. Ein kleiner Eintrag wäre das geworden, wenn es mir nicht soeben entfallen wäre. Es hatte auf alle Fälle mit dem Froschkönig zu tun und es ging dabei um die unterschiedlichen Fassungen von 1810 und 1837, denen ich mich gerade gewidmet hatte. Wenn Sie Zeit haben, lesen Sie sich mal die beiden Anfänge durch und überlegen Sie mal, was Ihnen dabei so einfällt. Vielleicht kommen Sie ja auf den Gedanken, der mir gerade entfallen ist. Ich halte in meiner Blog-Aboliste nach Titeln Ausschau, die Königstochter, Heinrich oder Froschkönig enthalten...
Ging gut los das neue Jahr. Habe eine vor zehn Jahren verloren geglaubte Schmerzerfahrung zurückgewonnen, die mich schon damals in meiner „Freizeit“ überraschte. Früher hieß das vorlesungsfreie Zeit heute heißt das Ferien.
Orthopäden sind für Notfälle noch immer nicht gerüstet, die schmoren seit diesen zehn Jahren noch immer im alten Saft. 6 Wochen Wartezeit auf einen freien Termin, oder halt, warten Sie mal, da ist doch für morgen ein Termin ausgefallen, um zehn, Sie sollten aber Wartezeit einplanen (6 Monate, oder was?).
Ich kann es nicht mehr ertragen, diese Rants. Diese inflationäre Maulerei. Sie geht mir auf die Nerven. Außerdem geht mir dieses Heile-Welt-Getue auf die Nerven, Fernsehwerbung, Kochsendungen, Joko und Klaas. Wo war nochmal die Tagesordnung? Achja, die Tagesordnung. Kehren wir doch dahin zurück, als der Kalender noch ein Fremdwort aus einer Sprache war, deren Sprecher eine viel ältere und höhere Kultur besaßen als wir selbst. Als die Feste und Kriege noch ehrlich waren, als der Daumenhoch noch Leben rettete und nicht wie Briefmarken gesammelt wurde, als man noch Sprecher sagen konnte, ohne gleich den Binde-, Schräg- und Unterstrich mitzudenken.
Ich wünsche mir mal wieder so ein richtig ehrliches Fest. Mit einem scheißzähen Stück Vogelviech und einem Baum, der schon zwei Wochen davor so ordentlich nadelt, dass ein Sicherheitsabstand nötig wird. Ohne Spitze und ein paar kaputten LEDs zwischen den vielen heilen. Überlastete Steckdosen und Kabelsalate, Gefluche, Gejammer, Gesang und Gekuschel, Gefühl eben. Keinen, der einem das vormacht, der’s anders macht oder genauso, wie man es will oder gerade nicht will. Kein Krieg, kein Fest, kein Weihnachten, mein Weihnachten.
Wem der Pathos noch nicht die Hosentaschen ausbeult, der kann morgen wieder kommen und den Text nochmal lesen. Oder übermorgen. Oder danach.
Habe heute sturmfrei zu Hause. Wollte einen Film gucken, ging nicht. Dann ging es doch, dann schrie sich die Kleinste die Seele aus dem Leib. Die Frau ist aus. Als nach einer halben Stunde das Kind wieder schläft, gucke ich weiter. Eine halbe Stunde, dann schreit sie wieder, eine halbe Stunde lang. Alles versucht. Nichts geht. Schiele verzweifelt aufs Handy, ob ich nicht dochhhh
Dann beruhigt sie sich wieder. Mein Player hat sich aufgehängt. Ich habe natürlich nicht nachgeschaut, an welcher Minute ich stehen geblieben bin. Lade neu und will vorspulen, aber es geht nicht mehr. Das schmale Zeitfenster, in dem ich diesen Film gucken konnte, ist weg. Ich bin kein Typ für lange Erklärungen aus dem Netz, was ich denn anders oder besser machen könnte, damit es geht. War sowieso kein doller Film. Ich schiele nochmals auf das Handy. Vielleicht kommt sie ja bald. Dann gehe ich mir einen Schnaps kaufen.
Internet ist was für andere, denke ich. Mich haben sie abgehängt mit ihren Popups, Downloads und Updates. Habe alles ausgeschaltet. Windows 10 wollte ich nicht und den ganzen anderen Scheiß will ich jetzt auch nicht mehr. Sollte dieser Text hier nicht mehr erscheinen, so hat sich die letzte einigermaßen stabile Verbindung auch noch erledigt. Wäre nicht schade drum, nach außen dringt das ja hier schon seit ein paar Tagen nicht mehr.
Meine Frau hat heute auf dem Spielplatz ein Portemonnaie gefunden mit 130 Euro und zwei Karten darin, einer weiblich adressierten Kundenkarte eines semigroßen Kaufhauses und einer männlich adressierten EC-Karte. Der Name des Mannes klingt jünger, weshalb ich auf Facebook eine Nachricht an eine eventuell in Frage kommende Person gesandt habe: "Hallo ..., solltest du etwas vermissen?" Die letzte Aktivität des Nutzers war im Februar 2016, da hat er sein Profilbild geändert; von Pariser Terror Beileidsbekundung auf eine überbelichtete Parkszene bei Nacht. Ein roter Faden geht durch das Bild, das Rücklicht eines Fahrrads, das zu Beginn des Auslösens wohl noch im Bild gewesen sein muss. Als der Apparat fertig ist, ist kein Fahrrad mehr zu sehen, nur eben jener rote Faden entlang des Asphaltweges.
Das Blog hier scheint dieser rote Faden zu sein. Ich sitze auf dem Fahrrad und mein Rücklicht ist kaputt.