Willkommen

Bei den Leisen Tönen. Manchmal braucht es einen Blog, um sich Luft zum Denken zu verschaffen. Keine Steckenpferde, Hobbies oder sonstiges Spezielles, nur Luft zum Denken.

Kontakt

shhhhtwoday(at)googlemail.com

Aktuelle Beiträge

Studenten - ein lustiges...
Studenten - ein lustiges Völkchen. Die Norddeutschen...
Shhhhh - 22. Mär, 21:06
Rheinschiffer ist besser...
Rheinschiffer ist besser als Rheinscheißer ("Gibt's...
Shhhhh - 22. Mär, 21:04
Am ältesten ist die seit...
Am ältesten ist die seit dem 13. Jahrhundert belegte...
C. Araxe - 21. Mär, 21:59
Bei uns gibt es nur R(h)einschiffer.
Bei uns gibt es nur R(h)einschiffer.
Lo - 20. Mär, 23:10
Altsprachler und Schwallhalla-Kenner:...
Altsprachler und Schwallhalla-Kenner: Schifffahrt →...
NeonWilderness - 15. Mär, 23:12

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Auslaufmodell Buch

Samstag, 19. Mai 2012

Kurt Tucholsky: Schloss Gripsholm II

Als ich noch ein wenig trödeliger mit meiner Zeit umgegangen bin als jetzt, kam es schon mal vor, dass ich tagelang nichts anderes machte, als zu arbeiten ( oder zur Schule zu gehen ) und dann nach Hause zu kommen und Computer zu spielen – immer das gleiche Spiel. Seit Jahren, genauer gesagt schon seit meiner Schulzeit spielte ich dieses Spiel hoch und runter. In der 10. Klasse war ich deshalb einmal drei Wochen nicht in der Schule. Ich bin jeden Morgen um 7 aus dem Haus, zu einem Freund, der dementsprechend natürlich auch zwei Wochen fehlte, und dann haben wir bei Cola und Tiefkühlpizza von morgens bis abends gezockt.

Meine Mutter, Englischlehrerin, kannte meine Klassenlehrerin, ebenfalls Englisch, aus einer Weiterbildung für Französisch. Sie waren auf Du und Du sozusagen. Als sie sich eines Tages beim Einkaufen über den Weg liefen, sagte meine Klassenlehrerin nur: „Dein Sohn ist aber schon lange krank.“ Meine Mutter sagte so etwas wie: „Ja, aber morgen kommt er wieder zur Schule.“ Das gab mächtig Ärger, zudem meine Mutter auch noch eine Schachtel Luckies in meiner Jacke fand.

Bei dem Spiel, was wir da spielten, eine schlichte Aufbausimulation, die für einige ein enormes Suchtpotential bereithält, ging es uns bzw. mir nie darum, zu gewinnen. Es ging um die Momente des Auskostens, kurz vor dem Sieg. Na klar haben wir das Spiel durchgespielt, so wie alle Nachfolger, die sich dem ersten und zweiten Teil der Reihe verbunden fühlten ( zwischenzeitlich kamen ja ein paar weniger gute Ausreißer für die Echtzeitstrategie-Käuferschicht auf den Markt, gotzeidank haben sich die Macher aber zurückbesinnt, uns als potente Käuferschicht wiederentdeckt und ein paar grafisch verbesserte Revivals auf den Markt geworfen, die ich natürlich alle im Original besitze ). Wir haben danach selbst Karten entworfen, haben an manchen Karten tagelang gespielt, und dann kurz vor dem Ende, wenn der Rechner durch das viele Gewusel sowieso kurz vor dem Aufgeben war, neu angefangen und eine andere Karte gespielt. Wir haben extra langsam gespielt, bestimmte völlig abwegige Spielziele erfunden, wie die meiste Kohle oder das meiste Gold einzulagern, die meisten Fische zu angeln. Nur um den einen Sieg ging es uns irgendwie nie so richtig.

Warum erzähle ich das überhaupt? Will ich etwa ein Buch über ein Computerspiel vorstellen? Nein. Ich habe vor einer Woche mein Freitagsbuch ausgelesen. Zum zweiten Mal das gleiche Buch. Ich besitze das Buch sogar zweimal, eine Fassung, bei der sich der Deckel löst und eine fast neuwertige ( wenn man das von einem Buch überhaupt sagen kann, das fast doppelt so alt ist wie ich ) Version, die bis auf vergilbtes Papier nichts an Gebrauchsspuren aufweist, eine Erstausgabe des 4. rororo Taschenbuchs von 1950: Kurt Tucholsky, Schloss Gripsholm.

Ähnlich wie bei meiner Neigung zum Computerspiel erging es mir mit diesem Buch. Ich musste mich zwingen, immer weniger Seiten zu lesen, um es einfach noch ein wenig länger auszukosten. Alles passte an diesem Buch: diese heiter beschwingte Grundstimmung, diese Lebensweisheit, die komplizierten aber nie anstrengenden Beziehungen und zuletzt sogar die traurige Geschichte des kleinen Mädchens, das den Bruder verloren hatte und bei einer Hexe von Erzieherin ihr tristes Dasein fristete. Das gute Ende in jeder Hinsicht, das Fehlen jeglicher Verpflichtung für die Protagonisten über die Handlung hinaus gab mir immer das Gefühl, im Urlaub zu sein, wenn ich zu lesen anfing. Ich trug das Gefühl nach ein paar Seiten der Lektüre für Stunden mit mir herum und wenn ich jetzt daran denke und aus dem Fenster schaue, kann mich selbst die von mir noch zu reinigende Wohnung nicht mehr ärgern.

Das Bild und den eigentlichen Artikel in meiner Reihe "Werbung im Buch" findet sich hier.

Freitag, 9. März 2012

Kurt Tucholsky: Schloss Gripsholm

Als ich heute Mittag von der Schule nach Hause fuhr, stolperte ich beim Lesen über ein herrliches Bild. Mein Geist war frei, ich fuhr dem Wochenende entgegen und da bemerkte ich in Tucholskys "Schloss Gripsholm" einen kleinen Absatz, der es in sich hatte:

"Die Frau war im ius. Welche eine preußische Überlegung! Ein Kind litt. Los."

In dieser Szene schleichen die drei Besucher Schloss Gripsholms um das Mädcheninternat herum, um den Zettel mit der Adresse der Mutter des jungen Mädchens zu suchen, den sie heimlich aus dem Fenster werfen sollte, damit die drei ihrer Mutter von den ungeheuerlichen Vorgängen im Internat schreiben konnten. Offenbar wurde das Kind vorher mißhandelt, als es auf der Straße von den drei Besuchern aufgehalten wurde.

Zuerst überlegte ich, was den "ius" überhaupt sei. Bis ich darauf kam, dass das Recht damit gemeint sein könnte, übersprang ich zwei Haltestellen. Als es dann klick machte, ließ mich die Rafinesse dieser Formulierung nicht mehr los. Nicht nur, dass Tucholsky hier auf das höchstwahrscheinlich antiquierte Recht im lateinischen Wortsinne anspielte, ihm gelang durch den folgenden Satz sogleich ein weiterer Schlag gegen das "Recht", indem er es als "preußische Gesinnung" abtat. Die verblüffendste Wirkung auf mich hatte allerdings der Umstand, dass "ius" klein geschrieben war. Dadurch verlor die lateinische Vokabel so viel ihres Gehalts, dass das offensichtliche Recht der Internatsleiterin, über die Kinder richten zu dürfen, ganz schnell abgetan war.

Als ich allerdings las, dass Tucholsky Jura studiert hatte, war ich mir der Rafinesse dieser Formulierung gar nicht mehr so sicher. Gefunden habe ich dazu nichts, niemand setzte sich mit diesem Wort in der Erzählung "Schloss Gripsholm" auseinander, zumindest konnte ich bei Google nichts entdecken. Google fragte mich stattdessen, ob ich es nicht lieber mit "aus" versuchen wolle.

Kommen wir aber nun zum wesentlichen. Das Buch ist eines der ältesten aus der Reihe Rowohlts Rotationsromane und selbstverständlich befindet sich darin eine Werbung.

Autor: Kurt Tucholsky
Titel: Schloss Gripsholm
beworbenes Produkt: FOX Zigaretten
Fundstelle: zwischen S. 132 und 133


"Zwischenbemerkung des Verlegers Ernst Rowohlt
Spätestens an dieser Stelle des Buches - wahrscheinlich schon früher - werden Sie sich, wenn Sie ein Raucher oder eine Raucherin sind, eine Zigarette anzünden wollen. Ein Raucher kann ein Buch nicht ohne Genuß lesen, wenn er nicht raucht.
Ich bin nicht der Reklamechef einer Zigarettenfabrik, aber ich habe diese Seite einer Zigarette verkauft. Seien Sie mir bitte nicht böse deswegen! Die besten Zeitschriften der Welt verkaufen einen Teil ihrer Seiten an Inserenten. Die Inserenten machen Zeitschriften damit überhaupt erst rentabel. Warum macht man das nicht auch mit Büchern? Es würde die Auflage der guten Bücher in der Welt vermehren.
Man soll nicht immer alles wie vorgestern machen.
Lesen Sie die nächste Seite nicht, wenn Sie glauben, daß es unfair ist, ein Inserat in ein gutes Buch einzuschalten.
Ernst Rowohlt"



Bildquelle: Kurt Tucholsky, Schloss Gripsholm, Rowohlt Taschenbuchverlag GmbH, Hamburg, Februar 1953.

Freitag, 2. März 2012

Alfred Döblin: Die beiden Freundinnen und ihr Giftmord

Wie so oft war es mir nicht vergönnt, das Buch im Antiquariat zu erstehen, das ich eigentlich haben wollte und aus der Enttäuschung darüber habe ich dann einfach dieses gegriffen. Ich habe es nicht gelesen. Es sprachen jedoch zwei Gründe dafür, es trotzdem mitzunehmen. Einerseits ist es mir gar nicht so wichtig, genau das Buch von einem Autor zu lesen, weswegen er so berühmt ist und andererseits hat dieses Buch in der Ausgabe, die ich erstand eine Werbeanzeige in seiner Mitte. Es erschien nämlich im Rowohlt Taschenbuchverlag. "Die Ermordung einer Butterblume" habe ich dann einfach im Buchhandel bestellt und neu erworben, allerdings ist diese Ausgabe im DTV-Verlag erschienen, also für mein zweites Hobby um das Buch herum leider ungeeignet.

Da ich das Buch nicht gelesen habe, kann und möchte ich ich nicht über den Inhalt referieren. Auch andere Quellen zu benutzen liegt mir fern. Ich lese es einfach irgendwann und reiche das dann nach. Ich möchte diesmal die Aufmerksamtkeit eher auf das Bild direkt lenken, eigentlich nicht einmal auf das Bild, sondern auf das kleine Kürzel in der rechten unteren Ecke. Es fiel mir schon öfter auf, so zum Beispiel auch bei Genets "Notre-Dame-des-Fleur".

Nachdem ich mehrere Namen ausprobiert hatte, landete ich bei diesem Namen und bin mir ziemlich sicher einen Treffer gelandet zu haben. Was mich allerdings verwundert, ist, dass es zu dieser Illustratorin nicht einmal einen Wikipediaeintrag gibt, obwohl sie längst nicht nur für Rowohlt die Werbung illustrierte. Vielleicht stimmt das aber auch gar nicht und hinter dem Kürzel verbirgt sich eine ganz andere Person, zu 100% sicher bin ich mir natürlich nicht.

Autor: Alfred Döblin
Titel: Die beiden Freundinnen und ihr Giftmord
beworbenes Produkt: Pfandbrief und Kommunalobligation
Fundstelle: zwischen S. 46 und 47




Bildquelle: Alfred Döblin, Die beiden Freundinnen und ihr Giftmord, Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg, November 1978 ( mein Geburtsjahr ).

Freitag, 20. Januar 2012

Kaliformien

Ich weiß nicht, weshalb mich immer Sachen interessieren, die anderen unangenehm aufstoßen oder schlimmstenfalls - also für mich wäre das schlimm - gar nicht auffallen. Druckfehler sind solche Dinge. Wir wissen, was dort zu stehen hätte, und dieser winzige Augenblick zwischen dem Erfassen durch das Auge und das Eindringen in unser Gehirn, wo das falsch geschriebene Wort dann mit Hilfe unseres Gedächtnisses und anderer Teilbereiche unseres Denkapparats in das richtige verwandelt wird und die Lücke schließt. In diese Zeitspanne passt nicht einmal ein Achselzucken.

Doch genau solche Momente, diese kleinen Fehler sind es, die uns inspirieren sollten. Wenn ich mit dem Handy eine SMS schreibe, gibt mir das T9 immer "was" vor, obwohl ich viel lieber "war" schreiben möchte. Ich will immer nur "war" schreiben. Stören könnte mich das oder aber - und das gefällt mir besser - ich denke darüber nach. Wann schreibt man denn "was"? In Fragesätzen! Völlig klar. Meine SMS beschränken sich aber auf kleine Statusmeldungen, ich erwarte keine Antworten, jedenfalls keine Ausführlichkeiten. Ich stelle auch keine offenen Fragen oder schreibe lange Sätze, die zur Erläuterung mit "was" eingeleitete Relativsätze evozieren. Ich habe zu große Finger, ich schreibe wirklich ungern SMS und mute das deshalb auch niemand anderem zu.

Ich las aber ein ganz anderes Wort, als "was" oder "war". Das stieß diese ganzen Überlegungen aber erst an. In Richard Brautigans Roman "Die Abtreibung - Eine historische Romanze 1966" entdeckte ich ihn. Wäre das Wort nicht durch einen Trennstrich geteilt worden und dadurch auf zwei Zeilen verteilt, ich hätte es vielleicht überlesen. Die Verwechslung hätte nie stattgefunden, wenn ich nicht gezwungen gewesen wäre am Zeilenende neu anzusetzen. So marginal entscheidend war der Fehler. Es war nur ein Bogen zuviel in der dritten Zeile von unten, der aus dem Bekannten etwas völlig Neues machte. Ein völlig neues Land wurde da geschaffen, nicht von Brautigan - oder vielleicht doch? - jedenfalls konnte ich dazu nichts finden.

Auf Seite 146 erschuf uns irgendjemand ein Land, in dem all die fabelhaften Dinge passierten, von denen Brautigan schrieb. Ein Land, in dem es Frauen gab, die so schön waren, dass es ihnen eine Last war, von der sie geheilt werden mussten. Ein Ort, an dem es Bücher gab, die niemand jemals lesen würde, stattdessen hatten diese Bücher aber eine eigens für sie eingerichtete Bibliothek. Eine Welt, in der Geld immer verfügbar ist aber nur dann in Erscheinung tritt, wenn es gebraucht wird, sonst nicht. Eine Gegend, in der Verlust ein Gedicht ist, was nicht von Schmerz handelt. Kaliformien.

Sonntag, 8. Januar 2012

Charles Bukowski: Pulp - Ausgeträumt

Der Roman Pulp - erschienen bei Kiepenheuer und Witsch 2011 - beginnt mit einem Druckfehler. Kein toller Anfang eigentlich, doch begann ich dort gar nicht. Ich begann zum ersten Mal daran zu denken, dass hier etwas nicht stimmt, als der lethargische, trinksüchtige Detektiv Nick Belane in einem Telefonat den Auftrag erhält, den Red Sparrow zu suchen. Nun erscheinen Buks Bücher - ich denke es sind fast alle Bücher von ihm dort erschienen - im englischen Original bei Black Sparrow Press. Warum der Spatz jetzt rot sein sollte, ist ein Geheimnis geblieben, auch weshalb in meiner Ausgabe die Rechte an dem Buch bzw. die Erstveröffentlichung in der Black Sparror Press erfolgte, erklärt sich daraus nicht, darüber nachgedacht hatte ich deshalb trotzdem.

Alles läuft auf diesen roten Spatzen zurück, denn derjenige, der Nick den Auftrag erteilt, danach zu suchen, empfiehlt ihn auch an alle anderen "Klienten", die Belane in dieser Zeit so einsammelt. Keinen dieser Fälle arbeitet er systematisch ab, vielmehr kommen ihm die Klienten meist selbst soweit entgegen, dass sich der Fall lösen lässt. Nebenbei ist Belane am Trinken, Wetten und Prügeln. Immer wiederkehrendes Motiv seiner Auseinandersetzungen sind komische Fragen, die ihm ein Barmann, eine Bedienung oder ein Gast des jeweilig von ihm besuchten Etablissements stellt. Mal darf er kein Wasser zu seinem Scotch trinken und einmal darf er keine zwei chinesischen Biere auf einmal bestellen.

Eine Sache an diesem Buch ist noch seltsam, die Affinität zu Zahlen. Nicht nur dass es 51 Kapitel sind, die Buk braucht, um seinen Helden abtreten zu lassen - eine frappierende Ähnlichkeit zum Brautigan-Krimi "Träumen von Babylon" drängt sich hier auf - sie sind auch ziemlich kurz. Das kürzeste hat gerade einmal 20 Wörter und handelt von einem ganzen Tag, an dem einfach nichts weiter passiert, worüber aus Belanes Sicht berichtet werden könnte. Nick Belane braucht einmal 47 Sekunden und einmal 45 Sekunden, um ein Schloss zu knacken. Einen Fall löst er, weil er mit seinen Klienten um die Menge der Zahlen auf dem Führerschein wettet. Belane benutzt drei unterschiedliche Kaliber, eine 32er, eine 38er und eine 45er, die sich meistens in seiner Hose oder seiner Schublade befinden. Belane mag die Zahlen 3, 7 und 8, wird ziemlich am Ende des Buches erklärt; 3 und 8 waren freie Appartments bei einem Beschattungsauftrag, in der 7 befand sich das Opfer, irgendwie logisch, dass er das freie Zimmer Nummer 8 wählte. Mit der 9 kann er übrigens nichts anfangen, das erfuhr ich auch noch.

Alles andere ist wie immer, Belane ist Bukowskis anderen Figuren nicht unähnlich. Die kurzen Weltweisheiten, die sich in seinen Texten finden lassen, kommen auch hier vor. Das Gewand der "hard boiled" Detektivgeschichte steht dem Buch nicht schlecht, auch wenn es wegen der vielen Zahlen und Kapitel an eine Nummernrevue erinnert.

Montag, 2. Januar 2012

Ivan Illich: Selbstbegrenzung

Anfang der 70er erschien dieses Buch von Ivan Illich zum ersten Mal. Es waren turbulente Zeiten damals; die 68er waren gerade vorbei, die Ölkrise stand ins Haus und am Ende der 70er Jahre bin ich geboren worden.

Illich wird einem ja immer wieder einmal angepriesen wie Sauerbier und leider ist er zu diesen Zeiten meist vergriffen. Das hat er übrigens mit einem anderen großen Gelehrten gemein, der zufällig auch gerade nicht in Buchform zu beschaffen ist, wenn er einem wärmstens empfohlen wird: Norbert Elias. Mir wurde Illich jedenfalls so oft angepriesen, dass ich nicht umhin kam, mir den Erstbesten zu kaufen und durchzulesen, obwohl ich eigentlich einen ganz anderen haben wollte. Ich bleibe aber weiterhin dran und hoffentlich kann ich bald die Illichs in den Händen halten, die ich auch lesen wollte.

Das Buch war zwar keine Offenbarung und gerade der anfängliche Ärger über so manch kleine Episode ist mittlerweile längst verraucht ( die einzigen Zitationen, die in dem Buch auftauchen, sind Illichs eigene Werke, die natürlich im Rowohlt Verlag zu kaufen waren - damals, da musste ich erst eine Weile drüber nachdenken, bevor ich durch den Schleier des Dänikenschen ( der zitiert sich nämlich auch am liebsten selbst ) wieder klare Bilder sah ), ich habe die Lektüre aber nicht bereut. Insgesamt war mir das Buch ein wenig zu radikal und leider in manch einer Hinsicht mit zu wenig Erklärungen versehen. "Je ärmer umso freier" heißt es da auf S. 144, gut und schön doch wer bemißt die Armut und welchen Maßstab nehmen wir dafür? Keine Antwort, oder doch? " Die Festsetzung der Grenzen ist abhängig von Lebensweise und Freiheitsgrad, die eine Gemeinschaft sich wünscht.", auf derselben Seite.

Natürlich darf dies nicht auf Kosten einer anderen "Gemeinschaft" geschehen und so geht es eben nur mit Selbstbegrenzung. Dieser "fromme" Askese-Wunsch zieht sich durch das gesamte Buch und nervt manchmal ein bißchen, wenn auch vieles von dem, was er anprangert richtig ist. Die gesamte Werkzeugproblematik ( der Untertitel im Englischen lautet: Tools for Conviviality ), also die Beherrschung des Werkzeugs durch den Menschen ( ob dies nun ein Auto, eine Maschine oder schlicht eine Institution wie die Judikative oder ein Wirtschaftszweig wie der medizinische Sektor ist ) und die Beherrschung des Menschen durch das Werkzeug ( die Werkzeuge ) kommt so verstörend einfach in seiner Argumentation daher, dass es mir schwerfiel dagegen zu denken. Und leider hat er fast immer Recht, manchmal übertreibt er ein bißchen aber im Großen und Ganzen hält er sich an die Fakten ( auf S. 96 spricht er vom 100millionsten Opfer des Autoverkehrs, welches die Amerikaner unlängst feiern konnten und es wird nicht klar, ob er damit das 100millionste Auto meint, das vom Band lief und einen Käufer fand oder ob er Verkehrstote damit gemeint hat, der zweite Punkt wäre allerdings höchst zweifelhaft, denn das würde bedeuten, dass selbst wenn wir von 1908 ausgingen, wie Illich, und 2008 ansetzen würden, in den USA jedes Jahr 1.000.000 Verkehrstote zu beklagen hätten, eine unglaubliche Zahl! ).

Naja, weswegen ich das Buch überhaupt hier besprochen habe, ist dem ein oder anderen vielleicht bei der Erwähnung des Verlages eingefallen: Rowohlt. Wir haben also wieder eine Werbung im Buch, nichts Besonderes, das hatten wir sogar schon. Aber in sich trotzdem recht interessant, erinnern wir uns kurz an den Anfang des Textes: Anfang der 70er erschien dieses Buch zum ersten Mal und jetzt schaut einmal auf den letzten Satz des kursiven Abschnitts. Fällt etwas auf?

Die Bücher sind wieder teurer geworden und der Zinssatz für Pfandbriefe ist längst nicht mehr so gut. Ein Umstand, dem auch in der 1986 erschienenen Ausgabe nicht Rechnung getragen wurde, wo das Buch immerhin bereits 7,80 DM gekostet hat und sich der Zinssatz von Pfandbriefen bei geradezu obzön hohen 15% belaufen haben müsste, um für 100 DM Erspartes zwei Taschenbücher davon kaufen zu können. Auch das geht also leicht an der Wirklichkeit vorbei.

Autor: Ivan Illich
Titel: Selbstbegrenzung
beworbenes Produkt: Pfandbrief und Kommunalobligation
Fundstelle: zwischen S. 84 u. 85


"Macht unser Bücher billiger!...
... forderte Tucholsky einst, 1932, in einem "Avis an meinen Verleger". Die Forderung ist inzwischen eingelöst.
Man spart viel Geld beim Kauf von Taschenbüchern. Und wird das Eingesparte gut gespart, dann zahlt die Bank oder Sparkasse den weiteren Bucherwerb: Für die Jahreszinsen eines einzigen 100-Mark-Pfandbriefs kann man sich zwei Taschenbücher kaufen.




Bildquelle: Ivan Illich, Selbstbegrenzung, Rowohlt Taschenbuchverlag GmbH, Reinbek bei Hamburg, Juni 1986

Samstag, 10. Dezember 2011

Timothy Zahn: Die Blacklash Mission

Die Menscheit wird seit längerem von einer außerirdischen Zivilisation beherrscht. Doch langsam regt sich Widerstand. Die einst so gefürchteten Blackcollars starten einen neuen Versuch sich von den Ryqril zu befreien. Dazu benötigen die Soldaten eine synthetisch hergestellte Kriegsdroge namens Backlash; und außerdem brauchen sie Raumschiffe, Waffen usw.

Heute ärgere ich mich ein wenig über die Naivität, mit der ich früher solche Bücher verschlungen habe, zumal auch nicht wirklich viel hängengeblieben ist. Das ist auch der Punkt, der mich bei diesem Buch immer wieder stört, obwohl es sogar noch eins der besseren war. Da taucht irgendwann eine Stelle auf, an der versuchen die Krieger eine längst vergessene Flotte ausfindig zu machen. Das schaffen sie auch, die Schlacht kann losgehen und na klar, wer hätte das anders geahnt, sie gewinnen. Alles ist gut.

Timothy Zahn hat allerdings auch mehr oder weniger gut für die Star Wars Reihe geschrieben. Und ich meine mich erinnern zu können, dass es dort ebenfalls einen Abschnitt innerhalb eines Buches gab, der ähnlich konstruiert war, also auch eine längst vergessene Kriegsflotte, die nur geborgen werden müsse, um alle Feinde der Rebellen zu besiegen. Sicher bin ich mir nicht, aber es war glaube ich das "Letzte Kommando" aus seiner Feder. Zumindest hatte ich beim Lesen häufig das Gefühl, diesen Abschnitt schon zu kennen. Ich war mir nie sicher, ob ich nicht aus Versehendas Buch zweimal gelesen hatte. Vielleicht weiß ein zufälliger Leser ja mehr.

Aber, und das ist der wahre Grund für den kleinen Exkurs, es geht um Werbung im Buch. Nicht nur Rowohlt hat das praktiziert. Auch Heyne hat das eine zeitlang versucht und so will ich Euch das Produkt nicht vorenthalten:

Autor: Timothy Zahn
Titel: Die Backlash-Mission
beworbenes Produkt: 5 Minuten Terrine
Fundort: S. 341 und 342




Bildquelle: Timothy Zahn, Die Blacklash-Mission, Wilhelm Heyne Verlag, München 1986.

Freitag, 2. Dezember 2011

Citavi und die grausa Brille

Ich bin ja schon seit geraumer Zeit dabei, meine Lektüre zu verschlagworten, einzelne Zitate herauszupicken, kleine Zusammenfassungen zu schreiben, überhaupt, jeden Furz, den ich mit Bleistift an eine betreffende Seite schrieb, in dieses Programm einzupflegen. Wie interessant das sein kann, war mir anfangs nicht ganz klar, da ich natürlich mit systematischer Lektüre begonnen hatte und sich die Schlagworte somit zwangsläufig ergaben und logischerweise auch häuften. In einem Seminar letztes Semester lasen wir viel zur Drastik, demzufolge findet sich so manch ein Querverweis dazu in den teilweise wahllos erscheinenden Buchtiteln.

Nun begab es sich, dass ich Schloß Gripsholm von Tucholsky las. Da sind ja ein paar schöne Stellen gleich zu Anfang zu finden, die ich natürlich gleich in den Canon mitaufnahm und verschlagwortete. Da ist zum Beispiel die schöne Wortschöpfung "blausa" zu finden als Pendant zum "rosa" was auf einen Himmel natürlich mit all seinen Facetten auch zutreffen könnte, in dem Zusammenhang allerdings machte "blausa" mehr Sinn, denn mit "rosa" wird mehr als nur eine Farbe beschrieben.

Ich schaute also durch die blausa Brille seiner Prosa und verschlagwortete natürlich auch "Schweden", denn um Schweden ging es ja eigentlich. Dann fiel mir plötzlich ein, dass ich Schweden schon einmal verschlagwortet hatte, konnte mich aber beim besten Willen nicht erinnern wo. Und hier offenbarten sich dann die großen Stärken des Programms, denn mit der Schlagwortsuche war der Eintrag schnell gefunden: Es war in "Naked Lunch" von William S. Burroughs, der in Malmö von einer Fähre steigt. Den genauen Wortlaut, weshalb ich das überhaupt hinein genommen habe, muss ich mir bei Gelegenheit noch einmal anschauen, denn den Zusammenhang habe ich schon fast wieder vergessen. Ich meinte jedoch gelesen zu haben, dass Burroughs die schwedischen Städte beschrieb als nekrophile Häuseransammlungen, denn sie waren immer um einen Friedhof herum gebaut. So wurde dann aus der blausa Brille eine grausa Brille.

Mittwoch, 23. November 2011

Jean Genet: Notre-Dame-Des-Fleurs

Manchmal sind starke Bilder nicht förderlich. Sie fressen sich fest, überlagern darunter liegende Schichten, sind im Allgemeinen aber genau das, was selbst nach Jahren der Nichtbeachtung plötzlich wieder ans Tageslicht kommt, wenn man das Buch erneut in die Finger bekommt.

Vor Jahren, ich weiß nicht wie viele, las ich dieses Buch. Ich habe vergessen, ob ich es überhaupt ausgelesen habe. Ich kann mich beim besten Willen nicht mehr an den Schluss erinnern. Was ich nie gelesen habe, war das Vorwort, und plötzlich, als Kramberg, der das Werk im Bayrischen Rundfunk besprach, auf die drei Phasen bei seinem eigenen Leseerlebnis zu sprechen kam, war es wieder da. Nicht das Ende, leider. Das Bild. Das stärkste Bild im Buch. Kein schönes, das will ich voraus schicken. Wer also auf das Bild verzichten möchte, der kann sich jetzt die Werbung im Buch ansehen und lässt den folgenden Absatz einfach aus.

S.29-30
Kurz, er trägt seine Schande wie ein mit dem glühenden Eisen auf seine Haut gebranntes Mal, aber dieses kostbare Mal adelt ihn ebenso, wie die Gauner von einst durch die Lilienblume auf ihrer Schulter geadelt wurden. Blaue Augen, die von Faustschlägen herrühren, sind eine Schmach für die Zuhälter; aber ganz anders Mignon:
"Meine beiden Veilchensträuße", sagt er.
Er sagt auch gelegentlich, wenn er das Bedürfnis hat, zu scheißen:
"Ich hab die Zigarre schon an den Lippen."

Unter allen Büchern...
...ist eines, das sich von den anderen unterscheidet: Sein Inhalt wechselt, Mal ist er bescheiden, in anderen Fällen von Bedeutung; bei jenem löst er Kummer aus, bei einem andern helle Freude; hier sind erst wenige Seiten gefüllt, dort bereits alle, und stets bestimmt der Besitzer selbst den Inhalt: seines Sparbuches. Eines der seltenen Bücher, die den Besitzern mehr einbringen als den Herausgebern.



Autor: Jean Genet
Titel: Notre-Dame-des-Fleurs
beworbenes Produkt: Pfandbrief und Kommunalobligation
Fundstelle: zwischen S. 88 und 89


Bildquelle: Jean Genet, Notre-Dame-des-Fleurs, Rowohlt Taschenbuchverlag Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg, Oktober 1975

Mittwoch, 16. November 2011

Honoré de Balzac: Oberst Chabert

Ein Buch, das ich nicht gelesen habe. Ich habe eine uralte Ausgabe der tolldreisten Geschichten zu Hause aus dem Greifenverlag zu Rudolstadt, die habe ich vor 20 Jahren einmal in den Fingern gehabt, kann mich aber kaum erinnern, worum es in den Geschichten ging. Sie waren aber manchmal ziemlich blutrünstig und der Witz erschloss sich mir leider nicht so leicht damals. Das Buch gehörte einmal meinen Eltern und ich habe es irgendwann, als meine Mutter wieder Platz im Regal schaffen wollte, einfach mitgenommen.

Das Buch, von dem hier aber eigentlich die Rede sein soll, habe ich in meinem Lieblingsantiquariat gekauft. Es war etwas teurer als die üblichen 1,50 Euro, es kostete diesmal sogar 2 Euro. Ich kann mir nicht unbedingt erklären, weshalb, denn es ist weder in besonders gutem Zustand, noch ist es ein gefragtes Exemplar ( Erstausgabe ). Vielleicht aber auch wegen des Exlibris auf der ersten Seite.

Interessant ist an diesem Buch jedoch nicht nur das Exlibris, welches ich leider keinem berühmten Künstler zuordnen konnte ( eine große Vielfalt an Exlibris bietet der DEG ), sondern auch die Werbung. Im letzten Beitrag wurde von Pfandbriefwerbung gesprochen, diesmal ist es etwas anderes:

Autor: Honoré de Balzac
Titel: Oberst Chabert
beworbenes Produkt:
Aral bleifrei
Fundstelle: zwischen S. 62 und 63

SIC TRANSIT GLORIA MUNDI
Ein Hinweis sei erlaubt nicht auf den Ruhm, wohl aber auf die Erfreulichkeiten dieser Welt...

nämlich auf die Freude, die das Kraftfahrzeug mit dem dazugehörigen Kraftstoff
ARAL bleifrei
uns Heutigen bereitet. Denn ARAL bleifrei bedeutet sorgenfreies, fröhliches Fahren für jedermann mit jedem Fahrzeug.



Bildquelle: Honoré de Balzac, Oberst Chabert, Rowohlt Verlag GmbH, Hamburg, 1956

Suche

 

Status

Online seit 4881 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 22. Mär, 21:06

Lesen

Credits


xml version of this page
xml version of this page (summary)
xml version of this page (with comments)
xml version of this topic

twoday.net AGB

Blogverzeichnis Creative Commons Lizenzvertrag
Shhhhh.

Alles nur Theater
Auf Spatzen geschossen
Auslaufmodell Buch
Den Ball gespielt
Der alltägliche K(r)ampf
Die kleine Form
Gedankeninseln
Geldregierung Arbeitsplatz
Gelegenheitslyrik
HaCK
Herr Fischer
Klassenraum
Links
Mensagespräche
Nichts Spezielles
Ohne Brille
... weitere
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren