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Kurt Tucholsky: Schloss Gripsholm II

Als ich noch ein wenig trödeliger mit meiner Zeit umgegangen bin als jetzt, kam es schon mal vor, dass ich tagelang nichts anderes machte, als zu arbeiten ( oder zur Schule zu gehen ) und dann nach Hause zu kommen und Computer zu spielen – immer das gleiche Spiel. Seit Jahren, genauer gesagt schon seit meiner Schulzeit spielte ich dieses Spiel hoch und runter. In der 10. Klasse war ich deshalb einmal drei Wochen nicht in der Schule. Ich bin jeden Morgen um 7 aus dem Haus, zu einem Freund, der dementsprechend natürlich auch zwei Wochen fehlte, und dann haben wir bei Cola und Tiefkühlpizza von morgens bis abends gezockt.

Meine Mutter, Englischlehrerin, kannte meine Klassenlehrerin, ebenfalls Englisch, aus einer Weiterbildung für Französisch. Sie waren auf Du und Du sozusagen. Als sie sich eines Tages beim Einkaufen über den Weg liefen, sagte meine Klassenlehrerin nur: „Dein Sohn ist aber schon lange krank.“ Meine Mutter sagte so etwas wie: „Ja, aber morgen kommt er wieder zur Schule.“ Das gab mächtig Ärger, zudem meine Mutter auch noch eine Schachtel Luckies in meiner Jacke fand.

Bei dem Spiel, was wir da spielten, eine schlichte Aufbausimulation, die für einige ein enormes Suchtpotential bereithält, ging es uns bzw. mir nie darum, zu gewinnen. Es ging um die Momente des Auskostens, kurz vor dem Sieg. Na klar haben wir das Spiel durchgespielt, so wie alle Nachfolger, die sich dem ersten und zweiten Teil der Reihe verbunden fühlten ( zwischenzeitlich kamen ja ein paar weniger gute Ausreißer für die Echtzeitstrategie-Käuferschicht auf den Markt, gotzeidank haben sich die Macher aber zurückbesinnt, uns als potente Käuferschicht wiederentdeckt und ein paar grafisch verbesserte Revivals auf den Markt geworfen, die ich natürlich alle im Original besitze ). Wir haben danach selbst Karten entworfen, haben an manchen Karten tagelang gespielt, und dann kurz vor dem Ende, wenn der Rechner durch das viele Gewusel sowieso kurz vor dem Aufgeben war, neu angefangen und eine andere Karte gespielt. Wir haben extra langsam gespielt, bestimmte völlig abwegige Spielziele erfunden, wie die meiste Kohle oder das meiste Gold einzulagern, die meisten Fische zu angeln. Nur um den einen Sieg ging es uns irgendwie nie so richtig.

Warum erzähle ich das überhaupt? Will ich etwa ein Buch über ein Computerspiel vorstellen? Nein. Ich habe vor einer Woche mein Freitagsbuch ausgelesen. Zum zweiten Mal das gleiche Buch. Ich besitze das Buch sogar zweimal, eine Fassung, bei der sich der Deckel löst und eine fast neuwertige ( wenn man das von einem Buch überhaupt sagen kann, das fast doppelt so alt ist wie ich ) Version, die bis auf vergilbtes Papier nichts an Gebrauchsspuren aufweist, eine Erstausgabe des 4. rororo Taschenbuchs von 1950: Kurt Tucholsky, Schloss Gripsholm.

Ähnlich wie bei meiner Neigung zum Computerspiel erging es mir mit diesem Buch. Ich musste mich zwingen, immer weniger Seiten zu lesen, um es einfach noch ein wenig länger auszukosten. Alles passte an diesem Buch: diese heiter beschwingte Grundstimmung, diese Lebensweisheit, die komplizierten aber nie anstrengenden Beziehungen und zuletzt sogar die traurige Geschichte des kleinen Mädchens, das den Bruder verloren hatte und bei einer Hexe von Erzieherin ihr tristes Dasein fristete. Das gute Ende in jeder Hinsicht, das Fehlen jeglicher Verpflichtung für die Protagonisten über die Handlung hinaus gab mir immer das Gefühl, im Urlaub zu sein, wenn ich zu lesen anfing. Ich trug das Gefühl nach ein paar Seiten der Lektüre für Stunden mit mir herum und wenn ich jetzt daran denke und aus dem Fenster schaue, kann mich selbst die von mir noch zu reinigende Wohnung nicht mehr ärgern.

Das Bild und den eigentlichen Artikel in meiner Reihe "Werbung im Buch" findet sich hier.

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Zuletzt aktualisiert: 22. Mär, 21:06

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