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Bei den Leisen Tönen. Manchmal braucht es einen Blog, um sich Luft zum Denken zu verschaffen. Keine Steckenpferde, Hobbies oder sonstiges Spezielles, nur Luft zum Denken.

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Montag, 25. Februar 2013

Kopfdämmung

Ich war schon wieder für das Niedersächsische Staatstheater unterwegs. Am Samstagabend hatte „Heaven“ Premiere. Ich war für die Requisite zuständig. Die war komplett fertig und musste nur noch kurz hin und her geschoben werden, was nicht weiter verwunderlich ist, denn das Procedere sieht vor, am Abend vor der Premiere die Generalprobe laufen zu lassen, die natürlich inklusive Requisiten abläuft. Also nicht wirklich viel zu tun.

Der Pausenumbau, bei dem ich wie öfter schon eher unbeteiligt herumstand und außer ein paar Büchern und Plastikflaschen aufzusammeln nichts weiter zu tun hatte, gestaltete sich ebenfalls stressfrei. Die Pausen dazwischen waren lang, aber sie werden bezahlt. Beklage ich mich also nicht. Ein Stück Schokolade gab es, eine Karte mit dem obligatorischen „Toi Toi Toi“ darauf und eine kleine Piccolo Flasche alkoholfreien Sekt, umetikettiert auf eine imaginäre Sektkellerei in Wolfen; dort spielt das Stück.

In der zweiten Pause, also nach dem Umbau, geriet das Gespräch in den Räumlichkeiten der Requisite ein wenig außer Kontrolle. Nicht nur, dass mir ein Namenspatron über die Leber lief, der so heißt wie mein Alter Ego im Netz. Dieser Patron ist außerdem auch noch einflussreicher Architekt, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, eine Lobby zu bekämpfen, die sich der Sanierung inklusive Wärmedämmung von Häuserfassaden widmet.

Wie stark diese Lobby ist, bewies ein Schreiben des Dachverbands, der bereits vor der Ministerkonferenz zu dem Thema seinen Mitgliedern bescheinigte, sie bräuchten sich keine Sorgen machen, es bliebe alles wie gehabt. Natürlich blieb es dann auch wie gehabt und nur die Deppen aus der Politik nahmen dazu Stellung; von den Strippenziehern im Hintergrund natürlich niemand. Die Reportage bildete den Abschluss einer heißen Diskussion, der ich als Laie und Mieter beiwohnte. Daneben sprachen auf mich ein eine Architekturstudentin und ein Hausbesitzer, die der gleichen Meinung waren wie der Architekt im Fernsehen: Fassadendämmung amortisiere sich nicht und der verbaute Stoff sei ohnehin höchst umweltgefährlich.

Alles richtig. Ich nickte nur, staunte über den ganzen Kram und kam einfach nicht dahinter, wo der Haken ist. Natürlich, der Dämmstoff ist das Prädikat „schwer entflammbar“ nicht wert, höchst umweltschädlich und überhaupt sind die Machenschaften mehr als fragwürdig. Die herangezogenen Tests, selbst die DIN-Norm sind nur Maßgaben, die von der Industrie selbst eingeführt worden sind. Ein Riesenschmu! Empört, wie meine beiden Gesprächspartner, war ich indes nicht, und ich wusste bis zum Sonntag auch nicht warum.

Als ich am Sonntag den Bericht der Neuen Presse zum Opernball las, geriet ein kleines graues Fenster zwischen die Fronten. Es war überschriftet mit „Der Opernball in Zahlen“. Es fand sich eine genaue Zahl der Orchideen, 2200, eine genaue Zahl der Kilometer handverarbeiteten Aludrahtes, 14 Kilometer, Gäste, Debütant:innen usw. Aber die Zahl derer, die das erst möglich gemacht haben, die Techniker, Floristen, Bartender, Requisiteure, Elektriker usw., die Zahl gab es nicht. Die Zahl war uninteressant. Diese Zahl ist insgesamt vielleicht ähnlich hoch, wie die Zahl der Teilnehmer am Opernball.

Und nun schauen wir uns doch einmal die Nutznießer der Fassadensanierung an. Das scheint eine kleine einflussreiche Gruppe von Leuten zu sein, die Haus- und Wohnungsbesitzern laut Gesetz das Geld aus der Tasche ziehen dürfen für sinnlose und überteuerte Dämmung. Doch wer lebt denn in den Häusern? Nur die Besitzer? Nein, in Deutschland lebt ca. die Hälfte der Bevölkerung zur Miete, die sind sicherlich auch an den Kosten von Sanierung beteiligt aber längst nicht so stark betroffen wie Häuslebauer oder Mehrfamilienhausbesitzer. Dass vieles schlecht ist, was da gemacht wird, keine Frage, aber dass sich nicht wenigstens für ein paar der Mieter tatsächlich ein Vorteil einstellt, wenn die Besitzer der Häuser zur Sanierung gezwungen werden, kann ich irgendwie nicht glauben. Hier wurde auch nur die Hälfte berichtet, sowohl aus Sicht des Mieter- Vermieterverhältnisses als auch aus Sicht des verantwortungsvollen Sanierers gegenüber dem „armen“, uninformierten Sanierer von Wohnungs- oder Hauseigentum.

Die beiden Mitstreiter konnten sich breitbeinig dagegen stemmen, der eine ist Hausbesitzer und informiert sich eben und die andere studiert Architektur und macht es hoffentlich irgendwann besser als der Großteil ihrer Zunft ( so klang es in den Filmen zumindest an ). Ich sitze dazwischen, habe kein Haus aber Schimmel in der Mietwohnung. Und frage ich die Fachleute danach, so stellt sich heraus, da muss der Vermieter am besten dies und das tun. „Die Wände müssen atmen“, höre ich dann, „reiß‘ die Innendämmung wieder ab“, „zieh‘ um“. Ja, ja. Das ist wie beim Opernball: nur weil ich dem Hornbläser auf den Mund und die Hände gucke, heißt das noch lange nicht, ich könne jetzt ins Horn blasen.

Freitag, 22. Februar 2013

Opernball: Hinter den Kulissen ist es einfach überirdisch

Das Motto des diesjährigen Opernballs in Hannover ist „Einfach überirdisch“. Es gibt im Foyer eine kleine Mondkapsel, allerlei bunte Bilder mit fernen Galaxien, Spiralnebeln und sonstigen Erscheinungen, die furchtbar weit weg sind. Es gibt einen Raum der sich thematisch mit Star Trek beschäftigt, eine Barbarella-Suite, eine Bar namens Higgs-Corner und vieles mehr. Eine Zaunbaufirma muss mit dem Blumendekorateur einen Deal gemacht haben, bei dem sich beide eine goldene Nase verdient haben. Es sind im ganzen Opernhaus kleine Knäuel Aluminiumdraht verteilt worden; legte man den Draht geradeaus aus, so entstünde wahrscheinlich eine Strecke von hier bis zum Mond. In jedem dieser Knäuel stecken mindestens 3 Orchideen, dazu kommen noch jede Menge Gestecke in kleinen Vasen, Glasschalen und und und.

Nichts davon hielt für uns, die kleinen Räder im Getriebe der Requisite, eine Überraschung parat. Es war genau der gleiche Job wie im letzten Jahr, in dem Jahr davor, davor und auch noch davor. Seit meinem Einstieg als Aushilfe beim Opernball heißt es für mich und die anderen: am Donnerstag vor dem Opernball kommen mehrere große Wagenladungen mit Stühlen, Hockern, Schemeln, Sesseln, Sofas, Tischen, Beistelltischen, Bartresen, Sitzkissen, Lampen und anderen Kleinigkeiten, die sich auf allen Ebenen im Opernhaus wiederzufinden haben. Was neu war, war die formschöne, mit kleinen Fotos und Erläuterungen versehene Tafel, die am Eingangsportal, dem Hauptanlieferort, aufgestellt wurde. Der Chef stand dort mit einem Stift bewaffnet und kämpfte mit windmühlenartiger Gestik gegen das Chaos. Das Chaos ist schneller als sein Ruf, schneller als das Licht möchte man meinen, denn wir waren noch nicht ganz da und einsatzbereit, da kullerten schon die ersten hektischen Schweißperlen von den Stirnen der Verantwortlichen.

„Wie viele Stühle gehen jetzt da hin? Wie viele sind schon da? Geh mal hoch und funke mich an! Ist die Tischplatte jetzt 70 oder 80 cm im Durchmesser? Nein, die Glasplatten müssen auf den Balkon! Halt! So, jetzt kannst du losgehen, jetzt habe ich dich abgehakt!“ Ich wurde hundertmal abgehakt. Wir alle wurden bestimmt hundertmal abgehakt. Wir nahmen ein Teil, gingen zur Tafel, erfuhren unseren Bestimmungsort und stöhnten, wenn es der dritte Rang war. Es nutzte nix. Ein paar Sachen waren nachher falsch und mussten nochmal woanders hin. Ein paar Sachen kamen nicht, manches war kaputt und von anderen Sachen hatten wir zu viel. Alles in allem hatten wir durch die formschöne, mit kleinen Fotos und Erläuterungen versehene Liste einen kleinen Vorteil gegenüber dem Chaos errungen, den es uns bis zum Schluss nicht mehr streitig machen konnte.

Das Schöne an der Arbeit für die Requisite ist, man kommt in jeden Raum. Man kann sich alles ansehen, die Technik, die Dekorationen. Im Opernsaal hing ein Sonnensystem an der Decke. Verschiedene Planeten machten die Runde, mit Kratern drauf oder ohne, mit Ringen oder ohne, aber alles war sehr bunt und bewegte sich entweder um sich selbst, in der Höhe oder hing einfach still da. Der Boden war mit riesigen Tafeln bedeckt, auf dem die komplette Milchstraße abgebildet war oder nur ein unbedeutender Teil unserer oder einer fremden Galaxis. Wir fanden es nicht heraus, flachsten aber, wie der alte Ministerpräsident mit dem neuen Ministerpräsidenten über den Boden laufen würde und alle beide nach unserem Sonnensystem suchen.
„Guck mal, David, hier muss es sein!“
„Nee, Stephan, das ist viel zu nah am Zentrum, wir sind doch eher in der Peripherie!“

Auf den Seitenbühnen hatten wir leider nicht so viel zu tun, da herrschte noch am meisten Betriebsamkeit. Ich wurde mir dessen immer erst gewahr, wenn ich meinen Stuhl abgestellt hatte und plötzlich mitten im Weg einer Aktion stand, die die Technik plötzlich genau an dieser Stelle auszuführen hatte. Das konnte auch schon mal ein Gespräch sein über eine Dekoration, die sich zufällig über mir befand. Dann sprang ich flink zur Seite und suchte mir ein neues Objekt zum Hin- und Hertragen. Komischerweise war ich nie im Weg, wenn ich mich selbst auf einem befand, selbst wenn ich dabei kurz irgendwo herumstand, weil es nicht weiterging, wuselte es immer um mich herum und nie dort, wo ich war. Aber alles lief freundlich ab, kein Geschrei, kein Anschnauzen, fast alle waren die Ruhe selbst.

In anderen Galaxien, also abseits der Bühnen, gestaltete sich mein Aufenthalt auch irgendwie ambivalent. Auf dem Hinweg, beladen mit Möbeln aller Art, bahnte ich mir meinen Weg durch Floristinnen, Techniker, Fotografen, Kellner usw. und auf dem Rückweg schlenderte ich mit einem großen Pulk an Spaziergängern, die ihr Werk begutachteten, zurück zur Eingangshalle, wo uns wieder neues Gepäck erwartete. Es war immer das Gleiche. Auf dem Hinweg sah ich nur arbeitendes Volk und auf dem Rückweg war ich einer von Vielen, die mit einem Exklusivrecht ausgestattet zu sein schienen: wir waren die ersten, die sich ein Bild vom Opernball machen durften, noch vor der Eröffnung!

Mittwoch, 20. Februar 2013

Aktionsplanpuzzle

Falls Ihnen langweilig sein sollte, falls Sie eine ruhige Minute haben oder falls Sie einfach mal etwas tun möchten für den Phrasenbrei in der Politik, empfehle ich Ihnen folgendes Puzzle. Dieses Kleinod moderner Sprachspiele ist unter Zuhilfenahme diverser Synonymwörterbücher und des Dudens entstanden.

Laden Sie sich die Grafik einfach herunter und drucken Sie sich ein oder mehrere Exemplare davon. Schneiden Sie die einzelnen Felder sorgfältig aus und sortieren Sie sie ihren Farben entsprechend auf die einzelnen Haufen. Die 3 oben abgedruckten Felder dienen als Beispiel und sind deshalb etwas kräftiger in der Farbe. Das Beispiel kann aber, sobald Sie das Spielprinzip verinnerlicht haben, ebenfalls verwendet werden. Die nach Farben sortierten Bestandteile können Sie nach dem oben abgedruckten Beispiel ansonsten völlig frei anordnen. Die beiden unten abgedruckten Ergänzungen, das -s- und das -n- schieben Sie bei Bedarf einfach dazwischen.

Viel Spaß!

Samstag, 16. Februar 2013

Kantinennovellettchen

Wir saßen zu fünft in diesem Raum. Es roch nach abgestandenem Rauch, was mich früher nicht gestört hätte. Meine beiden Kollegen aus der Technik – wir trafen uns zufällig am Eingang der Kantine – wollten ihre Feierabendzigarette mit ihrem Feierabendbier genießen. Wir gingen also in den kleinen Räucherraum und erzählten uns von unserem Tag, bis wir nichts mehr zu erzählen hatten. Das ging etwa 5 Minuten so. Danach schwiegen wir drei.

Uns gegenüber saß ein Schauspieler in „Zivil“. Ich nahm an, dass es seine Zivilkleidung war, denn er sah so natürlich darin aus. Er trug eins dieser rosafarbenen Polohemden mit dem kleinen grünen Reptil drauf. Er rauchte Cohiba ohne Filter und schaute hin und wieder aus seinem Skript nach oben in unsere Runde. Er bewegte dabei kaum den Kopf, denn seine Brillengläser waren so überdimensioniert, dass er nicht hätte darüber schauen können, wenn er den Kopf gehoben hätte. Wie er so dasaß mit seiner Sparsamkeit, kam er mir vor wie ein großes Reptil.

In der Ecke zwischen uns dreien und dem Reptil saß noch ein Schauspieler, dieser war kostümiert und geschminkt. Seit seinem letzten Einsatz auf der Bühne – das Stück lief ja schon geraume Zeit – muss er ein Fass Mehl abbekommen haben. Zumindest waren seine vormals schwarzen Klamotten überall von weißem Staub bedeckt. Auch er sah in ein Skript und blätterte die blau markierten Stellen weg; war wohl nicht sein Text.

Mittlerweile war es totenstill im Raucherabteil des Schauspielhauses. Hin und wieder raschelte ein Papier, eine Zigarette wurde angesteckt oder ausgedrückt, Atmung, Schuhe, die über den Boden scharren.
Kurz darauf ging die Tür auf, ein junger Mann betrat den Raum, gefolgt von einer älteren Dame. Er gehörte offensichtlich nicht zum Haus. Die Frau zeigte nur kurz auf den Zigarettenautomaten in der Ecke, murmelte etwas Unverständliches und ging wieder. Der junge Mann stellte sein Bier auf den Tisch, alle Blicke weilten auf seinen Händen, die in einem Portemonnaie nach Kleingeld suchten. Dann richteten sich die Blicke wieder weg und die Zigaretten purzelten den Schacht herab.

Ich besah mir den Automaten genauer, konnte aber keine Cohiba darin entdecken. Der junge Mann rauchte Nil. Bald ist das Stück zu Ende, dachte ich, mein Blick fiel auf die Armbanduhr des Cohibarauchers, die mir kopfüber entgegenleuchtete. Laut den riesigen Ziffern auf seiner Digitaluhr im Retrodesign war es 21:87 Uhr. Es war natürlich 21:07 Uhr, denn dem Querstrich in der Null, der wegen meines schräg darauf liegenden Blickes ebenfalls zu sehen war, war diese seltsame Zeit zu verdanken. Später stellte sich übrigens heraus, dass er doch nicht in "Zivil" war. Er musste eine Art Kurzauftritt gehabt haben, bei dem ihm jemand auf die linke Schulter kotzte; so begegneten wir uns jedenfalls später im Treppenhaus: er mit Sputum, ich mit Requisiten beladen. „Störe ich hier eigentlich?“, fragte der Nilraucher plötzlich. Niemand bejahte. Ich auch nicht, ich überließ lieber den Schauspielern das Wort. Die schüttelten nur ihren Kopf. Das habe ich noch nie gefragt, dachte ich.

Montag, 11. Februar 2013

Musen küssen keine Frösche

Ich lese gerade "Deutsch für Kenner" von Wolf Schneider und das hindert mich daran, auch nur einen geraden Satz zu schreiben. Meine Behinderung befällt mich, sobald ich auch nur das Schreibprogramm öffne und drauflos tippen will. Drauflos ist nicht mehr drin. Satzgefüge, -anfänge und -enden schweben in ständiger Bereitschaft die Stellung zu wechseln von hinteren zu vorderen Teilen, Verben gehen verlustig und die kleinen Kommata und Semikolen, Punkte und Ausrufezeichen, Fragezeichen und Doppelpunkte erscheinen plötzlich und unaufgefordert dazwischen und stören den ohnehin schiefen Klang der Satzmelodie.

Trithemius erzählte mir beim Kaffee heute etwas von "aus dem Bauch heraus" schreiben. Die Muse küsst nicht jeden aber wenn sie küsst, dann verhält sich das so, als ob nicht irgendwer schreibt, sondern der Text schreibt sich von selbst; aus dem Bauch heraus eben. Die Worte sprudeln nur so und bilden ganz plötzlich sinnvolle, schön klingende Sätze. Bei mir klingt es gerade so, als ob ich einen Frosch im Hals hätte. Mein Frosch heißt Wolf Schneider. Ich stelle mir gerade vor, wie ich irgendwo sitze, jemand fragt mich nach der Uhrzeit und plötzlich quakt ein Frosch aus meinem Hals heraus: "Guten Tag, mein Name ist Wolf Schneider". So ähnlich verhält es sich auch jetzt gerade. Ich wollte lediglich erklären, weshalb ich gerade nichts schreibe, nichts schreiben kann, und erwähnte ganz kurz dieses vermaledeite Buch und plötzlich schiebt sich der Frosch dazwischen und versaut mir den Artikel.

Auf dem Rückweg vom Café, in dem wir saßen, begegnete mir eine Frau, die sich verhielt wie eine Muse. Ich wollte gerade mit telefonieren ansetzen, da wechselte sie unvermittelt die Richtung und schlug einen Weg bloß weg von mir ein. Sie sah mich dabei an, wie ich dem Freizeichen lauschte und entfernte sich bereits vor dem Passieren. Alle Menschen, die auf mich zugehen, entfernen sich ja wieder von mir, wenn sie an mir vorübergegangen sind, was mir egal ist, ich kenne sie ja nicht. Aber diese Frau, die ging einfach schon vorher weg.

Man müsse schreiben über das Problem, dann löst es sich von selbst auf, sagte Trithemius auch irgendwann einmal. Habe ich hiermit gemacht.

Donnerstag, 7. Februar 2013

Reservierung möglich, Platz im Schatten nicht

Letzter Termin im Semester war die anstehende Klausur in der Psychologievorlesung. Ein paar der verhandelten Themen hatte ich hier, hier und hier bereits angeschnitten. Das erleichterte mir das Lernen, wie ich befand. Leider hatte ich mir längst nicht alle Zusammenhänge auf meine Weise gemerkt, was sich in der Arbeit später noch als Problem herausstellte. Die Annahme, Gelesenes bzw. Gehörtes bei erneutem Lesen wiederzuerkennen, stellte sich als falsch heraus, denn in einem Multiple Choice Test stehen neben den richtigen Antworten häufig auch ähnlich klingende falsche Antworten, die sich mitunter nur durch ein Wort unterscheiden.

Wie gut allerdings gänzlich andere Bereiche in unseren Gehirnlappen funktionieren, selbst wenn man Extremsituationen wie Prüfungen ausgesetzt ist, bewiesen gewisse Vorkehrungen einiger Studenten, die den Ablauf der Prüfungsvorbereitung betrafen. Wir saßen bereits alle an einem Platz unserer Wahl, als der Dozent mit seinen Helfern anrückte und uns freundlich des Raumes verwies. Ein wenig zu spät, dafür aber gut durchorganisiert präsentierte er uns kurze Zeit später den Hörsaal. Mit einem Abstand von zwei Sitzplätzen lagen die Vordrucke der Klausur ausgebreitet. Zwischen den Reihen nach vorn und hinten war jeweils eine Reihe frei gelassen und vorn an der Tafel standen zwei Bereiche mit Namensregistern – links von A bis Klages und rechts von Klatt bis Z. Darin hatten wir uns bei gleichzeitiger Prüfung unserer Identität durch das Hilfspersonal einzutragen. Gute deutsche Organisation.

Als ich endlich an der Reihe war und meine Unterschrift in die dafür vorgesehene Spalte machte, war bereits die Hälfte der Studenten damit fertig. Die „besseren“ Plätze, also die am Rand oder weit oben, waren größtenteils besetzt. Die „besseren“ Plätze, die nicht durch Personen besetzt wurden, waren anderweitig belegt. Da lag zwar kein Handtuch wie auf der Strandliege unterm Sonnenschirm auf Mallorca, dafür aber Taschen, Rucksäcke, Jacken oder Mäntel, die signalisierten: hey, hier sitzt schon jemand. Ich fand keinen Platz im Schatten mehr und musste mit einem Platz in der Mitte einer Reihe vorlieb nehmen. Als die Prüfung beginnen konnte, gesellten sich zu dem vorher schon aufgetretenen Hilfspersonal weitere Leute dazu, die sich mitten in die leer stehenden Reihen oder an den Rand stellten. Die liefen dann herum und beäugten die Prüflinge misstrauisch. Es gab also keine „besseren“ Plätze. Ich musste mich leider auf mein Wissen verlassen.

Dienstag, 5. Februar 2013

Kalenderblatt

Eigentlich ging es um Landtagswahlen in Niedersachsen. Genauer, es ging um die Landtagswahlen vor geraumer Zeit, wo es der CDU/CSU zum ersten Mal gelang in Niedersachsen Fuß zu fassen. Christian Wulff war da nicht mehr als eine Randnotiz auf der Rückseite. Eigentlich war das Ganze nur eine Randnotiz. Es war die Notiz eines Kalenders aus dem Hause des Bertelsmann Verlages, den ich in meinem Weihnachtskalender fand, und der am 02. und 03.02. wie jeden Tag ein Abreißblatt für mich bereithielt, auf dem die eben geschilderte Notiz stand.

Der Abreißkalender hält für jeden Tag eine historische Notiz bereit. Auf der Rückseite stehen manchmal noch ein paar Erläuterungen oder die Antwort des vorn abgedruckten Rätsels – heute zum Beispiel war auf der Vorderseite ein Rätsel zu Rosa Parks drauf, bei dem man raten sollte, wo Rosa Parks einfach sitzen blieb und damit die Welt veränderte. Gestern aber stand eine Erläuterung zur Causa Wulff drauf. Sein Werdegang wurde nachgezeichnet und die letzte Position, die er laut Kalenderblatt des 03.02.2013 innehat, ist das Amt des Bundespräsidenten, welches er vor fast einem Jahr aufgegeben hatte. Was hat sich der Bertelsmann Verlag nur dabei gedacht?

Dienstag, 29. Januar 2013

Die Nettohoffnung

Wissen Sie, was Nettohoffnung ist? Nein? Das habe ich heute gelernt, ich erkläre es Ihnen: Nettohoffnung ist die Differenz aus der Hoffnung auf Erfolg (HE) und der Furcht vor Misserfolg (FM) (ich halte mich bei dem hier eingeführten Abkürzungskonzept an das von unserem Dozenten nahegelegte, es gibt aber auch andere).

Die folgende Grafik verdeutlicht das Konzept, zumindest verdeutlichte es uns der Dozent der Vorlesung so. Ganz links steht die Hoffnung auf Erfolg. Das könnte zum Beispiel ein vielversprechender Flirt sein, den Sie durch Erfahrung, gutes Aussehen, Manieren und sprachliche Gewandtheit zu einem Abendessen zu zweit ausbauen möchten. Der Hoffnung auf Erfolg gegenüber steht – dargestellt als kleiner blauer Balken, der in der Luft zu schweben scheint – die Furcht vor dem Misserfolg. Als Beispiel könnten hier Ihre Plattfüße dienen oder Ihr leicht graumeliertes Haar, was Sie erwägen lässt, der Flirt könnte auch in die Hose gehen. Zieht man nun die Furcht vor dem Misserfolg von der Hoffnung auf Erfolg ab, so bleibt etwas übrig, ähnlich der Rechnung Fünf minus drei. Der Rest, also das Übriggebliebene, ist Ihre Nettohoffnung.



Die Nettohoffnung bleibt sogar eine Nettohoffnung, wenn es sich wie auf der nun folgenden Grafik zutragen würde: Der kleine in der Luft schwebende Balken ist Ihre Hoffnung auf Erfolg und die Bedingungen dafür sind deshalb so klein, weil Sie sie gar nicht in der Hand haben. Der vielversprechende Flirt müsste blind und taub sein und Schnupfen haben, damit aus dem Flirt etwas wird. Diesmal ist der große Balken Ihre Furcht vor dem Misserfolg, denn: zu ihren Plattfüßen, dem grauen, strähnigen Haupthaar gesellen sich noch eine Brille mit Einmachglasstärke, schiefe Zähne und schlechter Atem, dessen Sie sich natürlich bewusst sind.



Und das ist doch das eigentlich Schöne daran. In der Wissenschaft werden solche Zusammenhänge streng versachlicht. Da ist die Nettohoffnung trotzdem eine Nettohoffnung, selbst wenn sie plötzlich ein negatives Vorzeichen bekommt. Diesen Optimismus teilen natürlich nicht alle, vor allem nicht die Küchenpsychologen. Für die gibt es dann einen anderen Begriff, der sich gemäß der Rechnung nicht aus Hoffnung und Netto zusammensetzen darf, sondern aus Netto und Furcht. Die Küchenmathematiker hätten das übrigens auch anders gemacht, die hätten statt des negativen Vorzeichens einfach den Anfangssatz umgedreht: Differenz aus FM und HE anstatt Differenz aus HE und FM. Das bringt aber auch diese Gruppe auf die gleiche, andere Begriffsfindung wie die Küchenpsychologen. Da Nettofurcht aber blöde klingt, habe ich mir da was neues ausgedacht: nackte Angst.

Eins noch zum Schluss: niemals, ich wiederhole niemals! dürfen Sie sagen Ihre Nettohoffnung beträgt zwei (siehe die Beispielrechnung im ersten Absatz). Mit voller Absicht hat unser Dozent keinerlei Skalierung vorgenommen. Es existiert keine Skalierung. Es existiert überhaupt keine Wertvorstellung von Hoffnung oder Furcht, die Sie obendrein noch gegeneinander ausrechnen können. Alles, was Ihnen bleibt, ist die Hoffnung unterm Strich, ach vergessen Sie’s, es gibt keinen Strich! Nichts, es gibt absolut gar nichts, was Ihnen bleibt außer dem Netto und da können Sie noch froh sein! Beschweren Sie sich doch bei meinem Dozenten oder bei Atkinson oder bei Heckhausen oder bei den anderen Motivationspsychologen! Ich habe damit absolut nichts zu tun! Einen schönen Tag noch.

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