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Bei den Leisen Tönen. Manchmal braucht es einen Blog, um sich Luft zum Denken zu verschaffen. Keine Steckenpferde, Hobbies oder sonstiges Spezielles, nur Luft zum Denken.

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Montag, 1. Oktober 2012

Ei?

Frühstücksei. Das ist ein Wort, das kann mein Sohn noch nicht sagen. Er verlässt sich darauf, dass wir die letzte Silbe verstehen und ihm zu gegebener Zeit ein solches präsentieren. Die Zeit, zu der das passiert, ist immer sonntags. Und sobald wir beide vom Bäcker kommen und die Küche betreten haben, in der gerade ein Ei von meiner Frau abgepellt wird, ertönt der Ruf eines furchtbar seltsamen Vogels. Es klingt ein wenig nach den Möwen aus „Findet Nemo“, die stets und ständig „meins?“ rufen. Nur sein Ruf ist noch kürzer und bezieht sich direkt auf das dampfende weiße Ding, was gerade von der Küchenarbeitsplatte zum Frühstückstisch wandert: „Ei? Ei? Ei?“, dabei wird heftig mit dem Finger gezeigt und am Kinderstuhl geruckelt. „Jetzt setz mich doch, verdammt nochmal, endlich in den Sitz und gib mir das Ding da rüber!“ Das wäre mein Übersetzungsvorschlag für die lautstarke und gestenreiche Darbietung.

Ich wäre wahrscheinlich nicht der Vater unseres Sohnes, wenn ich nicht wüsste, dass ich als kleiner Junge nicht anders gewesen bin. Ich vermute, es gibt für jedes Kind in einem bestimmten Alter eine bestimmte Köstlichkeit, die alles zuvor Gelernte vergessen lässt und unter Aufbietung allen Vokabulars, aller Gestik und Mimik, und alles total durcheinander, einen Wunsch – nein, einen Willen! – formulieren lässt, den Eltern offensichtlich trotz aller sonstigen Verständigungsprobleme eindeutig identifizieren können.

„Ei?“, das kennen auch meine Eltern noch. Ich war ein Frühstückseiliebhaber besonderer Art. Ich war zuerst kein Gourmet in Sachen Frühstücksei, ich verschlang sie alle. „Alle?“, ruft mein Sohn Fiete dann, wenn ich ihm verständlich gemacht habe, dass er sein Ei restlos verputzt hat. Und dann schaut er auf mein Frühstücksei, zeigt darauf und ruft wieder: „Ei? Ei? Ei?“ Gestern habe ich mein Ei hinter einer Phalanx aus Kaffeetasse, Zuckerstreuer und Marmeladenglas versteckt, mein antifietestischer Schutzwall, das stimmte Fiete etwas ratlos, brachte ihn aber immerhin dazu, noch etwas anderes zu essen, außer die Eier von allen anderen, die am Frühstückstisch saßen. Meins war außer Sicht und das meiner Frau ist sowieso bereits nach Verzehr von zwei Brötchenhälften passé.

Früher verschlang ich mein Ei auch deshalb, weil ich zwei Geschwister habe. Ich verschlang einfach alles in wahnsinniger Geschwindigkeit. Gab es einen Nachschlag, so war ich mit meinem ersten Teller bereits fertig, bevor meine Mutter allen anderen aufgetan hatte. Das ging mit den meisten Dingen so, bis heute. Viel und schnell. Nur beim Ei, da wandelte sich mein Verhalten irgendwann als kleines Kind.

Ich war bereits so alt, dass ich wusste, wie man einen Löffel bedient, ich konnte mir mein Brötchen selbst schmieren – Butter, Salz und Pfeffer, etwas anderes esse ich heute noch nicht zum Ei – und ich habe irgendwann begriffen, dass es nur eine ganz bestimmte Zeit des Eiüberflusses gibt, nämlich Ostern, und ich mich sonst mit nur einem Ei zufriedengeben muss. Als ich das begriffen hatte, wandelte sich mein Verhältnis zum Frühstücksei grundlegend. Ich aß plötzlich mit Bedacht. Ein klitzekleiner Löffel portionierte das Ei zu immer kleineren Happen, die parallel zum Biss vom Brötchen in die Luke geschoben wurden. Ich konnte so bis zu drei Brötchen, also 6 Hälften, mit nur einem Ei essen. Grundlegend hat sich mein Essverhalten demnach nicht geändert, was meinen Vater also weiterhin den Kopf schütteln ließ, nur mit dem Ei ging ich plötzlich anders um.

Wenn Fiete, unser Sohn, demnächst eine Schwester bekommt, und diese nach geraumer Zeit ein eigenes Ei zum Frühstück – also in ca. 2 Jahren wahrscheinlich – wird er sich sein Brötchen selbst schmieren können. Dann wird er einen Eierbecher bekommen, das gleiche Format übrigens, wie die Eierbecher, die meine Eltern früher besaßen und wir heute noch besitzen – ich schätze fast jeder Haushalt der DDR verfügte über diesen Eierbechertyp der „tausend kleinen Dinge“, ein Gockel aus Plaste, einfarbig gelb, rot, blau oder grün – und er wird sich sein ganz persönliches Ei einteilen können, wie er will, ich bin gespannt wie ein Flitzebogen.

Mittwoch, 26. September 2012

Das X mit der Schrift

Mit Verwunderung stellte Trithemius fest, dass er sich nicht erklären könne, wie ein Hemd in dieser Größe wohl aussähe: XXXXL. Das Hemd in seiner Größe kostete seinerzeit wesentlich mehr, als ein Hemd in dieser Größe kurz vor der Schließung des Geschäfts. Geschlossen ist es jetzt deshalb, weil renoviert wird. Neue Fenster, neue Oberlichter, wahrscheinlich auch ein völlig neues Innenleben wurde in dem Laden neben unserem Kaffeestübchen konzipiert und jetzt befindet sich eine Schreinerfirma in der Ausführung der Pläne.

XXXXL. Stünde jedes dieser iXe für einen Arbeitsschritt, so könnte man sich ein ungefähres Bild von einem Unterfangen wie dem Umbau eines Ladengeschäfts machen. Läse man den aktuellen Text von Trithemius, würde man sich bewusst machen können, welche Arbeitsschritte nötig waren und heute nötig sind, um einen Text „auf Papier“ zu bringen. Wir bringen aber heute kaum noch etwas zu Papier. Der Text entsteht an einem Computer, an dem eine Tastatur hängt, auf dem eine Standardtastatur abgedruckt ist, die es uns ermöglicht, in einheitlicher Schriftgröße vor uns hin zu tippen. Wir haben unser Arbeitsmittel vertauscht – manchmal. Wir haben dem Prozess des Schreibens viele kleine Prozesse beigefügt. Wo vorher eine Papiermühle, ein Bleistiftmacher vonnöten war, nebst Lehrer, der einem das Schreiben beibrachte, zuletzt einen Schreiber und eventuell einen Leser als Letzten in der Kette eines Prozesses, der nichts weiter wollte, als mitzuteilen, sind es heute viel mehr iXe, die dazu nötig sind, um nichts mehr als das Gleiche zu erreichen: mitzuteilen. Wir benötigen dazu weiterhin all diese Dinge, sollten wir, wie ich zum Beispiel, nach wie vor ein Notizbuch mit uns führen. Wir benötigen aber auch die Industrie zur Herstellung von Tastaturen, Prozessoren, Monitoren, Computermäusen und nicht zuletzt auch die Programmierer, die dafür sorgen, dass unsere Eingabe auch dem entspricht, was wir wollen: eine von Vielen lesbare Mitteilung.

Wir unterhielten uns aber nicht nur über die Mittel zur Ausführung des Schreibprozesses, sondern auch darüber, was mit uns dabei passiert. Früher benötigten wir dazu eine Kerze oder nicht, je nach Tagesfortschritt, einen Arm, eine funktionierende Hand und ein Auge, meistens zwei, und natürlich das ein oder andere Hirnareal, welches, angeregt durch unser Tun, Synapsen zum Arbeiten brachte. Natürlich könnte diese hohe Form der Konzentration auf einen so schlichten Vorgang wie dem Abfassen einer Nachricht ein Gut sein, dass wir in heutiger Zeit vermissen. Gerade weil es aber Leute gibt ( den hier zum Beispiel ), die das in aberwitzigen Studien, ganzen Buchreihen, ach was sage ich: ganzen Bibliotheken, zu beweisen versuchen, kommt der vernünftige Mensch nicht um die Frage herum: Ist das jetzt gut oder schlecht?

Nicht weniger Konzentration ist übrigens nötig, um als ungeübter oder geübter ( eigentlich ist das sogar völlig egal ) Tastenklimperer den Fortschritt des Textes sicherzustellen, seine Botschaft klar und unmissverständlich herauszuarbeiten, als es beim Schreiben von Hand nötig ist. Man denke nur, an die vielen Blicke, die es erfordert, Einheit zwischen Gedachtem und Geschriebenem herzustellen, eventuelle Rechtschreibfehler oder Tippfehler auszumerzen. Man bedenke nur die Komplexität der Bewegung einer Extremität beim handschriftlichen Abfassen und dem computergestützten Schreiben, bei dem womöglich zwei Arme zu steuern sind. Auch hier sind also ein paar iXe hinzugekommen, deren einzige messbaren Konstanten Hirnareale darstellen, die wir glauben komplett erforscht zu haben und die scheinbar in ihrer Aktivität leiden, wenn wir von dem Einen lassen und das Andere bevorzugen. Deshalb sind Computer per se schlecht und die Handschrift ein Gut, das es zu pflegen gilt.

Was also alle Schreibprozesse gemeinsam haben, ist das sinnlose oder sinnvolle – je nach Betrachter – Aufblähen eines oder mehrerer Vorgänge, die nur einem Zweck dienen: sich mitzuteilen. Ich sagte zu Trithemius, dass der Herr, der draußen an einem der Tische saß, ein XXXXL-Hemd trug, weil er über einen Körperumfang verfügte, in dem wir beide gleichzeitig Platz hätten. Doch nur weil ich die Größe kenne/vermute, heißt das noch lange nicht, dass seine iXe aus einer schlechtlaufenden Schilddrüse herrühren oder er nicht in jeder Jackentasche ein Arsenal aus Schokoriegeln mit sich führt. Und zu beurteilen, was daran gut oder schlecht ist, das maße ich mir schon gar nicht an.

Dienstag, 18. September 2012

Strandleben, letzte Einstellungen

Als ich die fünf da so sitzen sah, war mir sofort klar, dass da irgendwas nicht stimmen konnte. Bester Laune, mit einem kleinen elektrischen Spielzeug ausgestattet, aus dem der Klang eines dunklen, vor Stroboskopen nur so wimmelnden Kellers erscholl, lungerten vier auf der Decke und eine saß am Wasser und schaute auf ihr Handy. In angeregter Unterhaltung spritzten die vier wie eine Horde Wassertropfen in einer Zentrifuge um sich selbst. Standen auf, setzten sich wieder, nahmen ungelenk und körperbetont Haltungen ein, die jedem Orthopäden ein Schauergewitter über den Rücken gejagt hätte; da wurden Beine übereinander geschlagen, und zurück, ausgetreckt, abgeknickt, Wirbel verbogen und Hälse gerenkt.

Über allem schwebte eine Affektiertheit, eine kleine angelegentliche Künstlichkeit aus Sonnenbrillenblick und Schnatterwahn, die ich zu unterbrechen bereit war. Zuerst holte ich ein paar Holzklappstühle und lauschte von Ferne. Dann ging ich direkt hin und erbat mir, dass die „Fremdgetränke“ wenigstens im Rucksack zu verschwinden hätten, schließlich wollten wir hier am Strandleben unseren „richtigen“ Gästen unsere Getränke verkaufen. Das sei ja überhaupt kein Problem, und überhaupt wussten sie ja auch gar nicht, dass wir heute auf hätten. Und in der Tat, es sah in diesem Moment so sehr nach Regen aus, dass ich geneigt war, den Arbeitstag noch vor seinem Beginn wieder abzusagen. Ich blieb; stellte den 5 Wasservampiren sogar noch einen Ascher hin, wofür sie sich wieder recht überschwänglich bedankten – wie zuvor schon über meine Nichtvertreibung aus ihrem Paradies. Ich hätte sie wahrscheinlich vertreiben müssen. Sie konsumierten nichts, hatten nur Wasserflaschen und ein geheimes Depot, um die ständige Marschierbereitschaft gewährleisten zu können, sie aßen nichts, jedenfalls nichts von uns und überhaupt war die abgespielte – leise – Musik und ihr Verhalten alles andere als normal. Aber sie taten keinem weh, keine Menschenseele war sonst zu sehen.

Als ich vor Jahren am Adolf-Mittag-See einen Aushilfsjob als Bootjunge hatte, mussten wir, nachdem wir mit dem Aufbau des Vorplatzes ( wir stellten Gartenzwerge auf, Blumen mussten gegossen werden, es wurde geharkt usw. ) fertig und die Boote alle mit Riemen ausgestattet waren, eine Runde auf dem See fahren. Wir arbeiteten immer zu zweit, ein Kumpel und ich. Die Runde auf dem See – jeder in einem extra Boot – diente einzig und allein dem Zweck, dass alle umliegenden Zuschauer, Spaziergänger und sonstige Aufenthalter im Park, wo der See lag, wussten: jetzt ist der Bootsverleih geöffnet, kommt her und leiht euch ein Boot für eine Stunde! Rudert herum, wir helfen euch ins Boot und wieder hinaus, es gibt Schlager aus dem Radio und einen flotten Spruch vom Chef! Ihr wollt nur eine halbe Stunde? Klar, kein Problem, rudert seinetwegen nur 10 Minuten, kostet immer das Gleiche! Ist das nicht super? Und da soll ich die einzigen Zeugen für die Inbetriebnahme der Strandbar vertreiben? Die letzten Reste einer versprengten, verfeierten Nacht, eines ganzen Wochenendes womöglich? Nee, das mache ich nicht. Und dann kam einer von denen hoch zu uns an den Tresen, riss sich sichtlich zusammen und beschloss, einen Kaffee zu bestellen. Bekam er auch. Eine schwarze, heiße Brühe in einer weißen Tasse. Sein unsteter Blick, seine zwei Kaffeetassen, die er im Gesicht trug, brauchten wohl eine Auffrischung.

Als wir, nachdem doch tatsächlich noch 6 Gäste kamen, endlich schließen wollten, saßen die fünf immer noch da. Sie zappelten und rauschten, als gehörten sie zum Blätterwerk der Birke, unter der sie saßen. Wie wir uns begrüßt hatten, so gingen wir wieder und überließen den aufgeregten Strandwachen das Feld. Das war’s wohl mit der Saison, dieses Jahr. Keine Schicht mehr für mich. Bald wird alles abgebaut, eingelagert und auf den Frühling verwiesen, der wohl zu kommen scheint, irgendwann.

Montag, 17. September 2012

Die Dusche schießt quer

Morgens zu duschen ist eine verquere Angelegenheit, verquer, weil dieses Ritual den Zweck zu haben scheint, den Dreck des Schlafes abzuwaschen. Angelegenheit, weil es nicht ohne einen selbst stattfinden kann: es geht eben etwas an. Morgens aus dem Bett zu steigen, die Dusche zu suchen, frische Klamotten daneben legen, den Wasserhahn anstellen, warten bis es warm wird.

Halt, was ist das jetzt schon wieder? Da kriecht dir ein eiskalter Strahl ins Gesicht, obwohl du noch gar nicht unter der Dusche stehst. Ins Auge womöglich und dir wird bewusst, welcher Teil der Dusche beim Saubermachen ausgelassen wurde. Die zugekalkten Löcher der Dusche, die sich wie deine eigenen Augen um sechs Uhr morgens nur mühsam öffnen und quer gucken, statt ihrer gerichteten Tätigkeit nachzugehen, sie schießen ins Bad, ins Kraut, Tropfen herab, rieseln herunter und quälen mit Eiseskälte. Der Arm geht nur langsam zum Brausekopf, dreht ihn.

Besser jetzt. Ich steige unter die Dusche, verrichte allerlei Dinge dort und komme wieder hervor, triefend nass und immer noch nicht wach. Das Handtuch trocknet, die Wäsche wärmt hoffentlich gleich. Die Socken – im Stehen angezogen – erinnern mich daran, dass ich nachzulassen scheine. Der geöffnete Sockenkopf, von gespreizten Fingern offen gehalten, zieht sich nicht mehr von selbst über den Fuß. Das angezogene Knie hoffte in seiner morgendlichen Schwäche auf Hilfe von den unbenutzten Fingern der Hände, die – einerseits den Strumpf offen halten und andererseits an den Zehen zu ziehen beginnen, um die Entfernung zwischen Sockenkopf und Zeh zu reduzieren. Das Knie bekommt diese Hilfe ein ums andere Mal, verstolpert und versteinert steig ich in die Socken, die Hose folgt.

Erhebung, kein erhebendes Gefühl beschleicht einen, wenn die Senkrechte gewonnen wird, ein Blick in den Spiegel und raus aus dem Bad, ein viel zu heller Ort; für jede Zeit.

Donnerstag, 13. September 2012

Kennig

Der Berliner, der konsequenterweise statt dem „ich“ ein „ick“ zu sprechen versteht, wird mit dieser grammatikalischen Verkürzung wahrscheinlich die wenigsten Probleme haben und im Gegensatz zum Flughafenproblem endlich einmal vor den Hessen zum Zuge kommen, die ein „-ig“ nicht als „-ich“ auszusprechen in der Lage sind, sondern lieber auf den harten Auslaut der vorrangig ( hier sogleich einmal vorgeführt ) attributiv genutzten Endung ( siehe bei der Adjektivbildung mit Endung „–ig“, z.B. schwierig, lustig usw. ) bestehen. In diesem speziellen Fall handelt es sich nämlich nicht um ein Attribut.

Das „kennig“, von dem ich spreche, ist eine schriftsprachlich umgesetzte Verkürzung des lautsprachlichen „kenne ich“. Wie in Sprachen üblich, deren Wandel von der Silben- zur Wortsprache immer weiter fortschreitet, kommt es im Laufe der Zeit zu einer Abschwächung der letzten Silbe, was vor allem am gesprochenen Vokal zu merken ist. Aus ehemals starken Vokalen, wie zum Beispiel dem „a“ wird im Zuge der Abschwächung ein sogenannter Schwalaut. Das Verb „kennen“ geht ja auf die Familie der Wörter um das Verb „können“ zurück, ist, genauer gesagt, eine Kausativbildung aus dem Verb „können“, das – wie könnte es anders sein – im ahd. „kunnan“ hieß. Man beachte vor allem den „starken Vokal“ in der letzten Silbe.

Eine sinnvolle, im Lautsprachlichen längst umgesetzte Verkürzung stellt dann der Wegfall des Vokals am Ende des Wortes dar, was natürlich nur in der gebeugten Form in Verbindung mit dem Personalpronomen „ich“ möglich ist. Es muss auch darauf hingewiesen werden, dass solche Weglassungen im Schriftsprachlichen nicht ohne Apostroph zu erfolgen haben ( siehe §96 und §97 der derzeit gültigen Rechtschreibregeln ). Diese Verkürzung ist in diesem speziellen Falle auch nur deshalb möglich und nötig, weil sich das „kenne ich“ bzw. auch das „kann ich“ zu einem weit verbreiteten „geflügelten Wort“ entwickelt hat und seitdem auf eine schriftsprachliche Homogenisierung wartet. Das im Satz zuvor hinzugefügte „kann ich“ kommt übrigens bereits ohne Apostroph aus, weil es noch ein wenig „geflügelter“ daherkommt als das „kenn‘ ich“, höchstwahrscheinlich auf ein längst vergessenes Selbstverständnis im urgermanischen Naturell zurückgeht, von dem wir heute nur noch träumen dürfen.

Doch aus welchem Grund nun sollten diese beiden Wörter, also das „kenne“ und das „ich“ zu „kennig“ bzw. „kannig“ verschmelzen? Ganz einfach: Zum einen könnte dies dazu führen, dass das von mir vermutete Selbstverständnis und damit einhergehende Selbstvertrauen des deutschen Landsmannes ( und natürlich auch –frau ) zurückkehrt, und zum anderen ergäbe sich gerade in Zeiten knapper Ressourcen eine sinnvolle Einsparung. Man denke nur einmal an SMS oder Twitter, wo jedes Zeichen kostbar ist. Es wird ja nicht nur bei den Zeichen, sondern sogar in einer Leerstelle gespart, was für Journalisten zwar auf den ersten Blick nicht so schön ist ( Zeilenhonorar ), auf den zweiten jedoch ungeahnte Vorteile mit sich brächte; bei zweimaligem Einsparen der Zeichen und Leerstellen könnte bei der Formulierung „kennig“ statt „kenne ich“ bereits die Abtönpartikel „schon“ angefügt werden, als Bekräftigung sozusagen, und mit dem entsprechenden journalistischen Nachdruck auf die herausragenden Fähigkeiten des deutschen Qualitätsjournalismus verwiesen werden.

Wenn allerdings Punkt 1 meiner Ausführungen, also das wiedergewonnene Selbstverständnis, tatsächlich gesteigert werden kann, weil von „Flügeln getragen“, dann könnte man schon fast wieder von einem Attribut sprechen. Auch dass der Berliner bei der schriftsprachlichen Umsetzung im Vorteil wäre, ist bei näherer Betrachtung keineswegs sicher, denn im attributiven Sinne versteht es die Berliner Kodderschnauze durchaus ein „-ig“ von einem „-ich“ zu unterscheiden. Naja, man kann eben nicht alles haben.

Montag, 10. September 2012

Zweit-Krach

Als ich vor geraumer Zeit einen neuen PC bekam, hatte dies vor allem Gründe die Lautstärke des Alten betreffend. Der hatte nämlich die unangenehme Angewohnheit, laut vor sich hin zu brummen, wenn er angeschaltet wurde. Als eines Tages dann ein zweites Brummen hinzu kam, ein tieferes und dringlicheres als das Erste, bekam ich es zum ersten Mal mit der Angst zu tun, machte ein Backup von all meinen wichtigen Dateien und sinnierte darüber, meinen Zweit-PC, der unter dem Schreibtisch stand, wieder flott zu machen. Mein Zweit-PC war auch laut, aber er brummte kontinuierlich in einer längst vergangenen Sprache, die keine Höhen und Tiefen kannte.

Nun begab es sich aber, dass mein damaliger Erst-PC trotz der Brummmacke keinerlei Anstalten machte, die Hufe zu heben, sondern nur fröhlich vor sich hin brummte. Und als ich dann ein paar Tage später - aus schlichtem Platzmangel - ein paar Bücher darauf abstellte, hörte plötzlich das Zweitbrummen meines Erst-PCs wieder auf. Die Maßnahme, meinen Zweit-PC wieder flott zu bekommen, scheiterte nebenbei auch kläglich daran, dass es mir nicht möglich war, eine neue Version von Mozilla-Firefox zu installieren. Da gab es irgendwelche Programme im Hintergrund, die ich aus lauter Bosheit schon so lange nicht mehr aktualisiert hatte, dass selbst so schnöde Dinge wie ein Browser nicht mehr zum Laufen gebracht werden konnten.

Vor nicht genau einem halben Jahr, bekam ich dann einen neuen PC, mein vormaliger Erst-PC wurde Zweit-PC, mein Zweit-PC Dritt-PC und beide Modelle wanderten unter meinen Schreibtisch. Der neue Dritt-PC steht auf dem ehemaligen Zweit-PC, um ihm - im Falle des Gebrauchs - vom Brummen abzuhalten. Mein neuer Erst-PC brummt nur ganz leise. Eine Wohltat. Volle Geschwindigkeit bei minimaler Geräuschkulisse.

Und heute? Ich sitze hier gerade und überlege mir, wie ich diesen Blog mit unnützen Informationen füttern kann, da ertönt plötzlich ein Brummen neben mir. Mein fast neuer Erst-PC erhebt sein Lüfterrad und untergräbt meine dem Bloggen gewidmete Aufmerksamkeit. Ich nehme die CD aus dem Laufwerk und denke, damit hat es sich wohl. Hat es sich nicht. Ich parke einen PC-Speaker auf ihm. Reicht auch nicht. Ich drücke ganz leicht das Gehäuse nach unten. Es hilft. Das Brummen ist weg. Es dröhnt jetzt nur noch von Gegenüber auf der Straße, wo ein Presslufthammer die Fassade eines Hauses malträtiert, das hatte ich bis eben aber gar nicht gehört.

Freitag, 7. September 2012

Von Leberwurst und Pilzen

Heute fragte mich eine Freundin, wann wir denn diesen Herbst einmal in die Pilze gingen. Für mich war da noch Zeit, vor allem etwas mehr Regen nötig, um die gewünschten Ergebnisse zu zeitigen. Sie jedoch berichtete von einer Freundin, die offensichtlich bereits im Juli Pilze sammeln war und auch ordentlich gefunden hatte. Nur essen kann sie die nicht. Pfifferlinge aus dem Supermarkt, ok. Champignons, kein Problem. Aber selbst gesammelte Waldpilze kommen ihr nicht auf den Teller. Und das liegt nicht daran, dass sie sich selbst nicht über den Weg traue, sondern, weil, naja, nee, das ist einfach eklig.

Mein Onkel war ja – oder ist, ich habe ihn schon lange nicht mehr gesprochen – leidenschaftlicher Angler. Nur Fisch essen, das wollte er nicht. Es ging, glaube ich, sogar so weit, dass er auch keinen gekauften Fisch aß. Er verschenkte den Fang oder setzte sie wieder in den Teich. Ich war nämlich auch einmal mit ihm angeln, da war ich noch keine 12 Jahre alt. Den Abend davor, spielte ich bis spät in die Nacht mit meiner Tante Monopoly und am nächsten Morgen konnte ich kaum aus den Augen gucken. Ich habe mir Fischköder als Erdbeerdrops andrehen lassen und die beiden „alten Herren“, mein Onkel und sein Kumpel, haben sich kaputt gelacht, wie ich angewidert das Gesicht verzog.

Heute hätte ich vielleicht ebenfalls ein Problem damit, ein von mir geschlachtetes Schwein zu essen. Früher fehlte mir die Abstraktion. Ich stand ruhig daneben, wie mein Vater ein Kaninchen an den Hinterläufen packte und solange schüttelte, bis es tot war. Blut tropfte auf den Estrich vor dem gartenseitigen Garagentor, wo die Kaninchenställe standen. Ich war hocherfreut, vom Nachbarn, einem entfernten Verwandten, eine Hasenpfote – eine echte! – geschenkt bekommen zu haben. Leider musste ich sie dann später entsorgen, weil sie komisch roch. Und Karnickel habe ich immer gern gegessen.

Allerdings konnte ich ab einem bestimmten Alter, ich glaube, es war so ungefähr zur gleichen Zeit, keine Leberwurst mehr essen. Ich bekam das Zeug einfach nicht hinunter. Diese grobe Masse mit ihren weißgrauen Flocken darin. Die ekelhafte Pelle, durch die das Messer schien, wenn es die Innenseite freikratzte. Ich hatte den Geschmack für Jahrzehnte in meinem Kopf gespeichert und musste mich dessen nur erinnern und dann konnte ich die Leberwurst schon schmecken. Ein Graus. Später das gleiche mit Rotwurst, dann Teewurst, dann nur noch Marmelade oder Butter und Salz. Im Gegensatz zum toten Kaninchen fehlte mir hier ein echter Bezug zum Tier. Diese reziproke Entwicklung hat sich in beidem wieder abgeschwächt. Ich esse Mortadella und Salami, Würstchen und andere Wurstprodukte, deren ehemaliges Leben ich nicht erkennen kann genauso wie ich Kaninchen oder Fisch esse. Ich gehe selber gern Pilze sammeln und esse sie dann auch gern. Ich habe mir sowohl Distanz als auch Nähe zum Lebensmittel bewahrt. Irgendwie seltsam.

Mittwoch, 5. September 2012

Die Eurohochzeit

Angelehnt an das alte Volkslied der Vogelhochzeit habe ich mir erlaubt, den Text neu auszurichten und mich den Eurostaaten zu widmen, mein besonderes Augenmerk lag dabei auf den Motiven der Ein-Euro-Münzen der Mitgliedstaaten.

Ich bin damit längst nicht fertig geworden, wollte nur ein paar Anregungen loswerden. Den Rest, liebe Leser:innen, wollte ich Ihnen überlassen. Wer sich das Lied vorher noch einmal zu Gemüte führen möchte, hier entlang und die Motive der Ein-Euro-Münzen gibt es hier. Los geht's:

Europa wollte Hochzeit machen, das ging leider nicht so gut
Fiderallala, Fiderallala, Fiderallalalala
Es fanden sich fast alle ein, doch verließ sie alsbald der Mut
Fiderallala, Fiderallala, Fiderallalalala

Der träge Bundesadler, er wird zum Dauertadler
Fiderallala, Fiderallala, Fiderallalalala

Die abgebrannte Eule nimmt Abschied mit Geheule
Fiderallala, Fiderallala, Fiderallalalala

Juan Carlos, das war ja klar, der flüchtet sich nach Afrika
Fiderallala, Fiderallala, Fiderallalalala

Dem Kreuze der Maltesen, dem blieben nur die Spesen
Fiderallala, Fiderallala, Fiderallalalala

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