Willkommen

Bei den Leisen Tönen. Manchmal braucht es einen Blog, um sich Luft zum Denken zu verschaffen. Keine Steckenpferde, Hobbies oder sonstiges Spezielles, nur Luft zum Denken.

Kontakt

shhhhtwoday(at)googlemail.com

Aktuelle Beiträge

Wir waren keine Windelinfluenzer,...
Wir waren keine Windelinfluenzer, haben aber an diversen...
Shhhhh - 12. Dez, 08:51
Schon eine Chance verpasst...
Schon eine Chance verpasst – Sie hätten Windelinfluenzer...
C. Araxe - 11. Dez, 22:50
Eine gute Wahl!
Eine gute Wahl!
Lo - 4. Dez, 22:09
Ich habe eine Zehnerkarte...
Ich habe eine Zehnerkarte beim Getränkehandel, beim...
Shhhhh - 1. Dez, 23:39
Das stimmt, aber die...
Das stimmt, aber die Enkel wird man auch wieder los,...
Shhhhh - 1. Dez, 23:35

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Freitag, 9. März 2012

Kurt Tucholsky: Schloss Gripsholm

Als ich heute Mittag von der Schule nach Hause fuhr, stolperte ich beim Lesen über ein herrliches Bild. Mein Geist war frei, ich fuhr dem Wochenende entgegen und da bemerkte ich in Tucholskys "Schloss Gripsholm" einen kleinen Absatz, der es in sich hatte:

"Die Frau war im ius. Welche eine preußische Überlegung! Ein Kind litt. Los."

In dieser Szene schleichen die drei Besucher Schloss Gripsholms um das Mädcheninternat herum, um den Zettel mit der Adresse der Mutter des jungen Mädchens zu suchen, den sie heimlich aus dem Fenster werfen sollte, damit die drei ihrer Mutter von den ungeheuerlichen Vorgängen im Internat schreiben konnten. Offenbar wurde das Kind vorher mißhandelt, als es auf der Straße von den drei Besuchern aufgehalten wurde.

Zuerst überlegte ich, was den "ius" überhaupt sei. Bis ich darauf kam, dass das Recht damit gemeint sein könnte, übersprang ich zwei Haltestellen. Als es dann klick machte, ließ mich die Rafinesse dieser Formulierung nicht mehr los. Nicht nur, dass Tucholsky hier auf das höchstwahrscheinlich antiquierte Recht im lateinischen Wortsinne anspielte, ihm gelang durch den folgenden Satz sogleich ein weiterer Schlag gegen das "Recht", indem er es als "preußische Gesinnung" abtat. Die verblüffendste Wirkung auf mich hatte allerdings der Umstand, dass "ius" klein geschrieben war. Dadurch verlor die lateinische Vokabel so viel ihres Gehalts, dass das offensichtliche Recht der Internatsleiterin, über die Kinder richten zu dürfen, ganz schnell abgetan war.

Als ich allerdings las, dass Tucholsky Jura studiert hatte, war ich mir der Rafinesse dieser Formulierung gar nicht mehr so sicher. Gefunden habe ich dazu nichts, niemand setzte sich mit diesem Wort in der Erzählung "Schloss Gripsholm" auseinander, zumindest konnte ich bei Google nichts entdecken. Google fragte mich stattdessen, ob ich es nicht lieber mit "aus" versuchen wolle.

Kommen wir aber nun zum wesentlichen. Das Buch ist eines der ältesten aus der Reihe Rowohlts Rotationsromane und selbstverständlich befindet sich darin eine Werbung.

Autor: Kurt Tucholsky
Titel: Schloss Gripsholm
beworbenes Produkt: FOX Zigaretten
Fundstelle: zwischen S. 132 und 133


"Zwischenbemerkung des Verlegers Ernst Rowohlt
Spätestens an dieser Stelle des Buches - wahrscheinlich schon früher - werden Sie sich, wenn Sie ein Raucher oder eine Raucherin sind, eine Zigarette anzünden wollen. Ein Raucher kann ein Buch nicht ohne Genuß lesen, wenn er nicht raucht.
Ich bin nicht der Reklamechef einer Zigarettenfabrik, aber ich habe diese Seite einer Zigarette verkauft. Seien Sie mir bitte nicht böse deswegen! Die besten Zeitschriften der Welt verkaufen einen Teil ihrer Seiten an Inserenten. Die Inserenten machen Zeitschriften damit überhaupt erst rentabel. Warum macht man das nicht auch mit Büchern? Es würde die Auflage der guten Bücher in der Welt vermehren.
Man soll nicht immer alles wie vorgestern machen.
Lesen Sie die nächste Seite nicht, wenn Sie glauben, daß es unfair ist, ein Inserat in ein gutes Buch einzuschalten.
Ernst Rowohlt"



Bildquelle: Kurt Tucholsky, Schloss Gripsholm, Rowohlt Taschenbuchverlag GmbH, Hamburg, Februar 1953.

Donnerstag, 8. März 2012

Verkehrsberuhigung

Der öffentliche Dienst hatte heute zum empfindlichen Schlag gegen die Arbeitgeber ausgeholt und unter anderem den Verkehr in ganz Hannover lahmgelegt. Den ganzen Verkehr? Nein, eine kleine Schar widerspenstiger Unternehmer versuchte aus dem Zusammenbruch des öffentlichen Nahverkehrs Kapital zu schlagen. Die Deutsche Bahn als Großbediener von Nahverkehrsinteressen lasse ich einmal außen vor, die haben auf anderem Gebiet hervorragend auf die Situation reagiert.

Ich schnappte mir also heute Morgen gegen Viertel vor 9 mein Fahrrad und reiste gegen 9 am Hauptbahnhof an, wo ich hoffentlich meine S-Bahn nach Langenhagen erreichen würde. Auf dem Bahnhofsvorplatz bot sich mir ein Bild wie aus tiefsten DDR-Tagen: die Leute standen an, und es gab nichts, wofür man anstehen konnte. Zu DDR-Zeiten standen die Leute nicht wegen Nichts an, aber häufig klärte sich erst nach längerem Stehen, weshalb die Leute eigentlich anstanden, der Platz in der Schlange war wichtiger als die Ware, die dabei herausspringen sollte. Hier in Hannover lag es etwas anders. Die Leute wußten sehr wohl, weshalb sich hier eine Schlange bildete, nur war niemand in Sicht, der die Schlange kürzer machen konnte. Es waren keine Taxis weit und breit zu sehen, die waren alle unterwegs.

Die Haltestellen um den Bahnhof waren allesamt verwaist, man wich entweder auf das eigene Auto, auf die eigenen Füße oder auf die Deutsche Bahn aus. Ab 9 Uhr kann man in der Deutschen Bahn, so lange man sich innerhalb der Grenzen des Umkreises Hannover bewegt, sogar das Fahrrad kostenlos mitnehmen, sofern es der Ansturm an Fahrgästen gestattet. Da ich nicht genau abschätzen konnte, wie weit es vom S-Bahnhof bis zu meinem Bestimmungsort sein würde, nahm ich das Fahrrad einfach mit in die Bahn. Die Menge an Gleichgesinnte war überschaubar, Cebit-Reisende haben selten ein Fahrrad dabei und fahren außerdem in die andere Richtung. Insgesamt muss ich sagen, hatte mich der "ruhende" Verkehr der Öffis nicht einmal leicht behindert. Schade, eine kleine Auszeit vom "Alltag" hätte ich mir durchaus gewünscht.

Die Deutsche Bahn selbst hat, wie ich finde, auf die geänderten Anforderungen der Reisenden und insbesondere der Streikenden prompt reagiert. Das äußerte sich dann in den Durchsagen: "Willkommen in der S-Bahn der Linie 5 nach Hannover Flughafen. Der nächste Halt ist Hannover Nordstadt. Umsteigemöglich...", dann brach die Verbindung ab - was sollte auch berichtet werden - und es folgte nach längerer Pause nur noch das obligatorische: "...Ausstieg in Fahrtrichtung links."

Mittwoch, 7. März 2012

Unterrichtsplanung?

Für die kommende Woche habe ich gleich drei Termine, an denen ich selbst unterrichten darf, zwei 9. Klassen, eine davon in Geschichte und Deutsch, die andere nur in Geschichte. Als Schüler kam mir jedes Thema langweilig vor, so dass eine Auswahl nicht unbedingt schwerfiel. Ich ging einfach nicht hin, und das so oft wie möglich. Als Lehrer allerdings gibt es - das habe ich recht schnell begriffen - Lieblingsthemen und Scheißthemen. Ich habe zweimal ein gutes Thema erwischt und einmal ein Scheißthema.

John Tenniel, Karikaturist und Illustrator, hat eine der berühmtesten Zeichnungen erschaffen, nämlich den Lotsen, der von Bord geht. Bismarcks vorletzter Abtritt, danach war er sowas wie Helmut Schmidt heute, naja mit anderer politischer Ausrichtung. Darüber darf ich was machen. Sehr schön, denn darüber habe ich am Anfang meines Studiums eine Hausarbeit geschrieben, da fällt mir genug zu ein, ein paar bunte Bilder, vielleicht eine Art Memory, ganz toll. Das zweite Thema liegt mir sowieso, es geht um Kurzgeschichten. Ich mache natürlich nicht den Scheiß, der im Lehrbuch steht, der hat mich bis auf wenige Ausnahmen in meiner Schulzeit schon nicht interessiert, obwohl ich alles, was in meinem Lehrbuch stand, mehrere Male gelesen hatte. Ich habe mir zwei eigene Geschichten gesucht, will die Schüler mitnehmen auf zwei völlig unterschiedliche Bearbeitungen des gleichen Themas und sie sozusagen aus der Reserve locken, habe da ein paar tolle Ideen zu, der Lehrer findet's auch Klasse.

Nur das dritte Thema, scheinbar das leichteste von den dreien, das liegt mir quer. Es ist nichts weiter als ein Schema, ein paar Kärtchen, ein paar Fragen und dann ist die Stunde auch schon rum. Doch genau das will ich nicht. Ich will die Verfassung der Weimarer Republik nicht nach einer 0815-Stunde abhandeln. Ich will das nicht so unterrichten, dass spätestens zum nächsten Tag alles vergessen ist. Das kenne ich noch zur Genüge, bin ja selber gerade dabei mir den Kram anzueignen, weil es weder der Unterricht in der Schule - als Entschuldigung könnte ich hier noch anbringen, dass das bereits 18 Jahre her ist - noch die Seminare in der Uni es geschafft haben, mir diesen Trockenstoff mit einem Mindestmaß an Eigeninteresse beizubringen, so dass tatsächlich was hängen bleibt.

Ist es zuviel verlangt, für jedes Thema eine richtig gute Lösung haben zu wollen? Ist es notwendig, manchmal einfach Schema F herauszuholen? Muss das unbedingt in der Klasse sein, deren Lehrer auch noch Seminarleiter ist und gewohnheitsmäßig Referendare betreut? Ist Pech eine Zahl zwischen 1 und 3 bei drei Pflichtversuchen?

Dienstag, 6. März 2012

Was ein Knopf so alles auslösen kann...

Schlechte Erinnerungen sind zuverlässig. Man kann sich darauf verlassen, dass sie genau in dem Moment über einen hereinbrechen, wenn man sie am wenigsten gebrauchen kann. Gestern kam so ein Moment über mich, als ich meinen Sohn beim Spielen beobachtete. Er klettert mittlerweile an allem hoch, was irgendwie senkrecht veranlagt ist, sei es nun mit irgend einer Art von Griff ausgestattet oder eine schlichte Wand. Unser Kühlschrank ist so eine Wand. Ungefähr in Augenhöhe, seiner Augenhöhe, befinden sich zwei Griffmulden, eine für das Gefrierteil und die andere für den Kühlschrank darüber. Und darüber ist genau das Problem. Dort haften jede Menge Kühlschrankmagneten, die wiederum andere Dinge zum Haften bringen, Postkarten, Zeichnungen meiner Nichte, Zettel. Einer dieser Magneten ist ein überdimensionales Auge. Es kommt aus Istanbul, meine Frau hat es von dort mitgebracht. Es gilt dort als Glücksbringer und schützt vor dem bösen Blick.

Dieses große Auge hatte es meinem Sohn angetan, er griff danach und pflückte es wie eine Pflaume vom Ast, die Blätter fielen zu Boden, nur ein Kollateralschaden. Doch was macht man mit reifen Pflaumen? Natürlich, sie verschwinden im Mund. Genau in diesem Moment erwischte mich ein Erlebnis aus eigenen Kindertagen. Der Schreck fuhr mir durch alle Glieder, ich sprang in einer einzigen Bewegung über alle Hindernisse, die ein Küchenfußboden bereithalten kann und erwischte den Magneten in der zweiten Halbzeit zwischen Zeigefinger und Daumen. Ich schüttelte den Kopf, sagte nein und hatte nach wenigen Sekunden den Magneten in der Hand. Braver Junge.

Ich war kein so braver Junge. Ich konnte aber bereits sprechen und auch verstehen, was man mir sagte, nur hören wollte ich nicht. Ich hatte einen Teddy, braun, groß, mit einem Knopf als Nase. Robert, so hieß der Teddy war mein ständiger Begleiter und er musste so manches über sich ergehen lassen, was er jetzt so treibt, weiß ich nicht, wahrscheinlich liegt er bei meinem Eltern auf dem Dachboden in einer Kiste und schläft. Augen hatte er nämlich keine mehr. Die Augen waren kleine schwarze Plastiksteine, die nur angeklebt waren, und nach mehrmaligem Wiederankleben waren sie irgendwann weg. Die Nase dieses Teddys allerdings war ein großer runder Knopf, der durch zwei dicke Nasenlöcher mit dem Kopf vernäht war.

Auch ich nahm gerne Dinge in den Mund und die Nase war nach Jahren des daran Ziehens, Lutschens, Herumkauens ziemlich locker geworden. Meine Mutter wußte das und verbot mir zu jeder Zeit, die Nase des Teddys in den Mund zu nehmen. Verbote taugen aber nichts, wenn man klein ist. Sie fördern bei liebgewonnenen Gewohnheiten nur den Drang heimlich damit fortzufahren, wie das Lesen eines spannenden Buches zur Schlafenszeit, es wird einfach eine Taschenlampe hervorgeholt und weitergelesen.

Als ich einmal allein in meinem Zimmer war, meine Mutter war nebenan, da passierte das Schreckliche. Ich verschluckte die Knopfnase vom Teddy. Ich verschluckte den Knopf nicht wirklich, er versperrte mir die Atemwege. Zuerst versuchte ich zu husten, dann zu röcheln. Nichts half. Meine Mutter kam in mein Zimmer, sah den Teddy, sah die Nase nicht, schrie in Panik auf und haute mir schmerzhaft auf den Rücken, einmal, zweimal, immer wieder. Nichts half. Sie rief meinen Vater aus der Küche. Der rannte mit einem Satz die Treppe herauf, sah das Übel und packte es bei den Wurzeln. Er packte mich bei den Wurzeln, drehte mich auf den Kopf, seine Hände hielten meine Beine wie dünne Zweige. Er schüttelte mich mit Schwung, es galt jetzt Knöpfe zu ernten. Meine Mutter schlug mir bei der Gelegenheit gleich nochmal auf den Rücken.

Endlich machte es plopp. Der Knopf war draußen und trollte sich beleidigt wie ein Fußballspieler, der gerade Rot gesehen hatte in Richtung Kabine, er rollte unter das Bett. Mein Haupt hatte ihm die rote Karte gezeigt. Ich wurde auf das Bett abgesetzt, es gab noch einen Klaps auf den Hinterkopf, ich würde schwören, dass meine Mutter Gotzeidank gesagt hat und dann war der Spuk vorbei. Ich japste noch ein wenig, hörte mit einem Ohr der Gardinenpredigt zu, aber meine Lektion hatte ich auch ohne die Worte meiner Mutter gelernt.

Sonntag, 4. März 2012

Gegendarstellung mit Nagel

Ich habe ein Talent zum Einreden. Ich kann, manchmal sogar mir völlig unverständlich, Tatsachen erschaffen. Meistens mache ich das aus Vermutungen. Ich vermute dann vor mich hin und mache mir selbst plausibel, weshalb genau das dazu führte, wie es jetzt ist. Ich mache das mit allem. Jeder macht das. Eine Einrede ist auch eine Ausrede, eine bessere Ausrede sogar, weil sie zumindest bei einem selbst funktioniert.

Hin und wieder funktioniert die Einrede auch bei anderen. Man muss aber nicht nur ein Talent dafür besitzen, sich etwas einreden zu können, man muss darüber hinaus das entstandene Problem mit einem Lösungsvorschlag, der sich vorher aus der Erklärung ergab, zu lösen versuchen. Man muss auch für anderer Leute Einreden empfänglich sein. Das ganze Einreden funktioniert nur, wenn alle, also Sender und Empfänger, ein Talent dazu besitzen. Das hat im Endeffekt den Vorteil, dass man daran nie allein schuld sein kann.

Warum schreibe ich das hier überhaupt? In letzter Zeit habe ich wieder etwas häufiger in die Glotze geschaut und dabei eine neue Werbung entdeckt, die es mir ähnlich angetan hat, wie seinerzeit Laborchef Dr. Klenk. Es geht natürlich wieder um ein Problem, was viel zu viele Menschen betrifft und um das sich noch niemand vorher gekümmert hat, wenn er/eher sie nicht regelmäßig zur Maniküre oder zur Fußpflege ginge. Nagelpilz. Als ich die Werbung zum ersten Mal sah, musste ich sofort an Dr. Klenk denken. Im Gegensatz zu diesem recht unglaubhaften Vertreter seiner Art, verzichtete die Marketingabteilung hier auf großartige Überzeugungstaktiken wie Wachstumskurven und markige Sprüche. Ganz seriös kam der Typ herüber und flüsterte mir den Nagelpilz ein.

Ich habe keinen Nagelpilz, beobachte meine Nägel aber ständig seitdem. Plötzlich brennen mir Sachen auf den Nägeln, ich treffe Nägel auf den Kopf oder suche unsere Nagelschere. Der Nagel ist überall. Ein Freund von mir ist letztens vom Lande in die Großstadt gezogen. Ich schrieb ihm dazu folgende Email:

Viel Glück beim Umziehen, Axel*. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass das meistens eine Sache des Glücks ist. Nicht nur dass unendlich viel kaputtzugehen droht, manchmal sogar Dinge, von denen man glaubte, sie wären unkaputtbar, wie zum Beispiel eine simple Nagelschere; vieles findet sich nach so einem Umzug auch einfach nicht wieder an, wie zum Beispiel eine Nagelschere. Ich würde mir an deiner Stelle aber wegen der Nagelschere keine allzu großen Sorgen machen, du kannst ja bei Gelegenheit einfach eine neue kaufen, du bist ja auf den obligatorischen Dorfschlecker nicht mehr angewiesen in deiner neuen Großstadtheimat.
Ganz schlimm und deshalb wünsche ich dir eigentlich Glück, ist der Umstand, dass man außerhalb der Besichtungszeiten selten ein Anrecht auf Besuch in der Wohnung des Wunsches hat und sich zum Beispiel laute Nachbarn, Züge, die gefühlt alle 5 Minuten durch die eigene Küche donnern oder einfach ein leckender Wasserhahn, der einem nachts den letzten Nerv raubt meist erst dann einstellen, wenn die Reklamation bereits ausgeschlossen ist. Von alledem bekommst du wahrscheinlich nichts ab aber du solltest dir deswegen trotzdem keine grauen Haare wachsen lassen. Eigentlich kannst du sogar froh sein, dass deine Nagelschere den Umzug nicht überlebt, damit hast du ein Mordwerkzeug weniger im Haus und an langen Fingernägeln ist noch keiner gestorben.

Und dann schildert mir Trithemius in einem unserer konspirativen Treffen beim Kneipier unseres Vertrauens von einer ominösen Krankheit, die die Leerstellen seiner Texte betrifft und sich im rechten Daumen äußert. Für mich war völlig klar, dass es sich um Nagelpilz handeln musste. Ich schilderte ihm sein Problem und empfahl ihm, sich ein kleines Fläschchen zuzulegen, man kann ja nie wissen. Wir sinnierten noch ein wenig über Maniküre, betrachteten im Halbdunkel unsere Nägel und versuchten im Schummerlicht eine Gelbfärbung auszumachen, erstes Anzeichen eines Nagelpilzbefalls. Das einzige, was wir ausmachen konnten war nikotingelber Qualm, der alles im Raum in eine geheimnisvolle Farbe, nahe dem dunkelweiß, tauchte und zusätzlich für Bedenken sorgte. Trithemius hat sich das natürlich ganz schnell wieder ausgeredet, bei Lichte betrachtet. Ich glaube er ist danach auf der Toilette verschwunden und hat im fahlen Licht der Neonröhre seinen rechten Daumen untersucht.

Und vorhin, was musste ich da lesen, soll ich Trithemius auch noch eingeredet haben, die Gesellenprüfung zum Gartenlandschaftsbauer bestanden zu haben, weil er in seinem Notizbuch alle Grünanlagen der Stadt aufgelistet hatte. Ich gebe ja zu, meine Einrede des Nagelpilz war falsch, Trithemius hat auch keinen kreisrunden Haarausfall, höchstens ein paar Geheimratsecken, was er aber bestimmt nicht hat, ist ein Gesellenbrief des Gartenlandschaftsbauers. Das wollte ich hier nur kurz richtig stellen.

*Name von der Redaktion geändert.

10 Tonnen Sand und die Zeit dazwischen

Für Kleinigkeiten habe ich etwas übrig. Für kleine Unterschiede auch. Kleinigkeiten sind zum Beispiel diese kleinen weißen Kunststoffknöpfe, die in öffentlichen Toiletten dazu dienen, die Tür beim Öffnen nicht gegen die sowieso schon viel zu dünne Trennwand zur nächsten Toiletteneinheit schlagen zu lassen, sie abzufedern. Diese kleine Vorrichtung ist wahrscheinlich angeschraubt und verfügt über eine Hohlkammer, in die Luft dringt und den Stoß der Türklinge abfedert. Und das beste ist, für solche Viecher gibt es sogar einen Namen. Diese Dinger heißen Bummsinchen. Was es nicht alles gibt, dachte ich mir, und ging zu meinen Kollegen runter, um für das Theaterstück Antigone, was heute Abend spielt, mal eben 10 Tonnen Sand auf die Bühne zu schippen.

Gestern war ich auch schon im Theater arbeiten, das Bühnenbild war ein anderes, ein kleineres, wo wir uns eigentlich eher im Weg standen, als dass wir wirklich gebraucht wurden. Ich habe dreimal irgendwo angefasst und zwei Schrauben verschraubt. Sowas kommt vor und ist auch in Ordnung, besser als 10 Tonnen Sand. Auch da war ich wieder auf dem Örtchen. Auf diesem Örtchen gibt es seit ein paar Monaten einen neuen Händetrockner. Unter Hochdruck werden die Hände, die man zwischen zwei Öffnungen nach unten schiebt, angeblasen und sind in kürzester Zeit trocken. Als ich das Ding zum ersten Mal sah, und mich dazu äußerte wurde mir sogleich gesagt, wie sparsam das doch im Vergleich zu Papiertüchern wäre und wie schnell sich diese Geräte amortisieren würden. Nur laut sind sie, warf ich ein, das wurde aber nicht gehört.

Oder doch? Als ich gestern das Örtchen besuchte, hingen im angeklappten Fenster direkt neben dem Händetrockner über einem der Waschbecken ein paar Kopfhörer von der Sorte wie man sie auf dem Bau bei Leuten sieht, die in Kranen sitzen oder einen Rüttler über den Sand schieben. Ich dachte mir, das ist ja toll. Die sind bestimmt wegen des lauten Händetrockners anmontiert worden. Und in der Tat, dafür waren sie. Über dem Händetrockner war ein Foto angebracht, auf dem ein junger Mann diese Kopfhörer trug, als er die Hände in den Händetrockner tat. Heute waren die Kopfhörer leider nicht da. Das Foto war auch wieder weg.

Etwas drittes ist mir eingefallen,weshalb ich mich heute überhaupt nur mit der Toilettenaussattung befassen wollte, denn eigentlich fiel mir das zuerst ein. Ich wollte eigentlich schreiben, dass es mir in Thailand nicht selten passiert ist, dass ich die Türsperre in den Toiletten - wenn es denn kein einfacher Riegel war - immer anders herum öffnen oder schließen musste, als ich das von hier gewohnt bin. Wollte ich zuschließen musste ich aufdrehen und wollte ich aufschließen, musste ich zudrehen. Seltsame Sache, sowas.

Samstag, 3. März 2012

Gotzeidank

Einmal frei von der Leber weg einen Blogeintrag schreiben. Habe ich mir so gedacht. Kein Thema, keine Reihenfolge, einfach dem Gefühl folgen und die Finger ihre Arbeit machen lassen. Aber erstmal einen Kaffee kochen. Habe ich gemacht, steht in die Tasse eingegossen neben mir, Zucker ist drin, gekleckert habe ich auch und für einen Lappen müsste ich durch die ganze Wohnung rennen. Zu viel Ablenkung!, nur von was? Von nichts. Erstmal umrühren und einen Schluck abtrinken, soll ja nicht kalt werden. Habe ich gemacht, Tasse steht jetzt anders, sind also schon zwei Kaffeekreise auf der Schreibtischplatte, Olympiade!

Das geht so nicht. Ohne Intention, ohne Thema, mit Kaffee. Gestern Nacht, ich lag schon im Bett - ein erster Versuch sich einem Thema zu nähern - kam mir ein Gedanke, der mich zum Einschlafen brachte. Nicht weil er so langweilig war, schlief ich ein, sondern weil ich immer einen guten Gedanken zur Nacht brauche. Diesen Gedanken zerreibe ich dann zwischen Daumen und Zeigefinger und streu ihn mir in die Augen, als Schlafsand sozusagen. Was dachte ich denn diesmal?

Diesmal dachte ich an eine Redewendung. An eine Redewendung aus den Zeiten, die unvermittelt vorüber gehen und weniger Schrecknisse bereit hielten, als man sich selber getraut hatte zu hoffen. Große Erleichterung macht sich breit und dann entfährt uns ein "Gotzeidank". Mir nicht. Ich habe mir Gotzeidank schon vor langer Zeit abgewöhnt. Ja, ich rede von bewußter Entwöhnung. Als ich noch ein Kind war, hatte ich einmal eine Phase, da habe ich an jeden Satz die Frage ", oder was?" angeschlossen. Meinem Vater war das relativ egal aber meine Mutter habe ich damit zur Weißglut gebracht. Völlig unbewußt hat sich dieser Tick bei mir eingeschlichen und ich musste mehrere Standpauken und ganz zum Schluss eine gepfefferte Ohrfeige ertragen, bis ich endlich soweit war, zu verstehen, was da gerade passierte.

Ich dachte nach dem Ohrfeigenerlebnis erstmal daran, gar nicht mehr zu sprechen. Ich fühlte mich ungerecht behandelt, vorerst, und dann dachte ich nach. Ich dachte an freie Rede in der Schule, an die Schwierigkeiten den Anschlusssatz nicht schon wieder mit "Und dann..." zu beginnen. Ich stellte in Gedanken die Sätze um, ich suchte mir Beispiele für Sätze, las Zeitung, Bücher usw.. Ich schaute dem Mann der aktuellen Kamera auf die Lippen, wenn ich so lange aufbleiben durfte und vor allem beendete ich keinen Satz mehr mit ", oder was?".

Gotzeidank sagte meine Mutter, als sie mich nach Tagen wieder sprechen hörte. Und dann machte es plötzlich klick. Mir war klar, dass Gott bei uns noch nie etwas zu suchen hatte. Wir hatten keine Bibel im Haus, waren nicht einmal zu Weihnachten in der Kirche und trotzdem hatte sich dieses Relikt - anders kann ich es nicht benennen, denn sogar ihre Eltern waren schon Atheisten, die Eltern meines Vaters waren Atheisten, allesamt - in den Wortschatz meiner Mutter geschlichen. Ich hörte aufmerksam zu, bedenkliche Situationen riefen mich auf den Plan, nicht zum Schaulustigen, sondern zum Hörlustigen wurde ich. Ich wollte dieses Gotzeidank hören, oder Jotzeidank, was bei uns auch schon mal vorkam.

Ich hörte es immer wieder. Immer wieder zerbrach ich mir den Kopf darüber, sagte es mir immer wieder vor, Gotzeidank, Gotzeidank, Gotzeidank. Es war zum Verrückwerden, es gab ja nicht einmal eine vernünftige Alternative. Bei länger zurückliegenden Ereignissen, die nur rekapituliert wurden, wich ich auf "glücklicherweise" aus, ein Zungenbrecher im Gegensatz zum Gotzeidank. Bei plötzlichen Ereignissen, ein Sprung vom Klettergerüst in eine matschige Pfütze mit Beinahelanglegen zum Beispiel, nötigte mir anfangs zu viel Disziplin ab, ich einigte mich aber im Laufe der Zeit auf "Das war knapp" und wenn die Luft dafür nicht reichte, sagte ich "Puh". Gotzeidank habe ich immer gedacht aber nie wieder gesagt.

Tja, da lag ich also gestern Abend im Bett und musste auf einmal an Gotzeidank denken. Ich dichtete sogar einen Vierzeiler dazu, der dann nicht lang genug war, um damit auszudrücken, wie leer diese Redewendung doch eigentlich ist - für mich jedenfalls, der ich nicht an Gott glaube. Ich dichtete vier weitere Zeilen und vergaß die ersten vier darüber. Ich wurde müde, müder und schlief ein. Und dann setze ich mich eben an meinen Schreibtisch und mir fällt genau das ein. Schon ein komisches Ding, oder was?

Freitag, 2. März 2012

Alfred Döblin: Die beiden Freundinnen und ihr Giftmord

Wie so oft war es mir nicht vergönnt, das Buch im Antiquariat zu erstehen, das ich eigentlich haben wollte und aus der Enttäuschung darüber habe ich dann einfach dieses gegriffen. Ich habe es nicht gelesen. Es sprachen jedoch zwei Gründe dafür, es trotzdem mitzunehmen. Einerseits ist es mir gar nicht so wichtig, genau das Buch von einem Autor zu lesen, weswegen er so berühmt ist und andererseits hat dieses Buch in der Ausgabe, die ich erstand eine Werbeanzeige in seiner Mitte. Es erschien nämlich im Rowohlt Taschenbuchverlag. "Die Ermordung einer Butterblume" habe ich dann einfach im Buchhandel bestellt und neu erworben, allerdings ist diese Ausgabe im DTV-Verlag erschienen, also für mein zweites Hobby um das Buch herum leider ungeeignet.

Da ich das Buch nicht gelesen habe, kann und möchte ich ich nicht über den Inhalt referieren. Auch andere Quellen zu benutzen liegt mir fern. Ich lese es einfach irgendwann und reiche das dann nach. Ich möchte diesmal die Aufmerksamtkeit eher auf das Bild direkt lenken, eigentlich nicht einmal auf das Bild, sondern auf das kleine Kürzel in der rechten unteren Ecke. Es fiel mir schon öfter auf, so zum Beispiel auch bei Genets "Notre-Dame-des-Fleur".

Nachdem ich mehrere Namen ausprobiert hatte, landete ich bei diesem Namen und bin mir ziemlich sicher einen Treffer gelandet zu haben. Was mich allerdings verwundert, ist, dass es zu dieser Illustratorin nicht einmal einen Wikipediaeintrag gibt, obwohl sie längst nicht nur für Rowohlt die Werbung illustrierte. Vielleicht stimmt das aber auch gar nicht und hinter dem Kürzel verbirgt sich eine ganz andere Person, zu 100% sicher bin ich mir natürlich nicht.

Autor: Alfred Döblin
Titel: Die beiden Freundinnen und ihr Giftmord
beworbenes Produkt: Pfandbrief und Kommunalobligation
Fundstelle: zwischen S. 46 und 47




Bildquelle: Alfred Döblin, Die beiden Freundinnen und ihr Giftmord, Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg, November 1978 ( mein Geburtsjahr ).

Donnerstag, 1. März 2012

Aufschub

Eine kleine Panik schleicht mir den Rücken herunter, wenn ich daran denke, was mir in den folgenden Tagen noch bevorsteht. Ich habe um eine Fristverlängerung meiner Hausarbeiten gebeten und hoch und heilig versprochen, diese am Montag der kommenden Woche gestriegelt und geputzt abzugeben. Gedanklich habe ich bis auf den Feinschliff schon alles fertig aber irgendwie sitze ich einfach zu selten herum, um mir ernsthaft darüber Gedanken zu machen.

Glücklicherweise bin ich das kommende Wochenende Strohwitwer und kann dann ein paar Tag- und Nachtschichten einführen, um dem entronnenen Zeitplan wieder auf die Spur zu kommen. Die heilige Prokrastination, eine Glaubensrichtung der ich mich als Student verpflichtet fühle, zwingt einen aber auch immer zu kurzen katharsisgleichen Ausnahmezuständen am Ende der Semester.


edit: In einem Anfall von Arbeitswut habe ich gerade meinen Schatten übersprungen und bereits die vermeintlich schwerere Aufgabe bis auf zwei kleine Folien komplett gelöst. Eine Verabredung für heute Abend hat plötzlich ungeahnte Energien freigesetzt.

Suche

 

Status

Online seit 5487 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 12. Dez, 08:51

Lesen

Credits


xml version of this page
xml version of this page (summary)
xml version of this page (with comments)

twoday.net AGB

Blogverzeichnis Creative Commons Lizenzvertrag
Shhhhh.

Alles nur Theater
Auf Spatzen geschossen
Auslaufmodell Buch
Den Ball gespielt
Der alltägliche K(r)ampf
Die kleine Form
Gedankeninseln
Geldregierung Arbeitsplatz
Gelegenheitslyrik
HaCK
Herr Fischer
Klassenraum
Links
Mensagespräche
Miniaturen bemalen
Nichts Spezielles
... weitere
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren