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Bei den Leisen Tönen. Manchmal braucht es einen Blog, um sich Luft zum Denken zu verschaffen. Keine Steckenpferde, Hobbies oder sonstiges Spezielles, nur Luft zum Denken.

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Freitag, 23. März 2012

Radgestoiber

Ich hatte mich mit meinem Akkuschrauber bewaffnet und ging gerade über die Brücke, die die Faustwiese mit der Strandlebenwiese verbindet, als mich heimlich Edmund Stoiber überholte. Weißes Haar, randlose Brille, sommerlicher Anzug.
Auf dem Fahrrad.

Ich wollte irgendwas rufen. Grüß Gott, vielleicht. Da merkte ich, wie hoch konzentriert er gerade um die Ecke fuhr. Nicht ohne Grund. Auf Rechtsabbieger wartet an der Brücke eine kleine Tücke. Wie mit einem übergroßen Löffel in den Asphalt gehauen wartet dort die Delle darauf, unachtsame Radfahrer zum Fallen zu bringen. Aber Edmund Stoiber hielt sich verbissen gerade. Da fuhr er also, dachte ich noch und dann bog ich links ab.

Mittwoch, 21. März 2012

Frühlingsgefühle

Die Kastanien haben ihre edlen Manschettenknöpfe hervorgeholt und tragen sie jetzt an den Ärmeln, sie glänzen klebrig. Das Elsterpärchen hat sich statt Glitzertand auf loses Astwerk verlegt und baut eine Zweizimmerwohnung im Obergeschoss des Baumes. Darunter spielt ein Kind mit einem Spielzeugbesen, es fegt den Winter weg, ein zweites Kind kommt und hat den Frühling auf der Schaufel. Plumps macht es, da liegt er schon verstreut auf dem Grün, blaue, weiße, lila und gelbe Tupfer - ich könnte gerade stundenlang auf meinem Balkon stehen und Konfetti zählen.

edit: Verdammt, jetzt haben ein paar Krähen die Elstern verjagt und das Nest gleich mit. Das liegt jetzt im Innenhof wie ein runtergefallenes Toast mit Strauchmarmelade.

Dienstag, 20. März 2012

58 Stufen und ein Pinguin

Kaum dass ich heute Morgen die Wohnungstür hinter mir geschlossen hatte, fiel es mir wieder ein: „Ich habe 26 Meter und zwei Schwellen.“ Ich zählte die Stufen im Treppenhaus beim Herunterlaufen und wurde bei 14 jäh unterbrochen. „Der Müll“, rief meine Frau hinterher und schwang im nächsten Moment die Tüte elegant über das Geländer. Meine Eleganz beim Auffangen hielt sich in Grenzen, aus dem Zählen wurde nichts mehr.

Als ich draußen war und vom Müll befreit wurde, hatte ich plötzlich meine Erinnerung wieder und ich fragte mich, was mit den Stufen sei. Eine Rechnung ergab 18 Stufen pro Etage und vier Stufen zur Haustür runter, also 58 Stufen ohne Gewähr, weil die Anfangstreppe manchmal auch eine Stufe weniger hat, als die übrigen.

Gestern Abend hatten Trithemius und ich ein Gespräch über Kreativität geführt und ich einigte mich darauf, dass Kreativität die Kombination aus vorhandenen Puzzleteilen darstellt, die nach dem Vergessen übrig bleiben und dann, neu zusammengesetzt, etwas Neues darstellen. Die Einzelteile sind bekannt aber im Ganzen entsteht daraus ein völlig neuer Zusammenhang. Ich schrieb übrigens deshalb „…ich einigte mich…“, weil mir partout nicht mehr einfallen wollte, ob das ein gemeinsames Denkergebnis oder mein eigenes war, ich will Trithemius ja nichts nicht in den Mund legen.

Wie die Kreativität ihren Lauf nimmt, bildete ich mir ein, erläutert das Beispiel meiner derzeitigen Sehschwäche. Eigentlich ist es gar keine Sehschwäche, sondern eher eine durch Dunkelheit hervorgerufene Beeinträchtigung, die sich bei genauem Hinsehen in Nichts auflöst. Vor zwei Tagen parkte ich den Wagen einer Freundin auf dem Bordstein vor ihrem Haus und nicht weit davon entfernt standen zwei überdimensionierte Plüschtiere auf dem Gehweg. Für das vordere hatte ich keine Beschreibung, das hintere war ein Pinguin. Ich wunderte mich kurz, weshalb jemand die beiden Plüschtiere an den Straßenrand gestellt hatte, bis mir einfiel, dass am Montag ja die Müllabfuhr kommt. Alles klar. Ich stieg aus dem Auto und ging darum herum. Ich bemerkte plötzlich, dass dort gar keine Plüschtiere standen und schon gar kein Pinguin, sondern ein Moped dessen Lenker wie der Schnabel eines Pinguins aussah. Können Sie mir folgen? Mein verstreutes Wissen über das Aussehen eines Pinguins senkte sich im abendlichen Schummerlicht einer Schablone gleich über das Moped. Meinem Wissen von der Welt verdankte ich dann die Vorstellung von Plüsch, denn ich weiß ja, dass echte Pinguine nicht in Linden leben.

Und dieser Text hier, das ist die Ausgeburt des Ganzen, eine kreative Entladung.

Ich sitze gerade in der Straßenbahn und komme immer mehr zu der Erkenntnis, dass ich kein reines Schwellengedächtnis haben kann. Es ist vielmehr eine Mischung aus diesem und einem Drin-Draußen-Gedächtnis. Diesen Kreis versuche ich gerade zu durchbrechen, indem ich erstmal erzähle, was ich damit denn schon wieder meine. Trithemius sagte nämlich nicht nur, dass er sich wünscht, seine Texte sollten mehr wie Kratochwils Bilder aussehen. Er sagte auch dass die 26 Meter und zwei Schwellen ausreichen, um ein Kochrezept aus dem Internet bis in die Küche halb zu vergessen. Die Schwellen bilden sozusagen die neuralgischen Punkte. Dort sammeln sich die vergessenen Details wie Krümel an einer Kante. Ich brauche demzufolge nicht nur Türschwellen, bei mir sind es außerdem auch noch klimatische Übergänge von drinnen nach draußen oder umgekehrt. Auf diesen Schwellen und Absätzen hinterlasse ich dann meine vergessenen Details.

Was dieser Text jetzt mit Kratochwils Bildern zu tun hat, kann ich Ihnen beim besten Willen nicht beantworten, weil der letzte Übergang vom Straßenbahninneren zu meiner Zielhaltestelle geführt hat. Die Bahn mit der Schwelle ist weitergefahren und ich sitze hier auf einer Bank und kritzele in mein Notizbuch.

Sonntag, 18. März 2012

Von gläsernen Schuhen und Filterzigaretten

Als ich vorgestern zum ersten Mal seit langem wieder Zeit fand, die Mensa zu besuchen, hätte ich beinah mein Notizbuch vergessen. Und was viel schlimmer war, ich hatte es zwar mit aber machte mir fast keine Notizen. Das ist Mist, weil mir jetzt natürlich der Zusammenhang fehlt, bei dem ich diesen Satz hier in das Buch schrieb:

Der Filter ist das Kondom der Zigarette.

Ich muss dabei immer an Marla Singer denken, wie sie im Abrisshaus hinter Tyler Durden steht, der noch gar nicht weiß, dass er Tyler Durden ist und Kaffe kocht. Dann sagt sie irgendwas über einen gläsernen Schuh, den sie überstreift und aus dem man wieder herausschlüpft und dann wirft man es weg, wie ein Kondom oder anders herum. Sie fasst ihm in den Schritt und er wirft sie raus. Szene zu Ende.

Weil der Satz so eine komische Gedankenkette auslöste, steht er zu Recht in meinem Notzbuch aber wie wir darauf kamen, das habe ich schlicht vergessen. Ich weiß nur noch, dass der Vater vom Arzt ihn so gesagt hat und eben dieser Sohn, mit dem ich in der Sonne saß, der womöglich eine ganz andere Gedankenkette dazu im Kopf hat, sich diesen Satz gemerkt hat.

edit: Ich habe das originale Zitat aufgetrieben bei Wikiquote:

Das Kondom ist der gläserne Pantoffel unserer Generation. Du schlüpfst hinein, wenn du einen Fremden triffst... Du tanzt die ganze Nacht... Und weg damit.

Samstag, 17. März 2012

Limmer? Immer!

Es beginnt wieder die Zeit, zu der du einen Spaziergang von 30 Minuten planen musst, weil du einen Weg von 10 Minuten zurückzulegen hast. Ständig begegnen dir auf der Limmer Leute, die du kennst. Es werden Worte gewechselt, sich verabredet, kurz hingesetzt und urplötzlich ist eine Stunde vergangen. Die Sonne ist auf dem Weg ihre erste Aufwärmrunde zu beenden, du siehst sie nicht, denn sie läuft in der letzten Kurve für heute. Es ist immer noch herrlich warm und das erste Alster des sich ankündigenden Sommers ist auf deiner alten Bank neben Kiosk, Buchladen und Cafe getrunken. Der Winter, der zum reißen gespannte Expander, zieht sich zusammen und alles, was in vermeintliche Ferne gerückt war, stellt sich als neben dir stehend heraus. Nachbarn sind urplötzlich präsent, von denen du nicht einmal wußtest, ob sie da noch wohnen.

Ich habe gestern soviel erlebt, dass mein Kopf die eine Hälfte der anderen zuliebe vergessen musste und die andere Hälfte habe ich dann bruchstückhaft behalten. Der erste Sonnentag im Jahr schien aber auch 48 Stunden zu haben, die in gefühlten 12 Stunden an mir vorüberzogen.

Mittwoch, 14. März 2012

diskreter Katheter

Läuft Harn keinen Meter
hilft ein diskreter
Einmalkatheter


Quelle: Facebooks rechter Rand

Die geile Heidi im Zet

Wir waren gestern zu Besuch bei einer guten Freundin. Für meine Frau und höchstwahrscheinlich auch für unseren Sohn war dies nicht der erste Besuch bei ihr. Für mich schon. Ich war froh, dass Fiete Bewegungspunkte übrig hatte und so hielt ich ihn an den Händen fest und er zeigte mir mit generösen, weitausholenden Armbewegungen die Wohnung.

Er geht immer sehr vorsichtig, leicht nach vorn oder hinten schwankend und er braucht meine beiden Hände, um sich daran festzuhalten. Ich ging, weil meine Arme zwar wie Äste lang und knorrig sind aber nicht bis zu ihm herunter reichen, vornüber gebeugt wie eine alte Trauerweide hinter ihm her. Trauerweiden sind meine Lieblingsbäume, weil sie so etwas Erhabenes besitzen. Sie stehen hier bei uns im Georgengarten vorzugsweise an einem der vielen kleinen Teiche und kämmen mit ihren Zweigen die Wasseroberfläche und das Ufergras. Ich bürstete die Luft um uns herum und bewegte im Gleichschritt langsam meine Wurzeln.

Die Wohnung ist im rechten Winkel um sich selbst gebaut. Die Zimmer sind alle ungefähr gleich groß und mit großen Fenstern ausgestattet, die bei Tage genug Licht hereinlassen. Nur das Schlafzimmer nicht, dieses Fenster zeigt ins Esszimmer, der eigentlich ein Wintergarten ist. Der Flur passt sich wie ein Tetrisbaustein, mit dem man drei Zeilen auf einmal löschen kann (L), in dieses Gefüge ein. Die Küche und das Esszimmer (Wintergarten) ist einer dieser ungeliebten Z-Bausteine, die immer dann zu hauf auftreten, wenn man eigentlich ein I benötigt, um vier Zeilen zu tilgen. Hier passt er ausnahmsweise gut hinein. Selbst das Schlafzimmerfenster, welches in das Esszimmer mündet, stört nicht, es lädt zum Frühstück ein, im Bett.

Als Fiete und ich das Revier begutachtet hatten, gingen wir ins Esszimmer, wo sogar ein Hochstuhl auf den jüngsten Gast wartete. Schräg gegenüber auf der braun gestrichenen Wand wartete noch jemand. Eine leicht bekleidete Frau auf einem Divan an eben dieser Wand. Kein Gemälde, es war ein Druck mit einem hübschen hellen Rahmen, der einen schönen Kontrast zur dunklen Tapete bildete. Sie hatte was von Rubens - vielleicht den Schal, der das komplizierte Schenkelsystem teilbedeckte. Wie sie so dalag mit ihren verschränkt umschlungenen Beinen und dem Tuch dazwischen, musste ich an unser Bild im heimischen Schlafzimmer denken, ähnliche Konstellation bei Tuch und Bein nur statt Divan eine bunte Blumenwiese mit lauter Engeln und im Hintergrund der Leibniztempel (der Pavillon sieht nur aus wie der Leibniztempel, eine schlichte Säulenhalle ist das) und ein Baum. Ich ließ den Blick an den Beinen herauf entlang schweifen und dachte plötzlich an runde Pyramiden mit einer Cocktailkirsche als Spitze, unmöglich um damit im Tetris zu gewinnen. Ich wandte meinen Kopf ihrem Kopf zu. Sie sah mich vorwurfsvoll an, weil ich viel zu lange ihre offensichtlichen Vorzüge gedanklich unter den Scheffel gestellt hatte.

"Hupen", sagte unsere Gastgeberin in diesem Moment und unterbrach unser Blickspiel. Ich nutzte die Gelegenheit zum Zwinkern und tat so, als hätte ich einen interessanten Satz zu sagen. Die geile Heidi oder auch träumende Maja, wie das Bild je nach BetrachterIn genannt wurde, hatte mich natürlich durchschaut aber ich wollte unserer Gastgeberin gegenüber nicht auch noch unhöflich erscheinen, also erwiderte ich:"ja, tolle Hupen", soviel zu dem interessanten Satz.
"Ganz schön groß, irgendwann sagte mal irgendwer Hupen dazu", unserer Gastgeberin war das überhaupt nicht unangenehm, von den Cocktailkirschenpyramiden zu sprechen.
"Interessant", sagte ich, tolle vier Silben in nur einem einzigen Wort. Ich hatte das unbestimmte Gefühl, mich auf die Suche nach meiner Fassung machen zu sollen. Irgendwie musste sie mir beim Trauerweidenspiel aus dem Ärmel gerrutscht sein. Als es klingelte - wir sollten ja nicht die einzigen Gäste bleiben - fand ich sie wieder, neben meinen Schuhen.

Mit Fassung und Verstärkung gelang uns eine halbwegs treffende Analyse der einzelnen Bildkomponenten. Wir einigten uns darauf, dass die Brüste operiert waren, weil ein dunkler Streifen unter der rechten Brust saß. Die linke Brust war leider nicht so gut zu erkennen, sie setzte sich mit dem Selbstverständnis eines Fernsehturms über alle Bildelemente hinweg und überragte sogar den naturgemäß höher sitzenden Kopf - na gut, die träumende Maja oder geile Heidi lag ja auch auf dem Divan - eine Narbe war hier aber nicht zu erkennen.

Eigentlich wollte ich über das Essen schreiben. Es war ausgezeichnet, eine Art marrokanischer Eintopf mit Couscous. Der Eintopf hat auch einen Namen aber der war schon schwierig auszusprechen, deshalb schreibe ich ihn hier nicht auf.

Montag, 12. März 2012

Zombies nicht nur in Linden

Man ist alles nur noch ein bißchen. Ein bißchen hungrig, durstig, müde und ein bißchen online. Wenn ich mitten in der Nacht von der Arbeit, aus der Kneipe, komme und einen Link in mein Facebookprofil setze, dann ist dort fast die Hälfte meiner Freunde anwesend. Wahrscheinlich quatschen sie im Dunkeln miteinander und lachen sich scheckig über die sporadischen Besucher, die sich da für maximal 1 Minute einschalten, also nicht richtig dabei sind.

Das ist natürlich Quatsch, niemand von denen unterhält sich dort. Das wäre von einem kleinen Smartphone aus auch viel zu umständlich. Aber mit diesem kleinen Smartphone kann man den ganzen Tag online, und bei jeder kleinen Bewegung im Profil eines anderen live dabei sein. Vielleicht gibt es sogar schon einen Klingelton für den aktualisierten Status eines Freundes.

Da braucht man sich natürlich nicht zu wundern, wenn dir in der Straßenbahn lauter Smartphonezombies entgegenkommen. Übrigens über die "Zombies in Linden" konnten hier bei uns in Linden viele lachen, wer damit gemeint ist und welches gesellschaftliche Problem dabei auf die Schippe genommen wurde, konnte bei soviel Zombies natürlich nicht mehr untersucht werden. Die Zuschauer, -hörer waren viel zu sehr damit beschäftigt, über die witzigen Dialoge zu lachen und sich bei den vielen Lesungen in den Kneipen Hannover Lindens gegenseitig zuzuprosten.

Ist es ein hanebüchener Vergleich, jetzt von Smartphonebenutzern zu sprechen, die eine gewisse Ähnlichkeit mit Zombies aufweisen? Wie sie da mit ihren Geräten herumspielen und Fingerabdrücke auf Minifenstern verteilen? Wie sie sich die Statusmeldungen derer reinziehen, die auch irgendwo herumsitzen und das gleiche machen?

Plötzlich schaut einer von denen auf, sieht aus dem Straßenbahnfenster und blickt auf einen gelben Forsythienstrauch. "Es ist Frühling" postet er über Facebook, es klingelt in der Bahn, die Hälfte der Leute nimmt ihr Smartphone heraus und dann lächeln sie still vor sich hin, die Smarties (edit).

Samstag, 10. März 2012

Text ohne Überschrift

Gestern traf ich mich mit Trithemius in unserer Lieblingskneipe. Wir saßen wie immer - eigentlich nicht wie immer, denn unser ureigenster Platz war besetzt, so dass wir auf die diagonal gedrehte Ecke im Raum ausweichen mussten - an einem der Tische. Gelesen und gehört hatte ich von ihm einmal, dass es eine emotionale und eine starke Seite in uns gäbe. Wir sitzen stets so, dass ich ihm meine emotionale Seite und er mir seine starke ( in seinem Fall die rechte ) Seite entgegenstreckt. Ich habe mich längst daran gewöhnt, mit meiner "schwachen", emotionalen Seite auf seine starke zu treffen, achte aber seitdem bei jedem Gespräch mit anderen darauf, nicht so ungünstig zu sitzen. Soviel also zur Einrede.

Trithemius sprach dann wie häufig mitten in einem längeren Absatz eine kleine Sentenz aus, die mir zu denken gab. Den ganzen Abend. Ich schrieb sie ein mein kleines grünes Notizbuch und heute morgen hatte sie sich schon weit von mir entfernt. Er sagte so etwas wie Veröffentlichung sei Entfremdung und mit jeder Korrektur stöße man den Text weiter von sich weg. Es können Jahre vergehen dabei, und ein plötzliches Wiederfinden uralter Zeilen ist wie ein Tor zu einer anderen Welt, einem früheren Ich.

Ich korrigiere viel an meinen Texten herum. Meist schreibe ich ihn in einem runter, veröffentliche ihn und lasse ihn dann erstmal in sich ruhen. Kurze Zeit später setze ich mich erneut mit dem Text auseinander und lese ihn - bereits mit einigem Abstand, wie ich denke. Ich suche Fehler heraus - ohne Zwang -, ein paar Formulierungen oder ein Wort, was mir plötzlich einfällt und besser passt als das alte. Der Text wird flüssiger, bilde ich mir ein. Er liest sich schneller weg. Kurzweil, ein Grund zu schreiben. Dieses Spiel spiele ich so oft, bis ich zufrieden bin. Das dauert manchmal einen ganzen Tag, manchmal geht es innerhalb weniger Korrekturen und Minuten.

Ich habe mir bisher nie Gedanken gemacht darüber, wie ich den Text mit meinen Korrekturen von mir wegstoße, wie er mir entgleitet und ein Eigenleben zu führen beginnt, wie er mich beherrscht, indem ich meine Aussage mit seiner vergleiche und er sich, scheinbar gleichzeitig, immer weiter von mir, seinem Autor entfernt.

Es gibt im Fundus meines Blogs noch ein paar Texte, die ich nicht veröffentlicht habe. Ich werde sie nie veröffentlichen. Es fehlt ihnen, auch der besseren Erkennbarkeit in der Beitragsverwaltung wegen, die Überschrift. Es ist mir noch nie gelungen, einen solchen Text zu "retten" und im Nachhinein zu veröffentlichen. Und das ist der Knackpunkt des Ganzen, wie ich finde. Nicht die Veröffentlichung ist die Entfremdung, das Schreiben ist die Entfremdung. Die Sprache entfernt sich unmittelbarer von unseren Gedanken und Gefühlen, weil sie dokumentierbar wird. Ein Wort kann ich morgen vergessen haben, spätestens in einem Jahr ist es vergessen, schreibe ich es aber auf, ist es immer da - aber eigentlich viel weiter von mir weg.

Ich höre jetzt mal auf mit dem Quatsch hier. Ich weiß nicht einmal, ob das Kauderwelsch hier verstanden wird, mache aber nicht den Fehler, dies unveröffentlicht zu lassen. Es geht raus, entfremdet sich von mir und ist morgen schon nicht mehr Ich aber irgendwie genau das, nur eben anders.

*Die Korrektur

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Zuletzt aktualisiert: 12. Dez, 08:51

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