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Bei den Leisen Tönen. Manchmal braucht es einen Blog, um sich Luft zum Denken zu verschaffen. Keine Steckenpferde, Hobbies oder sonstiges Spezielles, nur Luft zum Denken.

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58 Stufen und ein Pinguin

Kaum dass ich heute Morgen die Wohnungstür hinter mir geschlossen hatte, fiel es mir wieder ein: „Ich habe 26 Meter und zwei Schwellen.“ Ich zählte die Stufen im Treppenhaus beim Herunterlaufen und wurde bei 14 jäh unterbrochen. „Der Müll“, rief meine Frau hinterher und schwang im nächsten Moment die Tüte elegant über das Geländer. Meine Eleganz beim Auffangen hielt sich in Grenzen, aus dem Zählen wurde nichts mehr.

Als ich draußen war und vom Müll befreit wurde, hatte ich plötzlich meine Erinnerung wieder und ich fragte mich, was mit den Stufen sei. Eine Rechnung ergab 18 Stufen pro Etage und vier Stufen zur Haustür runter, also 58 Stufen ohne Gewähr, weil die Anfangstreppe manchmal auch eine Stufe weniger hat, als die übrigen.

Gestern Abend hatten Trithemius und ich ein Gespräch über Kreativität geführt und ich einigte mich darauf, dass Kreativität die Kombination aus vorhandenen Puzzleteilen darstellt, die nach dem Vergessen übrig bleiben und dann, neu zusammengesetzt, etwas Neues darstellen. Die Einzelteile sind bekannt aber im Ganzen entsteht daraus ein völlig neuer Zusammenhang. Ich schrieb übrigens deshalb „…ich einigte mich…“, weil mir partout nicht mehr einfallen wollte, ob das ein gemeinsames Denkergebnis oder mein eigenes war, ich will Trithemius ja nichts nicht in den Mund legen.

Wie die Kreativität ihren Lauf nimmt, bildete ich mir ein, erläutert das Beispiel meiner derzeitigen Sehschwäche. Eigentlich ist es gar keine Sehschwäche, sondern eher eine durch Dunkelheit hervorgerufene Beeinträchtigung, die sich bei genauem Hinsehen in Nichts auflöst. Vor zwei Tagen parkte ich den Wagen einer Freundin auf dem Bordstein vor ihrem Haus und nicht weit davon entfernt standen zwei überdimensionierte Plüschtiere auf dem Gehweg. Für das vordere hatte ich keine Beschreibung, das hintere war ein Pinguin. Ich wunderte mich kurz, weshalb jemand die beiden Plüschtiere an den Straßenrand gestellt hatte, bis mir einfiel, dass am Montag ja die Müllabfuhr kommt. Alles klar. Ich stieg aus dem Auto und ging darum herum. Ich bemerkte plötzlich, dass dort gar keine Plüschtiere standen und schon gar kein Pinguin, sondern ein Moped dessen Lenker wie der Schnabel eines Pinguins aussah. Können Sie mir folgen? Mein verstreutes Wissen über das Aussehen eines Pinguins senkte sich im abendlichen Schummerlicht einer Schablone gleich über das Moped. Meinem Wissen von der Welt verdankte ich dann die Vorstellung von Plüsch, denn ich weiß ja, dass echte Pinguine nicht in Linden leben.

Und dieser Text hier, das ist die Ausgeburt des Ganzen, eine kreative Entladung.

Ich sitze gerade in der Straßenbahn und komme immer mehr zu der Erkenntnis, dass ich kein reines Schwellengedächtnis haben kann. Es ist vielmehr eine Mischung aus diesem und einem Drin-Draußen-Gedächtnis. Diesen Kreis versuche ich gerade zu durchbrechen, indem ich erstmal erzähle, was ich damit denn schon wieder meine. Trithemius sagte nämlich nicht nur, dass er sich wünscht, seine Texte sollten mehr wie Kratochwils Bilder aussehen. Er sagte auch dass die 26 Meter und zwei Schwellen ausreichen, um ein Kochrezept aus dem Internet bis in die Küche halb zu vergessen. Die Schwellen bilden sozusagen die neuralgischen Punkte. Dort sammeln sich die vergessenen Details wie Krümel an einer Kante. Ich brauche demzufolge nicht nur Türschwellen, bei mir sind es außerdem auch noch klimatische Übergänge von drinnen nach draußen oder umgekehrt. Auf diesen Schwellen und Absätzen hinterlasse ich dann meine vergessenen Details.

Was dieser Text jetzt mit Kratochwils Bildern zu tun hat, kann ich Ihnen beim besten Willen nicht beantworten, weil der letzte Übergang vom Straßenbahninneren zu meiner Zielhaltestelle geführt hat. Die Bahn mit der Schwelle ist weitergefahren und ich sitze hier auf einer Bank und kritzele in mein Notizbuch.
Trithemius - 20. Mär, 21:16

Mit dieser Sorte Spontanschreiben, wenn die Erlebnisse noch unmittelbar nah sind, kommst du Martin Kurzweils Zeichnungen schon deutlich näher. Man muss es ja irgendwie übersetzen aus dem Zeichnerischen ins Schreiben. Wie Martin seine Linien ausufern lässt, nur ungenau zielt, auch mehrmals durch die schon gefundenen Figuren fährt, so funktioniert Schreiben nur bedingt. Beim Schreiben entspräche das vielleicht dem sich von spontanen Einfällen leiten zu lassen, vom Thema abzuweichen, neue Themen aufzugreifen, um sie dann wieder ins Nichts fallen zu lassen. Normalerweise versuche ich meine Texte zu runden, zurückzukehren zu der Anfangsidee. Das habe ich bei meiner Schilderung unseres kreativen Abends diesmal nicht gemacht und manchmal auch zugelassen, ein bisschen vorbeizuzielen. Aber mein Text ist nicht so spontan entstanden wie deiner. Hab auch vermutlich länger daran rumgefeilt. Es gilt, sich zu befreien, mal Regeln zu vergessen und so, das Irrationale zuzulassen. Man könnte auch mit den Regeln der Orthographie und Grammatik brechen, aber dann sind Inhalte schwerer zu vermitteln. Wir puzzeln ja immer mit Wörtern, aber wenn das Puzzel kein Bild ergibt, nutzt es nichts. Man entfremdet sich dem Leser, macht es ihm schwer, und schwer machen es Martin Kratochwils Bilder dem Betrachter nicht.

Shhhhh - 20. Mär, 22:06

Ich glaube auch, dass es schwer möglich ist, aus dem Zeichnerischen ins Schreiben zu übersetzen, würde dies aber nicht den unterschiedlichen Arbeitsweisen anlasten, sondern eher dem Übersetzen und der Interpretation jedes Einzelnen.
Eine zu starker Bruch mit den Regeln führt ins Chaos. Bei Bildern finde ich das weniger bedenklich als bei Texten, deren Regelwerk auf ein Minimalverständnis durch alle Rezipienten angelegt ist, die Beherrschung des Alphabets zum Beispiel, wogegen mir eine Zeichnung völlig unverständlich sein kann, obwohl ich den "Übermittler" kenne, einen Bleistift zum Beispiel.
rockme - 22. Mär, 12:00

Was ich komisch finde ist, dass man aus zwei Plüschtieren dann ein Moped mit langer Pinguinschnauze und etwas Nichtbeschreibbares macht... das ist so, als würde ich diese zwei aus Fenstern hinabhängenden Hundezungen tatsächlich als schnöde Steppdecken identifizieren. Die Hundezungen von Dago und Bert. Die sind da wie der Teufel durch den Wald gepfeffert, und ich geh' besser, bevor die blonde Hausfrau da auch nur irgendwie dran rüttelt.

Eure Gedanken zu Text und Bild sind übrigens interessant, hänge dem noch bisschen nach...

Shhhhh - 23. Mär, 19:47

Ich wäre gern bei meiner ersten Meinung geblieben, der Kindersitz weilte jedoch auf der Rückbank, den musste ich mitnehmen und damit erhebliches an Entfernung zu meiner Fata Morgana einbüßen.
rockme - 24. Mär, 00:22

Ich find das gemein, den Kindersitz jetzt verantwortlich zu sprechen, dass du unfähig bist, die Dinge so zu sehen, wie sie nun mal sind. Stattdessen muss der Kindersitz nun herhalten. Und erzähl mir jetzt nicht, ich würde irgendwas an den Haaren herbeiziehen... und überhaupt, Fata Morgana ist ein nicht zugelassenes Wortgeflecht wie alles. Eigentlich brauchst du gar nicht erst zu antworten... so einfach ist das. Plüschtiere so derart zu diskriminieren ist beinahe schon kriminell, wie das Wort schon ansatzweise verrät. Ich distanziere mich hiermit!

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Zuletzt aktualisiert: 22. Mär, 21:06

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