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Bei den Leisen Tönen. Manchmal braucht es einen Blog, um sich Luft zum Denken zu verschaffen. Keine Steckenpferde, Hobbies oder sonstiges Spezielles, nur Luft zum Denken.

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Dienstag, 6. März 2012

Was ein Knopf so alles auslösen kann...

Schlechte Erinnerungen sind zuverlässig. Man kann sich darauf verlassen, dass sie genau in dem Moment über einen hereinbrechen, wenn man sie am wenigsten gebrauchen kann. Gestern kam so ein Moment über mich, als ich meinen Sohn beim Spielen beobachtete. Er klettert mittlerweile an allem hoch, was irgendwie senkrecht veranlagt ist, sei es nun mit irgend einer Art von Griff ausgestattet oder eine schlichte Wand. Unser Kühlschrank ist so eine Wand. Ungefähr in Augenhöhe, seiner Augenhöhe, befinden sich zwei Griffmulden, eine für das Gefrierteil und die andere für den Kühlschrank darüber. Und darüber ist genau das Problem. Dort haften jede Menge Kühlschrankmagneten, die wiederum andere Dinge zum Haften bringen, Postkarten, Zeichnungen meiner Nichte, Zettel. Einer dieser Magneten ist ein überdimensionales Auge. Es kommt aus Istanbul, meine Frau hat es von dort mitgebracht. Es gilt dort als Glücksbringer und schützt vor dem bösen Blick.

Dieses große Auge hatte es meinem Sohn angetan, er griff danach und pflückte es wie eine Pflaume vom Ast, die Blätter fielen zu Boden, nur ein Kollateralschaden. Doch was macht man mit reifen Pflaumen? Natürlich, sie verschwinden im Mund. Genau in diesem Moment erwischte mich ein Erlebnis aus eigenen Kindertagen. Der Schreck fuhr mir durch alle Glieder, ich sprang in einer einzigen Bewegung über alle Hindernisse, die ein Küchenfußboden bereithalten kann und erwischte den Magneten in der zweiten Halbzeit zwischen Zeigefinger und Daumen. Ich schüttelte den Kopf, sagte nein und hatte nach wenigen Sekunden den Magneten in der Hand. Braver Junge.

Ich war kein so braver Junge. Ich konnte aber bereits sprechen und auch verstehen, was man mir sagte, nur hören wollte ich nicht. Ich hatte einen Teddy, braun, groß, mit einem Knopf als Nase. Robert, so hieß der Teddy war mein ständiger Begleiter und er musste so manches über sich ergehen lassen, was er jetzt so treibt, weiß ich nicht, wahrscheinlich liegt er bei meinem Eltern auf dem Dachboden in einer Kiste und schläft. Augen hatte er nämlich keine mehr. Die Augen waren kleine schwarze Plastiksteine, die nur angeklebt waren, und nach mehrmaligem Wiederankleben waren sie irgendwann weg. Die Nase dieses Teddys allerdings war ein großer runder Knopf, der durch zwei dicke Nasenlöcher mit dem Kopf vernäht war.

Auch ich nahm gerne Dinge in den Mund und die Nase war nach Jahren des daran Ziehens, Lutschens, Herumkauens ziemlich locker geworden. Meine Mutter wußte das und verbot mir zu jeder Zeit, die Nase des Teddys in den Mund zu nehmen. Verbote taugen aber nichts, wenn man klein ist. Sie fördern bei liebgewonnenen Gewohnheiten nur den Drang heimlich damit fortzufahren, wie das Lesen eines spannenden Buches zur Schlafenszeit, es wird einfach eine Taschenlampe hervorgeholt und weitergelesen.

Als ich einmal allein in meinem Zimmer war, meine Mutter war nebenan, da passierte das Schreckliche. Ich verschluckte die Knopfnase vom Teddy. Ich verschluckte den Knopf nicht wirklich, er versperrte mir die Atemwege. Zuerst versuchte ich zu husten, dann zu röcheln. Nichts half. Meine Mutter kam in mein Zimmer, sah den Teddy, sah die Nase nicht, schrie in Panik auf und haute mir schmerzhaft auf den Rücken, einmal, zweimal, immer wieder. Nichts half. Sie rief meinen Vater aus der Küche. Der rannte mit einem Satz die Treppe herauf, sah das Übel und packte es bei den Wurzeln. Er packte mich bei den Wurzeln, drehte mich auf den Kopf, seine Hände hielten meine Beine wie dünne Zweige. Er schüttelte mich mit Schwung, es galt jetzt Knöpfe zu ernten. Meine Mutter schlug mir bei der Gelegenheit gleich nochmal auf den Rücken.

Endlich machte es plopp. Der Knopf war draußen und trollte sich beleidigt wie ein Fußballspieler, der gerade Rot gesehen hatte in Richtung Kabine, er rollte unter das Bett. Mein Haupt hatte ihm die rote Karte gezeigt. Ich wurde auf das Bett abgesetzt, es gab noch einen Klaps auf den Hinterkopf, ich würde schwören, dass meine Mutter Gotzeidank gesagt hat und dann war der Spuk vorbei. Ich japste noch ein wenig, hörte mit einem Ohr der Gardinenpredigt zu, aber meine Lektion hatte ich auch ohne die Worte meiner Mutter gelernt.

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