Liegt neujahrs noch die Stadt im Nebel,
hilft kein Schwert und auch kein Säbel.
Bukowski ließ sich von Frauen regelmäßig das Gesicht zerkratzen. Ich hatte dafür meinen jüngsten Sohn. Wenn ich ihn auf dem Arm hielt oder wenn er im Gitterbett mir gegenüber stand, zerfurchte er mir mit seinen kleinen Händen mit den spitzen Krallen das Gesicht. Meine Ohren litten auch sehr darunter, aber ohne sichtbare Spuren.
Seit zwei Tagen rangen wir denselben jede Minute einzeln ab, lechzten nach jeder Abwechslung im öden Krankenhausaufenthalt. Ich schimpfte mit ihm und warf mir Desinfektionsmittel in die blutenden Kratzer. Ich sah aus wie nach einer abgesagten Rasur mangels eigener Fähigkeiten, im Bart verblieben.
Er streichelte mich dann sofort ganz sanft, wenn ich ihn ausschimpfte, oder er versuchte mir die Hand zu geben, wenn er im Gitterbett stand. Das hatte ich ihm kurz zuvor beigebracht. Dann konnte ich ihm nie lange böse sein, diesem ausgefuchsten, kleinen Quälgeist mit seiner linkisch vorgereckten Hand.
Jetzt schläft er. Ich lege mich ebenfalls hin. Hoffentlich entlassen sie uns morgen.
Man kann sich in Schwerin eine halbe Stunde über Parkplätze unterhalten, habe ich gelernt, ohne das Thema langweilig zu finden. Die Innenstadt ist schön und liegt gut am Fuß.
Überraschend fand ich die vergoldete Treppe, die von außen einzusehen ist, sozusagen innen an der Fassade entlang nach oben führt. Also die Überraschung war nicht die Treppe sondern ihr Standort: im Justizministerium. Ich hätte sie ja eher im Finanzministerium erwartet.
Das Krankenhaus ist auch nett aber langweilig. Der Jüngste treibt sich gerade hier mit mir rum. Nachbereitung der Feiertage.
Ich wollte gerade nach einer etymologischen Verbindung zwischen Einleitung und Einladung fahnden, als mir mein Wörterbuch beim Blättern ins Stocken geriet. Eigentlich stockte es nicht, wie Blätter ja selten zum Stocken neigen, nein es stellte sich nur verstockt, indem es mir eine Seite verweigerte, nein zwei, denn die Seiten klebten zusammen.
Ich bearbeitete die beiden Seiten am Rand voneinander und nach kurzem Ziehen und Reißen, ließ sich der Zwischenraum, gelegen zwischen „erleben“ und „Erz“, wieder anschauen. Rechts wie links erhob sich ein Speiserest, mehr rechts als links. Links war nur ein kleiner Fleck und ein minimaler Abrieb im Papier, aber rechts, da saß der ganze Batzen.
Eine eingehende Untersuchung brachte keinen Geruch zutage. Kosten wollte ich davon nicht, ich hatte schon genug erlebt. Außerdem war ich deshalb ja gar nicht hier, ging es mir doch um zwei grundlegend verschiedene Wörter, die ich noch dazu auf diesen beiden Seiten gar nicht finden konnte. Trotzdem gaben mir die Seiten zu denken. Sie bestätigten meine Annahme von der richtigen Suche, denn was ich hier auf dieser Seite vor allem fand, waren Verweise.
Verweise sind in meinem etymologischen Wörterbuch Zeichen ins Himmelwärtige. Angezeigt mit einem Pfeil, der nach oben deutet und genau nicht das Wort darüber meint, sondern einen imaginären Punkt im Buch, an dem ein Wort zu finden ist, welches das hier genannte ohne Präfix „er-“ ist. Erleben findet man demnach nicht bei der Erklärung „erleben“, sondern bei „leben“.
Ich suchte auch gar nicht bei Einleitung oder Einladung, ich suchte bei leiten und laden. Weil ich mir schon dachte, dass mir, wenn ich das Wort überhaupt finden sollte, denn das Präfix „ein-“ ist ja genauso produktiv wie das Präfix „er-“, dann findet sich die Erklärung bestimmt an dem Ort, wo das „ein-“ nicht steht. So war es auch.
Im Übrigen sind die Pfeile manchmal auch waagerecht angelegt und zeigen nach rechts auf das nach ihnen abgedruckte Wort, unter dem der Eintrag zu finden ist. Mir persönlich kommt dies ja als die elegantere Lösung vor, als den Pfeil nach oben zeigen zu lassen, zumal oben ja auch als zurück zu deuten möglich wäre, ähnlich wie der Formulierung „siehe oben“ (s.o.). „Siehe oben“ kann sich bei mehrseitigen Texten durchaus auf Vorangegangenes beziehen, was auf der gleichen Seite gar nicht zu finden ist. Ähnlich verhält es sich mit „siehe unten“ (s.u.). Dann guckt man auf dem Blatt und findet nichts, aber der Hinweis deutet zumindest an, dass der Teil des Textes noch nicht erreicht ist, in dem man dem Hinweis nachgehen kann.
Zeigt also der Pfeil nach oben, so könnte er vermitteln, das Wort weiter hinten im Buch zu finden, was bei „erleben“ natürlich überhaupt nicht stimmt, denn „erleben“ steht natürlich vor „leben“. Das meinte ich mit dem Pfeil. Zeigt der Pfeil auf das Wort, indem er sich statt nach oben nach rechts wendet, so wird viel eindeutiger geklärt, wohin sich der Leser wenden soll. Das ist natürlich nur meine Meinung und soll hier niemanden, der es anders sieht davon bekehren. Ich hatte ja auch eigentlich was ganz anderes vor.
Dieser blöde Fleck, der nach nichts riecht und den ich mich nicht getraue anzulecken, hat mich hierhin geführt. Dabei wollte ich doch nur einer schönen Formulierung folgen, die ich während eines Seminars hörte, nämlich, dass die Einleitung auch eine Einladung sein sollte, eine Einladung weiterzulesen. Deshalb schaute ich danach, ob diese Wörter irgendwie miteinander verwandt wären.
Sind sie nicht. Deshalb ist die Einleitung auch am Ende und keine Einladung, auch wenn sich das wirklich gut gemacht hätte. Schade.
Allen Lesern, Kommentatoren, Vorbeischneiern, Suchanfragefolgern und sonstigen Besuchern wünsche ich ein paar schöne Feiertage! Machen Sie das Beste draus!
Man soll ja nicht mit Schulden ins neue Jahr gehen, und da es bald soweit ist, also das neue Jahr startet, muss ich noch etwas loswerden:
Seit Jahren schon belastet mich ein Problem, welches ich mit einem bestimmten Freund von mir teile. Er weiß davon gar nichts, vermute ich, weil er kaum etwas dafür kann. Es ist meiner Einbildung entsprungen dieses Problem. Oder nicht ganz. Ich hatte diesen Freund, als er noch studierte einmal in seiner Heimatstadt Berlin besucht, um dort ein paar Leute zu treffen. Dafür durfte ich bei ihm übernachten und wir gingen natürlich am Abend zuvor noch aus. Ich humpelte zu diesem Zeitpunkt schon etwas, weil ich irgendwo hineingetreten war und mir die Haut zwischen zwei Zehen aufgerissen hatte.
Der Alkohol betäubte den Schmerz und am nächsten Morgen übertönte der Kopfschmerz jeden anderen Schmerz in den Zehen. Wir verabredeten uns lose am frühen Nachmittag des Folgetages – mein Treffen mit den anderen Freunden sollte erst am frühen Abend beginnen – um gemeinsam in der Mensa der Uni essen zu gehen. Einen Neurotizismustest sollte ich bei der Gelegenheit auch noch für ihn ausfüllen, da er die Ergebnisse für eine Studienarbeit benötigte. Dafür gab es einen kostenlosen Kaffee.
Ich ging zu Fuß die komplette Prenzlauer Alle hinunter über den Alex und die Straße Unter den Linden wieder hinauf. Keine Ahnung, was mich da geritten hatte. Mein Fuß war auf Heimreise am nächsten Morgen ein Klumpen rohes Fleisch, aber ich hatte schon wieder Kopfschmerzen und merkte das nicht.
Tags darauf bemerkte ich auf meinem linken Oberschenkel ein paar komische Knubbel unter der Haut und machte mir langsam Sorgen. Mein Fuß sah schrecklich aus und ich dachte schon, ihn abschneiden zu lassen. Ich humpelte in die Notaufnahme. Die behielten mich gleich da. Verpassten mir ein paar ordentliche Injektionen und bescheinigten mir großes Glück. Ein paar Stunden wäre ich nirgends mehr hingegangen, dann hätte man mich getragen und wohin, wäre mir nicht mehr wichtig gewesen.
Im Krankenhaus hatte ich jede Menge Zeit und so nahm ich mir einen Schreibblock und einen Stift und schrieb ein böses Pamphlet auf meinen Freund. Natürlich nur zum Spaß. Ich machte ihn für alles verantwortlich: für meine Gewaltmärsche, meine Schmerzen, meine Kopfschmerzen, meinen Krankenhausaufenthalt und zuletzt auch noch für den hinterlistigen Test, den ich ihm zu beantworten hatte. Der Test war überhaupt das fieseste von allem. Darin kamen Fragen, die ein „normaler“ Mensch sich nicht einmal ausdenken konnte. Das ist auch gut so und sollte so sein, aber die Anordnung der Fragen ließ einen manchmal schon stutzen, denn es gab eine eingebaute Steigerung, die meistens ganz harmlos begann und plötzlich ins Extreme driftete, so dass ich manchmal das Gefühl hatte, meine vorherigen Antworten zu überdenken und vielleicht etwas harmloseres anzustreichen. Ich war natürlich reichlich normal, wie mir mein Freund bescheinigte. In meinem Pamphlet aber stilisierte ich ihn und somit auch mich zur Bestie. Ich hatte großen Spaß dabei.
Ich schrieb den Text nie zu Ende, den fertigen Teil aber sandte ich ihm zu, und wir konnten gut darüber lachen. Jedenfalls lachte er mit, vielleicht auch nur mir zuliebe. Ich war ja noch immer ans Bett gefesselt.
Seit dieser Zeit aber ertappe ich mich dabei, während unseres Emailkontakts subtile Dinge in seinen Antworten wahrzunehmen, die mich ärgern sollen. Er macht das nicht bewusst, er weiß nicht einmal, was ich da hineinlese, weil ich darüber mit ihm noch nie gesprochen habe. Es ist ihm überhaupt nichts davon bewusst, aber dieser Text, den ich verfasst habe, schleicht sich immer wieder in meine Lesart seiner Antworten hinein und lässt mich darin Dinge erkennen, die er ganz anders gemeint hat. Ich lese ihn sozusagen, als wäre ich am Morgen mit dem falschen Fuß aufgestanden. Das passiert mir ständig.
In der letzten Mail ging es um ein Feriendomizil, das er mit „chice Location“ beschrieb. Ich las natürlich nicht „schick“, sondern „scheiß“ und antwortete nicht mehr, ich war persönlich beleidigt. Er antwortete auch nicht. Die anderen antworteten auch nicht mehr, und so verlief alles im Sande. Mit einem anderen aus der Runde erörterte ich das Problem später am Telefon und erkannte im Sprechen darüber bereits meinen Fehler. Und nun plagt mich mein schlechtes Gewissen.
Also, lieber AausP, solltest du das hier lesen: nichts für ungut und schöne Weihnachten!
Am Sonntag begegnete mir ein Haufen schräger Gewächse. Naja, eigentlich waren es nur drei, wovon zwei ein Pärchen bildeten und das andere auch nicht so richtig schräg war. Keines war wirklich schräg. Vergessen Sie den ersten Absatz und lesen Sie einfach darüber hinweg, bevor ich nachher noch anfange, mein Geschreibsel soweit zu relativieren, dass es nicht mehr lesbar wird.
Jedenfalls standen wir vor dem Sealife und baten um Einlass gegen 10 Uhr in der Späte – wer um 6 Uhr aufsteht, für den ist das schon fast Mittag – als mein Blick auf einen Baum fiel, der seltsamer Weise lauter rosa Blüten trug. Im Dezember. Das fand ich so schräg, dass ich ein Foto machen musste.
Das Andere, nicht minder schräge war ein Dialog, dessen Zeuge ich wurde, als wir um halb zwölf das Sealife wieder verließen. Ein Aufsteller vor dem Sealife kündigte eine ungeheure Rabattaktion an, die wir schon eine Woche zuvor in Anspruch genommen hatten, andere aber noch nicht. Überhaupt ist solchen Gewächsen nicht zu helfen:
Sie: Guck mal, die Jahreskarte kostet jetzt nur noch 25,- Euro.
Er: Ja, aber das Jahr ist auch gar nicht mehr so lang.
Hier hätte ich gern eingegriffen, nur leider war ich ob des Ganzen schon zu fassungslos.
Sie: Schade, dass die Jahreskarte nicht ein ganzes Jahr gilt.
Er: Ja, schade.
Dafür hatte ich leider kein Foto.
Aceton, haha. Schön machen. Ich stand kichernd auf der Treppe des Kinderbettes, mit der rechten Hand hielt ich mich am Geländer fest, die linke umschloss einen Lappen, der nach Chemikalie roch und rubbelte damit über Holz. Die Dose mit dem Aceton stand auf der obersten Stufe und duftete mir ins Gesicht, haha. Schön machen.
Ich musste an diese Postkarte von Papan denken, die auf unserem Kühlschrank per Magnet festgepinnt war. Darauf zu sehen sind ein Elternpaar in der Tür und eine Horde Kinder beim Spielen. Der Vater fragte gerade: „Zum letzten Mal: wer war das?“ Die Karte zeigte im Vordergrund ein buntes Krikelkrakel, das irgendwie nicht zur Karte zu gehören schien. Die Ansage bezog sich aber genau darauf, haha.
Als ich die Karte seinerzeit bei einem Freund einsackte, wusste ich noch gar nichts über diesen Entwicklungsschritt. Ich fand einfach dieses Ebenenspiel der Karte interessant und ziemlich witzig. Dass aus dem Witz einmal Wissen wird, davon hatte ich noch keine Ahnung.
Jetzt stand ich hier und entfernte gerade ebensolches Krikelkrakel vom eigens erbauten Kinderbett, weil unsere Kinder dachten, sie könnten das Bett damit schön machen. Ich beglückwünschte mich, dass ich so weitsichtig gewesen war, mit dem Rest an Parkettlack über die Lasierung gegangen zu sein beim letzten Umzug, sonst hätte ich wohl die Filzstiftzeichnungen nicht so leicht vom Holz bekommen.
Wirklich schön empfindet ja jeder ein wenig anders, und leider gab es auch Stellen, die ich nicht behandelt habe, da muss der Filzstift vorerst bleiben. Es ist ja auch immer etwas anderes, wenn man so eine Postkarte betrachtet und sich darüber amüsiert, als wenn man sich als Elternpaar wenige Tage später wissend anblickt. Das ist eine Entwicklung, die man mit seinen Kindern teilt. Da lernt jeder von jedem.
Die Eltern lernen, was alles schön ist und Kinder lernen, was Eltern nicht schön finden. Diese Erfahrung sollte man sich im Anschluss mit ein wenig Aceton in einem schlecht gelüfteten Kinderzimmer versüßen, allein natürlich. Haha.
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=Mit den Tornados der Bundes-\________
=wehr verhält es sich wie mit den Büchern,\____________________________
======die man nicht gelesen hat, die aber trotzdem im Regal stehen. Sie sehen >
=erstmal ziemlich gut aus, aber ob sie was/
=taugen, das weiß man nicht./