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Bei den Leisen Tönen. Manchmal braucht es einen Blog, um sich Luft zum Denken zu verschaffen. Keine Steckenpferde, Hobbies oder sonstiges Spezielles, nur Luft zum Denken.

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Dienstag, 3. September 2013

Der i-Punkt

Manchmal habe ich so unverschämt viel Zeit, dass ich mir dabei selbst nicht über den Weg traue. Kennen Sie das? Bei mir äußert sich das zum Beispiel, indem mir beim Lesen plötzlich eine Stelle im Buch derart komisch vorkommt, dass ich völlig entrüstet aus meinem Lesefluss hochschrecke und mit einigem Abstand sowohl den Inhalt als auch die Form überprüfe.

Als ich neulich am Strand zum Arbeiten war und an alles andere dachte, als Zeit zum Lesen zu finden, kam genau so ein selbstgemachtes Problem auf mich zu. Ich las und las und als ich diesen i-Punkt sah, wie er da über dem i thronte, da war es schlagartig geschehen um meine Konzentration. Ich vermutete einen Druckfehler dahinter und fragte mich noch, wie so etwas denn passieren konnte, als mir klar wurde, dass alles seine Richtigkeit hat. Der gehört da hin, kein Grund zur Aufregung, ruhig bleiben. Je länger ich ihn ansah, umso mehr gewöhnte ich mich an den Anblick. Zuletzt war er wieder so unauffällig wie zuvor.

Kurze Zeit später kamen die ersten von ca. 2000 Ruderbooten auf Betriebsausflug und ich sollte keinen einzigen Buchstaben mehr zu lesen bekommen.

Freitag, 30. August 2013

Freitagstexter



Herzlich Willkomen beim dieswöchigen Freitagstexter!

Ich mache es kurz. Ich möchte bitte von Ihnen einen Kommentar, einen Witz, eine Bildunterschrift, einen Dialog oder was auch immer in das Kommentarfeld und zum Bild passt. Bedingung für die erfolgreiche Teilnahme ist außerdem das Vorhandensein einer eigenen Webseite oder eines Blogs, auf dem der Freitagstexter in der kommenden Woche stattfinden soll. Natürlich sind auch alle anderen Kommentare willkommen, nur eben leider außer Konkurrenz.

Ich selbst werde dann am Dienstag kommender Woche aus den eingesandten Kommentaren denjenigen heraussuchen, der am kommenden Freitag den Freitagstexter ausführen darf. Dafür werde ich diverse Hilfsmittel zu Rate ziehen, die alle furchtbar teuer sind, wenn Sie also mit einer kleinen Spende...

Das Bild ist aus meinem privaten Fundus und entstand auf einem meiner Streifzüge durch das wilde Linden. Tja, mehr gibt es nicht zu sagen. Ich wünsche Ihnen gute Unterhaltung!


Mittwoch, 28. August 2013

16 Minuten

Kurz bevor ich gestern zur Mensa fahren wollte, ich war gerade in Begriff die Wäsche auf den Dachboden zu bringen, kam mir eine völlig abstruse Idee. Anstatt mit dem Fahrrad zu fahren, wie es meiner Gewohnheit und auch den Verkehrsverhältnissen entspricht, wollte ich mit dem Auto dort hinkommen. Dazu muss ich sagen, der Weg zur Mensa ist mit dem Auto ungefähr so bequem wie ein Sessellift bergab: entweder über den Westschnellweg und mit dem Risiko eines Staus verbunden oder quer durch die Stadt, was ebenfalls sehr lang dauern kann. Mit dem Fahrrad brauche ich bei entspannter Fahrweise ca. 10 Minuten.

Ich weiß nicht, woran es gelegen hat, vielleicht an den Stufen zum Dachboden hinauf, jedenfalls huschte dieser Gedanke in meinem Kopf herum. Eine fixe Idee, mehr noch ein ganzes Gedankenkonglomerat, denn mit dem Wunsch Auto zu fahren, muss unweigerlich auch eine Rechtfertigung dafür mitgedacht werden. Meine Frau hat sich nämlich kurz vorher zu Fuß auf den Weg gemacht, weil sie 1. länger braucht, 2. ich die Wäsche aufhängen sollte und 3. sie danach mit der Straßenbahn noch irgendwohin wollte. Führe ich jetzt mit dem Auto, dann hätte ich sie 1. mitnehmen können, 2. nicht so antreiben müssen ( wir waren und sind eigentlich immer zu spät dran ) und 3. einen Disput über den Nutzen und Unsinn solcher Autofahrten riskiert, bei dem ich definitiv die schlechteren Argumente gehabt hätte.

Und so gebar ich die Idee, mit der ins Schloss fallenden Tür. Ich hätte lediglich den Schlüssel zum Dachboden dabei gehabt, würde ich sagen, ging die Wäsche aufhängen und auf dem Rückweg bzw. direkt vor der Wohnungstür stehend bemerkte ich meinen Fehler. Nach nochmaligem Kramen in meinen Hosentaschen wäre mir aufgefallen, dass ich statt meines Wohnungsschlüssels, an dem auch der Fahrradschlossschlüssel angebracht ist, den Autoschlüssel zufällig in der linken Hosentasche bei mir trug. Was für ein glücklicher Zufall. Ich würde den Stau in Kauf nehmen und mich bequem mit dem Auto auf den Weg zur Mensa machen und alles wäre erklärt. Dort würde ich den Wohnungsschlüssel meiner Frau nehmen, den sie danach nicht gebraucht hätte auf ihren Besorgungen und wenn wir uns spät nachmittags wieder getroffen hätten, wäre alles in Butter gewesen.

Das alles war natürlich ganz großer Unsinn, lenkte mich aber genügend von dem beschwerlichen Weg nach oben ab. Ich hängte die Wäsche auf, ging wieder runter, packte meine Sachen zusammen und fuhr mit dem Fahrrad zur Mensa. Ich kam 6 Minuten zu spät. Niemand unserer Verabredungen war bereits da, außer meiner Frau, die stand dort schon und wartete. Als ich das Fahrrad gerade anschließen wollte, kam sie zu mir gerannt und hinderte mich daran. Sie rief, nein, das ginge nicht, ich müsste noch einmal zurückfahren. Sie hatte ihr Portemonnaie im Auto vergessen, da wären die Mensakarten drin, ihr Geld und das Wichtigste: ihr Studentenausweis, ohne den sie nicht Bahn fahren könne, was sie nach der Mensa aber müsse. Also schwang ich mich wieder auf das Rad, kehrte der Mensa den Rücken und fuhr zurück. Im Auto lag in der Mittelkonsole ihre Geldbörse mit all den beschriebenen Sachen drin. Ich nahm sie heraus und mit und fuhr wieder zur Mensa. Ich brauchte insgesamt ca. 16 Minuten für alle drei Strecken.

Montag, 26. August 2013

Trend verpasst

Gestern saß ich einem merkwürdigen Zufall auf, es nichts wirklich Besonderes, aber eben doch ungefähr so bemerkenswert, als würde einem plötzlich auffallen, dass Oma, Opa und Onkel alle mit O beginnen und außerdem auch noch Verwandte sind. Um das zu erleben, musste ich nicht nach dem Weltfrieden suchen, geschweige denn überhaupt Linden verlassen. Ich ging einfach mit dem Kinderwagen bewaffnet am Leineufer entlang und wendete mich an letzter Stelle wieder den Häuserzeilen zu. Schon von weitem sah ich es wackeln. Es war eine dieser Figuren, die man sich wahlweise auf die Heckablage oder auf das Armaturenbrett stellt, die meine Aufmerksamkeit erregte.

Ich schlich mich seitlich heran, denn was mir bereits von weitem auffiel, das Ding bewegte sich. Ich vermutete einen eventuell nach hinten geklappten Fahrersitz, wo ein Schwarztaxifahrer sich seine Mittagspause gönnt, oder vielleicht ein gestresster Familienvater mit mindestens zwei Kindern zu Hause, die so viel Krach machen, dass er seiner Frau noch kurz mitteilen musste, heute wieder eine Sonderschicht im Büro einlegen zu müssen. So etwas soll es ja geben. War aber nicht. Das Ding stand völlig verlassen auf dem Armaturenbrett und wackelte vor sich hin.

Früher gab es da diese Wackeldackel, die wackelten nur, wenn das Auto wackelte, wenn man ins Auto einstieg, aus dem Auto ausstieg oder wenn man über eine Bodenwelle fuhr. Ganz toll fand ich auch den hüftschwingenden Elvis, ähnliche Wirkungsweise. Schon damals fragte ich mich, welchen Nutzen das hatte, war aber einfach fasziniert wegen des simplen Systems. Es soll ja sogar Armbanduhren geben, deren Batterien sich durch Armbewegungen wieder aufladen. Tolle Technik.

Blumen hingegen waren mir in dieser Funktion, also dem Wackelmechanismus, bisher völlig fremd. Ich bin zwar selbst seit geraumer Zeit wieder Autofahrer, kümmere mich aber nicht um Glücksbänder, Anhänger, Wackeldackel oder sonstigen Scheiß, der Ablagen verquast und Staub fängt, der ohne Tand gar nicht da gewesen wäre. Jedenfalls stand auf dem Armaturenbrett eine Blume, eine Wackelblume. Ich kannte so etwas bisher nur aus längst vergangenen Zeiten, als es noch so lustige kleine Comics zum Ausschneiden und unter die Zunge legen gab. Ich fühlte mich gleich angenehm berührt. Ich gebe zu, ich dachte an den Weltfrieden.

Die Blume wackelte unaufhörlich und genauso schnell wie ich entrückt lächelnd in die Ferne gestarrt hatte, sah ich jetzt empört auf dieses Stück Plastik hinunter, das wahrscheinlich von einer Batterie betrieben nachhaltig die Umwelt zerstörte. Die Blume bestand komplett aus bunten Plastik, also Erdöl, ein paar krebserregende Weichmacher waren bestimmt auch drin, giftige färbende Inhaltsstoffe, die auf dem aufgeheiztem Armaturenbrett für gute Luft sorgten und so ganz nebenbei steckten darin bestimmt ein paar Batterien, die, irgendwann entsorgt, 50.000 Jahre benötigen, um sich restlos abgebaut zu haben.

Völlig darüber entrüstet in meinem Stadtteil solche rücksichtslosen Gesellen anzutreffen, ging ich davon. Ich kam nicht weit, da entdeckte ich die zweite dieser Wackelblumen, ebenfalls auf dem Armaturenbrett eines Autos. Das Auto hatte glücklicherweise kein Hannoveraner Nummernschild, weshalb ich milde darüber hinwegsah. Als ich jedoch nicht einmal eine Straßenecke weiter die dritte dieser Wackelblumen sah, da war ich doch arg besorgt, um die Gesundheit meiner Mitmenschen. Innerhalb weniger Straßenzüge, nicht einmal 5 Gehminuten voneinander entfernt standen 3 Wackelblumen auf Armaturenbrettern und wackelten vor sich hin, obwohl von Fahrern, Beifahrern, Mitfahrern, Abschleppern oder Dieben keine Spur war. Für wen wackeln die denn? Wozu?

Ich ging nach Hause, warf die Kiste an und googelte die Wackelblume. Wackelblume war die nahegelegenste Beschreibung dieser Ungeheuerlichkeit, ich wurde sofort fündig. Ich fand heraus, dass das teuerste Modell eine Kamera und ein Mikrofon enthält, die Wackelblumen im 10er Pack günstiger sind und überhaupt der Hit des Jahres 2012 waren. Ich hatte also wieder einen Trend verpasst. Verdammt! Immerhin liefen die meisten der Wackelblumen mit Solarenergie, für mich ein kleiner Trost.

Ich habe mir mehrere Zettel und einen Stift in die Jacke getan und sollte ich demnächst Oma, Opa oder Onkel Wackelblume sehen, werde ich einen Zettel auf der Windschutzscheibe hinterlassen. Darauf schreibe ich dann so etwas wie: Sie haben einen Trend verpasst.

Donnerstag, 22. August 2013

Ich habe Visa

Diesen Satz hätte ich gern selbst gesagt, leider war ich nur Zeuge aber deshalb nicht weniger amüsiert. Ich stand gerade hinter dem Tresen der Strandbar, als eine nicht kleine Gruppe von Arbeitnehmern und ihrem Chef per Kanu bei uns eintrudelte. Wir sind ein oft angesteuerter, weil gern empfohlener Zwischenstopp auf den Kanufahrten entlang der Leine und Ihme. Wir sammeln hier die Betriebsausflüge, Geburtstage und Junggesellenabschiede ein und verköstigen unsere Gäste an der einzig wirklichen Ausstiegsmöglichkeit auf dieser Strecke – wir besitzen mehrere Möglichkeiten der Kanuseilmontage, und, was noch viel wichtiger ist, wir haben die richtigen Getränke.

Man kann bereits am Umgang der Leute untereinander erahnen, um was für eine Gesellschaft es sich handelt. Die Betriebsausflüge sind mir natürlich die liebsten, denn das Gemisch aus Siezen und Duzen, die Zusammenstellungen der Arbeitnehmer und Führungskräfte hinsichtlich Alter und Geschlecht lässt viel Raum für Spekulationen.

Die Gesellschaft untereinander duzte sich fast ausnahmslos. Nur der Chef wurde gesiezt, vor allem von den Jüngsten der Runde. Ein paar Ältere duzten ihn auch. Mich verleitete dies und auch die äußerst heterogene Struktur der Anwesenden zu der Annahme, dass es sich um ein inhabergeführtes Geschäft handeln musste, abseits vom reinen Handelsgeschäft, es war ja schließlich Mittwoch. Anders als bei Abteilungen größerer Unternehmen, die je nach Branche ausschließlich Männer oder Frauen beschäftigen können und sich manchmal sogar im Alter nur wenige Ausreißer leisten, war hier alles vorhanden: junge Frauen und Männer, ältere Frauen und Männer und eben den ältesten Mann, dem Chef.

Der Chef stellte sich auch sogleich an den Tresen und bezahlte die komplette Runde der ersten beiden Kanus, während die anderen beiden Kanus mit ihren Insassen noch mit dem Aussteigen beschäftigt waren. Nur einer, der Pechvogel der Gesellschaft, blickte die Verhältnisse nicht und bezahlte selbst. Mir war das egal, für so etwas gibt es immer einen Grund.

Als die zweite Ladung am Strand war und sich auf den Weg zum Tresen machte, rief bereits von weitem eine voranschreitende Frau, sie hätte das Portemonnaie des Chefs, sie bzw. er würde alles bezahlen. Kein Grund zur Eile für die meisten. Einer blieb sogar stehen und erfragte mit bildungsbürgerlicher Attitüde und leicht spöttischen Mundwinkeln, ob sie denn in Besitz der Prokura sei. Ich kann nicht sagen wie die Antwort gemeint war, es gab sowohl Anzeichen von Unverständnis als auch geringfügiger Herablassung bei der so in Frage gestellten Frau. Die Reaktion aber war schlagfertig, egal wie die Szene interpretiert werden könnte: ein kurzer Blick in das Portemonnaie, eine Karte wurde gezückt und wieder hineingeschoben, dann sagte sie mit eben diesem undeutbaren Blick auf den mittlerweile neben ihr stehenden Mann: „Ich habe VISA“, und ging weiter.

Dienstag, 20. August 2013

Morels Erfindung

Ich habe vor kurzem „Morels Erfindung“ gelesen. Seitdem geht mir nicht mehr aus dem Kopf, was da beschrieben wurde, was da passiert ist und wie das überhaupt weiter geht. Kurz zum Inhalt: Ein Mann verliebt sich in die perfekte Projektion einer Frau, in ihre Aufzeichnung, die so perfekt ist, dass sie nicht von einem sowieso abhandenen Original zu unterscheiden ist. Das Einzige, was diese Frau nicht kann, ist auf den Verliebten einzugehen, weil es sich ja insgesamt um eine Aufzeichnung handelt. Wir, die Leser, halten in unseren Händen ein Tagebuch, das davon erzählt, wie dieser Mann die Insel erreicht, herausfindet, dass es sich bei den dargestellten Menschen und Gesprächen um Projektionen handelt und zu guter Letzt sogar lernt, die Maschinen zu bedienen, die die Aufzeichnung immer wieder von Neuem starten lassen. Er bedient sie nachher so gut, dass er in der Lage ist, sich in günstiger Position innerhalb einer von ihm neu gestarteten Aufzeichnung an der Seite seiner Liebe zu präsentieren, die alte Aufzeichnung ohne ihn zu löschen und alles in der neuen Aufzeichnung so aussehen zu lassen, als wäre er schon immer Teil der Aufzeichnung gewesen.

Nur eines spricht dagegen, ihn als Grundbestandteil dieser neuen, von ihm in die Wege geleiteten Projektion zu sehen: das Tagebuch: „Morels Erfindung“. Der Verfasser des Tagebuchs, ich sage mit Absicht nicht der Autor des Buches, will, dass wir ihn als einen Bestandteil der Projektion, der dargestellten, aufgezeichneten Wirklichkeit wahrnehmen und nicht als hinzugeschnitten, als nachträglich eingeschoben. Warum schreibt er also dieses Tagebuch? Wie viele andere sind vor ihm auf der Insel gewesen und haben sich womöglich ähnlich verhalten, haben sich auf die gleiche Weise in die Aufzeichnung hineinbegeben wie er, ohne darüber etwas zu hinterlassen? Wie wirklich ist die Wirklichkeit?

Samstag, 17. August 2013

Schach real

Gestern Abend bis tief in die Nacht hinein stand ich hinter dem Tresen der Strandbar und spielte entgegen meiner Gewohnheit zwei Partien Schach. Indem ich das hier bereits so früh am Morgen aufschreibe, beweise ich, dass es zu keinen größeren Verletzungen, Beschädigungen oder anderen Beeinträchtigungen gekommen ist, die ich, mein Mitspieler und Arbeitskollege Herr Putzig oder irgendeine andere Person erleiden musste.

Wir spielten deshalb genau zwei Partien, weil wir nicht mehr Zeit hatten, um in einer dritten noch die Entscheidungsschlacht durchzugehen. In der ersten fegte ich ihn vom Platz, in der zweiten besiegte er mich durch seine Sturheit nicht aufgeben zu wollen. Ich machte einen Fehler und musste die sich bis an die Decke stapelnden Becher abspülen. Wir schafften deshalb genau zwei Partien, weil auch ständig Leute kamen und Getränke von uns wollten.

Donnerstag, 15. August 2013

Unter Pilzen

Der Text ist leider länger geworden, als ich ursprünglich wollte und es ansonsten meiner Gewohnheit entspricht; ich versuche ja, die Texte nicht länger als eine Seite im Textprogramm werden zu lassen und bin da mein schärfster Kritiker. Nehmen Sie sich deshalb Zeit, es könnte etwas länger dauern.

Ich war gestern in den Pilzen. Ich habe meinen Freund Trithemius, kurz bevor ich die Tankstelle zum Auftanken des Wagens erreichte, angerufen, um ihm mitzuteilen, dass ich in genau einer Viertelstunde vor seiner Tür stehe, um ihn zum Pilzesammeln abzuholen. Ich sagte zu ihm, dass wir in die Pilze fahren. Was, fragte er und ich erklärte ihm das Ganze genauer. Er bezweifelte, alles fertig zu haben in einer Viertelstunde, was man vor so einer Fahrt in die Natur noch alles zu erledigen habe. Ich beharrte auf die Zeit und drohte mit Klingelsturm. Er legte auf.

Als das Tanken beendet war, drehte ich noch eine nutzlose Runde um den Block. Ich war zu früh. Um Punkt eine Viertelstunde nach dem Anruf klingelte ich bei ihm. Er grüßte durch die Sprechanlage, und sagte, er würde sogleich runterkommen. Er drückte außerdem den Türsummer und ich drückte die Klinke. Ich stand plötzlich vor seiner Wohnungstür, diese ging auf und Trithemius, völlig bekleidet, Haare gewaschen und gekämmt stand vor mir und wollte los.

Ob er ein Messer dabei habe, fragte ich ihn, denn ohne Messer, kann man ja die Pilze nicht abschneiden. Nein, wir suchten eins, nein, er suchte eins und ich gab von weitem Tipps, wie das Messer anatomisch geschaffen sein müsste. Wir einigten uns auf ein kleines Messer mit Klinge und Griff, es hatte noch nie zuvor einen Waldpilz abgeschnitten. Mein mitgebrachtes Messer war ebenfalls noch Jungfrau und so klapperten dann beide Messer vor Aufregung im Körbchen, während Trithemius und ich das Auto bestiegen und lossausten.

Ich erklärte ihm im Auto, dass wir nicht in irgendeinen Ort fahren, der so ähnlich klingt wie Pritzwalk, sondern dass ich tatsächlich gesagt hatte, wir fahren in die Pilze. Das ist Pilzlatein und bedeutet so viel wie, zum Pilze sammeln in den Wald zu fahren. Ich erwähne dies hier noch einmal ausdrücklich, weil Trithemius, mittlerweile in meinem Auto sitzend, ein wenig schief geguckt hatte bei erneutem Erwähnen dieses unter Pilzkennern allseits bekannten geflügelten Wortes. Ich markierte mein Revier und Trithemius konnte nicht weg.

Wir fuhren etwa eine Stunde, weil ich nach Gefühl fahre, nicht mit. Wir verfuhren uns nur einmal ganz kurz und erreichten die als Wegmarke im Gedächtnis verbliebene Tankstelle ohne weitere Zwischenfälle. Die Tankstelle war in meiner Erinnerung übrigens grün gewesen und in der Realität war sie jetzt blau, ich machte mir deshalb aber keine unnötigen Gedanken.

Ich erstand dort eine Tafel Schokolade und eine Flasche Wasser für uns und fand im Regal bei den Süßigkeiten einen sorgsam gefalteten 50 Euroschein. Nein, das Messer hatte ich nicht mitgenommen. Leicht beschwingt verließ ich die Tankstelle mit meinem Wechselgeld und lud Trithemius, der die Idee mit der Wasserflasche hatte, großzügig auf diese ein, als er mir schon eine Münze zustecken wollte.

Endlich. Wir waren angekommen in einem Wald, in dem Wald. Der Wald ist so beschaffen, dass ihn schmale, schnurgerade Kanäle durchziehen, die früher dazu benutzt wurden, das geschlagene Holz abzutransportieren. Im Grunde habe ich keine Ahnung, wieso da Kanäle durchgezogen sind, die obendrein auch kaum noch Wasser führen. Die Erklärung war aber schlüssig genug, um jeden zu überzeugen. Ich ließ auch gar nichts anderes zu, denn als sorgsamer Beobachter wusste ich aus früheren Begegnungen mit diesen Kanälen, dass das Wasser eine leicht rötliche Färbung hat. Ich bombardierte also den armen Mann sogleich mit so viel Faktenwissen, dass er keine Zeit mehr hatte, um über meine Erklärung auch nur ein Wort verlieren zu können. Der Eisengehalt des Wassers sei ziemlich hoch, deshalb der Rotstich. Das Wasser sei aber sehr sauber, das könne man an der Entengrütze (kleine Wasserlinse) erkennen, die dafür ein Indikator sei. Entengrütze gehöre übrigens zu den Aronstabgewächsen, dessen größte Vertreter gerne in botanische Gärten stehen und dort, wenn sie blühen, einen bestialischen Gestank verbreiten. Ich redete bis dahin und dann fiel Trithemius gotzeidank ein Roman ein, in dem es um das Aronvolk ging, ein Menschenschlag, der in Ritzen und Spalten von Riesen wohnte, die sich einen Teufel um sie scherten, weil sie so klein waren. Ich gab die Gesprächsführung ab und verhielt mich kurze Zeit still. Mein Latein war zu Ende.

Auch das andere Latein, das spezielle Pilzlatein, hielt nicht allzu lange vor. Noch während wir uns in den Wald schlugen und den Boden untersuchten, rief ich bereits, dass es hier nur so nach Pilzen röche. Pilzsammler, die etwas auf sich halten, riechen Pilze zehn Meilen gegen den Wind. Ich roch Pilze, fand aber nur einen vertrockneten Kahlen Krempling auf dem abgesägten Stumpf einer Fichte oder Kiefer oder Tanne oder so. Ich ging nicht nah genug heran, um mich von seinem Geruch zu überzeugen, der Beweis war ja schließlich mit dem Fund bereits erbracht. Wir stießen auf weitere Gesellen aus dieser Liga und ich erklärte lang und breit, dass diese Pilze nicht essbar seien, man sie lange kochen müsste, was nur die Russen machen, um ihn essen zu können und überhaupt, was für ein blöder Pilz das doch sei.

Ich bin als Kind einmal mit dem Fahrrad in den Kreuzhorst gefahren, ein kleines Wäldchen bei Sohlen in der Nähe von Magdeburg. Die Fahrt war so anstrengend, weil wir ja noch so klein waren, dass wir unbedingt etwas von dort mitnehmen wollten. Wir wollten etwas zu Essen besorgen, eine schöne kleine Subsistenzromantik.

Wir hatten zufällig ein paar Plastiktüten dabei und ein paar kleine Taschenmesser, mit deren Hilfe wir dann ein paar Säcke dieses unseligen Pilzes namens Kahler Krempling einsammelten und stolz wie Oskar unseren sprachlosen Eltern präsentierten. Die wiegelten ab und warfen die Pilze in die Tonne. Den geklauten Mais vom Feld nebenan warfen wir dann weg, nachdem wir ihn gekostet hatten. Es handelte sich um Futtermais, essbar zwar aber keineswegs süß, was unsrere Eltern zwar ebenfalls zu berichten wussten, wir aber nicht glaubten, weil wir ja schließlich eine Mission hatten. Seitdem sage ich immer, wenn meine Frau das Wort Mais erwähnt, dass Mais eine Futterpflanze sei und verweise auf Schweine, Kühe und Hühner, die sich von so etwas ernähren sollen. Sie rollt dann mit den Augen und beschwört die imaginäre Phrasenkasse, ich grinse nur blöd.

Naja, ich schwärmte weiter von Steinpilzcarpaccio und in Zwiebeln und Butter angebratenen Maronen, Pfifferlingen und Goldröhrlingen. Ich erwähnte natürlich auch die unter Pilzkennern geschätzte Krause Glucke, die ich zu finden hoffte. Ein überaus ergiebiger Pilz, der aussieht, als hätte ein Bär sein Badeutensil nach dem Regen im Wald liegengelassen: wie ein großer Schwamm. Wegen der schlecht zu bewerkstelligenden Reinigung dieses Pilzes schmeckt er häufig nach Sand, was wiederum der Pilzkenner niemals zugeben würde, ganz entgegen seiner sonst offenkundigen Beredsamkeit. Überhaupt verhält sich der Geschmack der Krausen Glucke reziprok zu seinem Vorkommen, er schmeckt umso besser, je weniger man davon hat.

So liefen wir geraume Zeit einträchtig nebeneinander her. Jeder palaverte von Dingen, wovon der andere definitiv keine Ahnung hatte, und wenn doch, so übersprang man das Thema schnell und wechselte in unbekannteres Terrain. Wir fühlten uns wohl. Wem diese Beschreibung der Umstände unseres Gesprächs nicht klar genug erscheinen, der möge bitte seinen James Thurber Erzählband aus dem Regal nehmen und die Geschichte „Der Bordstein im Himmel“ nachlesen, da wird genauestens erklärt, worauf es uns in unserem Gespräch ankam.

Dann fanden wir einen Kartoffelbovisten. Ich schnitt mit meinem Messer einen dieser Gesellen auf und erklärte, ganz der Pilzkenner, wenn diese innen weiß seien, könne man sie essen. Unser Fundstück war innen schwarz.

Leider, und um es kurz zu machen, wir fanden nicht einen einzigen Steinpilz. Wir fanden auch keine Pfifferlinge, keine Maronen und all die anderen Dinger, die in Butter und Zwiebeln angebraten so herrlich schmeckten. Wir fanden nichts weiter als ein paar Kartoffelboviste und Kahle Kremplinge.

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