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Gotzeidank

Einmal frei von der Leber weg einen Blogeintrag schreiben. Habe ich mir so gedacht. Kein Thema, keine Reihenfolge, einfach dem Gefühl folgen und die Finger ihre Arbeit machen lassen. Aber erstmal einen Kaffee kochen. Habe ich gemacht, steht in die Tasse eingegossen neben mir, Zucker ist drin, gekleckert habe ich auch und für einen Lappen müsste ich durch die ganze Wohnung rennen. Zu viel Ablenkung!, nur von was? Von nichts. Erstmal umrühren und einen Schluck abtrinken, soll ja nicht kalt werden. Habe ich gemacht, Tasse steht jetzt anders, sind also schon zwei Kaffeekreise auf der Schreibtischplatte, Olympiade!

Das geht so nicht. Ohne Intention, ohne Thema, mit Kaffee. Gestern Nacht, ich lag schon im Bett - ein erster Versuch sich einem Thema zu nähern - kam mir ein Gedanke, der mich zum Einschlafen brachte. Nicht weil er so langweilig war, schlief ich ein, sondern weil ich immer einen guten Gedanken zur Nacht brauche. Diesen Gedanken zerreibe ich dann zwischen Daumen und Zeigefinger und streu ihn mir in die Augen, als Schlafsand sozusagen. Was dachte ich denn diesmal?

Diesmal dachte ich an eine Redewendung. An eine Redewendung aus den Zeiten, die unvermittelt vorüber gehen und weniger Schrecknisse bereit hielten, als man sich selber getraut hatte zu hoffen. Große Erleichterung macht sich breit und dann entfährt uns ein "Gotzeidank". Mir nicht. Ich habe mir Gotzeidank schon vor langer Zeit abgewöhnt. Ja, ich rede von bewußter Entwöhnung. Als ich noch ein Kind war, hatte ich einmal eine Phase, da habe ich an jeden Satz die Frage ", oder was?" angeschlossen. Meinem Vater war das relativ egal aber meine Mutter habe ich damit zur Weißglut gebracht. Völlig unbewußt hat sich dieser Tick bei mir eingeschlichen und ich musste mehrere Standpauken und ganz zum Schluss eine gepfefferte Ohrfeige ertragen, bis ich endlich soweit war, zu verstehen, was da gerade passierte.

Ich dachte nach dem Ohrfeigenerlebnis erstmal daran, gar nicht mehr zu sprechen. Ich fühlte mich ungerecht behandelt, vorerst, und dann dachte ich nach. Ich dachte an freie Rede in der Schule, an die Schwierigkeiten den Anschlusssatz nicht schon wieder mit "Und dann..." zu beginnen. Ich stellte in Gedanken die Sätze um, ich suchte mir Beispiele für Sätze, las Zeitung, Bücher usw.. Ich schaute dem Mann der aktuellen Kamera auf die Lippen, wenn ich so lange aufbleiben durfte und vor allem beendete ich keinen Satz mehr mit ", oder was?".

Gotzeidank sagte meine Mutter, als sie mich nach Tagen wieder sprechen hörte. Und dann machte es plötzlich klick. Mir war klar, dass Gott bei uns noch nie etwas zu suchen hatte. Wir hatten keine Bibel im Haus, waren nicht einmal zu Weihnachten in der Kirche und trotzdem hatte sich dieses Relikt - anders kann ich es nicht benennen, denn sogar ihre Eltern waren schon Atheisten, die Eltern meines Vaters waren Atheisten, allesamt - in den Wortschatz meiner Mutter geschlichen. Ich hörte aufmerksam zu, bedenkliche Situationen riefen mich auf den Plan, nicht zum Schaulustigen, sondern zum Hörlustigen wurde ich. Ich wollte dieses Gotzeidank hören, oder Jotzeidank, was bei uns auch schon mal vorkam.

Ich hörte es immer wieder. Immer wieder zerbrach ich mir den Kopf darüber, sagte es mir immer wieder vor, Gotzeidank, Gotzeidank, Gotzeidank. Es war zum Verrückwerden, es gab ja nicht einmal eine vernünftige Alternative. Bei länger zurückliegenden Ereignissen, die nur rekapituliert wurden, wich ich auf "glücklicherweise" aus, ein Zungenbrecher im Gegensatz zum Gotzeidank. Bei plötzlichen Ereignissen, ein Sprung vom Klettergerüst in eine matschige Pfütze mit Beinahelanglegen zum Beispiel, nötigte mir anfangs zu viel Disziplin ab, ich einigte mich aber im Laufe der Zeit auf "Das war knapp" und wenn die Luft dafür nicht reichte, sagte ich "Puh". Gotzeidank habe ich immer gedacht aber nie wieder gesagt.

Tja, da lag ich also gestern Abend im Bett und musste auf einmal an Gotzeidank denken. Ich dichtete sogar einen Vierzeiler dazu, der dann nicht lang genug war, um damit auszudrücken, wie leer diese Redewendung doch eigentlich ist - für mich jedenfalls, der ich nicht an Gott glaube. Ich dichtete vier weitere Zeilen und vergaß die ersten vier darüber. Ich wurde müde, müder und schlief ein. Und dann setze ich mich eben an meinen Schreibtisch und mir fällt genau das ein. Schon ein komisches Ding, oder was?
Eugene Faust - 3. Mär, 17:53

Kompliment!

Ein ganz wunderbarer Text!

Shhhhh - 3. Mär, 18:07

Dankeschön!

Ich sollte meinem Nachtgedanken mehr Aufmerksamkeit schenken, glaube ich.
Trithemius - 3. Mär, 18:08

Gotzeidank hast du mal ein wenig Muße zum Schreiben gehabt. Meine Mutter sagte das auch immer, und wenn sie etwas über die Zukunft aussagte, schob sie immer ein "Sogottwill" hinterher.

Shhhhh - 3. Mär, 18:10

Komische Angewohntheit, dieser Götzendank. Nur das mit der Muße stimmt leider nicht, habe eigentlich zu tun aber keine rechte Lust zu beginnen.
Trithemius - 3. Mär, 18:20

Sogötzwill - das hätte sie nie gewagt.
Shhhhh - 3. Mär, 18:28

Ich fange jetzt mit meiner Arbeit an, sogötzwill.
Eugene Faust - 3. Mär, 18:33

Herrgotzack!

Wenn ich geahnt hätte, dass Ihr Text ein Prokrastinat ist, hätte ich Sie nicht so gelobt. ; )
Shhhhh - 3. Mär, 18:34

Kein Prokrastinat, eine Fingerübung.

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Zuletzt aktualisiert: 22. Mär, 21:06

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