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Bei den Leisen Tönen. Manchmal braucht es einen Blog, um sich Luft zum Denken zu verschaffen. Keine Steckenpferde, Hobbies oder sonstiges Spezielles, nur Luft zum Denken.

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Mittwoch, 14. August 2013

Zu früh aufgestanden, zu spät ins Bett gegangen

Warum heißt es eigentlich bei „Einbruch der Nacht bzw. Dunkelheit“ aber bei „Tagesanbruch“? Haben Sie eine Idee?

Wussten Sie, dass anders als heute üblich der Tag früher über die Nacht definiert wurde? Eine Nacht ging somit von Sonnenuntergang zu Sonnenuntergang und umfasste den Tag und die Nacht gleichermaßen, während der Tag nur als Zeit zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang definiert war. Es hat also eine Drehung der Verhältnisse stattgefunden. Was früher als Nacht den Tag mit einschloss, schließt heute als Tag die Nacht mit ein.

Montag, 12. August 2013

Die kurze Nacht zum Mittag

Es gibt ein paar Begebenheiten im Leben, die werden erst so richtig wichtig, wenn man schon gar nicht mehr an sie gedacht hat. Dann schmiegen sie sich wie ein Schatten zur Mittagszeit ganz eng an die Körpermitte und verharren da, als würden sie dazugehören. Mittag ist dabei übrigens mehr als nur ein Stichwort. Zur Mittagszeit hieß es im Haus meiner Eltern, Ruhe zu bewahren. Ruhe im Sinne von Mittagsruhe. Ich erinnere mich an so manchen Mittagsschlaf, den ich auszubaden hatte, obwohl ich überhaupt nicht müde war. Ich lag dann häufig auf einem Sofa herum und starrte in das Bücherregal meiner Eltern. „Die Beatles – Ihr Leben und ihre Lieder“ konnte ich damals auf dem Buchrücken lesen oder „Amanda – Ein Hexenroman“. Bei den Beatles habe ich lange Zeit nicht gewusst, worum es ging, schließlich war es mir zwar nicht verboten, während des Mittagsschlafes die Buchrücken zu lesen, ein Buch herauszunehmen aus dem Regal, kam mir deshalb aber nicht in den Sinn. Außerdem war ich noch halber Analphabet, ich konnte geradeso lesen und las deshalb: „Die Be-at-les“, ich fragte mich oft, wer die Be-at-les wohl gewesen sein mussten, kurz ich hatte keine Ahnung.

Zu meiner Kindheit musste ich bis in die erste Klasse hinein Mittagsschlaf halten. Ich war so froh, als es nur wenig später nach meiner Einschulung hieß, meine Mutter holt mich vor dem Mittagsschlaf aus der Schule heraus. Meine Mutter war zu dieser Zeit zu Hause, weil mein Bruder kurz zuvor geboren wurde. Das ersparte mir die Mittagsruhe nicht, bedeutete aber keine halbe Stunde auf einer Holzpritsche mit Minimalbedeckung (Matratze konnte man den Lappen nicht nennen) im kalten Keller der Clara Zetkin Schule. Und ich hatte noch Glück, ich lag in der Nähe des Fensters und konnte manchmal einen Blick auf die Beine von Vorübergehenden erhaschen, Schritte zählen und mir ausmalen, wohin sie gingen, die Beine. Frau Skroplin unsere Hortnerin war zwar alt und milde, aber beim Mittagsschlaf kannte sie kein Pardon. „Augen zu!“, zischte sie, wenn sie uns beim Kiebitzen erwischte. Ich hielt mir immer die gefalteten Hände vor das Gesicht und lugte durch die Finger hindurch. Keine Regung ließ ich erkennen außer den perfekt einstudierten, regelmäßigen Atem. An ihre leicht gräuliche Dauerwellenfrisur und an ihr Kürzel in unseren Hausaufgabenheften kann ich mich noch erinnern. Sie unterschrieb immer mit „Skr“ und hätte ich damals gewusst, dass es ein Wort wie „obszön“ gibt, ich hätte mich für dieses Wort entschieden beim Anblick ihrer Unterschrift. Eigentlich war sie aber eine furchtbar nette Person und als ich dann zum „Heimschläfer“ wurde, bekam ich auch nur noch ihre netten Seiten zu Gesicht.

Als ich alt genug war, die Mittagsruhe nicht mehr liegend zu verbringen kam mir der Zeitverlauf natürlich noch quälender vor als sonst. Schließlich passierte es zu Zeiten des verordneten Mittagsschlafes nicht selten, dass ich trotzdem einschlief und die Zeit viel schneller verging als im Wachzustand. Ich machte mir anfangs zunutze, dass mein Vater auf fast alles mit „ja“ antwortete, wenn er während des Mittagsschlafes seine Ruhe haben wollte. Das ging so lange gut, bis ich ihn einmal gefragt habe, ob ich ins Schwimmbad gehen darf. Ich ging mit meiner Schwester hin und unsere Mutter suchte uns überall. Mein Vater konnte sich natürlich an nichts erinnern, erst recht nicht, uns das erlaubt zu haben. Aber mein Vater lernte im Schlaf, er antwortete von da an nur noch mit „nein“, wenn ich ihn etwas fragte.

Und gestern war Sonntag, Mittagszeit. Es wurde eine Waschmaschine angeliefert, über uns wurden Dielen geschliffen, vom Fenster drang laute Musik herein und ich sehnte mich zurück in das Wohnzimmer meiner Eltern. Ich hätte sogar mit dem kalten Keller vorliebgenommen für eine halbe Stunde Ruhe. Ich schlief trotzdem ein, so müde war ich.

Freitag, 9. August 2013

Regenwurm auf Display

Ich bin so ziemlich der inkonsequenteste Paketzustellerhasser, den ich kenne. Ich habe doch tatsächlich schon wieder geöffnet, erst unten die Haustür und dann oben an der Wohnungstür. Die Pakete stapeln sich bei uns bereits, weil meine Frau einer ähnlichen Neigung verfallen ist und anstatt sich nur darüber aufzuregen ebenfalls ständig Tür und Tor für Mist aller Art aufhält. Die Nachbarn sonnen sich derweil auf Balkonien, sind vielleicht zu ihren Eltern aufs Land gefahren oder liegen verkatert in ihren Betten, weil gestern irgendeine Sause stattfand.

Heute kam ein so kleines Paket, wie ich es noch nie gesehen habe. Es war so klein, dass es problemlos in den Schlitz jedes Briefkastens hineingepasst hätte, einschließlich einem von dem Format einer Rolle für Tageszeitungen. Das Paket war so winzig, dass kaum genug Platz darauf war, um Absender und Empfänger vernünftig voneinander zu unterscheiden, weil sie quasi wie ein Doppelname an der Tür direkt nebeneinander standen. In dem Paket hat eine Zigarettenschachtel Platz, eine Fernbedienung für die Standheizung des unten geparkten Autos oder ein orangefarbenes Reclambuch von Wolfram von Eschenbach mit dem Titel „Parzival 1“.

Der Sadist von Paketzusteller hat es trotzdem nicht für nötig befunden, uns zu verschonen. Er gibt in meinem Beisein meinen Namen, den er zuvor vom Klingelschild abgelesen hatte, falsch in sein Gerät ein, fragt dann noch einmal nach und berichtigt nicht. Er hält mir das Ding vor die Nase und lässt mir gerade genug Zeit, um einen Strich von der Länge eines Regenwurms auf dem Display zu hinterlassen und tut dann so, als hätte er es eilig. Mich mit dieser Lappalie erst überhaupt nicht zu belästigen, kam ihm natürlich nicht in den Sinn.

Gestern übrigens bin ich durch das Zooviertel gefahren und habe dort einen Briefkasten der Deutschen Post entdeckt, der gar nicht für Briefe ist, sondern für Pakete. Und weil das scheinbar so kompliziert ist, stand darauf, dies sei ein Briefkasten nur eben nicht für Briefe, sondern für Pakete. Und weil das so kompliziert ist, wo es doch einfach sein könnte, gehe ich zur Tür und nehme Pakete von der Größe eine Zigarettenschachtel an, die in jeden Briefkasten passen. Ich bin so blöd wie ein Paketkasten, der Briefkasten heißt aber eigentlich für Pakete ist, was extra draufgeschrieben steht, damit niemand einen Brief einwirft, in den Briefkasten für Pakete.

Donnerstag, 8. August 2013

Hannibal trank keinen Kaffee

Das Herz einer guten Mensa ist nicht der Speisesaal, sondern die Cafeteria. Dort trifft man sich im Anschluss und genießt die verbleibende freie Zeit der Mittagspause. Hier beginnt die Verdauung, unterstützt vom Lebenssaft einer ganz besonderen zivilisatorischen Errungenschaft, dem Kaffee, latte macchiato oder Espresso. Nimmt man einer Mensa diesen Ort, so ist sie ihres wichtigsten Bestandteils beraubt.

In unserer Mensa hat die Cafeteria seit geraumer Zeit geschlossen. In naher Zukunft soll natürlich Ersatz geschaffen werden, ein wenig kleiner aber immerhin. Bis dahin stehen uns etliche nah gelegene Alternativen zur Verfügung. Aber seien wir mal ehrlich, mehr als eine Alternative ist keine, denn daraus ergibt sich das Dilemma der Wahl. Ähnlich wie nach einer beendeten Beziehung, wenn man sich anhören darf, dass andere Mütter ja auch schöne Töchter hätten, geht es uns, wenn wir dann vor der Mensa stehen und wir den Kaffee brauchen. So einfach ist das alles nicht. Dann stehen wir, übrigens nicht zum ersten Mal, vor der Mensa und fragen uns, wohin. Und dann fallen solche Sätze wie: „Manchmal frage ich mich ehrlich, wie es Hannibal damals mit seinen Elefanten über die Alpen geschafft hat. Wir stehen hier rum und kriegen es nicht mal zustande, uns für eine Cafeteria zu entscheiden.“

Wir entscheiden uns dann doch noch für die Cafeteria im Welfenschloss, ein Gehweg von 5 Minuten. Es ist 14:06 Uhr, als wir die Cafeteria erreichen, die Cafeteria schließt um 14:00 Uhr.

Dienstag, 6. August 2013

Der arme Jan

Der Jan hat es nicht leicht. Jane (Pluralform!, nicht der weibliche Vorname ist gemeint) haben es nie leicht, vor allem nicht leichter als andere Vornamen, wenn sie aber vom eigentlichen Vornamen zum Kopf einer ganzen Reihe von Zusammensetzungen werden, dann hat es ein Jan eben besonders schwer, schwerer als zum Beispiel ein Knut oder Holger. Verfolgte man den Strang in gendertypischer Manier, so müsste man dem Pärchen Jan und Liese besondere Beachtung schenken, denn auch die Liese hat es nicht leicht. Wollen wir aber nicht, wir bleiben bei Jan.

Der Jan wird nämlich zu Unrecht verunglimpft. Der kann da gar nichts für. Schuld an der Misere des Jan ist der Duden. Der hat nämlich bestimmt, dass die Zusammensetzungen mit Jan zwei unterschiedlichen Deutungen unterliegen könnten. Da ist auf der einen Seite der Schlendrian, wir kennen ihn alle, er bezeichnet häufig träge oder nachlässige Verfahrensweise und seltener auch schon einmal eine Person, die so verfährt. Selten ist der Schlendrian als Personenbezeichnung vor allem deshalb, weil wir einen nachlässigen und trägen Menschen eher als Schludrian bezeichnen. Beide Bezeichnungen sind sich in ihrer Beschaffenheit so ähnlich, dass kaum Zweifel über den gleichen Ursprung herrschen dürften. Zöge man den Grobian und den Dummerjan mit ins Kalkül und wäre sich der vergangenen und heutigen Schreibweisen bewusst, fiele dem Dümmsten aller Dummerjane auf, dass es sich hierbei doch um Dinge handeln müsste, die sich irgendwie ähnlich verhalten, ähnlich gebildet und ähnlich abgeleitet sein müssen.

Nicht so der Duden. Der beharrt darauf, dass es zwei Möglichkeiten gibt. Die Erste ist eine bildungssprachliche und sozusagen von oben herab betrachte Lösung. Denn im Lateinischen bezeichnet die Endung –ian eine Person, eine männliche. Diese Lösung ist deshalb von „oben herab“, weil das gemeine Volk des Lateinischen natürlich nicht mächtig war, als dieser Begriff aufkam (17. Jh.) und somit die Bezeichnung des Schludrian von gebildeteren Leuten ausgehen musste. Dafür spricht im Übrigen ein anderes Phänomen, dem ich mich früher einmal gewidmet habe, die Lappalie. Auch hier wurde einem deutschen Wort, dem Lappen, eine lateinische Endung verpasst, um daraus ein neues Wort zu bilden. Hier waren laut Duden Studenten am Werk, die vor allem dem Kanzleideutsch, das so schöne Worte wie Personalie geboren hatte, eins auszuwischen versuchten, und was eignet sich da nicht besser als ein latinisierter Lappen.

Die zweite Lösung kommt da schon wolkiger daher. Sie geht davon aus, dass sich der Jan auf eine frühnhd. Bildung zurückführen lässt, wo dem jān die Bedeutung eines „Arbeitsganges“ als Grundwort zukommt. Wolkig ist das insbesondere deshalb, weil sich der Duden hier eines wohlplatzierten „Vielleichts“ bedient und wäre es möglich, dies nachzuverfolgen, müsste es natürlich noch andere Wörter geben, die sich entweder so ableiten ließen oder das Grundwort in anderer Form beinhalten. Es gibt im Duden aber kein einziges Wort, das den Grundwortbestandteil jān entweder an den Anfang stellt oder eben an das Ende, als die bereits Genannten, die allesamt negativ konnotiert sind. Das ließe den Schluss zu, dass in der Epoche des Frühneuhochdeutschen entweder schlecht oder gar nicht gearbeitet wurde oder die Arbeit so unwichtig war, dass sich Begriffe mit dieser Bildung nicht in das Neuhochdeutsche übertragen haben. Leider ist das auf den Jan bezogen wieder kein gutes Zeugnis.

Das einzig Gute am Namen Jan ist dessen eigentliche Herkunft. Jan ist nämlich die Kurzform von Johannes und der geht ja bekanntlich auf den hebräischen Jochanan zurück, was so viel heißt wie „Gott ist gnädig“, „Gott hat Gnade erwiesen“. Übrigens geht die Liese, aus der sich so unschöne Dinge wie Trödelliese oder dumme Liese ableiten lassen, auf Elizabeth zurück, welche die Mutter von Johannes dem Täufer war und auf das hebräische Elischeva zurückgeht, was ungefähr bedeutet „Gott schwört“, „Gott des Schwures“. Seit Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts erfreut sich der Name Jan einer ungebrochen hohen Beliebtheit, seit den 70ern des vorigen Jahrhunderts gehört er entweder allein oder als Teil eines Doppelnamens zu den 20 beliebtesten Vornamen in Deutschland. Beim Doppelnamen ist noch zu erwähnen, dass Jan eher am Anfang der Namenskette steht und seltener am Ende. Dieser nicht unerhebliche Hinweis auf die ansonsten eher verunglimpfende Art, sich des Namens Jan zu bedienen, erscheint natürlich jetzt, wo wir wissen, was sich hinter dem Jan so alles verbirgt, viel klarer. Sollten Sie deshalb je einem Jan begegnen, sollten Sie womöglich selbst einer sein, lassen Sie Nachsicht walten und denken Sie immer an die große Bürde, diesen Namen zu tragen.

Sonntag, 4. August 2013

Die dunkle Seite im Schach

Ich spiele Schach, im Internet. Ich spiele da nur so vor mich hin. Einen meiner Spielpartner kenne ich sogar persönlich, ich kenne sogar noch mehr, aber mit denen spiele ich gerade nicht. Diesen einen Spielpartner kenne ich sogar so persönlich, wie es persönlicher gar nicht mehr geht. Ich habe bei einem Besuch seine Stehlampe zerstört und mitten in der Nacht den Staubsauger ausgelöst. Wir haben zuvor in diversen Kneipen herumgepöbelt, die Zeche geprellt und weil meine Frau nicht wusste, wo ich überhaupt war, hat sie die Polizei informiert und eine Suche einleiten lassen. Ich lag, besoffen, auf dem Sofa meines Schachfreundes, das Schachbrett erst unter dem Kopf und später davor.

So war das damals. Am nächsten Morgen hat mich seine Freundin zum Bahnhof gefahren und ich kam mir vor wie der Anwalt eines abgehalfterten Sportreporters mit zu viel Grapefruit im Kofferraum. Ich weiß auch nicht, weshalb mich Schach immer so zu Höchstleistungen bringt. Ich bin ein höflicher junger Mann, der manchmal ein wenig vorlaut ist aber im Grunde seines Herzens völlig in Ordnung. Nur beim Schach und den Begleiterscheinungen, da ticke ich nicht mehr richtig. Dann hoppel ich im Rösselsprung von Fettnapf zu Fettnapf, trete Leuten auf die Füße und benehme mich ungehörig.

Deshalb habe ich mein Schachspiel auf das Internet verlegt. Emailschach, mit 7 Tagen Zeit pro Zug, da kann eine Partie schon mal ein halbes Jahr dauern. Ist mir recht, die Entschleunigung tut mir gut. Im realen Leben spiele ich dagegen kein Schach mehr, zu schnell, außerdem gibt es niemanden mehr, mit dem ich das noch machen kann, ich traue mich nicht, habe Angst vor Mr. Hyde, den Ausbrüchen, dem Unflat und meiner Zerstörungswut.

Aber selbst im Internetschach kann ich noch böse sein, nur die Software verhindert da schlimmeres. Ich spiele nämlich gern Schach 960 oder auch Fisher-Schach, nach dem größten Ar…, huch, Anarchisten wollte ich sagen, im Schach: Bobby Fisher ist diese Schachvariante benannt. Da stehen die Figuren hinter den Bauern immer wieder anders, auf nichts kann man sich verlassen, nur dass sie alle da sind.

Ansonsten läuft bei dem Spiel alles wie gehabt, nur bei mir nicht. Ich vollführte gerade eine höchst bedenkliche Rochade, weil mir mein Gegner das Ganze vorgemacht hatte und staunte noch über die entstandene Figurenkonstellation, als sich mein Zeigefinger über der Maustaste auf den Läufer senkte und ihn anklickte. Ich nahm die Maus mit zu seinem Läufer und wollte mit meinem aktivierten Läufer seinen schlagen. Ich war sehr erbost, dass mir das Programm im Hintergrund durch Misstöne und rosa Markierungen verständlich machen wollte, dass ich diesen Zug gar nicht machen dürfte. In meinen Augen war das absolut regelkonform. Mein Läufer stand in direkter Diagonale zu seinem Läufer, ich hatte mich mehrmals darüber versichert. Ich wollte auch diagonal schlagen, ich klickte und klickte es tönte und ich wollte schon eines dieser Tickets schreiben, die man an Admins schreibt, wenn man sich ungerecht behandelt fühlt oder übergangen, in der Ehre verletzt oder aus Langeweile, weil man die Administratoren in den Büros immer beim Daddeln erwischt oder beim Tickets beantworten von dubiosen Webseiten. Ich war wirklich fast so weit. Und dann merkte ich es endlich: ich war gar nicht am Zug.

Donnerstag, 1. August 2013

Türklingelblues

Ich öffne die Tür nicht, ich betätige den Türsummer nicht, basta. Ich öffne nur dann, wenn das Pack, das mir etwas verkaufen will, es bereits in den Hausflur geschafft hat. Das schaffen regelmäßig nur die Leute vom Wachturm, die haben bestimmt den Schlüssel vom Postboten geklaut, weswegen der jetzt immer klingeln muss und die Wachteln singen mir dafür ihr Lied vom lieben Gott vor, alle paar Wochen.

Wenn ich durch die Milchglasscheibe der Eingangstür die Schatten im Treppenhaus zählen kann und ich davon ausgehe, mit ihnen fertig zu werden, dann gebe ich vielleicht nach und schaue mal, wer da so rumlungert. Die ersten Schatten entpuppten sich als genau ein Schatten, ein Riesenschatten. Ich öffnete. Ein dicker Mann stand vor der Tür mit zwei Paketen, die dringend einen Abnehmer suchten. Ich sollte der Abnehmer sein. „Nehmen Sie Pakete? Für Ihre Nachbarn?“ Ich nahm die Pakete, schaute auf den Adressaten und sah hinüber zur Nachbarwohnung, wo gerade ein Schatten hinter der Tür verschwand. Meine Nachbarin war zu Hause und ich öffnete die Tür für ihr Paket. Ich hielt den Mann zurück und sagte, er könne das Paket gleich drüben abgeben, da sei doch jemand da. Ich ging rüber, klingelte, abgestellt. Ich klopfte. Meine Nachbarin machte die Tür auf und nahm ihr Paket selbst an.

Der Paketdealer hatte inzwischen meinen Nachnamen vom Klingelschild abgetippt und mir dann sein Gerät unter die Nase gehalten. Da stehen zwei Namen dran aber er hatte sich sofort für den richtigen Namen entschieden. Ich zog die linke Braue vor Hochachtung, behielt das zweite Paket und sagte nicht Tschüss. Ich ging wieder rein. Es klingelte erneut in diesem Moment und ich benutzte doch tatsächlich den Summer. Ich stand ja gerade da. Da konnte ich schon mal ganz nett sein. Zumal ich dem Paketmann ja gerade nicht so freundlich gekommen war. Das „Danke Pohost“ konnte ich nicht hören, die Tür war zu.

Es klingelte kurze Zeit später schon wieder. Natürlich, die Nachbarin, deren Paket ich angenommen hatte. Sie ist mir ein wenig suspekt, ihr Gesichtsausdruck sagt mir, dass sie es hasst, wenn ich ihre Pakete annehme. Sie wohnt im Erdgeschoss und ich im dritten Stock. Sie ist schwanger, gehetzt und mürrisch und speist mich mit einem faden Dank ab, den sie ins Treppenhaus jubelt. Sie wandte sich nämlich bereits den Stufen zu beim Reden und ließ mich im Türpfosten das Echo erwarten, es klang nach dringend nötiger Treppenhausreinigung.

Es klingelte schon wieder. Ich ging zur Tür und da stand schon wieder ein Schatten, ein Riesenschatten. Nein, es waren zwei Schatten und sie drifteten gerade auseinander, als wollten sie mir beim Türöffnen eine Rettungsgasse freihalten, für alle Fälle. Schon wieder Nachbarn. So langsam hatte ich die Schnauze gestrichen voll. Nicht nur, dass es in unserem Haus anscheinend zuging wie in einem Bienenstock, es mussten auch alle bei mir klingeln und irgendetwas abladen, und sei es nur ihre schlechte Laune. Außerdem ist es seit Tagen furchtbar laut, weil die neuen Nachbarn über uns mit Hammer und Meißel bewaffnet durch die Wohnung ziehen und jeden Quadratzentimeter mit Schlägen überziehen, angeblich weil die Dielennägel zum Schleifen zurück ins Holz getrieben werden müssten. Ich vermute ja eher einen Durchbruch zum Nachbarhaus, als Fluchtweg.

Die beiden hatten einen Sechserträger Bier und eine Gummitierkilogrammpackung in den Händen und überreichten diese feierlich an mich. Die Worte, die das Prozedere begleiteten, sollten mich vor noch lauteren Maßnahmen warnen, die uns, die wir ja unter ihnen wohnen, am Wochenende erwarten. Tischler arbeiten nämlich nur am Wochenende schwarz und die Geräte ihrer Arbeitgeber, wie zum Beispiel eine Dielenschleifmaschine kann der Arbeitgeber auch nur am Wochenende entbehren. Ich bin ja für eine 7-Tage Woche für Handwerker, vollbezahlt und im Ausland, dann kommen die Heinis nicht auf die Idee am Wochenende anderer Leute Nachbarn mit Lärm zu malträtieren.

Meine Augen sprachen von einem veganen und alkoholfreien Leben, während ich mir das gelatinegefüllte Gummikilo unter den Arm klemmte und es irgendwie schaffte, den Sechserträger unter dem anderen Arm zu parken. Mein Mund sagte etwas von Mittagsruhe wegen der Kinder. Ob das geht? Sie wüssten es nicht, der strenge Zeitplan und so, der Tischler, der nur am Wochenende kann und überhaupt, wo schlafen die Kinder denn, und könnte man da nicht. Nein, nahm ich sie ins Visier. Naja, eventuell gibt es ja leise Arbeiten ganz weit weg von den schlafenden Kindern in einem anderen Raum, hörte ich mich sprechen. Ich wurde zuerst mit Zucker und Alkohol überrumpelt und dann von mir verraten. Ich brauchte keine Glaskugel, um die Kopfschmerzen zu sehen. Ich kickte die Tür zu, weil die Hände nicht frei waren und gehe für diese Woche nicht mehr zur Tür, basta.

Dienstag, 30. Juli 2013

Nachricht aus der Zukunft

Ich saß gerade im Zug nach Wismar, als ich nach gefühlten 5 Minuten wieder auf mein Handy sah. Ich weiß, dass kaum eine Minute vergangen war, seit meinem Blick auf das Display, aber gefühlt müssen es fünf gewesen sein. Ich schaltete dafür nur ganz kurz die Tastensperre aus, betrachtete die Uhrzeit, löste die Tastensperre erneut aus und steckte das Handy wieder weg.

Und weil ich in dem Moment, wo ich die Uhrzeit sah, vergaß, was ich überhaupt machen wollte, wiederholte ich das Spielchen nach gefühlten 5 Minuten noch einmal, obwohl es eigentlich nur Sekunden waren. Ich habe ein Faible für Zeitanzeigen. Ich kann ständig drauf gucken, weil ich sofort wieder vergesse, was ich gelesen habe. Ich merke mir einfach nicht, was ich von der Zeitanzeige ablese, weil ich ja einfach wieder drauf gucken könnte, wenn es mich wirklich interessiert. Und so gucke ich ständig auf mein Handy, auf Uhren an Apotheken, auf anderer Leute Armbanduhren, auf meine Backofenuhr, auf die Küchenuhr von Kienzle, auf die Küchenwaage, die auch eine Uhr hat und so weiter.

Früher, als ich noch eine Armbanduhr hatte und ein Sklave der geregelten Arbeitszeit, habe ich meine Uhr immer ein paar Minuten vorgestellt, damit ich auch ja nicht zu spät komme. Anfangs waren es drei Minuten, später mehr Minuten und bei mehr als zehn Minuten habe ich dann aufgehört und mir gesagt, das sei alles Quatsch. Ich kam nie zu spät.

Meine Uhr im Handy geht zwei Minuten nach. Das weiß ich mittlerweile aus ziemlich sicherer Quelle: aus der Zukunft. Als ich nämlich in diesem Zug saß und das dritte Mal auf mein Handy schauen wollte, hatte es kurz zuvor gebrummt, wie es immer brummt, wenn ich eine SMS empfange oder mein Akku alle ist. Der Akku war frisch aufgeladen, es musste eine SMS sein. Ich sah auf mein Handy, es war 14:03 Uhr und ich war sehr enttäuscht geworden sein, weil ich einen Anruf verpasst werde haben um 14:05 Uhr, was mir eine SMS mitgeteilt hatte.

Da kriegt man eine Nachricht aus der Zukunft und die besagt, man hätte einen Anruf verpasst, der noch gar nicht stattgefunden hat. So ein Mist.

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