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Bei den Leisen Tönen. Manchmal braucht es einen Blog, um sich Luft zum Denken zu verschaffen. Keine Steckenpferde, Hobbies oder sonstiges Spezielles, nur Luft zum Denken.

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Dienstag, 20. August 2013

Morels Erfindung

Ich habe vor kurzem „Morels Erfindung“ gelesen. Seitdem geht mir nicht mehr aus dem Kopf, was da beschrieben wurde, was da passiert ist und wie das überhaupt weiter geht. Kurz zum Inhalt: Ein Mann verliebt sich in die perfekte Projektion einer Frau, in ihre Aufzeichnung, die so perfekt ist, dass sie nicht von einem sowieso abhandenen Original zu unterscheiden ist. Das Einzige, was diese Frau nicht kann, ist auf den Verliebten einzugehen, weil es sich ja insgesamt um eine Aufzeichnung handelt. Wir, die Leser, halten in unseren Händen ein Tagebuch, das davon erzählt, wie dieser Mann die Insel erreicht, herausfindet, dass es sich bei den dargestellten Menschen und Gesprächen um Projektionen handelt und zu guter Letzt sogar lernt, die Maschinen zu bedienen, die die Aufzeichnung immer wieder von Neuem starten lassen. Er bedient sie nachher so gut, dass er in der Lage ist, sich in günstiger Position innerhalb einer von ihm neu gestarteten Aufzeichnung an der Seite seiner Liebe zu präsentieren, die alte Aufzeichnung ohne ihn zu löschen und alles in der neuen Aufzeichnung so aussehen zu lassen, als wäre er schon immer Teil der Aufzeichnung gewesen.

Nur eines spricht dagegen, ihn als Grundbestandteil dieser neuen, von ihm in die Wege geleiteten Projektion zu sehen: das Tagebuch: „Morels Erfindung“. Der Verfasser des Tagebuchs, ich sage mit Absicht nicht der Autor des Buches, will, dass wir ihn als einen Bestandteil der Projektion, der dargestellten, aufgezeichneten Wirklichkeit wahrnehmen und nicht als hinzugeschnitten, als nachträglich eingeschoben. Warum schreibt er also dieses Tagebuch? Wie viele andere sind vor ihm auf der Insel gewesen und haben sich womöglich ähnlich verhalten, haben sich auf die gleiche Weise in die Aufzeichnung hineinbegeben wie er, ohne darüber etwas zu hinterlassen? Wie wirklich ist die Wirklichkeit?

Samstag, 17. August 2013

Schach real

Gestern Abend bis tief in die Nacht hinein stand ich hinter dem Tresen der Strandbar und spielte entgegen meiner Gewohnheit zwei Partien Schach. Indem ich das hier bereits so früh am Morgen aufschreibe, beweise ich, dass es zu keinen größeren Verletzungen, Beschädigungen oder anderen Beeinträchtigungen gekommen ist, die ich, mein Mitspieler und Arbeitskollege Herr Putzig oder irgendeine andere Person erleiden musste.

Wir spielten deshalb genau zwei Partien, weil wir nicht mehr Zeit hatten, um in einer dritten noch die Entscheidungsschlacht durchzugehen. In der ersten fegte ich ihn vom Platz, in der zweiten besiegte er mich durch seine Sturheit nicht aufgeben zu wollen. Ich machte einen Fehler und musste die sich bis an die Decke stapelnden Becher abspülen. Wir schafften deshalb genau zwei Partien, weil auch ständig Leute kamen und Getränke von uns wollten.

Donnerstag, 15. August 2013

Unter Pilzen

Der Text ist leider länger geworden, als ich ursprünglich wollte und es ansonsten meiner Gewohnheit entspricht; ich versuche ja, die Texte nicht länger als eine Seite im Textprogramm werden zu lassen und bin da mein schärfster Kritiker. Nehmen Sie sich deshalb Zeit, es könnte etwas länger dauern.

Ich war gestern in den Pilzen. Ich habe meinen Freund Trithemius, kurz bevor ich die Tankstelle zum Auftanken des Wagens erreichte, angerufen, um ihm mitzuteilen, dass ich in genau einer Viertelstunde vor seiner Tür stehe, um ihn zum Pilzesammeln abzuholen. Ich sagte zu ihm, dass wir in die Pilze fahren. Was, fragte er und ich erklärte ihm das Ganze genauer. Er bezweifelte, alles fertig zu haben in einer Viertelstunde, was man vor so einer Fahrt in die Natur noch alles zu erledigen habe. Ich beharrte auf die Zeit und drohte mit Klingelsturm. Er legte auf.

Als das Tanken beendet war, drehte ich noch eine nutzlose Runde um den Block. Ich war zu früh. Um Punkt eine Viertelstunde nach dem Anruf klingelte ich bei ihm. Er grüßte durch die Sprechanlage, und sagte, er würde sogleich runterkommen. Er drückte außerdem den Türsummer und ich drückte die Klinke. Ich stand plötzlich vor seiner Wohnungstür, diese ging auf und Trithemius, völlig bekleidet, Haare gewaschen und gekämmt stand vor mir und wollte los.

Ob er ein Messer dabei habe, fragte ich ihn, denn ohne Messer, kann man ja die Pilze nicht abschneiden. Nein, wir suchten eins, nein, er suchte eins und ich gab von weitem Tipps, wie das Messer anatomisch geschaffen sein müsste. Wir einigten uns auf ein kleines Messer mit Klinge und Griff, es hatte noch nie zuvor einen Waldpilz abgeschnitten. Mein mitgebrachtes Messer war ebenfalls noch Jungfrau und so klapperten dann beide Messer vor Aufregung im Körbchen, während Trithemius und ich das Auto bestiegen und lossausten.

Ich erklärte ihm im Auto, dass wir nicht in irgendeinen Ort fahren, der so ähnlich klingt wie Pritzwalk, sondern dass ich tatsächlich gesagt hatte, wir fahren in die Pilze. Das ist Pilzlatein und bedeutet so viel wie, zum Pilze sammeln in den Wald zu fahren. Ich erwähne dies hier noch einmal ausdrücklich, weil Trithemius, mittlerweile in meinem Auto sitzend, ein wenig schief geguckt hatte bei erneutem Erwähnen dieses unter Pilzkennern allseits bekannten geflügelten Wortes. Ich markierte mein Revier und Trithemius konnte nicht weg.

Wir fuhren etwa eine Stunde, weil ich nach Gefühl fahre, nicht mit. Wir verfuhren uns nur einmal ganz kurz und erreichten die als Wegmarke im Gedächtnis verbliebene Tankstelle ohne weitere Zwischenfälle. Die Tankstelle war in meiner Erinnerung übrigens grün gewesen und in der Realität war sie jetzt blau, ich machte mir deshalb aber keine unnötigen Gedanken.

Ich erstand dort eine Tafel Schokolade und eine Flasche Wasser für uns und fand im Regal bei den Süßigkeiten einen sorgsam gefalteten 50 Euroschein. Nein, das Messer hatte ich nicht mitgenommen. Leicht beschwingt verließ ich die Tankstelle mit meinem Wechselgeld und lud Trithemius, der die Idee mit der Wasserflasche hatte, großzügig auf diese ein, als er mir schon eine Münze zustecken wollte.

Endlich. Wir waren angekommen in einem Wald, in dem Wald. Der Wald ist so beschaffen, dass ihn schmale, schnurgerade Kanäle durchziehen, die früher dazu benutzt wurden, das geschlagene Holz abzutransportieren. Im Grunde habe ich keine Ahnung, wieso da Kanäle durchgezogen sind, die obendrein auch kaum noch Wasser führen. Die Erklärung war aber schlüssig genug, um jeden zu überzeugen. Ich ließ auch gar nichts anderes zu, denn als sorgsamer Beobachter wusste ich aus früheren Begegnungen mit diesen Kanälen, dass das Wasser eine leicht rötliche Färbung hat. Ich bombardierte also den armen Mann sogleich mit so viel Faktenwissen, dass er keine Zeit mehr hatte, um über meine Erklärung auch nur ein Wort verlieren zu können. Der Eisengehalt des Wassers sei ziemlich hoch, deshalb der Rotstich. Das Wasser sei aber sehr sauber, das könne man an der Entengrütze (kleine Wasserlinse) erkennen, die dafür ein Indikator sei. Entengrütze gehöre übrigens zu den Aronstabgewächsen, dessen größte Vertreter gerne in botanische Gärten stehen und dort, wenn sie blühen, einen bestialischen Gestank verbreiten. Ich redete bis dahin und dann fiel Trithemius gotzeidank ein Roman ein, in dem es um das Aronvolk ging, ein Menschenschlag, der in Ritzen und Spalten von Riesen wohnte, die sich einen Teufel um sie scherten, weil sie so klein waren. Ich gab die Gesprächsführung ab und verhielt mich kurze Zeit still. Mein Latein war zu Ende.

Auch das andere Latein, das spezielle Pilzlatein, hielt nicht allzu lange vor. Noch während wir uns in den Wald schlugen und den Boden untersuchten, rief ich bereits, dass es hier nur so nach Pilzen röche. Pilzsammler, die etwas auf sich halten, riechen Pilze zehn Meilen gegen den Wind. Ich roch Pilze, fand aber nur einen vertrockneten Kahlen Krempling auf dem abgesägten Stumpf einer Fichte oder Kiefer oder Tanne oder so. Ich ging nicht nah genug heran, um mich von seinem Geruch zu überzeugen, der Beweis war ja schließlich mit dem Fund bereits erbracht. Wir stießen auf weitere Gesellen aus dieser Liga und ich erklärte lang und breit, dass diese Pilze nicht essbar seien, man sie lange kochen müsste, was nur die Russen machen, um ihn essen zu können und überhaupt, was für ein blöder Pilz das doch sei.

Ich bin als Kind einmal mit dem Fahrrad in den Kreuzhorst gefahren, ein kleines Wäldchen bei Sohlen in der Nähe von Magdeburg. Die Fahrt war so anstrengend, weil wir ja noch so klein waren, dass wir unbedingt etwas von dort mitnehmen wollten. Wir wollten etwas zu Essen besorgen, eine schöne kleine Subsistenzromantik.

Wir hatten zufällig ein paar Plastiktüten dabei und ein paar kleine Taschenmesser, mit deren Hilfe wir dann ein paar Säcke dieses unseligen Pilzes namens Kahler Krempling einsammelten und stolz wie Oskar unseren sprachlosen Eltern präsentierten. Die wiegelten ab und warfen die Pilze in die Tonne. Den geklauten Mais vom Feld nebenan warfen wir dann weg, nachdem wir ihn gekostet hatten. Es handelte sich um Futtermais, essbar zwar aber keineswegs süß, was unsrere Eltern zwar ebenfalls zu berichten wussten, wir aber nicht glaubten, weil wir ja schließlich eine Mission hatten. Seitdem sage ich immer, wenn meine Frau das Wort Mais erwähnt, dass Mais eine Futterpflanze sei und verweise auf Schweine, Kühe und Hühner, die sich von so etwas ernähren sollen. Sie rollt dann mit den Augen und beschwört die imaginäre Phrasenkasse, ich grinse nur blöd.

Naja, ich schwärmte weiter von Steinpilzcarpaccio und in Zwiebeln und Butter angebratenen Maronen, Pfifferlingen und Goldröhrlingen. Ich erwähnte natürlich auch die unter Pilzkennern geschätzte Krause Glucke, die ich zu finden hoffte. Ein überaus ergiebiger Pilz, der aussieht, als hätte ein Bär sein Badeutensil nach dem Regen im Wald liegengelassen: wie ein großer Schwamm. Wegen der schlecht zu bewerkstelligenden Reinigung dieses Pilzes schmeckt er häufig nach Sand, was wiederum der Pilzkenner niemals zugeben würde, ganz entgegen seiner sonst offenkundigen Beredsamkeit. Überhaupt verhält sich der Geschmack der Krausen Glucke reziprok zu seinem Vorkommen, er schmeckt umso besser, je weniger man davon hat.

So liefen wir geraume Zeit einträchtig nebeneinander her. Jeder palaverte von Dingen, wovon der andere definitiv keine Ahnung hatte, und wenn doch, so übersprang man das Thema schnell und wechselte in unbekannteres Terrain. Wir fühlten uns wohl. Wem diese Beschreibung der Umstände unseres Gesprächs nicht klar genug erscheinen, der möge bitte seinen James Thurber Erzählband aus dem Regal nehmen und die Geschichte „Der Bordstein im Himmel“ nachlesen, da wird genauestens erklärt, worauf es uns in unserem Gespräch ankam.

Dann fanden wir einen Kartoffelbovisten. Ich schnitt mit meinem Messer einen dieser Gesellen auf und erklärte, ganz der Pilzkenner, wenn diese innen weiß seien, könne man sie essen. Unser Fundstück war innen schwarz.

Leider, und um es kurz zu machen, wir fanden nicht einen einzigen Steinpilz. Wir fanden auch keine Pfifferlinge, keine Maronen und all die anderen Dinger, die in Butter und Zwiebeln angebraten so herrlich schmeckten. Wir fanden nichts weiter als ein paar Kartoffelboviste und Kahle Kremplinge.

Mittwoch, 14. August 2013

Zu früh aufgestanden, zu spät ins Bett gegangen

Warum heißt es eigentlich bei „Einbruch der Nacht bzw. Dunkelheit“ aber bei „Tagesanbruch“? Haben Sie eine Idee?

Wussten Sie, dass anders als heute üblich der Tag früher über die Nacht definiert wurde? Eine Nacht ging somit von Sonnenuntergang zu Sonnenuntergang und umfasste den Tag und die Nacht gleichermaßen, während der Tag nur als Zeit zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang definiert war. Es hat also eine Drehung der Verhältnisse stattgefunden. Was früher als Nacht den Tag mit einschloss, schließt heute als Tag die Nacht mit ein.

Montag, 12. August 2013

Die kurze Nacht zum Mittag

Es gibt ein paar Begebenheiten im Leben, die werden erst so richtig wichtig, wenn man schon gar nicht mehr an sie gedacht hat. Dann schmiegen sie sich wie ein Schatten zur Mittagszeit ganz eng an die Körpermitte und verharren da, als würden sie dazugehören. Mittag ist dabei übrigens mehr als nur ein Stichwort. Zur Mittagszeit hieß es im Haus meiner Eltern, Ruhe zu bewahren. Ruhe im Sinne von Mittagsruhe. Ich erinnere mich an so manchen Mittagsschlaf, den ich auszubaden hatte, obwohl ich überhaupt nicht müde war. Ich lag dann häufig auf einem Sofa herum und starrte in das Bücherregal meiner Eltern. „Die Beatles – Ihr Leben und ihre Lieder“ konnte ich damals auf dem Buchrücken lesen oder „Amanda – Ein Hexenroman“. Bei den Beatles habe ich lange Zeit nicht gewusst, worum es ging, schließlich war es mir zwar nicht verboten, während des Mittagsschlafes die Buchrücken zu lesen, ein Buch herauszunehmen aus dem Regal, kam mir deshalb aber nicht in den Sinn. Außerdem war ich noch halber Analphabet, ich konnte geradeso lesen und las deshalb: „Die Be-at-les“, ich fragte mich oft, wer die Be-at-les wohl gewesen sein mussten, kurz ich hatte keine Ahnung.

Zu meiner Kindheit musste ich bis in die erste Klasse hinein Mittagsschlaf halten. Ich war so froh, als es nur wenig später nach meiner Einschulung hieß, meine Mutter holt mich vor dem Mittagsschlaf aus der Schule heraus. Meine Mutter war zu dieser Zeit zu Hause, weil mein Bruder kurz zuvor geboren wurde. Das ersparte mir die Mittagsruhe nicht, bedeutete aber keine halbe Stunde auf einer Holzpritsche mit Minimalbedeckung (Matratze konnte man den Lappen nicht nennen) im kalten Keller der Clara Zetkin Schule. Und ich hatte noch Glück, ich lag in der Nähe des Fensters und konnte manchmal einen Blick auf die Beine von Vorübergehenden erhaschen, Schritte zählen und mir ausmalen, wohin sie gingen, die Beine. Frau Skroplin unsere Hortnerin war zwar alt und milde, aber beim Mittagsschlaf kannte sie kein Pardon. „Augen zu!“, zischte sie, wenn sie uns beim Kiebitzen erwischte. Ich hielt mir immer die gefalteten Hände vor das Gesicht und lugte durch die Finger hindurch. Keine Regung ließ ich erkennen außer den perfekt einstudierten, regelmäßigen Atem. An ihre leicht gräuliche Dauerwellenfrisur und an ihr Kürzel in unseren Hausaufgabenheften kann ich mich noch erinnern. Sie unterschrieb immer mit „Skr“ und hätte ich damals gewusst, dass es ein Wort wie „obszön“ gibt, ich hätte mich für dieses Wort entschieden beim Anblick ihrer Unterschrift. Eigentlich war sie aber eine furchtbar nette Person und als ich dann zum „Heimschläfer“ wurde, bekam ich auch nur noch ihre netten Seiten zu Gesicht.

Als ich alt genug war, die Mittagsruhe nicht mehr liegend zu verbringen kam mir der Zeitverlauf natürlich noch quälender vor als sonst. Schließlich passierte es zu Zeiten des verordneten Mittagsschlafes nicht selten, dass ich trotzdem einschlief und die Zeit viel schneller verging als im Wachzustand. Ich machte mir anfangs zunutze, dass mein Vater auf fast alles mit „ja“ antwortete, wenn er während des Mittagsschlafes seine Ruhe haben wollte. Das ging so lange gut, bis ich ihn einmal gefragt habe, ob ich ins Schwimmbad gehen darf. Ich ging mit meiner Schwester hin und unsere Mutter suchte uns überall. Mein Vater konnte sich natürlich an nichts erinnern, erst recht nicht, uns das erlaubt zu haben. Aber mein Vater lernte im Schlaf, er antwortete von da an nur noch mit „nein“, wenn ich ihn etwas fragte.

Und gestern war Sonntag, Mittagszeit. Es wurde eine Waschmaschine angeliefert, über uns wurden Dielen geschliffen, vom Fenster drang laute Musik herein und ich sehnte mich zurück in das Wohnzimmer meiner Eltern. Ich hätte sogar mit dem kalten Keller vorliebgenommen für eine halbe Stunde Ruhe. Ich schlief trotzdem ein, so müde war ich.

Freitag, 9. August 2013

Regenwurm auf Display

Ich bin so ziemlich der inkonsequenteste Paketzustellerhasser, den ich kenne. Ich habe doch tatsächlich schon wieder geöffnet, erst unten die Haustür und dann oben an der Wohnungstür. Die Pakete stapeln sich bei uns bereits, weil meine Frau einer ähnlichen Neigung verfallen ist und anstatt sich nur darüber aufzuregen ebenfalls ständig Tür und Tor für Mist aller Art aufhält. Die Nachbarn sonnen sich derweil auf Balkonien, sind vielleicht zu ihren Eltern aufs Land gefahren oder liegen verkatert in ihren Betten, weil gestern irgendeine Sause stattfand.

Heute kam ein so kleines Paket, wie ich es noch nie gesehen habe. Es war so klein, dass es problemlos in den Schlitz jedes Briefkastens hineingepasst hätte, einschließlich einem von dem Format einer Rolle für Tageszeitungen. Das Paket war so winzig, dass kaum genug Platz darauf war, um Absender und Empfänger vernünftig voneinander zu unterscheiden, weil sie quasi wie ein Doppelname an der Tür direkt nebeneinander standen. In dem Paket hat eine Zigarettenschachtel Platz, eine Fernbedienung für die Standheizung des unten geparkten Autos oder ein orangefarbenes Reclambuch von Wolfram von Eschenbach mit dem Titel „Parzival 1“.

Der Sadist von Paketzusteller hat es trotzdem nicht für nötig befunden, uns zu verschonen. Er gibt in meinem Beisein meinen Namen, den er zuvor vom Klingelschild abgelesen hatte, falsch in sein Gerät ein, fragt dann noch einmal nach und berichtigt nicht. Er hält mir das Ding vor die Nase und lässt mir gerade genug Zeit, um einen Strich von der Länge eines Regenwurms auf dem Display zu hinterlassen und tut dann so, als hätte er es eilig. Mich mit dieser Lappalie erst überhaupt nicht zu belästigen, kam ihm natürlich nicht in den Sinn.

Gestern übrigens bin ich durch das Zooviertel gefahren und habe dort einen Briefkasten der Deutschen Post entdeckt, der gar nicht für Briefe ist, sondern für Pakete. Und weil das scheinbar so kompliziert ist, stand darauf, dies sei ein Briefkasten nur eben nicht für Briefe, sondern für Pakete. Und weil das so kompliziert ist, wo es doch einfach sein könnte, gehe ich zur Tür und nehme Pakete von der Größe eine Zigarettenschachtel an, die in jeden Briefkasten passen. Ich bin so blöd wie ein Paketkasten, der Briefkasten heißt aber eigentlich für Pakete ist, was extra draufgeschrieben steht, damit niemand einen Brief einwirft, in den Briefkasten für Pakete.

Donnerstag, 8. August 2013

Hannibal trank keinen Kaffee

Das Herz einer guten Mensa ist nicht der Speisesaal, sondern die Cafeteria. Dort trifft man sich im Anschluss und genießt die verbleibende freie Zeit der Mittagspause. Hier beginnt die Verdauung, unterstützt vom Lebenssaft einer ganz besonderen zivilisatorischen Errungenschaft, dem Kaffee, latte macchiato oder Espresso. Nimmt man einer Mensa diesen Ort, so ist sie ihres wichtigsten Bestandteils beraubt.

In unserer Mensa hat die Cafeteria seit geraumer Zeit geschlossen. In naher Zukunft soll natürlich Ersatz geschaffen werden, ein wenig kleiner aber immerhin. Bis dahin stehen uns etliche nah gelegene Alternativen zur Verfügung. Aber seien wir mal ehrlich, mehr als eine Alternative ist keine, denn daraus ergibt sich das Dilemma der Wahl. Ähnlich wie nach einer beendeten Beziehung, wenn man sich anhören darf, dass andere Mütter ja auch schöne Töchter hätten, geht es uns, wenn wir dann vor der Mensa stehen und wir den Kaffee brauchen. So einfach ist das alles nicht. Dann stehen wir, übrigens nicht zum ersten Mal, vor der Mensa und fragen uns, wohin. Und dann fallen solche Sätze wie: „Manchmal frage ich mich ehrlich, wie es Hannibal damals mit seinen Elefanten über die Alpen geschafft hat. Wir stehen hier rum und kriegen es nicht mal zustande, uns für eine Cafeteria zu entscheiden.“

Wir entscheiden uns dann doch noch für die Cafeteria im Welfenschloss, ein Gehweg von 5 Minuten. Es ist 14:06 Uhr, als wir die Cafeteria erreichen, die Cafeteria schließt um 14:00 Uhr.

Dienstag, 6. August 2013

Der arme Jan

Der Jan hat es nicht leicht. Jane (Pluralform!, nicht der weibliche Vorname ist gemeint) haben es nie leicht, vor allem nicht leichter als andere Vornamen, wenn sie aber vom eigentlichen Vornamen zum Kopf einer ganzen Reihe von Zusammensetzungen werden, dann hat es ein Jan eben besonders schwer, schwerer als zum Beispiel ein Knut oder Holger. Verfolgte man den Strang in gendertypischer Manier, so müsste man dem Pärchen Jan und Liese besondere Beachtung schenken, denn auch die Liese hat es nicht leicht. Wollen wir aber nicht, wir bleiben bei Jan.

Der Jan wird nämlich zu Unrecht verunglimpft. Der kann da gar nichts für. Schuld an der Misere des Jan ist der Duden. Der hat nämlich bestimmt, dass die Zusammensetzungen mit Jan zwei unterschiedlichen Deutungen unterliegen könnten. Da ist auf der einen Seite der Schlendrian, wir kennen ihn alle, er bezeichnet häufig träge oder nachlässige Verfahrensweise und seltener auch schon einmal eine Person, die so verfährt. Selten ist der Schlendrian als Personenbezeichnung vor allem deshalb, weil wir einen nachlässigen und trägen Menschen eher als Schludrian bezeichnen. Beide Bezeichnungen sind sich in ihrer Beschaffenheit so ähnlich, dass kaum Zweifel über den gleichen Ursprung herrschen dürften. Zöge man den Grobian und den Dummerjan mit ins Kalkül und wäre sich der vergangenen und heutigen Schreibweisen bewusst, fiele dem Dümmsten aller Dummerjane auf, dass es sich hierbei doch um Dinge handeln müsste, die sich irgendwie ähnlich verhalten, ähnlich gebildet und ähnlich abgeleitet sein müssen.

Nicht so der Duden. Der beharrt darauf, dass es zwei Möglichkeiten gibt. Die Erste ist eine bildungssprachliche und sozusagen von oben herab betrachte Lösung. Denn im Lateinischen bezeichnet die Endung –ian eine Person, eine männliche. Diese Lösung ist deshalb von „oben herab“, weil das gemeine Volk des Lateinischen natürlich nicht mächtig war, als dieser Begriff aufkam (17. Jh.) und somit die Bezeichnung des Schludrian von gebildeteren Leuten ausgehen musste. Dafür spricht im Übrigen ein anderes Phänomen, dem ich mich früher einmal gewidmet habe, die Lappalie. Auch hier wurde einem deutschen Wort, dem Lappen, eine lateinische Endung verpasst, um daraus ein neues Wort zu bilden. Hier waren laut Duden Studenten am Werk, die vor allem dem Kanzleideutsch, das so schöne Worte wie Personalie geboren hatte, eins auszuwischen versuchten, und was eignet sich da nicht besser als ein latinisierter Lappen.

Die zweite Lösung kommt da schon wolkiger daher. Sie geht davon aus, dass sich der Jan auf eine frühnhd. Bildung zurückführen lässt, wo dem jān die Bedeutung eines „Arbeitsganges“ als Grundwort zukommt. Wolkig ist das insbesondere deshalb, weil sich der Duden hier eines wohlplatzierten „Vielleichts“ bedient und wäre es möglich, dies nachzuverfolgen, müsste es natürlich noch andere Wörter geben, die sich entweder so ableiten ließen oder das Grundwort in anderer Form beinhalten. Es gibt im Duden aber kein einziges Wort, das den Grundwortbestandteil jān entweder an den Anfang stellt oder eben an das Ende, als die bereits Genannten, die allesamt negativ konnotiert sind. Das ließe den Schluss zu, dass in der Epoche des Frühneuhochdeutschen entweder schlecht oder gar nicht gearbeitet wurde oder die Arbeit so unwichtig war, dass sich Begriffe mit dieser Bildung nicht in das Neuhochdeutsche übertragen haben. Leider ist das auf den Jan bezogen wieder kein gutes Zeugnis.

Das einzig Gute am Namen Jan ist dessen eigentliche Herkunft. Jan ist nämlich die Kurzform von Johannes und der geht ja bekanntlich auf den hebräischen Jochanan zurück, was so viel heißt wie „Gott ist gnädig“, „Gott hat Gnade erwiesen“. Übrigens geht die Liese, aus der sich so unschöne Dinge wie Trödelliese oder dumme Liese ableiten lassen, auf Elizabeth zurück, welche die Mutter von Johannes dem Täufer war und auf das hebräische Elischeva zurückgeht, was ungefähr bedeutet „Gott schwört“, „Gott des Schwures“. Seit Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts erfreut sich der Name Jan einer ungebrochen hohen Beliebtheit, seit den 70ern des vorigen Jahrhunderts gehört er entweder allein oder als Teil eines Doppelnamens zu den 20 beliebtesten Vornamen in Deutschland. Beim Doppelnamen ist noch zu erwähnen, dass Jan eher am Anfang der Namenskette steht und seltener am Ende. Dieser nicht unerhebliche Hinweis auf die ansonsten eher verunglimpfende Art, sich des Namens Jan zu bedienen, erscheint natürlich jetzt, wo wir wissen, was sich hinter dem Jan so alles verbirgt, viel klarer. Sollten Sie deshalb je einem Jan begegnen, sollten Sie womöglich selbst einer sein, lassen Sie Nachsicht walten und denken Sie immer an die große Bürde, diesen Namen zu tragen.

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