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Bei den Leisen Tönen. Manchmal braucht es einen Blog, um sich Luft zum Denken zu verschaffen. Keine Steckenpferde, Hobbies oder sonstiges Spezielles, nur Luft zum Denken.

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Auf Spatzen geschossen

Mittwoch, 27. Februar 2013

Der homo smartphone und sein Faible für Thüringer Klöße

Gestern Abend saß mir Trithemius schräg gegenüber, unsere bevorzugte Sitzposition zueinander. Er sitzt mit seiner starken Seite, der rechten, zu meiner linken Seite, der emotionalen, wie er mir einmal erläuterte. Das Smartphone lag betriebsbereit am linken äußeren Rand des Tisches und Trithemius entschuldigte sich sogleich dafür, weil er meine Antipathie gegenüber diesem Teufelszeug kennt. Er hätte es nur kurz benutzt, als ich zur Toilette war.

Als ich dann zufälligerweise einen Satz sagte, der ungefähr so lautete: das neue gut ist schlecht, hob er seinen Kasten auf und tippte ihn als Memo in sein outgesourctes Gedächtnis. Mir ging das alles nicht schnell genug und weil wir uns sowieso gerade darüber unterhielten, welchem Umstand wir die millionenfache Verbreitung von Dummheit wie „Thüringer Klöße“ verdanken, breschte ich gleich weiter, indem ich dem Smartphone und seinen vielfältigen Möglichkeiten der Ablenkung die Schuld gab.

Ich erzählte kurz von einem Mittagessen im Spandau, einer Bar, meinem Arbeitsplatz, bei dem ich allein mit einem Spiegel ausgestattet vor mich hin starrte und mein Essen genoss. Kurz bevor ich fertig wurde, setzte sich ein entfernter Bekannter zu mir an den Tisch. Ich unterbrach meine Lektüre und kurbelte trotz unterschiedlicher Interessenlagen ein Gespräch an. Wir kamen auf das Strandleben zu sprechen, was am Ostersonntag eröffnet werden soll. Ostersonntag sei der 31.03. verlautbarte ich noch. Weil da mein Sohn zwei Jahre alt wird, weiß ich das so genau. Der bekannte wusste das nicht so genau, saß mir außerdem direkt gegenüber und prüfte kurz darauf via Smartphone, ob meine Aussage denn korrekt sei. Da er außerdem am Aufbau des Strandlebens, insbesondere der Wiederherstellung von Elektrik und Wasseranschluss, beteiligt ist, wollte er sich dies wahrscheinlich gleich als Memo in seinen Tausendsassa einspeichern. Und weil mir das zu lange dauerte – das Gespräch verebbte natürlich nebenbei – und ich nicht sehen konnte, was er tatsächlich tat, stellte ich mir vor, wie er auch noch schnell seine Emails checkte, seinen Kontostand und seinen Facebook-Account auf Neuigkeiten überprüfte. Nach ca. 10 Minuten wollte ich dann auch nicht mehr sprechen, blieb aber höflich und hörte noch ein wenig zu. Der Spiegel lag ungelesen vor mir, weil ich aus Höflichkeit natürlich nicht danach gegriffen hatte, als mein Gegenüber sein Handy fütterte.

Nachdem ich diese Episode erzählt hatte, sagte ich Trithemius, wie selbstverständlich ich seinen Griff nach einem Notizbuch gehalten hätte, wäre ich mir doch sicher gewesen, dass er dort lediglich etwas notiert. Genauso wie ich es als Signal eines Endes verstanden hätte, wenn sich mein Gegenüber eine Zeitung nimmt und darin liest, das hätte ich zwar als unhöflich empfunden aber wenigstens ist es konsequent. Bei einem Smartphone aber weiß man nie, was als nächstes passiert. Da kann plötzlich ein volksliedartiges Nonsenslied über Thüringer Klöße erschallen oder ein Memo über das neue gut verfasst werden, oder eine SMS wird empfangen, eine Antwort getippt, ein Anruf trudelt ein oder eine Statusmeldung via Facebook. Man selbst sitzt dann einfach da und wartet die Zeit ab, die der homo smartphone im Kegellicht seiner Verdämmerung verbringt. Und dann schauen sich dieses vollverblödete Video auf Youtube auch noch mehr als 2.000.000 Menschen an, so dass der Urheber bei Joko und Klaas in die Sendung darf, um auch denen den Blödsinn beizubringen, die mal wieder den Trend im Netz verpasst haben, ihn gar nicht sehen wollen oder – so wie ich – gar kein Smartphone besitzen.

Montag, 25. Februar 2013

Kopfdämmung

Ich war schon wieder für das Niedersächsische Staatstheater unterwegs. Am Samstagabend hatte „Heaven“ Premiere. Ich war für die Requisite zuständig. Die war komplett fertig und musste nur noch kurz hin und her geschoben werden, was nicht weiter verwunderlich ist, denn das Procedere sieht vor, am Abend vor der Premiere die Generalprobe laufen zu lassen, die natürlich inklusive Requisiten abläuft. Also nicht wirklich viel zu tun.

Der Pausenumbau, bei dem ich wie öfter schon eher unbeteiligt herumstand und außer ein paar Büchern und Plastikflaschen aufzusammeln nichts weiter zu tun hatte, gestaltete sich ebenfalls stressfrei. Die Pausen dazwischen waren lang, aber sie werden bezahlt. Beklage ich mich also nicht. Ein Stück Schokolade gab es, eine Karte mit dem obligatorischen „Toi Toi Toi“ darauf und eine kleine Piccolo Flasche alkoholfreien Sekt, umetikettiert auf eine imaginäre Sektkellerei in Wolfen; dort spielt das Stück.

In der zweiten Pause, also nach dem Umbau, geriet das Gespräch in den Räumlichkeiten der Requisite ein wenig außer Kontrolle. Nicht nur, dass mir ein Namenspatron über die Leber lief, der so heißt wie mein Alter Ego im Netz. Dieser Patron ist außerdem auch noch einflussreicher Architekt, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, eine Lobby zu bekämpfen, die sich der Sanierung inklusive Wärmedämmung von Häuserfassaden widmet.

Wie stark diese Lobby ist, bewies ein Schreiben des Dachverbands, der bereits vor der Ministerkonferenz zu dem Thema seinen Mitgliedern bescheinigte, sie bräuchten sich keine Sorgen machen, es bliebe alles wie gehabt. Natürlich blieb es dann auch wie gehabt und nur die Deppen aus der Politik nahmen dazu Stellung; von den Strippenziehern im Hintergrund natürlich niemand. Die Reportage bildete den Abschluss einer heißen Diskussion, der ich als Laie und Mieter beiwohnte. Daneben sprachen auf mich ein eine Architekturstudentin und ein Hausbesitzer, die der gleichen Meinung waren wie der Architekt im Fernsehen: Fassadendämmung amortisiere sich nicht und der verbaute Stoff sei ohnehin höchst umweltgefährlich.

Alles richtig. Ich nickte nur, staunte über den ganzen Kram und kam einfach nicht dahinter, wo der Haken ist. Natürlich, der Dämmstoff ist das Prädikat „schwer entflammbar“ nicht wert, höchst umweltschädlich und überhaupt sind die Machenschaften mehr als fragwürdig. Die herangezogenen Tests, selbst die DIN-Norm sind nur Maßgaben, die von der Industrie selbst eingeführt worden sind. Ein Riesenschmu! Empört, wie meine beiden Gesprächspartner, war ich indes nicht, und ich wusste bis zum Sonntag auch nicht warum.

Als ich am Sonntag den Bericht der Neuen Presse zum Opernball las, geriet ein kleines graues Fenster zwischen die Fronten. Es war überschriftet mit „Der Opernball in Zahlen“. Es fand sich eine genaue Zahl der Orchideen, 2200, eine genaue Zahl der Kilometer handverarbeiteten Aludrahtes, 14 Kilometer, Gäste, Debütant:innen usw. Aber die Zahl derer, die das erst möglich gemacht haben, die Techniker, Floristen, Bartender, Requisiteure, Elektriker usw., die Zahl gab es nicht. Die Zahl war uninteressant. Diese Zahl ist insgesamt vielleicht ähnlich hoch, wie die Zahl der Teilnehmer am Opernball.

Und nun schauen wir uns doch einmal die Nutznießer der Fassadensanierung an. Das scheint eine kleine einflussreiche Gruppe von Leuten zu sein, die Haus- und Wohnungsbesitzern laut Gesetz das Geld aus der Tasche ziehen dürfen für sinnlose und überteuerte Dämmung. Doch wer lebt denn in den Häusern? Nur die Besitzer? Nein, in Deutschland lebt ca. die Hälfte der Bevölkerung zur Miete, die sind sicherlich auch an den Kosten von Sanierung beteiligt aber längst nicht so stark betroffen wie Häuslebauer oder Mehrfamilienhausbesitzer. Dass vieles schlecht ist, was da gemacht wird, keine Frage, aber dass sich nicht wenigstens für ein paar der Mieter tatsächlich ein Vorteil einstellt, wenn die Besitzer der Häuser zur Sanierung gezwungen werden, kann ich irgendwie nicht glauben. Hier wurde auch nur die Hälfte berichtet, sowohl aus Sicht des Mieter- Vermieterverhältnisses als auch aus Sicht des verantwortungsvollen Sanierers gegenüber dem „armen“, uninformierten Sanierer von Wohnungs- oder Hauseigentum.

Die beiden Mitstreiter konnten sich breitbeinig dagegen stemmen, der eine ist Hausbesitzer und informiert sich eben und die andere studiert Architektur und macht es hoffentlich irgendwann besser als der Großteil ihrer Zunft ( so klang es in den Filmen zumindest an ). Ich sitze dazwischen, habe kein Haus aber Schimmel in der Mietwohnung. Und frage ich die Fachleute danach, so stellt sich heraus, da muss der Vermieter am besten dies und das tun. „Die Wände müssen atmen“, höre ich dann, „reiß‘ die Innendämmung wieder ab“, „zieh‘ um“. Ja, ja. Das ist wie beim Opernball: nur weil ich dem Hornbläser auf den Mund und die Hände gucke, heißt das noch lange nicht, ich könne jetzt ins Horn blasen.

Sonntag, 6. Januar 2013

Applaussieger auf dem Dreikönigstreffen: Rainer Brüderle

Ich war ehrlich gesagt bisher nur dreimal auf einem Poetry Slam und da ich keiner Partei angehöre, war ich natürlich noch nie auf einem Politic Slam. Vom jüngsten Slam der FDP wurde vorhin ausgiebig in der Tagesschau berichtet, so ausgiebig, dass man denken könnte, es gäbe nur diese eine Partei in Deutschland. Es war das Dreikönigstreffen der Freien Demokraten in Stuttgart.

In Hannover gibt es übrigens klare Regeln, wie ein Beitrag in einem Poetry Slam bewertet wird. Das war nicht immer so. Ich kann mich erinnern, dass auf meinem ersten Slam tatsächlich noch von der Jury bewertet wurde, bei welchem Beiträger am intensivsten geklatscht wurde. Mittlerweile geht das etwas anders. Der oder die Moderator:in sucht eine gewisse Anzahl von Leuten aus dem Publikum aus – meistens melden sich bereits vorher genügend Leute, um diesen Job freiwillig zu machen. Diese Personen bekommen dann eine Handvoll Zettel, auf denen unterschiedliche Punktzahlen stehen, mit denen sie dann durch Hochhalten derselben nach Abschluss des Beitrages stellvertretend für das gesamte Publikum eine Bewertung abgeben.

Und heute wurde die naheliegende Verbindung von Poetry und Politic Slam endlich geschlossen, indem die ARD in der Tagesschau Rainer Brüderle zum Applaussieger des Dreikönigtreffens erklärte. Nicht einmal das Wort war mir bis dahin geläufig, ich bin aber froher Hoffnung, dass es sich wie ein Lauffeuer ausbreitet und auf zukünftigen Parteitagen intensive Anwendung erfährt. Schade nur, dass die FDP nicht gleich das modernere und bequemere Prinzip der Bewertung von Redebeiträgen übernommen hat. Oder vielleicht hat sie das ja gar nicht und die ARD-Redaktion ist für diese sinnfreie Komposition verantwortlich? Vielleicht habe ich mich ja auch nur verhört? Wie dem auch immer sei, der Siegerapplaus* ging an den alten Mann, deshalb ist er jetzt Applaussieger**. Herzlichen Glückwunsch!

*Siegerapplaus kommt immerhin auf 804 Treffer bei Google

** Applaussieger bisher nur auf lumpige 2

Mittwoch, 26. Dezember 2012

Applaus nach Frankfurt

Gestern saß ich nach dem Tatort-Double-Feature beim MDR noch auf ein Bier vor dem Fernseher und überlegte kurz – nur so zum Abgewöhnen – ob ich mir nicht die Wiederholung des Polizeiruf auch noch ansehe. Das erwähnte Doppelpack mit den Kölner und Leipziger Kollegen war aber schon dermaßen ernüchternd, dass mir die Freude auf den heutigen, frischen wohl vergällt worden wäre.

Joachim Król und seine fesche Cowboystiefelschickse mit dem locker an der Hüfte baumelnden Colt sollten so kurz vor Silvester kurz nach Silvester ermitteln. Ein Mord an einer abgehalfterten Alkoholikerin mit einem nicht minder versoffenen Lebensgefährten und einem Sohn, der nicht auf Helles steht und auch nicht helle ist, aber gewalttätig. 18 Jahre ist er alt, lebt bei seiner Mutter, die seit 5 Tagen verschwunden ist und kurz nach Mitter- in der Silvesternacht ermordet wurde. Król verspricht das Trinken zu lassen und zu allem Übel kommt ein Pater ins Spiel, dem der Mord gebeichtet wird, der aber nichts sagen will, weil das Beichtgeheimnis es so möchte.

Hervorragend! Wie der gute Kommissar beim Hauptverdächtigen im Wohnzimmer steht und sich über die selbstgebaute Hausbar freut. Lächelnd steht er da und guckt und guckt und der andere guckt auch und alle gucken ein bisschen grenzdebil und die Frage nach der Nase am frisch renovierten Tresen löst dann die Sheriffin mit einer alten Malerweisheit auf. Die getrocknete Pfütze auf dem Teppich ist natürlich Blut und keine Beize und alles ist ganz einfach, wäre, wenn da nicht noch der völlig desolate Lebensgefährte einen Boxkämpfer ausfindig gemacht hätte, der ihm noch einen Mord schuldig ist. Zu dritt, den entführten Pater im Kofferraum, machen sie sich auf den Weg, zuerst Finger zu brechen und dann den steifgefrorenen Boden mit denselben bearbeiten zu lassen. Na klar, wer ahnt es nicht: eine Grube für den Pater, der an seinem Gelübde hängt, wie sein Peiniger an der Flasche.

Herrlich! Das war so gut, dass ich den vorigen Abend fast vergessen hätte. Mir sind nur zwei Details aufgefallen, die mich stutzen ließen. Das Eine gefiel, denn wer traut sich schon nach etlichen Jahren und mehreren Neumodellen in der Zwischenzeit in einem topaktuellen Film eine gelbe Telefonzelle zu zeigen. Ja, eine gelbe Telefonzelle! Das ist so grotesk, dass ich mich schlau gemacht habe. Ich fand heraus, dass es anscheinend noch 13.000 gelbe Telefonzellen gibt (Stand: November 2010). Das Andere nervte, denn das war schon im Tatort-Double-Feature von gestern Abend so: die „jungen“ Darsteller werden von den Kommissaren immer geduzt. Dass der Pater den 18jährigen Jungen duzt, meinetwegen aber doch nicht Frau Cowboystiefelcoltamgürtel.

Das war so ein klitzekleiner Wermutstropfen, ähnlich klein wie die Tropfen, die ich mir jetzt zur Nacht in die Nase gebe. Das ist kein Hannoveraner Applaus, sondern schlichte Notwendigkeit, um überhaupt noch ein wenig schlafen zu können, ich habe nämlich eine saftige Erkältung. Gute Nacht.

Dienstag, 11. Dezember 2012

Mein Friedensnobelpreis

Max Goldt schrieb einmal*, dass die Säumniszuschläge beim Finanzamt derart hoch seien, dass man sich einerseits verkneift, den Saum beanspruchen zu müssen und andererseits bei jeder anderen Art von „Geschäft“ lieber auf solche Partner verzichten würde. Das ist mitnichten so, was jeder weiß, der schon einmal zufällig vergessen hat, sein Konto ausreichend zu decken, bevor der Mobilfunkanbieter abbuchen konnte und sich dann mit Mahngebühren konfrontiert sah, die das Prinzip der doppelten Buchführung durch die Verdopplung des Rechnungsbetrages persiflieren.

Das Selbstbewusstsein des Staates, in dieser Angelegenheit von Goldt besonders betont, ist demnach schon längst ein Privatisiertes, wenngleich die Steuern und Abgaben anscheinend keiner Firma, sondern dem Staate zukommen. Da ich die Versäumnisse des Staates hier gar nicht in seiner Gänze auslegen möchte und mich viel lieber frage, was bei all der Privatisierung denn einerseits überhaupt noch übrig ist davon und andererseits ein viel größeres Gebilde durch mehr oder weniger gute Schlagzeilen von sich reden macht, will ich doch lieber versuchen, mein „Stück vom Kuchen“ abzubekommen. Die Rede ist von nichts geringerem als dem Preisgeld aus dem Nobelfond.

Bei Günther Jauch gestern in der Sendung „Wer wird Millionär“ wurde die Frage gestellt, wer denn den Friedensnobelpreis erhielte, bzw. vom „Ansehen“ dieses Preises besonders profitiere. Als Antwort, wo ein Zuschauer aus dem Saal helfen musste – dafür nebenbei 500,- Euro kassierte – kam natürlich die EU heraus mit ihren knapp über 500.000.000 Einwohnern. Ich hätte die Antwort natürlich auch gewusst, maße mir aber nicht an, deshalb auf 500,- Euro zu bestehen. Ich würde mich schon über den kleinen Betrag von 0,00179 Cent freuen, meinen Anteil vom Preisgeld, das die EU für mich einkassiert hat. Diesen erbitte ich mir freundlichst auf mein Konto zu überweisen.

Das ist natürlich kaum zu bewerkstelligen, solch einen kleinen Betrag an jeden EU-Bürger zu überweisen. Da ich allerdings nicht daran glaube, dass sich die EU nun überhaupt aufmacht, das Preisgeld unter den Preisträgern aufzuteilen, ich sowieso für fraglich halte, ob sich jeder einzelne denn jetzt mehr oder überhaupt mit der EU identifizieren kann, könnte man ja den Anteil der Rechtspopulisten, Million- und Milliardäre, Politiker, Banker und sonstiger Leute, die es nicht nötig haben, unter den Verbliebenen Rechtsgläubigen aufteilen und käme vielleicht auf die stolze Summe von 0,01 Euro pro verbliebenen Einwohner.

Die Zahl, von der eben die Rede war, ist übrigens nicht nur deshalb gewählt, weil ich vermute, dass ca. ein Zehntel der EU-Bevölkerung einen Sch… auf die EU und das Preisgeld geben, vom Ansehen mal ganz zu schweigen, sondern weil ich vermute, dass die EU nicht in der Lage ist, mir das Geld pünktlich zu zahlen, weshalb ich den Rechnungsbetrag schlicht aufgerundet, äh mit Säumniszuschlägen versehen habe, wie sie ja von Staatseite ebenfalls in Betracht gezogen werden, sollte ich mit meiner Steuererklärung zu lange brauchen. Wie Sie sehen, mangelt es auch mir nicht an Selbstbewusstsein, aber wen wundert's, bin ich doch frischgebackener Friedensnobelpreisträger.

Unter Verwendungszweck kann die EU übrigens "Friedensnobelpreis" eintragen, damit ich die Überweisung auch zuordnen kann.

*in: Finanztantenhappen in Freiheit heißen Hering, aus: Max Goldt, Ä - Kolumnen, Rowohlt Taschenbuchverlag 2004.

Mittwoch, 17. Oktober 2012

Bewegt über Fußgänger

Ich möchte mit diesem Beitrag nicht weniger als eine neue Kategorie in meinem Blogkosmos einführen. Wie oft ich mich unflätig, ungehobelt, unpassend, also einfach unschön über Sachverhalte äußern werde, kann ich noch gar nicht sagen, es soll aber öfter vorkommen. Viel Spaß!


Lange genug hat es gedauert, dass der neue Hochbahnsteig vor dem Hauptgebäude der Leibniz-Universität, dem Welfenschloss, eingeweiht werden konnte. Doch pünktlich zum Semesterbeginn sind die Bauarbeiten abgeschlossen, und auf den weiträumig niedergetrampelten Rasen – man musste ja nicht selten Ausweichpfade einschlagen, um Baumaterial, -maschinen und -personal auszuweichen, das unvermittelt vor Einem auftauchte, für länger oder kürzer bereits festgetretenes Weggut versperrte und an Stellen, die nun weniger durch Fußgänger oder Radfahrer frequentiert wurden, die konsequente Grasabnutzung weiterführte – legt sich das fallende Laub der Linden wie eine Decke des Vergessens. Die Schuhe der Erstsemester, die in Erwartung einer feuchtfröhlichen Studiumseinführung auf dem Platz vor dem Schloss und weit darüber hinaus herumstehen, treten jetzt gerade den restlichen Rasen nieder, als wären sie die Genderbeauftragten der Schlosswiese, die besorgt festgestellt hatten, dass es noch Bereiche gab, wo das Gras grüner war als anderswo.

Aber was rege ich mich hier über den Rasen auf? Die heilige Kuh des Straßenverkehrs, der Fußgänger, der mir hier so unangenehm ins Auge sprang, wurde an gleicher Stelle auf das niederträchtigste diffamiert. Es reicht den hohen Herren der Stadtplanung nämlich nicht, die Gegend mit einem Hochbahnsteig zu verschandeln, sie sorgten darüber hinaus auch noch für eine Neuregelung des Verkehrs an dieser Stelle. Wo vorher zwei unscheinbare Zebrastreifen ihr Dasein fristeten und dem dahineilenden Studenten – entweder weil er zu spät zur Vorlesung kam oder weil er die Bahn nicht verpassen wollte – die Möglichkeit gab, sich unkonventionell mit dem Autofahrer zu einigen, dass er, der Fußgänger, im Recht sei, muss jetzt einen Schalter betätigen und eine Sparampel auslösen, die nur 2 Farben kennt.

Überhaupt ist blau – die beherrschende Farbe des Zebrastreifenhinweisschildes – aus verkehrstechnischer Sicht ein aussterbendes Gut auf Innerortens Straßen. Es wird zunehmend ersetzt durch Warnfarben, wahlweise komplett rot oder wenigstens mit rotem Rand. Die blauen Verkehrsschilder sind jetzt auf die Autobahnen umgezogen und künden dort von längst fälligen Abfahrten in einem Jahrhundertstau. Den Zebrastreifen, der übrigens in diesem Jahr, wahrscheinlich im März, seinen 60jährigen Geburtstag in Deutschland feierte, werden unsere Kinder vielleicht nur noch aus alten Kinderbüchern kennenlernen oder die Gefährlichkeit beim Überqueren desselben im Ausland erfahren. Auf Deutschlands Straßen hat man jedenfalls lange genug auf ihm herumgetrampelt, so ist mein Eindruck.

Doch warum rege ich mich denn über den verschwundenen Zebrastreifen auf? Weil diese Maßnahme den Fußgänger im Allgemeinen zu gängeln versucht, indem sie ihn zwingt, innenzuhalten und statt nur nach links und rechts zu schauen, vielleicht Blickkontakt mit einem heraneilenden Fahrzeughalter herzustellen, auch noch von ihm verlangt, sich einer Ampelschaltung unterzuordnen. Ich wäre längst nicht so entsetzt darüber, wenn es sich um eine Allerweltskreuzung handelte. Aber nein, dies ist eine ganz besondere Ampel. Hier entscheidet sich die Zukunft hunderter, wenn nicht tausender Studenten, ob sie sich auf dem Holzweg befinden oder mit voller Kraft voraus ins Berufsleben durchstarten können. Hier laufen die vereinigten Schicksale der Intelligenz von morgen zusammen, geben sich ein kurzes Stelldichein am Straßenrand, bevor sie dann in Richtung Straßenbahn oder Hörsaal verschwinden. Und wo doch der Student gemeinhin schon durch mäßig in Gang gesetzte Reformen gegängelt wird, er sich zusehends in einem Alltag wiederfindet, der absolut nichts mit „feuchtfröhlich“, sondern viel mehr mit der allseits verhassten Institution Schule gemein hat, da drückt ihm der Stadtplaner ein rotes Männchen aufs Auge, dem er sich vor Betreten der Universität ausgesetzt sieht. Rot, eine Warnfarbe allererster Güte! So, als wollte die Ampel bereits vom Studium abraten: „Geh da bloß nicht hin, die Zeit ist vergeudet!“ flüstert sie dem Studenten zu, der sich wegen einer Fristverlängerung mit dem Prüfungsamt auseinandersetzen muss, das hat seinen Sitz auch im Welfenschloss.

Deswegen rege ich mich auf. Und nicht nur deswegen. Sind Sie oder jemand anderes schon einmal mit einem Fahrrad an einer Fußgängerampel zum Stehen gekommen? Bestimmt. Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, dass es in den meisten Fällen nötig ist, abzusteigen? Dass Sie dann den Gleichen Stellplatz verbrauchen, wie vier Fußgänger? Kennen Sie viele Studenten mit einem eigenen Auto? Die Parkplatzsituation ist ein ganz anderes Blatt, darauf möchte ich hier gar nicht eingehen. Worauf es mir ankam, war die Menge an Fußgängern und Radfahrern, die gemeinhin einen Weg frequentieren, der von der Universität weg- oder zu ihr hinführt. Diese Massen stehen eingepfercht zwischen Metallgittern, die ihnen vorschreiben, nur der minimalen Öffnung zu folgen, die zu der roten Ampel führt. Stellen Sie sich das Geschubse und Gedränge vor. Es ist völlig klar, dass wir der Massentierhaltung bereits völlig abgestumpft gegenüberstehen, wir werden ja selber so gehalten! Und am Ende des Ganges wartet die freundliche Dame aus dem Prüfungsamt und sagt: “Dafür sind Sie leider zu spät, eine Fristverlängerung ist jetzt nicht mehr möglich.“ Peng, Bolzenschussgerät.

Und wissen Sie, wie lang die sogenannte „Grünphase“ an dieser Fußgängerampel dauert? Es verlangt ja niemand, dass man dabei einen Grashalm beim Wachsen beobachten könne. Aber zumindest die andere Straßenseite sollte doch erreicht werden! Als Fußgänger mit mäßiger Geschwindigkeit, womöglich beim Gang nach Canossa, dem eigenen, dem letzten Versuch Abbitte zu leisten für eigenes Versäumen, da sollte doch vor dem Betreten der heiligen Hallen des Verwaltungsapparates der Universität, der befindet sich nämlich fast komplett im Welfenschloss, ein Stoßseufzer möglich sein, ein tiefes Einatmen, ein „ich nehme all meinen Mut zusammen“! Aber nein, dem Stadtplaner ist das völlig fremd. Der hat ja selber noch studiert, als Heinrich IV. fast von einem Fuhrwerk erfasst worden wäre, damals beim Besteigen des Hügels. Es geht hier ja auch gar nicht um Investitur, sondern um Immatrikulation, da ist man dem Wohl und Wehe ganz anderer Entitäten ausgesetzt. Unfehlbar, natürlich, geduldig muss man da sein, aber doch bitte schön nicht an der Ampel!

Sie verstehen den Widerspruch? Sie haben genug? Eines habe ich noch: Duisburg. Stellen Sie sich einmal vor, an der Ampel wird wegen technischer Probleme nicht auf Grün umgeschaltet. Die Straßenbahn klingelt im Rücken, die Fußgängermassen knuffen und puffen, eine oder mehrere Fahrradklingeln ertönen, direkt daneben hupt ein Auto böse und in dem ein oder anderen Studenten pocht ein Herz so laut, dass es an den Presslufthammer längst vergangener Zeiten erinnert, als hier noch eine friedliche Baustelle vor sich hinschlummerte. Wen würde es da wundern, wenn sich hier nicht eine Massenpanik entwickeln könnte. Diesmal ohne Musik, keine Feier, kein vermeintlich schöner Anlass, sondern eine schlichtweg hässliche Szene wäre das. „Gemetzel am Scheideweg“, ich sehe schon die Schlagzeile in der Bild. „Not-Zelte vor dem Welfenschloss, Rettungswagen, Sanitäter, Seelsorger im Einsatz, und die Verantwortlichen hüllen sich in Schweigen!“

Ich für meinen Teil werde diesen Überweg in Zukunft meiden, zu viel Beton, zu viele Schranken; in den Köpfen und auf den Wegen. Da bleibe ich doch besser gleich zu Hause und höre mir die Melodie in der Warteschleife der universitären Hotline für geplagte Studenten an. Das macht zwar müde, bringt mich aber wenigstens nicht um.

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