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Mittwoch, 17. Oktober 2012

Bewegt über Fußgänger

Ich möchte mit diesem Beitrag nicht weniger als eine neue Kategorie in meinem Blogkosmos einführen. Wie oft ich mich unflätig, ungehobelt, unpassend, also einfach unschön über Sachverhalte äußern werde, kann ich noch gar nicht sagen, es soll aber öfter vorkommen. Viel Spaß!


Lange genug hat es gedauert, dass der neue Hochbahnsteig vor dem Hauptgebäude der Leibniz-Universität, dem Welfenschloss, eingeweiht werden konnte. Doch pünktlich zum Semesterbeginn sind die Bauarbeiten abgeschlossen, und auf den weiträumig niedergetrampelten Rasen – man musste ja nicht selten Ausweichpfade einschlagen, um Baumaterial, -maschinen und -personal auszuweichen, das unvermittelt vor Einem auftauchte, für länger oder kürzer bereits festgetretenes Weggut versperrte und an Stellen, die nun weniger durch Fußgänger oder Radfahrer frequentiert wurden, die konsequente Grasabnutzung weiterführte – legt sich das fallende Laub der Linden wie eine Decke des Vergessens. Die Schuhe der Erstsemester, die in Erwartung einer feuchtfröhlichen Studiumseinführung auf dem Platz vor dem Schloss und weit darüber hinaus herumstehen, treten jetzt gerade den restlichen Rasen nieder, als wären sie die Genderbeauftragten der Schlosswiese, die besorgt festgestellt hatten, dass es noch Bereiche gab, wo das Gras grüner war als anderswo.

Aber was rege ich mich hier über den Rasen auf? Die heilige Kuh des Straßenverkehrs, der Fußgänger, der mir hier so unangenehm ins Auge sprang, wurde an gleicher Stelle auf das niederträchtigste diffamiert. Es reicht den hohen Herren der Stadtplanung nämlich nicht, die Gegend mit einem Hochbahnsteig zu verschandeln, sie sorgten darüber hinaus auch noch für eine Neuregelung des Verkehrs an dieser Stelle. Wo vorher zwei unscheinbare Zebrastreifen ihr Dasein fristeten und dem dahineilenden Studenten – entweder weil er zu spät zur Vorlesung kam oder weil er die Bahn nicht verpassen wollte – die Möglichkeit gab, sich unkonventionell mit dem Autofahrer zu einigen, dass er, der Fußgänger, im Recht sei, muss jetzt einen Schalter betätigen und eine Sparampel auslösen, die nur 2 Farben kennt.

Überhaupt ist blau – die beherrschende Farbe des Zebrastreifenhinweisschildes – aus verkehrstechnischer Sicht ein aussterbendes Gut auf Innerortens Straßen. Es wird zunehmend ersetzt durch Warnfarben, wahlweise komplett rot oder wenigstens mit rotem Rand. Die blauen Verkehrsschilder sind jetzt auf die Autobahnen umgezogen und künden dort von längst fälligen Abfahrten in einem Jahrhundertstau. Den Zebrastreifen, der übrigens in diesem Jahr, wahrscheinlich im März, seinen 60jährigen Geburtstag in Deutschland feierte, werden unsere Kinder vielleicht nur noch aus alten Kinderbüchern kennenlernen oder die Gefährlichkeit beim Überqueren desselben im Ausland erfahren. Auf Deutschlands Straßen hat man jedenfalls lange genug auf ihm herumgetrampelt, so ist mein Eindruck.

Doch warum rege ich mich denn über den verschwundenen Zebrastreifen auf? Weil diese Maßnahme den Fußgänger im Allgemeinen zu gängeln versucht, indem sie ihn zwingt, innenzuhalten und statt nur nach links und rechts zu schauen, vielleicht Blickkontakt mit einem heraneilenden Fahrzeughalter herzustellen, auch noch von ihm verlangt, sich einer Ampelschaltung unterzuordnen. Ich wäre längst nicht so entsetzt darüber, wenn es sich um eine Allerweltskreuzung handelte. Aber nein, dies ist eine ganz besondere Ampel. Hier entscheidet sich die Zukunft hunderter, wenn nicht tausender Studenten, ob sie sich auf dem Holzweg befinden oder mit voller Kraft voraus ins Berufsleben durchstarten können. Hier laufen die vereinigten Schicksale der Intelligenz von morgen zusammen, geben sich ein kurzes Stelldichein am Straßenrand, bevor sie dann in Richtung Straßenbahn oder Hörsaal verschwinden. Und wo doch der Student gemeinhin schon durch mäßig in Gang gesetzte Reformen gegängelt wird, er sich zusehends in einem Alltag wiederfindet, der absolut nichts mit „feuchtfröhlich“, sondern viel mehr mit der allseits verhassten Institution Schule gemein hat, da drückt ihm der Stadtplaner ein rotes Männchen aufs Auge, dem er sich vor Betreten der Universität ausgesetzt sieht. Rot, eine Warnfarbe allererster Güte! So, als wollte die Ampel bereits vom Studium abraten: „Geh da bloß nicht hin, die Zeit ist vergeudet!“ flüstert sie dem Studenten zu, der sich wegen einer Fristverlängerung mit dem Prüfungsamt auseinandersetzen muss, das hat seinen Sitz auch im Welfenschloss.

Deswegen rege ich mich auf. Und nicht nur deswegen. Sind Sie oder jemand anderes schon einmal mit einem Fahrrad an einer Fußgängerampel zum Stehen gekommen? Bestimmt. Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, dass es in den meisten Fällen nötig ist, abzusteigen? Dass Sie dann den Gleichen Stellplatz verbrauchen, wie vier Fußgänger? Kennen Sie viele Studenten mit einem eigenen Auto? Die Parkplatzsituation ist ein ganz anderes Blatt, darauf möchte ich hier gar nicht eingehen. Worauf es mir ankam, war die Menge an Fußgängern und Radfahrern, die gemeinhin einen Weg frequentieren, der von der Universität weg- oder zu ihr hinführt. Diese Massen stehen eingepfercht zwischen Metallgittern, die ihnen vorschreiben, nur der minimalen Öffnung zu folgen, die zu der roten Ampel führt. Stellen Sie sich das Geschubse und Gedränge vor. Es ist völlig klar, dass wir der Massentierhaltung bereits völlig abgestumpft gegenüberstehen, wir werden ja selber so gehalten! Und am Ende des Ganges wartet die freundliche Dame aus dem Prüfungsamt und sagt: “Dafür sind Sie leider zu spät, eine Fristverlängerung ist jetzt nicht mehr möglich.“ Peng, Bolzenschussgerät.

Und wissen Sie, wie lang die sogenannte „Grünphase“ an dieser Fußgängerampel dauert? Es verlangt ja niemand, dass man dabei einen Grashalm beim Wachsen beobachten könne. Aber zumindest die andere Straßenseite sollte doch erreicht werden! Als Fußgänger mit mäßiger Geschwindigkeit, womöglich beim Gang nach Canossa, dem eigenen, dem letzten Versuch Abbitte zu leisten für eigenes Versäumen, da sollte doch vor dem Betreten der heiligen Hallen des Verwaltungsapparates der Universität, der befindet sich nämlich fast komplett im Welfenschloss, ein Stoßseufzer möglich sein, ein tiefes Einatmen, ein „ich nehme all meinen Mut zusammen“! Aber nein, dem Stadtplaner ist das völlig fremd. Der hat ja selber noch studiert, als Heinrich IV. fast von einem Fuhrwerk erfasst worden wäre, damals beim Besteigen des Hügels. Es geht hier ja auch gar nicht um Investitur, sondern um Immatrikulation, da ist man dem Wohl und Wehe ganz anderer Entitäten ausgesetzt. Unfehlbar, natürlich, geduldig muss man da sein, aber doch bitte schön nicht an der Ampel!

Sie verstehen den Widerspruch? Sie haben genug? Eines habe ich noch: Duisburg. Stellen Sie sich einmal vor, an der Ampel wird wegen technischer Probleme nicht auf Grün umgeschaltet. Die Straßenbahn klingelt im Rücken, die Fußgängermassen knuffen und puffen, eine oder mehrere Fahrradklingeln ertönen, direkt daneben hupt ein Auto böse und in dem ein oder anderen Studenten pocht ein Herz so laut, dass es an den Presslufthammer längst vergangener Zeiten erinnert, als hier noch eine friedliche Baustelle vor sich hinschlummerte. Wen würde es da wundern, wenn sich hier nicht eine Massenpanik entwickeln könnte. Diesmal ohne Musik, keine Feier, kein vermeintlich schöner Anlass, sondern eine schlichtweg hässliche Szene wäre das. „Gemetzel am Scheideweg“, ich sehe schon die Schlagzeile in der Bild. „Not-Zelte vor dem Welfenschloss, Rettungswagen, Sanitäter, Seelsorger im Einsatz, und die Verantwortlichen hüllen sich in Schweigen!“

Ich für meinen Teil werde diesen Überweg in Zukunft meiden, zu viel Beton, zu viele Schranken; in den Köpfen und auf den Wegen. Da bleibe ich doch besser gleich zu Hause und höre mir die Melodie in der Warteschleife der universitären Hotline für geplagte Studenten an. Das macht zwar müde, bringt mich aber wenigstens nicht um.

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Zuletzt aktualisiert: 22. Mär, 21:06

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