Auf der Packung ist eine pinkfarbene Flüssigkeit in dynamischer Plätscherei abgedruckt. Dazwischen finden sich eine Brombeere und eine Himbeere, die ebenfalls, vom Schwall der Flüssigkeit erfasst, in eine imaginäre Richtung gespült werden, die jenseits des Packungaufdrucks zu liegen scheint. Glitzerndes Rosa in der Verpackung scheint durch die Verpackung hindurch.
Ungefähr so eine Farbe hat die rote Grütze in der DDR gehabt. Beide Produkte verbindet die offensichtliche Nichtverbindung mit den auf der Packung abgebildeten Früchten, die für die rote Grütze bedeutete, dass sie nicht nach Himbeere schmeckte und nicht im Entferntesten danach aussah – der klassische Serviervorschlag, also. Der Serviervorschlag besagt nämlich nicht, dass etwas in dem Produkt tatsächlich drin sein muss, auch wenn er es suggeriert. Er besagt lediglich, dass das Produkt durch die zusätzliche Drapierung mit einem Produkt, das farblich, geschmacklich oder irgendwie anders dazu passt, optisch aufgewertet werden könnte.
Nur ist das Produkt, von dem ich hier schreibe, keine rote Grütze, die offensichtlich eines Zusatzes von wilden Beeren entbehrt. Es handelt sich bei diesem Produkt um ein WC-Reinigungsgel. Allen WC-Reinigungsgels ist gemein, dass die Inhaltsstoffe nur eine verkürzte Auflistung erfahren. Da steht nichts von Aromen oder Fruchtessenzen. Wenn Sie Glück haben, finden sie darauf den Hinweis, dass soundsoviel Prozente nichtionische Tenside enthalten sind, außerdem Duftstoffe, Farbstoffe und organische Säure, was auch immer das bedeuten mag. Niemand kann wissen, ob da tatsächlich Himbeeren drin sind oder lediglich ein Bild davon auf der Verpackung abgedruckt ist.
Das Schlimmste daran ist, dass es sich bei dieser Verpackungsverschönerungsmaßnahme noch nicht einmal um einen Serviervorschlag handeln kann. Aus mehreren Gründen:
1. Das Produkt ist definitiv nicht zum Verzehr geeignet.
2. Die Himbeere erfüllt darüber hinaus auch nicht den Zweck, ein Produkt, in dem keine Himbeeren vorkommen, so aussehen zu lassen, als würden welche darin vorkommen.
3. Die Himbeere wertet das Produkt, das keine Himbeeren enthält, nicht auf. Das habe ich ausprobiert. Leider war es nur eine Tiefkühlhimbeere.
4. Das Produkt stinkt, wie solche Produkte eben stinken, ob mit oder ohne Himbeere. Gehen Sie bloß nicht so nah ran, davon kann einem schlecht werden.

Tochter: "Guck mal, ich habe eine Kackwurst gemacht."
Sohn: "Oh, Schön."

Die liebe Frau tikerscherk hat dazu aufgerufen und ich hatte gerade einen Stift da.
Klick mich für größer!
Heute Morgen war ich beim Arzt. dort hatte ich keinen Termin und wartete trotzdem nicht einmal fünf Minuten. Das war schon erstaunlich, weil das Wartezimmer total voll war. Als ob der Arzt geahnt hätte, dass ich wegen etwas ganz anderem zu ihm gekommen war. Ich wollte nämlich eine Krankschreibung. Ich bin krank. Ich habe Schnupfen, Husten Heiserkeit, Gliederschmerzen, kein Fieber und keine Konzentrationsstörungen. Aber genau das schrieb er mir noch dazu.
Ich musste nämlich den Abgabetermin meiner Masterarbeit verlängern. Sieben Tage habe ich von ihm bekommen. Wobei es mir gar nicht um diese sieben Tage ging. Das Ganze ist noch ein klein wenig komplizierter: Ursprünglich sollte meine nämlich Arbeit morgen fertig sein. Aber die widrigen Umstände zwangen mich dazu letzte Woche beim Prüfungsamt vorzusprechen, und zu fragen, wie es sich denn mit einer Verlängerung so grundsätzlich verhält.
Wie immer wurde ich mit Namen begrüßt, mir wurde noch ein frohes Neues Jahr gewünscht und alle kamen vorbei, um zu gucken, wer denn da jetzt aufgetaucht sei. Ich habe ja noch eine Matrikelnummer, die bald schon wieder vergeben werden wird, weil die Zahlenkombinationen nach einem Turnus, der durch sieben Zahlen bestimmt wird, wieder von vorn beginnen müssen, wenn die Zahlen das obere Ende der Skala erreichen. Vielleicht hängen sie aber auch eine Zahl dran; dann nicht. Wer weiß das schon. Ich finde es jedenfalls nicht mehr heraus. Ich will ja fertig werden, nur nicht morgen.
Die Dame war sehr nett und sagte, das wäre überhaupt kein Problem. Ich müsse nur einen formlosen Antrag stellen, den meine Dozentin gegenzeichnet, am besten würde sie gleich den Antrag stellen, dann reicht sie ihn ein und schon habe ich zwei Monate dazu bekommen. Ich will hier niemand diskreditieren oder die laxen Bestimmungen verhärten, die so etwas möglich machen, deshalb sage ich jetzt nicht, wie genau das geht, aber es geht. Einfach so.
Meine Dozentin hat noch am gleichen Tage eine Email geschickt und alles war gut. Das wusste ich nur nicht, weil ich das Original des Antrages noch einzureichen hätte, sagte mir die nette Dame noch. Und weil ich das erst heute konnte, weil ich meine Dozentin erst heute in der Sprechstunde zu sehen bekommen sollte, holte ich mir vorsorglich einen Krankenschein für sieben Tage.
Mein Arzt hatte sogar den Vordruck unserer Uni in seiner Schublade und füllte mir den Schein gleich aus. Mit Namen, Anschrift, Geburtsdatum und Symptomen. Die fragen nie nach Krankheiten, die wollen immer Symptome, sagte er mir und schrieb noch Fieber und Konzentrationsstörungen hinzu. Dann könne ich nicht schreiben, meinte er noch. Stempel drauf und fertig war der Schrieb.
Als ich damit dann beim Prüfungsamt auftauchte, sollte ich auch dort noch einen Antrag stellen, dass ich mit diesem vom Arzt ausgefüllten Antrag den Antrag stelle, meine Abgabefrist um sieben Tage zu verlängern. In Ermangelung eines Blattes Papier – wer ahnt denn sowas – ließ ich mir eins geben – Stifte hängen da ja am Schreibtisch an einer Schnur festgemacht – und schrieb, was sie mir diktierte.
Sie ging derweil nach hinten und wollte die Kollegin fragen, bei der ich letzte Woche war, ob es noch etwas gäbe, was ich vielleicht außerdem noch einzureichen hätte, aber ich hörte schon hinter der Trennwand das Gespräch und das alles in Ordnung sei. Sogar meine zweimonatige Verlängerung sei schon eingetragen, nur noch nicht offiziell bestätigt, weil das Originaldokument noch nicht da sei. Das wollte ich heute Nachmittag abholen, sagte ich.
Und jetzt habe ich mir diese Geschichte abgekrampft, obwohl die Fingerkuppe meines linken Ringfingers aufgerissen ist und jeder Buchstabe, den ich mit dem Finger schreibe, ein kleiner Stich ist, der mir durchs Mark geht. Ich schreibe ungewöhnlich viele Buchstaben mit dem linken Ringfinger, das war neu.
Wenn das Wochenende seinem Höhepunkt entgegenfieberte, also ab 13:30 Uhr an einem Samstag, nach einer durchpubertierten Nacht, da können schon mal solche Zettel auf dem Schreibtisch liegen.
Wenn wir freitags zur Eine-Mark-Party im Mekka waren, den Kopf total zugekleistert mit einem billigen Martini-Ersatz, dann bin ich am Folgetag nie vor eins aus meinem Zimmer gekrochen. Meine Mutter hatte dann schon mehrmals aus Versehen mit dem Staubsauger gegen meine Tür gehauen. Der blöde Köter hatte mindestens einmal direkt neben meiner Tür ein Gebell angestoßen und entweder mein Bruder oder meine Schwester haben die Nachbartür zum Zimmer meines Bruders zuknallen lassen.
Aber ich war ein ausdauernder Ignorant, noch heute kann ich bei fast jedem Geräusch schlafen, wenn ich total betrunken bin. Ich bin sogar mal bei einem Konzert auf einer Lautsprecherbox eingeschlafen. Bestimmt gibt es davon irgendwo ein ganz furchtbar kompromittierendes Foto. Für so etwas hatte ich auch schon immer ein Talent.
Einmal kam ich in die Klasse, es waren Ferien gewesen, davor waren wir auf Klassenfahrt, in Italien, und alles steht im Kreis und lacht. Nichtsahnend stelle ich mich dazu, mit einem Grinsen im Gesicht, das mir sogleich einfror. Naja, ich habe Haltung bewahrt und gute Miene zu bösem Spiel gemacht, denn auf den Fotos war ich, nach einem billigen Martini-Ersatz den Schlaf der Gerechten schlafend, mit Lippenstift bemalt und komplett in Klopapier eingewickelt. Wie die das gemacht haben, ist mir bis heute ein Rätsel. Die müssen mich dafür ja irgendwie gedreht haben.
Immer häufiger, wenn ich abends vorm Spiegel stehe und mir die Haare aus der Stirn streiche, fallen mir dabei ein paar Haare aus. Die liegen dann im Waschbecken wie gefallene Kameraden, bevor ich sie mit dem Wasserstrahl ins Jenseits befördere.
Außerdem ist da dieses kleine Härchen, oft hoffnungslos zerknickt und verzottelt, halb so lang wie die übrigen Haare, einsam auf weiter Flur inmitten der größer werdenden Geheimratsecken und steht seinen Mann. Da inspiziert der kleine Napoleon die Schlachtreihe und versucht die Moral der Truppe aufrecht zu erhalten, bevor es in die finale Schlacht geht, denke ich. „Ruhe im Glied!“, ruft er und kann sich selbst kaum gegen meine Hand erwehren. Nur weil er so klein ist, entgeht er meiner oft geübten Geste.
Früher trug ich die Haare ja nicht in der Stirn, da trug ich sie nach hinten weg. Da waren die Geheimratsecken keine Ecken, sondern Eckchen. Wenn ich zum Friseur kam, wurde am Schluss noch eine stumpfe Schere genommen und großflächig ausgedünnt. Sehr feines Haar und unheimlich viel. „Mann, sind das viele!“, sagte mal ein Friseur. Da war ich richtig stolz drauf.
Kurz bevor es zu spät war, trug ich sogar noch ein einziges Mal einen Pferdeschwanz. Schulterlanges, leicht gewelltes Haar, in straßenköterblond. Die Eckchen waren schon zu Eckerchen angewachsen, mokierten sich über meinen Stil und krochen dabei langsam aus ihrem Versteck. Eckerchen wie Meckerchen, das Haar in der Suppe.
Als ich noch ein kleiner Junge war, stand ich in weinerlichem Ton vor dem Spiegel und wollte nicht in den Kindergarten, weil ich einen Stietz hatte. Wenn man so wie ich mehr als einen Wirbel am Hinterkopf trägt, konnte das schonmal vorkommen, dass sich so ein vorwitziger Rekrut in Richtungen verabschiedete, die für das Heer nicht vorgesehen war. „Ruhe im Glied!“, hätte ich dann am liebsten gebrüllt aber es kam nur ein Fiepen mit ein paar Tränen und vielleicht ein kleines Stämpferchen mit dem rechten Fuß. Gegen diese Deserteure war kein Kraut gewachsen, da half keine Spucke, selbst die von Mutti nicht, kein Kämmen und kein Zuckerwasser. „Setz‘ doch ´ne Mütze auf“, sagte dann meine Mutter und für sie war alles geklärt.
´Ne Mütze! Als ich beim Bund war, kurze glattgekämmte Haare trug, schwarz gefärbt inklusive schwarzem Hautrand, weil selbstgemacht, da hatte ich ´ne Mütze. Tarnfleck und mindestens zwei Nummern zu klein. Wenn ich die abnahm, trug ich danach immer noch Mütze, weil sich darunter ein Vogelnest gebildet hatte, dessen Rand den ehemaligen Rand der Mütze markierte. Der ging tagelang nicht weg. Da hat man am Wochenende frei und kommt nach Hause und hat immer noch Mütze auf. Nicht umsonst erinnert der Gruß beim Militär ans Mütze lupfen. Nur dass ich eben keine aufhatte.
Nee, ein Mützentyp bin ich nicht, werde ich wohl auch nie sein, obwohl mir der Wind jedes Jahr kälter vorkommt. Vom Klimawandel hat mein Schädel noch nichts mitbekommen. Wenn´s mir zu bunt wird, trage ich Kapuze.
Irgend so ein Komiker hat mal Ende der Neunziger einen Witz in seinem Programm gehabt, dass ihm das Haupthaar ausfiele und auf dem Rücken wieder anwachse. Wie ich da gelacht habe. Jetzt lache ich nicht mehr. Zupfe mir die Haare vom Rücken. Aus den Ohren. Vom Ohrläppchen. Aus der Nase. Aber Bart? Fragen Sie bloß nicht danach!
Gestern habe ich einen Teil meiner vom Korrekturlesen zurückerhaltenen Masterarbeit bearbeitet, mit Bleistift, weil ich im Theater am Arbeiten war und nicht zu Hause am PC, da fiel mir ein Ausdruck auf, den ich wohl aus einer anderen Arbeit einfach so übernommen habe. Nicht nur einmal, sondern mehrmals.
Es handelt sich dabei lediglich um ein Wort, von einem Plagiat zu sprechen lohnte sich also nicht, nur merkwürdig erschien es mir trotzdem, weil es sich nach mehrmaliger Lektüre plötzlich falsch anhörte. Es ging um das Verb selegieren, was nichts anderes bedeutet als auswählen. Das Substantiv dazu nennt sich Selektion, weshalb auch selektieren nicht falsch wäre. Theoretisch ginge sogar seligieren, denn es geht, soweit ich weiß, auf lat. seligere zurück.
Was macht man denn mit so einer Vokabel? Mit solchen Vokabeln?