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Bei den Leisen Tönen. Manchmal braucht es einen Blog, um sich Luft zum Denken zu verschaffen. Keine Steckenpferde, Hobbies oder sonstiges Spezielles, nur Luft zum Denken.

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Dienstag, 28. Januar 2014

In der Steinzeit oder kleine Anatomie des Ohrs

Ich surfe ja gar nicht viel. Hin und wieder mache ich mal eine Seite auf, dann lese ich in irgendwelchen Blogs herum, das Kommentieren habe ich mir gar nicht erst richtig angewöhnt wegen der Wurstigkeit meiner Fingerspitzen. Ich habe einen Vertrag mit einer Miniflatrate (300MB), danach wird gedrosselt. Heute ist immer noch Januar und die Drosselung ist mir eben bekannt gemacht worden. Aufgehoben wird sie am 15.02.2014!

Schuld an dieser Reise zurück in die Steinzeit ist mein Smartphone. Ich kenne mich damit nicht aus. Mein Smartphone weiß das und drangsaliert mich deshalb ständig mit nie zuvor gesehenen Bildschirmmasken, auf denen man Dinge einstellen kann, die nie ein Mensch brauchen wird. Aber eigentlich bin ich auch selbst schuld, ein bisschen zumindest.

Beim Telefonieren, just in dem Augenblick, wo ich nichts weiter will, als in eine Muschel sprechen und aus eben dieser Muschel einen Ton zu hören, komme ich mit meinem Ohrläppchen auf irgendeine nicht existente Taste dieser mir ans Ohr gehaltenen Muschel und das Gespräch ist beendet. Aufgelegt. Nicht dass mein Ohrläppchen (lat. Lobulus auriculae) sonderlich groß wäre, nein, ich gehöre sogar zu der in der Welt rückläufigen und stark in der Minderheit seienden Gattung des angewachsenen Ohrläppchens. Ein Ohrring durch mein Lobulus würde ungefähr so fremd wirken wie ein Vorhängeschloss an einem Brückengeländer. Mein Ohrläppchen kann aber ein Gespräch unterbrechen.

Meine Ohrmuschel (lat. Auricula auris) kann noch mehr. Läuft das Gespräch wider Erwarten doch an, dann komme ich mit der oberen Knorpelmasse (lat. Helix) in einen Bereich des Displays, der für hochsensible Dinge zuständig zu sein scheint. Regelmäßig nach Beendigung eines Gesprächs werde ich der Sache gewahr, jetzt die Zeit in Tokio oder Moskau angezeigt zu bekommen. Oder ich habe plötzlich keine 24 Stundenzeitanzeige mehr, sondern nur noch eine 12-stündige mit Angabe von am und pm. Ich wundere mich darüber nicht mehr. Ich habe mittlerweile gelernt, wo diese Dinge einzustellen sind, damit kann mich mein Smartphone nicht mehr ärgern.

Manchmal kommt mein verlangtes Gespräch aber gar nicht zustande. Dann hat meine Helix den Flugmodus aktiviert. Der Bildschirm sagt mir das aber nicht sofort, nein, er zeigt mir einen minutenlangen Wählzeitraum an, so dass ich das Telefon gezwungener Maßen vom Ohr vor das Gesicht halten muss und umgekehrt und noch einmal und wieder zurück. Das machen sonst nur Hundertjährige, die sich zum Skat verabreden wollen. Die stehen dann an Haltestellen und brüllen: „Hallo? Hallo?“, dann gucken sie auf ihr Display und halten sich ihr Telefon im Flugmodus erneut ans Ohr: „Hallo? Herbert? Ja, ich bin gleich da. Was? Nein! Was, ich kann dich nicht hören, die Straßenbahn…, was? Nein, ja, bis gleich.“ Man selbst befindet sich bei solchen Gesprächen immer mindestens 50 Meter weit weg, also direkt daneben.

Mein Telefon hat rechts drei Tasten. Damit kann man willentlich die Lautstärke des Geräts verstellen. Unwillentlich, also über gewisse Tastenkombinationen, die nur während eines Gesprächs funktionieren, die ich aber nicht kenne, kann man wahlweise das gerade geführte Gespräch oder aber das komplette Internet aufzeichnen. Während ich mich während des Gesprächs der richtigen Lage und Position meiner Ohrmuschelbestandteile versichere und gegebenenfalls die Haltung meines Telefons austariere, komme ich regelmäßig mit meinem Daumen zu nah an diese Tasten. Dann piept es plötzlich und auf dem Display steht dann so etwas wie: Der Speicher ist voll. Toll. Das Gespräch ist beendet, ich habe stattdessen eine Kopie vorliegen, ähnlich dem eben Geschilderten oder eine Kopie des Internets, die sich in irgendeinem Dateiordner jenseits des Regenbogens befindet.

In der Steinzeit hat man zum Zwecke der Fernkommunikation immer ein Wurfgerät dabei und stellte man dieses auf Flugmodus und hatte man denjenigen dann damit am Kopf getroffen, so konnte man sich der uneingeschränkten Aufmerksamkeit sicher sein. Da bin ich also wieder angelangt, in der Steinzeit.

Montag, 27. Januar 2014

Regen auf Raten

Mich plagt seit ein paar Tagen eine leichte Erkältung, die sich ähnlich verhält wie dieses vermaledeite Wetter. Mal ist es saukalt, es schneit wie die Hölle und der Atem gefriert kurz nach dem Verlassen der Mundhöhle und nur wenige Stunden später ist es plötzlich plusgradig, die Sonne scheint und es beginnt überall zu tauen. Ich habe ja nichts gegen Schnee, wir waren Rodeln mit den Kindern. Ich habe meinen Sohn die kleinen Hügel Lindens hinunterstürzen sehen, freihändig, immer bereit den möglichen Sturz abzufangen, den er mit konsequentem Festhalten ebenso verhindern könnte. Ich habe ihn immer wieder den Berg hinauf gezogen, mir war dann auch gar nicht mehr kalt. Die Erkältung war dann wie weggeblasen, es machte sogar Spaß. Und dann das: es taut, es tropft, Matschepampe auf Straßen, Gehwegen und letztlich an den Schuhen, in den Schuhen, durch die Strümpfe, Eiseskälte.

Ich vermisse da eine gewisse Kontinuität und Beständigkeit, ein entweder ist es jetzt vorbei oder ein wir frieren jetzt noch einen Monat lang. Aber diesen Regen auf Raten gepaart mit einer launigen Erkältung, dafür habe ich kein Verständnis.

Freitag, 24. Januar 2014

Klausur, Klappe die Erste

Habe gestern meine erste von 4 Klausuren geschrieben. Mit der ersten Aufgabe begonnen, die wusste ich. Dann habe ich rumgesessen und auf die Blätter meiner Sitznachbarn geschielt.

Es wollte mir partout nichts einfallen. Irgendwann war die Hälfte der Zeit um und ich hatte zu jeder Aufgabe einen ersten Satz geschrieben. Außer bei 1, die wusste ich. Bei Aufgabe 3 zum Beispiel schrieb ich, dass das ES nach Freud die Triebe sind. Wir sollten skizzieren, was das ES bei Freud und bei Parsons sei. Zu Parsons wusste ich nichts. Ich hatte mittlerweile gemerkt, dass die Leute um mich herum auch nichts wussten. Ich wollte schon schreiben: "Bei Parsons ist es etwas anders. Ich weiss nur gerade nicht wie.", als mir noch was einfiel.

Ich schrieb noch jeweils zwei bis drei weitere Sätze zu den verbliebenen Aufgaben und gab dann auf. Es hatte keinen Sinn. Ich schrieb extra undeutlich, um möglichst viel Raum für Interpretation zu lassen. Es war erbärmlich.

Mittwoch, 22. Januar 2014

absurdsten

Ich saß gerade im Auto und fuhr auf den großen Parkplatz der Metro ein, als mich ein Beitrag auf D-Radio Kultur im Auto verharren ließ. Es ging um die neue CD von Jeremy Scahill mit dem Titel „Schmutzige Kriege“. Das 6. Studioalbum des Künstlers wartet mit gut arrangierten, eingängigen Songs auf, eine Mischung aus 60er und 90er Pop. Die Songs handeln unter anderem von Todeslisten, die Obama jeden Dienstag zum Abzeichnen vorgesetzt bekommt oder auch mal von einer Hochzeit im Jemen, bei der zwei schwangere Frauen von Spezialeinheiten erschossen werden. Um eine Aufklärung des Verbrechens zu erschweren, schnitten diese auch noch die Projektile aus den Leichen heraus. Die CD ist bei Lojinx erschienen und kostet 16,49 €.

Gleich im Anschluss wurde das neue Buch von Brendon Banson besprochen. Sein voriger Titel, gut recherchiert und ebenso gut belegt, versammelte schöne Texte und Bilder in sich und auch die Erwartungen an das neue Werk mit dem Titel „You were right“ waren demnach hoch. Zwar konnte Banson seine Kritiker bislang immer überzeugen, allerdings dankte es ihm die Leserschaft nicht so, wie er es verdient hätte. Mehr als die zweite Reihe, trotz einigen Potentials, das ihm der Moderator bescheinigte, würde es wohl auch mit dem neuen Titel nicht werden. Das Buch ist bei Kunstmann erschienen und 29,95 €.

Dazwischen erklang ein Jingle.

Sonntag, 19. Januar 2014

James Thurber

Durch Zufall geriet ich an diesen Kauz, der in einem knallgelben Umschlag steckte, irgendwo in der Humorabteilung der einzigen Bibliothek, die ich kannte. Die Humorabteilung bestand aus genau einem Regal, das fünf oder sechs Fächer hatte mit einer Breite von ca. einem Meter, und dass ich darin James Thurber fand, verdanke ich dem Umstand, dass auf dem Buchrücken, der wie gesagt in einem gelben Schutzumschlag steckt, ein Stern über und unter dem Buchtitel steht. Die Anordnung des Schriftzugs ist waagerecht, für einen Buchrücken nicht gerade üblich, und den Namen und Titel mit Sternen einzufassen auch nicht. Mich erinnerten diese Sterne an drei andere Sterne, an Bücher aus dem gleichen Verlag, Verlag Neues Leben Berlin. Sie stehen allerdings auf dem Cover in einer Art Plakette, die schwarz gehalten und neben den drei Sternen das Attribut „SPANNEND ERZÄHLT“ enthält.

Ich war gerade in der elften Klasse. Ich las, nein ich verschlang Fantasy und Science Fiction in Massen, die nicht gesund sein konnten. Ich las im Unterricht, in den Pausen, im Bus, im Bett, überall. Und dann sollten wir ein Buch vorstellen im Deutschunterricht und mir fiel keines ein. Ich hatte annähernd 30 Bände von Karl May gelesen, ich kannte die Shannara-Reihe, Das Schwarze Auge, Alan Dean Fosters „Die Denkenden Wälder“ hatte ich schon dreimal verschlungen und keines dieser Bücher wollte ich vorstellen. Darauf warteten doch alle, dass ich mich mit so einem Schund lächerlich machte. Nein, das ging nicht. Und dann gab es da einen in der Klasse, der ähnlich uncool war wie ich, ein netter Kerl, ist heute, glaube ich, Apotheker oder sowas, den hörte ich von Kishon sprechen. Er hatte sich ein Buch von dem genommen, hatte gemerkt, dass das alles nur Kurzgeschichten waren und sich davon einfach eine herausgepickt, die er dann vorstellen wollte. Der hatte nicht einmal das ganze Buch gelesen. Das wollte ich auch.

Also ging ich in die Bibliothek und traf in der Humorabteilung James Thurber. Auf der rechten Innenseite des Schutzumschlags ist er abgebildet. Er sieht auf dem Bild ein wenig kränklich aus, er sieht aus, als würde er von zu Hause aus im Büro anrufen und mit verstellter Stimme sich selbst zu sprechen verlangen, und wenn man ihm dann sagte, er wäre nicht da… Ach, lesen Sie es selbst nach. Es gibt ja schließlich auch eine westdeutsche Ausgabe. Die hat sogar zwei Vorworte, eins von einem gewissen Reinhard Lettau und das andere stammt von Thurber selbst und steht auch in der ostdeutschen Ausgabe drin. Ich habe beide Ausgaben, nur so, weil ich sie eben habe. Die westdeutsche ist ein ehemaliges Bibliotheksexemplar, welch Ironie, und die ostdeutsche habe ich in einem Antiquariat irgendwo in der ostdeutschen Provinz erstanden.
Warum erzähle ich das alles? Ich habe gerade „Das erstaunliche Leben des Walter Mitty“ gesehen. Typisch amerikanisches Popcornkino. Ein bisschen Action, ein wenig Romantik, tolle Schauspieler, tolle Dialoge, tolle Bilder, toller Film. Die Geschichte dazu lieferte, haha, James Thurber. Das ist natürlich nicht ganz richtig, denn die Kurzgeschichte liefert einen ganz anderen Walter Mitty, vielleicht den Walter Mitty des Films in ca. 30 Jahren, nach einer langen ermüdenden Ehe mit einem Mann, der einfach mal eben abschaltet und sich in eine Traumwelt verzieht. Die Kurzgeschichte ist viel besser als der Film. Das Buch, „Lachen mit Thurber“, ist grandios, dagegen hat dieser Film, auch wenn er ziemlich gut ist, keine Chance.

Als ich im Unterricht dann dieses Buch vorstellen sollte, musste ich natürlich auch etwas aus dem Buch vorlesen. Ich wählte die Geschichte „Neun Nadeln“ aus, unverfilmbar. Den Vortrag musste ich nach 5 Minuten abbrechen, weil ich mit dem Lachen nicht aufhören konnte. Niemand sonst lachte, das stachelte mich noch mehr an. Ich lachte und lachte. Meine Deutschlehrerin unterbrach mich irgendwann, nachdem ich mehrmals versucht hatte, weiterzulesen. Sie sagte, dass es gut sei, während ich lachte. Ich kicherte den ganzen lieben langen Tag. Immer wieder brach ich in Gelächter aus. Ich saß in einer Unterrichtsstunde und plötzlich musste ich lachen. Auf dem Schulhof, auf dem Nachhauseweg, wenn mir jemand entgegenkam, versuchte ich zumindest die Mundwinkel einzuziehen, ich hielt mein Gesicht fest, als ob ich mir über die frische Rasur streichen wollte, dabei wollte ich nur mein Gesicht festhalten. Ich habe doch gar keinen Bart. Dann musste ich genau daran denken, an den Bart, an die neun Nadeln, an die Rasur, die in der Geschichte so dermaßen schief geht und ich schnaufte mir den Rotz auf den Handrücken vor Lachen, weil ich mir ja den Mund zuhielt. Mir liefen die Tränen, ich wischte sie beiseite und hielt mein Gesicht fest. Ich versuchte alles festzuhalten. Mein Bauch, ich bekam kaum noch Luft, so sehr lachte ich. Dann ging es wieder kurzzeitig, bis zum nächsten Ausbruch.

Ich las nicht nur diese eine Geschichte. Ich lachte bei keiner anderen Geschichte soviel wie bei dieser einen, obwohl da noch andere Lacher drin sind, „Der Admiral auf dem Fahrrad“, „Der Bordstein im Himmel“ oder „Das Geheimnis um den MacBeth Mord“. „Walter Mitty“ hatte ich sogar vergessen, bis der Film in die Kinos kam. Ich las das ganze Buch. Ich habe kein anderes Buch von Thurber gelesen, ich habe mich nie darum bemüht, eins zu finden. An einer Stelle im Film sagt Sean Penn so etwas wie, manchmal betätige er den Auslöser seiner Kamera gar nicht, wenn ihm der Moment so gefällt, wie er ist, also wenn der Moment ihm persönlich gefällt, dann würde die Kamera zu bedienen den Moment nur zerstören.

Freitag, 17. Januar 2014

Vorher-Nachher

Was macht man denn so, wenn man in der Requisite arbeitet? So lange wie die Vorstellung läuft, im Idealfall, nichts. Vorher hat man jedoch einiges zu tun. Man könnte zum Beispiel Aktenordner platzieren oder Blumen einpflanzen.



Wenn dann alles fertig ist, könnte das Bühnenbild so aussehen.

Dann folgt die Vorstellung. Es wird geschrien, gesungen, gelacht, geraucht, gerauft, geschossen und mit dem Beil zerhackt, was gerade so da ist. Dann wird alles ineinander geworfen und mit Erde beschmiert, neu gestapelt und wieder zerstört, bis sich kein Stück mehr dort befindet, wo es anfangs gelegen hat.


Dann kommen wir wieder ins Spiel und drehen die Uhr auf Anfang zurück.

Mittwoch, 15. Januar 2014

HP2

Gestern Abend habe ich zum ersten Mal einer HP beigewohnt. Um genauer zu sein, war es sogar eine HP2. Wissen Sie was eine HP2 ist? Ich weiß es auch nicht. Es gibt ja in fast jedem Berufszweig ein gewisses Vokabular, das man sich anzueignen hat, wenn man mitreden möchte. Bei der Bundeswehr haben sich die StUffze und Uffze zu Beginn einer Ausbildung immer einen Spaß daraus gemacht, einen unliebsamen Rekruten durch die Kaserne zu jagen, um ihn den Schlüssel für den Verfügungsraum holen zu lassen. Diese Rallye war mit unaufhörlichem Grüßen und Gegengrüßen, Salutieren und Meldung machen verbunden. Am Ende stand man dann am Tor bei der Wache und wurde nicht mehr nur belächelt, sondern endlich darüber aufgeklärt, was denn dieser gottverdammte Verfügungsraum überhaupt sei, nichts anderes natürlich als die Kaserne selbst. Mich hat man nie losgeschickt, um den Schlüssel zu holen, ich kenne nicht einmal einen, den sie losgeschickt hätten, vielleicht fällt das Ganze unter die Rubrik moderne Volkssagen, vielleicht ist es nicht einmal dafür geschaffen, so blöd ist das.

Im Sommer arbeite ich immer mit einer Flugbegleiterin zusammen am Strand. Die hatte einmal eine Zeitschrift ihres Arbeitgebers dabei. Ich blätterte darin herum und fing an zu lesen. Es wimmelte nur so von Fachbegriffen und Abkürzungen, ich verstand den Text nur mit Mühe und Nachfragen. Und jetzt nach mehreren Jahren Theaterjob kommt mir ein HP2 unter. Hauptprobe vielleicht? Ich traute mich nicht zu fragen, was, in Anbetracht meiner Erfahrungen und dem eigentlichen Zweck meiner Arbeit, nämlich nicht alles wissen zu müssen, sondern nur dafür zu sorgen, dass alles an seinem Platz ist, mich nicht weiter beunruhigte. Neugier ist der Katze Tod, sagt man, oder Neugier ist des Rekruten Sport, könnte man auch sagen. Wie auch immer.

Es war wie eine echte Aufführung des Stückes; mit Kostümen, voll möblierter Bühne nebst Requisiten, mit nur einem verpassten Einsatz. Ansonsten lief alles glatt. Die Bühne ist ein Durcheinander aus Aktenschränken, Europaletten, Zetteln und Akten. Alles wird ineinander geworfen, verzettelt, mit Kaffee übergossen und mit Dreck beschmiert. Ich konnte mich kaum auf das Stück konzentrieren, weil ich immer nur die Arbeit sah, die im Anschluss auf mich zukommen sollte. Wüsste ich, was eine HP2 ist, wollte ich wissen, was eine HP2 ist, so säße ich wahrscheinlich in einer hinteren Reihe und würde zu Beginn und am Ende Anweisungen schreien müssen, ich würde nervös auf und ab gehen und mir den Kopf zermartern wegen einer Szene und ihrer Beleuchtung. So saß ich in der ersten Reihe und bestaunte das Chaos.

Niemand hat geklatscht am Ende. Mir war sowieso nicht danach und den wenigen Zuschauern wohl auch nicht. Vielleicht bringt das ja Unglück. Vielleicht klatscht man nicht bei einer HP2.

Sonntag, 12. Januar 2014

Nirgendwo bellte ein Hund

Gestern saßen Trithemius und ich bei einem oder zwei Bieren zusammen. Wir sprachen gerade über Kitsch im Roman. Die Unterhaltung verlief schleppend, weil ich mich ein wenig schlapp fühlte. Ich sprach darüber mit Trithemius und er empfahl mir eine Pause. Seine Devise sei, Sitzen, Aufstehen, Gehen und wieder Sitzen. Ohne Pause komme niemand vorwärts. Aha, dachte ich, und beschloss, eine Pause zu machen. Ich wusste nur noch nicht wovon, ich saß ja schon.

Irgendwo bellte ein Hund, rief Trithemius plötzlich und sprang mit einem Satz, den nur ein ausgeruhter Schäferhund unternehmen kann, von seinem Sofa. Er ging ein paar Schritte, genaugenommen bis zu seinem Bürostuhl, und setzte sich vor den leuchtenden Monitor. Aha, dachte ich schon wieder und fasste keinen Entschluss. Er tippte ein paar Zeilen auf der Tastatur und rief mich dazu. Ich solle mir das einmal ansehen.

„Irgendwo bellte kein Hund“, titelte es auf der Archivseite der Titanic. Es ging um spezielle Formulierungen, die für bestimmte Stimmungen stehen, die ausgerechnet und immer wieder mit der gleichen Phrase untermalt werden. Diese Phrase lautet: „…irgendwo bellte ein Hund.“ Ich schaute ihm über die Schulter und er googelte noch ein paar lustige Ergänzungen. Da gab es zum Beispiel einen Typ im Netz, der in mehreren Literaturforen immer den gleichen Thread aufmachte, in dem es um genau diese Formulierung ging. Ich vermutete deshalb, dass es sich um ein und dieselbe Person handelt, weil sowohl der Wortlaut als auch der Nickname der Person haargenau der Gleiche ist.

Eine kurze Recherche über das Alter des Artikels in der Titanic und das Alter der jeweiligen Foreneinträge ergab, dass der Artikel in der Titanic definitiv eher erschienen ist. Autor des Einen muss demnach nicht unbedingt Autor des Anderen gewesen sein, jedoch ist stark davon auszugehen, dass der Autor der Forenbeiträge Leser des Autors des Titanic-Artikels war. Bevor wir uns aber zu tief in forensische Analysen vertiefen, womöglich noch zugeben müssen, dass es sich gar nicht um einen Serientäter, sondern um Trittbrettfahrer oder um mehrere völlig verschiedene Einzeltäter handelte, die aus lauter Langeweile voneinander abgeschrieben hatten, um jeweils einmal in ihrem Leben einen möglichst originellen Thread in einem Literaturforum beizusteuern, hören wir an dieser Stelle lieber auf.

Womöglich war das auch nur ein Test, wie oft diese Formulierung tatsächlich in der Literatur zu finden ist, denn der oder die Autoren der Forenbeiträge gaben immer nur die gleichen drei Bücher an, von denen ich leider keines besitze oder gelesen habe, um nachzuprüfen, ob das tatsächlich darin steht. Nicht selten jedoch kam es vor, dass die Mitleser der jeweiligen Literaturforen gar nicht verstanden, worum es dem Ersteller ging, fröhlich berichteten sie von irgendwelchen Hunden, die bellten, pupsten oder mit den Zähnen knirschten. Aber wir wollten ja eigentlich aufhören, hören wir also auf.

Ich saß mittlerweile auf dem Bürostuhl und Trithemius war zur Couch zurückgekehrt. Nirgendwo bellte ein Hund, das Bier war alle und meine Laune auch. Ich ging zurück zum Sessel und atmete schwermütig in die Luft. Trithemius, der sich wirklich bemühte, mir den Abend noch irgendwie angenehm zu gestalten, sprang erneut vom Sofa auf, ging ein paar Schritte und setzte sich erneut vor seinen Rechner. Diesmal wollte er mir etwas anderes zeigen. Ich ging also hinüber und sah ihm über die Schulter. So ging das noch ein paarmal. Bis ich vom vielen Laufen und Stehen und Gucken ganz müde geworden war. Ich fasste den Entschluss, nach Hause zu gehen und vielleicht noch ein wenig zu lesen, einen Kitschroman vielleicht. Vielleicht könnte ich dann von einem Hund lesen, der irgendwo bellt.

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