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Montag, 23. Juli 2012

Ahmadinedschads Bruder

Als ich neulich am späten Abend in den Rewe am Ende der Limmerstraße einbog, staunte ich nicht schlecht. Mir und allen anderen Einkäufern wurde der Weg zum Biogemüse versperrt. Erst über einen Umweg, nämlich vorbei an den Obstschnäppchen, konnte man auf das Biogemüse Zugriff erhalten. Und weshalb war das so?

Da stand ein Mann in modischem Schwarz mit der Aufschrift eines Security-Unternehmens auf seinem T-Shirt im schmalen Gang zwischen hauseigenem Bäcker und den Obstschnäppchen. Verschränkte Arme, Dreitagebart und einen dicken Knüppel im Halfter des schwarzen Gürtels stand er da und beobachtete die Leute an der Kasse ihm gegenüber. Das Besondere an dem Mann war aber nicht seine Montur, sondern sein Gesicht und seine Statur.

Ein wenig übergewichtig und das nicht nur an den Stellen, wo muskelbepackte Securities von Hause aus zu Stabilität neigen, präsentierte er eine frappierende Ähnlichkeit mit Mahmud Ahmadinedschad - also nicht was die Statur anbelangt, sondern im Gesicht. Er schien auch schon etwas älter zu sein, sozusagen sein großer Bruder. Da ich keinen direkten Vergleich anstrengen konnte und mich auch wegen diverser Gründe nicht traute zu fragen, ob er denn auf seine Ähnlichkeit mit dem iranischen Präsidenten schon einmal angesprochen worden ist, beließ ich es bei meiner Beobachtung und ging den Umweg zum Biogemüsestand.

Für die Sicherheit eines Supermarktes zu sorgen, scheint eine einfachere Aufgabe zu sein, als ein Land zu regieren, zumindest hat man Zeit, ein paar Polster anzusetzen für die schlechten Zeiten. Und da gegenüber gerade ein neuer Supermarkt gebaut wird, wäre in naher Zukunft vielleicht noch eine Stelle zu besetzen.

Freitag, 20. Juli 2012

Literaturvermittlung und Literaturkritik: Dr. Tilmann Lahme

Geschafft. Zu allererst muss ich mich bedanken bei denen, die während der Vorlesungszeit des Öfteren unseren Sohn betreuten und mit Langmut für Kurzweil sorgten. Ebenso viel Langmut bewiesen auch diejenigen, denen ich meine Entwürfe unter die Nase hielt und nach ihrer Meinung fragte. Auch den Lesern mutete ich mitunter viel Geduld und zu, die zum Schluss hin zwar nachließ, mich aber durch die Seitenaufrufe bestärkt nicht davon abbringen konnte, das Projekt zu Ende zu bringen; immerhin haben es drei Texte in die Top 25 der meistaufgerufenen Artikel meines Blogs geschafft. Die Veranstaltung selbst stieg auf meiner persönlichen Beliebtheitsskala bereits hoch ein und konnte sich am Ende in den Top 3 behaupten. Selten habe ich so viel mitnehmen können, wie in dieser „Vorlesung“. So, genug der Lobhudelei, der letzte Beitrag will verfasst werden:

Tilmann Lahme, ehemaliger FAZ-Redakteur, Gastprofessor für Literaturkritik an der Universität Göttingen 2010/2011 bestritt einen Großteil des Programms der letzten Veranstaltung in der Vorlesungsreihe „Angewandte Literaturwissenschaft“. Dass ihm das offensichtlich Spaß machte, war unschwer zu erkennen.

Nach Fridtjof Küchemann kam also ein weiterer Redakteur der seitens Dr. Alexander Košenina hochgelobten Zeitung, die FAZ, in die Vorlesung und bestätigte erst einmal all die seltsam anmutenden Vorgänge innerhalb der Redakteurssitzung. Vielleicht sollte statt langweiliger Bundestagsdebatten lieber diese Veranstaltung übertragen werden. Er bestätigte die harten Bandagen, die niemals persönlich, sondern sachdienlich gemeint sind. Er bestätigte auch den „leichten“ Einstieg, bei dem es weniger darauf ankommt, eine fundierte Ausbildung im Schreiben zu besitzen, sondern vielmehr auf das Spezialistentum in einer Disziplin. Und er versuchte das „nicht gerade unterdurchschnittliche Selbstwertgefühl“ – Arroganz wollte er es nicht nennen, vielleicht Dünkel? – der Redakteure zu erklären. Das hörte sich alles sehr gut an. Am Ende der Vorlesung hätte ich ihn beinah fragen wollen, wann er denn bei uns ein Seminar hält. Das hielt aber nicht lange an, obwohl mich sein Konzept der Textkritik innerhalb eines Seminars, bei der ein von Studenten verfasster Text nicht weniger als viermal gegengelesen, redigiert und besprochen wird, durchaus überzeugte – und das nicht nur in Hinblick auf eine Karriere bei der Zeitung. Nein, es gab, im Nachhinein betrachtet, einfach zu viel auszusetzen.

Das ging schon los, als er dem Plenum von seiner Zeit beim Radio erzählte und neben NDR1 und dem Radio Nora, bei dem er arbeitete, keinen weiteren zu nennen bereit war, dessen Programm nicht aus 27sekündigen Wortbeiträgen besteht, bevor der nächste Hit gespielt wird. Dass die Musik bei NDR1 nicht jedermanns Sache ist, kann ich gut nachvollziehen und auch bei seinem Sender war das Musikprogramm anscheinend kein Bringer, aber die Wortbeiträge waren toll. Hallo? D-Radio, D-Radio Kultur spielen nicht nur gute Musik, sondern zeichnen sich gerade durch ihre Wortbeiträge aus. Aber das schien Herrn Lahme nicht in den Kram zu passen, bei seiner Polemik gegen die öffentlich Rechtlichen.

Apropos Polemik, das kann Dr. Tilmann Lahme besonders gut. Er ließ sich unter anderem auch über Schreiber aus, die in jedem Artikel Foucault und Bourdieu zitieren aber eigentlich keine Ahnung haben. Lahme zitiert sich da lieber selber und kramt die alte Kamelle Juli Zeh hervor. Dass er auch Bourdieu zitieren kann, lässt er natürlich ebenfalls durchblicken. Als es um die Leser der NZZ geht, die ihre Zeitung gut sichtbar unter dem Arm tragen, aber den Inhalt leider genauso wenig verstehen wie der „normale Leser“, lässt er die nächste Breitseite niederprasseln. Es geht nicht um die Lektüre der NZZ, sondern einzig und allein um Distinktion, jaja die feinen Unterschiede.

Doch wer ist denn der „normale Leser“? Seine Seminarteilnehmer an der Universität Göttingen waren es jedenfalls nicht. Die lasen ja gar keine Zeitung. Und das, obwohl es doch den guten Schreiber ausmachen sollte, auch ein guter Leser zu sein. Hier spätestens hätte sich der ein oder andere an die eigene Nase fassen mögen. Tat aber keiner. Stattdessen wurde herzlich gelacht, während der glasschwenkende Wassertrinker dem Plenum den Spiegel vorhielt. Ein Cosmopolitan hätte ihm besser gestanden.

Gab es denn auch Wissenswertes, etwas das man mitnehmen konnte? Ja. Und zwar mehr als in den Nebensatz am Ende des dritten Absatzes hineinpasst. Schreiben fürs Hören war eine Anregung, die Jan Ehlert schon vorgetragen hatte und hier bestätigt wurde. Ein Text muss gut klingen, wenn er laut vorgetragen wird, was man von so mancher Albumrezension bei D-Radio Kultur leider nicht behaupten kann. Die klingen oftmals gestokelt und lassen den am Radio-Pult stehenden Ableser erkennen.

Mehr Geld für Dozenten und mehr Attraktivität der praxisnahen Veranstaltungen an der Universität. Offene Türen hat er da bei Dr. Alexander Košenina eingerannt und sicherlich auch im Plenum. Das Plenum war überhaupt ungewöhnlich oft Stichwortgeber, selbst wenn es sich gar nicht zu Wort meldete. So wurde von Dr. Alexander Košenina sinngemäß aus den Studienleistungen zitiert und in die Gesichter der anwesenden Erbringer geblickt. Mir blieb das leider verschlossen, denn ich habe diese Studienleistungen nicht lesen können. Ein Manko, das sich abstellen ließe, wären die Arbeiten veröffentlicht worden, z.B. in einem Blog.

Überhaupt mangelte es an Diskussion in der Vorlesungsreihe, die ihrem Charakter damit trotz des Talkshowambientes leider gerechter wurde, als es zu wünschen war. Wieso wird in so großer Runde immer noch mit dem mehr als kläglichen Angebot des stud-ips gearbeitet, in dem außer einer Rundmail vieles an den Studenten einfach abzuprallen droht. Es ist ja schon erstaunlich, dass man mittlerweile Sonderzeichen für sein Passwort verwenden kann, das war ja nicht immer so, zeigt aber auf welch hohem Niveau hier gearbeitet wird. Hauptsache, ich bekomme meine BWL-Bücher aus dem ersten Semester noch an den Mann oder mein WG-Zimmer während meines Auslandaufenthalts!

Es wurde vermehrt nach Übung verlangt, nach schriftlicher Übung, Austausch, Gegenlesen, Korrekturen, damit neben dem Ergebnis einer guten Recherche, die den Geisteswissenschaftler ja auszeichnet, auch noch etwas anderes hängenbleibt bei den Studenten; eine solide Basis in der „Kunst des Schreibens“. Was ist so schwer daran, endlich online zu gehen und die vielfältigen kostenlosen! Angebote zu nutzen, die zur Verfügung gestellt werden, um ein Forum, eine Diskussionsplattform für eine Veranstaltung zu bieten, die entweder an zu vielen oder zu wenigen Eingaben der Studenten krankt? Es wäre jedenfalls schön gewesen, wenn es so eine Plattform gegeben hätte für die Vorlesung, wo jeder hätte mitdiskutieren können, wo die Beiträge hochgeladen worden wären, wo auch außerhalb des sperrigen Termins 14:15-15:45 Uhr noch etwas hätte passieren können. Die Liste mit der Sekundärliteratur dort von einigen Studenten auszuwerten und zu diskutieren zum Beispiel, da guckt doch sonst keiner rein. Ich will gar nicht wissen, welche Studenten zum ersten Mal die Rückseite des „Programmheftes“ betrachteten, als Dr. Alexander Košenina in der dritten oder vierten Veranstaltung explizit darauf verwies; gesehen habe ich einige. Eine interessante Frage wäre zudem, wie sich der Verriss des Romans von Juli Zeh („Schilf“) durch Tilmann Lahme in die Debatte um die Rolle des Feuilletons als Kulturvermittler einfügt.

An Attraktivität mangelt es sicher nicht, schon gar nicht bei so hochkarätigen Veranstaltungen wie dieser. Aber mehr geht immer und nicht jeder fühlt sich bereits vom Titel einer Veranstaltung so gut angesprochen, dass er sie auch besuchen möchte. Wenn aber nur die Gastdozenten für die Attraktivität sorgen sollen, dann ist das ein hartes Brot für den Veranstalter vor allem finanziell.

Mittwoch, 18. Juli 2012

Schallwelleneffekte

Die Welt wimmelt vor Schwingung. Seit letzter Woche Freitag Abend geistert dieser Satz nun schon in meinem Kopf herum. Als hätte jemand die Wiederholungstaste meines Mediaplayers betätigt und ich muss jetzt immer wieder das gleiche Lied hören: irgendeinen Song von Placebo.

Auch das hatte mit dem Freitag zu tun, denn an diesem Tag war genau das passiert mit dem Player eines Freundes. Anfangs wunderte ich mich noch darüber, denn er berichtete davon, als wäre da ein weitaus größerer Schaden entstanden, den er nicht beheben konnte. Da wußte ich auch noch nichts von der Wiederholungstaste. Erst einige Stunden später, nachdem zwischenzeitlich die Musik gänzlich abgeschaltet wurde, kam mir der leise Verdacht, nicht nur ständig Placebo, sondern ständig das gleiche Lied zu hören.

Ich versuchte mir den Refrain auszumalen aber alles klang gleich. ich versuchte den Liedanfang auszumachen aber dafür war ich zu abgelenkt. Als es mir dann endlich reichte, rief ich, einen Schuß ins Blaue wagend: "Das ist doch immer das gleiche Lied hier!"
"Ja, mein Player ist doch kaputt", antwortete Trithemius. Das hatte ich total vergessen. Herr Putzig, der ebenfalls im Raum saß, rückte seinen Stuhl beiseite, um meinem jähen Aufspringen Platz zu machen. Ich sprang zum Monitor hinüber und schaute ganz tief hinein. Herr Putzig beugte sich seitlich von mir ebenfalls in Richtung Bildschirm und ergriff die Maus. Ich besah mir die Benutzeroberfläche, während Herr Putzig die Maus steuerte, wir waren ein gutes Team. Wir rätselten dem Pfeil hinterher, bis einer von uns beiden die Wiederholungstaste gefunden hatte. Ein Klick und das Stunden währende Martyrium war beendet, wir mussten nur das Lied noch zu Ende spielen lassen.

Ich ließ mich auf mein Sitzmöbel zurücksinken, verlor den Faden der Unterhaltung und konzentrierte mich stattdessen auf das Liedende. Ich wollte es nicht verpassen. Ich durfte es nicht schon wieder verpassen! Als es sich langsam ankündigte, dann die kleine Pause einsetzte und ein neues Lied begann, musste ich kurz darauf feststellen, dass es schon wieder Placebo war, was wir hörten. Ich ging nochmals zum Monitor hinüber und besah mir die Playlist genauer. Da lief ein ganzes Album von Placebo. Ich war auf den Effekt hereingefallen. Meine Medikation bestand aus unspezifischem Liedgut, das in mir eine positive Reaktion auslösen sollte, nur dass sich die Wirkung ins Gegenteil verkehrte, Nocebo sozusagen.

Sonntag, 15. Juli 2012

Etymologisches zu Urlaub

Urlaub: Das Substantiv (mhd., ahd. urloup) ist eine Bildung aus dem Präfix ur- und dem Substantiv Laub (mhd. loup, engl. leaf, schwed. löv). Die Grundbedeutung des Präfix ur-, nämlich die präpositionale Zuweisung "aus etwas heraus", zeigt sich im Deutschen heutzutage noch in Wörtern wie Ursache oder Ursprung und weist damit auf den Anfangszustand einer Sache hin. Siehe auch Urwald, Urmensch usw. Das Substantiv Laub geht wahrscheinlich auf eine Erweiterung der idg. Wurzel *leu "abschneiden, abreißen" zurück und bedeutet demnach "etwas abgerissenes, gerupftes". In früheren Zeiten wurde das Laub gerupft, um es in frischem oder getrockneten Zustand zu verfüttern. Wie auch bei der "Uroma" oder dem "Urgroßvater" handelt es sich bei Urlaub um Laub der vierten Generation. Da dies jedoch aufgrund schneller Kompostierung kaum in der Natur vorkommt, findet dieser Begriff heute nur noch selten sprachliche Verwendung.

Donnerstag, 12. Juli 2012

letzte Ölung

Als ich mich fast erstickt, hustend, halb erblindet durch das Badezimmer tastete, weil mir die Luft, die voll von kleinen Tröpfchen aus der Düse des Badreinigers war, in Hals, Nase und Augen kratzte, musste ich plötzlich an die Hörfunkwerbung in der Metro neulich denken. Dort sollte mir von einer gutgelaunt flötenden Frauenstimme suggeriert werden, dass das Saubermachen zur "echten Wellnesserfahrung" würde, wenn ich doch nur ein paar Tropfen ätherisches Öl in meinen mit heißem Wasser gefüllten Putzeimer einließe.

Der Mann von heute putzt gar nicht mit einem Eimer heißem Wasser, sondern mit ultrascharfem Reiniger, dessen Anwendungshinweise keine Hinweise, sondern Werbebotschaften sind. Diese Botschaften suggerieren, dass Rost, Kalk, Fett usw. kein Problem sei, mit dem sich der Haushälter länger als eine Minute zu beschäftigen hat, denn genau so lang ist die Einwirkzeit des Gifts und dann lässt sich alles einfach abspülen. Viel eher sollte man die Warnhinweise lesen und sollte dort etwas stehen wie: Atmen Sie auf keinen Fall die Aerosole in der Luft ein!, heißt das, für Duschkabinen ist der Reiniger völlig ungeeignet.

Nachdem ich aus Sicherheitsgründen meine Duschkabine geschlossen hatte und nach drei Minuten Husten wieder ins Bad getorkelt kam, fragte ich mich, wie ich denn nun meine Dusche von innen abspülen könne, ohne dabei die Türen öffnen zu müssen, wir haben nämlich kein Fenster im Bad, mit dem sich frische Luft zuführen ließe. Leider fand ich dazu keinen Hinweis auf der Sprühflasche und so hielt ich die Luft an, kniff die Augen zusammen und dachte an Eukalyptus.

Montag, 9. Juli 2012

Blumendiebe

Gestern Abend ging ich durch Linden spazieren und als ich an der Faust anlangte, sah ich wie ein älteres Pärchen über eine kleine Vorgartenbegrenzung kletterte und sich vom Balkon der dahinter liegenden Wohnung mehrere Geranien abpflückte. Ich weiß gar nicht, wie Geranien aussehen, denn gestern Abend war es schon dunkel und ich war auch einige Meter vom Tatort entfernt. Was ich aber hörte, war ein "oh, Geranien, die sehen aber schön aus". Vielleicht haben sich die alten Leute aber auch geirrt und Geranien sind ihnen eben nur so eingefallen. Klingt ja auch gut: Geranie. Städtern würde ein Blumenfreund ja gern die Kompetenz absprechen, erst recht wenn sie sich erdreisten, in fremden Beeten zu wildern.

Ich ließ einmal einen Blumenstrauß auf einem Friedhof mitgehen, weil ich einen Geburtstag vergessen hatte. Das ist mir heute ein wenig unangenehm, damals fand ich das nicht so schlimm. Blumensträuße sind aber in der Regel sowieso schon tot und irgendwie macht es ja keinen Sinn, auf einem frischen Grab verwelkendes Blattwerk zu drapieren. Da könnte man doch viel eher etwas Lebendiges anpflanzen.

Als mir das alles so durch den Kopf ging, musste ich daran denken, wie unsere Balkonpflanzen aussehen. Von weitem sehen sie nämlich sehr gut aus. Von weitem sieht vieles gut aus und wer mich nicht persönlich kennt und auf unserem Balkon zu einem Gespräch oder zu einer Zigarette verweilt, der kommt nicht in den Genuss, die Pflanzenpracht aus der Nähe zu betrachten, weil wir im 3. Stock wohnen. Aus der Nähe betrachtet sind unsere Stiefmütterchen auch nicht mehr so schön, sie wirken dann eher ein wenig angestrengt, weil ich sie zu dicht beieinaner gepflanzt habe. Sie müssen sich der Sonne erwehren, manchmal Durst erleiden und sich überhaupt mit der unliebsamen Konkurrenz herumplagen. Die verwelkten Blüten schneide ich auch nicht ab. Aus manchen ehemaligen Blüten treibt deshalb eine dicke dreiteilige Samenkapsel heraus, die sich irgendwann öffnet und braune Kugeln von Globuliformat ausspucken wird - kleine Gottesteilchen.

Freitag, 6. Juli 2012

von barfüßigen Barbaren offenbart

Achja, denke ich und kümmere mich nicht weiter drum. Ich hätte es sogar beinah vergessen, wenn ich mir nicht unnützerweise eine Notiz in mein Büchlein geschrieben hätte. Jetzt sitze ich hier und tippe auf den Tasten wieder irgendwelchen Quatsch zusammen. Sonderbar.

Wunderbar, möchte ich denken, kann es aber nicht, weil ich den „Mythos“ ja längst zerstört habe. Ich entnahm meinem Regal das etymologische Wörterbuch. Ich fand darin zu beidem eine Notiz, die noch kleiner war als die in meinem Büchlein, die mir sagte, dass es sich hierbei um völlig unterschiedliche Wörter handelt, die nur zufällig aus den gleichen Buchstaben bestehen, gleich ausgesprochen werden und auch sonst über wenig unterscheidende Merkmale verfügen.

Barfuß, weil es so warm ist, umklammern meine Zehen die Rollkraken meines Bürostuhls und während eben noch alles voller Wunder und Sonder war, ist jetzt alles nackt und bloßgestellt, sozusagen fehlt etwas. Dafür musste ich lediglich das bar vom Ende an den Anfang holen. Leider geht das nicht immer, eben weil es nicht das gleiche Wort ist. Beide bars haben verschiedene Ursprünge. Während das vordere bar auf offen, freigelegt zurückgeht, ist das hintere bar auf tragfähig zurückzuführen.

Und weshalb mich das gerade ein wenig traurig gestimmt hat? Na, weil es eben barsonders, barwunders ist, jetzt wo ich weiß, wie das ist. Unfassbar.

Donnerstag, 5. Juli 2012

Literaturmuseum/Literaturarchiv: Dr. Ute Pott

Teil 11

Meine Mutter erzählte einmal, wie sie mit meiner Urgroßmutter, also ihrer Oma, durch die Amtsgartenstraße von Ottersleben ging. Dabei kam es zu einer Begegnung mit einem dritten Beteiligten, der freundlich grüßend mit den beiden ein Gespräch begann. Meine Urgroßmutter war ebenfalls ins Gespräch vertieft und so wurden Herzlichkeiten über Wohlbefinden und Wetter ausgetauscht. Als das Gespräch dann zu Ende war und beide Frauen wieder allein waren, wandte sich meine Uroma an meine Mutter und fragte sie, wer dieser Mann überhaupt gewesen sei. Meine Mutter sagte darauf, der alte Lehrer Soundso wäre das gewesen. Dieser alte, längst in Rente gegangene Lehrer war der Lehrer meines Opas, später Direktor an der Schule meiner Mutter und viel später immer noch Direktor, als meine Mutter selbst Lehrerin wurde und an dieser Schule zu unterrichten begann.

So ungefähr konnte man sich den Ablauf der Veranstaltung vorstellen, deren Protagonistin Frau Dr. Ute Pott war, Leiterin des Gleimhauses in Halberstadt, in der Vorlesungsreihe „Angewandte Literaturwissenschaft“. Denn alles, was ich sagen wollte, war, dass meine Uroma kurzsichtig war und keine Brille tragen wollte, wofür ich gerade einen ganzen Absatz benötigt habe. Frau Pott verschleierte ihre Kurzsichtigkeit allerdings nicht durch unverfänglich geäußerte Artigkeiten, sondern bat uns aus dem selben Grunde, alle ein wenig näher an sie heranzurücken und die Bänke ganz hinten zu räumen, weil sie nämlich gern ihre Brille abnehmen, uns nicht fressen, sondern tatsächlich besser sehen wollte.

Da dies nicht die einzige Anekdote blieb, die Frau Pott an diesem Tage für uns übrig hatte, war trotz des weitschweifigen Erzählstils keine Langeweile aufgekommen. Dr. Alexander Košenina blieb diese Art der Erzählung natürlich nicht verborgen und so unterbrach er Frau Pott das ein oder andere Mal, um mit dieser Unterbrechung gleichzeitig noch ein paar neue Fragen aufzuwerfen. Frau Pott ließ sich davon überhaupt nicht beeindrucken und hielt alle von ihr eröffneten Erzählstränge fest im Griff. Wie die Enden ihres Schals schlang sie die Erzählfäden um sich, entknotete, überwarf und zupfte an diesen, bis alles wieder seine Ordnung hatte.

Dieser generellen Liebe zum Detail war eine innige Beziehung zu ihrer Arbeit beigemischt, die sich zu einem nicht geringen Anteil aus ebensovielen kleinen Details zusammensetzte: den Briefen des Gleimhauses, insbesondere den Briefen Anna Louisa Karschs. Unklar blieb, wie es wirklich dazu kam, dass sie zuerst stellvertretende und später Leiterin des Gleimhauses wurde, aber die Arbeit an diesen Briefen, so konnte man während ihrer Schilderung spüren, hatten es ihr angetan und sie seither nicht mehr losgelassen. Ihre Bewerbung auf die Stelle war demnach reine Formsache. Die Fragen hinsichtlich des Inhalts einer Bewerbung wurden von ihr deshalb nicht anders beantwortet, als es die lange Reihe Vorredner auch getan hatte/hätte. Was viel wichtiger zu sein schien, war das Herzblut, mit dem sie bei der Sache war, das man ihr angemerkt haben musste, das den Ausschlag gab für den bekommenen Job. Da war das falsche Geburtsdatum – sie gab in der Bewerbung an, 1765 geboren worden zu sein – nurmehr das i-Tüpfelchen, mit dem sie ihrem Brennen für die Sache (unbewusst?) Ausdruck verliehen hatte.

Ganz die Vermittlerin war sich Frau Pott auch nicht zu schade für das Einbeziehen der Wandtafel. Sie zeichnete dort die vier Säulen des Arbeitens in einem Museum nach: Sammeln, Bewahren, Erforschen/Dokumentieren und Vermitteln. Das waren zwar eher dünne Striche, die von einem dicken Körper abstachen und irgendwie an Kafkas Käfer erinnerten, aber, wie ich fand, längst noch nicht so weit hergeholt, wie der Vergleich, dass Gleim eine Vorstufe von Facebook erfunden hätte, indem er seiner Freunde Konterfei auf Gemälden um sich herum platzieren ließ. Ganz die Vermittlerin wurde dieser Zusammenhang natürlich nur bemüht, um zu zeigen, dass man jemanden dort abzuholen hat, wo er steht, und die Jugend von heute, also insbesondere Schulklassen, die das Gleimhaus besuchen, kann man mit diesem Vergleich eher „abholen“ als durch einen „Brigadeabend“*. Ich fühlte mich ebenfalls gut abgeholt.

*eine stark verkürzte Erklärung des in der Vorlesung häufig gefallenen Begriffes. Brigadeabende fanden im Gleimhaus zu Zeiten der Trennung in BRD und DDR sehr häufig statt.

Teil 13

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