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Montag, 2. Juli 2012

Medientext und Medienübersetzung: Dr. Nathalie Mälzer-Semlinger

Teil 10

„Die Alltagssprache ist das Badezimmer der Seele.“ Ich habe absolut keine Ahnung mehr, weshalb ich diesen Satz während der Vorlesung „Angewandte Literaturwissenschaft“ mit der Gastdozentin Frau Dr. Nathalie Mälzer-Semlinger und dem Thema „Medientext und Medienübersetzung“ aufgeschrieben habe. Ich kann mich weder an den Kontext erinnern noch mit Nachdruck behaupten, dass es überhaupt einen Kontext gegeben hat. Ich erwähne das nur deshalb, weil ich trotz allem nicht um diesen Satz herumkomme, der in der Mitte des Blattes thront und die letzte inhaltliche Notiz darstellt, die ich von dieser Veranstaltung gemacht habe.

Lassen wir den Satz einfach so stehen und beginnen am Anfang meiner Aufzeichnungen: Frau Mälzer-Semlinger präsentierte sich ganz in Schwarz und hob mit sinusartiger Stimmmodulation zum Vortrag an. Die Satzenden litten dabei besonders unter ihrer abnehmenden Lautstärke. Wahrscheinlich hat sie in einer solchen „Verlustphase“ einen Satz gesagt, der weitestgehend ähnlich geklungen haben mochte wie den von mir gehörten. Frau Mälzer-Semlinger brachte aber auch Qualitäten mit, die es mir nicht unbedingt erlaubten, in den weniger lauten Satzenden abzuschalten. Es war interessant. Es ging um Übersetzungen.

Übersetzer das klingt, wenn man einmal von der heute gebräuchlichen Verwendung des Wortes absieht, wie ein Berufsstand, der sich ständig über einen Fluss bewegt, um an den jeweiligen Ufern Menschen einzusammeln und sie auf der anderen Seite wieder aus dem Boot zu lassen, Übersetzer eben. Im denkbar ungünstigen Falle bleiben Übersetzer im Gedächtnis, man könnte zum Beispiel Charon, den Fährmann des Acheron, als Übersetzer bezeichnen. In fast jedem Fall verdienen sie eine Art von Anerkennung, bleiben aber fast immer hinter wichtigeren Personen zurück. Bei den Übersetzern heutzutage sind die weitaus wichtigeren Personen die Autoren. Und so führt der Übersetzer ein Schattendasein, er kann sich zwar im Stillen rühmen, ein Werk übersetzt zu haben, kann daraus auch persönliche Befriedigung ziehen, außer mit einer Fußnote á la „kongenial übersetzt“ wird er sonst aber häufig übergangen. Der Übersetzer ist außerdem Freiberufler und verdient neben dem spärlichen Ruhm auch noch wenig Geld. Dass es überhaupt Übersetzer gibt, scheint bei diesen Voraussetzungen nicht unbedingt logische Konsequenz zu sein. Glücklicherweise gibt es auch im Feld der Übersetzungen ein paar finanziell gut ausgestattete Enklaven, die sich eine Übersetzung auch etwas kosten lassen, Theater und Kunstkataloge lohnt es sich zu übersetzen, wie Frau Mälzer-Semlinger zu berichten wusste.

Mir fallen Übersetzer eher negativ auf bzw. verbleiben aufgrund negativer Eindrücke besser im Gedächtnis. Ein Freund von mir schilderte einmal die Übersetzung eines Satzes innerhalb eines Buches, der in der Originalsprache alle Buchstaben des Alphabets enthielt. Dies geschah deshalb, damit der Protagonist einen Beleg der Schriftsprache seines Kontrahenten in der Hand halten konnte, um den Schreiber bei Fälschung anderer Schriftstücke zu entlarven. Der Satz machte überhaupt keinen Sinn schon im Original. In der Zielsprache machte er aber noch weniger Sinn, weil er nicht mehr alle Buchstaben des Alphabets enthielt und dem Leser konnte sich dieser perfide Zusammenhang überhaupt nicht mehr erschließen. Über all die übersetzten Bücher, die ich gelesen habe und all die Bücher, die übersetzt wurden und werden, die ich nicht gelesen habe, konnte ich mir dieses Detail merken. Ich fühle mich selbst ein wenig schlecht dabei. Ein weiteres Detail blieb haften: ich las vor nicht allzu langer Zeit den Brautigan-Roman „Träume von Babylon“, übersetzt von Günther Ohnemus, und da fiel mir auf, dass er das wahrscheinlich originale Centstück oder den Penny mit Pfennig übersetzt hat. Schrecklich fand ich das, behielt die Beobachtung aber bis eben für mich. Als ich neulich durch Zufall auf Dreisat "Kommissar La Bréa" einschaltete („Tod an der Bastille“) fiel mir ebenfalls ein schrecklicher Schnitzer ein. Bonjour wurde als Begrüßung beibehalten, ok – das hat Ohnemus übrigens in pekuniären Angelegenheiten bis auf den genannten Fauxpas ansonsten ebenfalls getan – was mich dann überraschte: es wurde dem Kommissar eine englische Vokabel in den Mund gelegt. Er rief lauthals verkündend zum „Teamtalk“ auf, der in einer halben Stunde beginnen sollte. Den Franzosen, der das über die Lippen bekommt, wenn er mit Franzosen spricht, den möchte ich sehen!

Eigentlich wollte ich gar nicht meckern. Eigentlich muss ich den Übersetzern dankbar sein, denn ich beherrsche zwar mehrere Sprachen in ausreichender Qualität, um nicht zu verhungern, aber zum Übersetzen, geschweige denn Bücher lesen und verstehen, würde es nicht reichen. Was ich dann alles verpasst hätte, wenn es Günther Ohnemus, Carl Weissner, Thomas Lindquist, Burkhart Kroeber, Wolfgang Farkas und viele andere mehr nicht gegeben hätte! Und irgendwie bin ich jetzt doch um diesen Satz herumgekommen.

Teil 12

Mittwoch, 27. Juni 2012

Fehlermessie

Eben stolperte ich mal wieder über einen Druckfehler im abstrakten Sinne. Abstrakt deshalb, weil es im Internet natürlich keine Druckfehler gibt, weil ja nichts gedruckt wird. Es gibt auch keinen Zettel zum Text, auf dem die Druckfehler wegen mangelnder Korrekturmöglichkeit im Nachhinein festgehalten wurden, um den geneigten Leser darauf aufmerksam zu machen. Mein Taschenlexer hat, obwohl schon ziemlich in die Jahre gekommen, von mir gebraucht erstanden und vor wenigen Semestern noch ausgiebig genutzt, gleich zwei solcher Korrekturzettel im Einband liegen. Das ist im Internet alles gar nicht nötig, denn der Korrektor, gleichzeitig Autor des Textes kann den Fehler ja relativ unproblematisch verschwinden lassen.

Meine Gedanken zu diesen Fehlern kann der Autor aber nicht verschwinden lassen. Die sind von mir verhaftet und drehen Gefangenen gleich ihre Runden in meinem Kopf. Am schönsten sind ja die Fehler, die ein Rechtschreibprogramm auch nicht findet, weil es zwar der richtigen Schreibweise mächtig ist aber Sinnzusammenhänge nicht vermag herzustellen. Bei Word findet man deshalb manchmal statt den rot unterstrichenen Wörtern, die das Programm entweder nicht kennt oder tatsächlich falsch geschrieben sind, grün unterstrichene. Diese grünen stellen grammatikalische Schwachstellen dar, die sich leider häufig nur auf falsche Artikel oder Pronomen beziehen. Diese Fehler meine ich auch nicht.

Schreiben Sie doch mal in Ihrem Schreibprogramm: Um es auf den Punk zu bringen, ... Da kommt kein roter Strich unter dem Punk. Den Punk gibt es genauso wie den Punkt. Durch eine kleine Reduktion entsteht aber ein völlig neuer, wenn nicht gar völlig abstruser Sinnzusammenhang. Man könnte sogar durch die Wegnahme eines Buchstaben den Sinnzusammenhang völlig verkehren: gut Ding will Eile haben z.B. Oder stellen Sie sich mal vor, dass es zu Buchstabenzusammenkünften kommt, nur weil die Tastatur - das Werkzeug des Schreibers im Netz - die Buchstaben nah beieinander angeordnet hat und sich der Schreiber, anstatt nur auf eine Taste zu tippen, gleich mehrere erwischt: Erstellen sie doch mal strichpunktartig eine Liste dazu und teilen diese hier mit!

Im Übrigen steht ja unter vielen Texten der schöne Satz: Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten. Das mache ich immer.

Dienstag, 26. Juni 2012

Chaosforschung in der Kita

Ich musste meine heutige Tagesplanung komplett über den Haufen werfen, weil eine Erzieherin in der Kita krank geworden ist. Ein ungelenker Riese, wenig gestraft durch ein sehr pflegeleichtes Kind, sollte dann die Vertretung übernehmen - ich. Wie anstrengend das werden würde, zeichnete sich bereits bei meinem Erscheinen ab, als 8 Kinder gleichzeitig den schmalen Flur entlang liefen und mehr schlecht als recht in ihre Regensachen krochen. Gummistiefel, habe ich gelernt, sind erst zu Ende, wenn das Kind danach aufsteht und nicht plötzlich einen Kopf größer ist, als das gleichaltrige daneben. Auf die Frage, ob die Schuhe fertig angezogen sind, kommt dazu übrigens nie eine befriedigende Antwort.

Draußen konnte ich zusehen, wie Bälle, Schaufeln und sonstige Gegenstände detonationsgleich in dem kleinen Garten verteilt wurden, teilweise auch über Zäune und Hecken. Das Universum muss auf ganz ähnliche Weise entstanden sein. Die wenigen kleinen Bäume, insbesondere ein kleiner Buchsbaum hinten in der Ecke des Gartens, wurden misshandelt wie Viehdiebe, anstatt sie zu teeren und zu federn wurden sie gerupft und geschüttelt. Ständig war von allem zu wenig da - ganz besonderer Mangel bestand an Bällen, die leider immer wieder über Zäune abhanden kamen - oder lag woanders, so dass ein gerade geschlichteter Streit an anderer Stelle einfach von neuem entbrannte.

Als es zum Mittagsschlaf ging und ich neben meinem Sohn lag, weil er das Schlafen in fremder Umgebung noch nicht so gewohnt ist und diesen Platz sonst die erkrankte Erzieherin einnimmt, wäre ich beinahe vor ihm eingeschlafen. Das ging aber dann doch nicht. Das Los, welches ich gezogen hatte war nicht übertragbar und bedeutete mit dabei zu sein, wenn die beiden Kinder, die keinen Mittagsschlaf mehr machen, nach der Gutenachtgeschichte wieder aufstehen und aus einem Berg Kissen einen Berg Kissen bauen.

Einer meiner Professoren sagte einmal während einer Vorlesung, dass es eigentlich nicht richtig wäre, die Erzieher:innen von allen in der Bildung Tätigen am schlechtesten zu bezahlen, da sie ja den schwersten Job zu machen hätten. Das kann ich bestätigen.

Montag, 25. Juni 2012

Wäscheleinenabnehmspiel

Es ist ja immer wieder schön, den warmen Sommer durch einen deftigen Sommerregen unterbrochen zu sehen. Das belebt die grünen Höllen auf Balkonen, in Vorgärten und sonstigen Flächen, wo nicht bereits ein Parkplatz eingerichtet oder ein Haus errichtet worden ist. Und selbst da, schleicht sich der knallharte Löwenzahn durch kleinste Spalten und verrichtet sein Werk der stillen, beharrlichen Dekonstruktion von Beton.

Leider ist dieser Regen eher vom Sommer durchbrochen und das leider so selten, dass ich mich kaum zu erinnern wage, wann mein letzter Flip-Flop-Spaziergang gewesen ist. Der Nachbarin im Hof ist das egal. Sie schimpft in ihrem ureigenen Dialekt irgendeines slawischen Sprachursprungs vor sich hin und hat - wie zu jedem Tage - die Wäschekörbe voll. Um diese auch tatsächlich alle an den Leinen zu leeren, hat sie eben eine neue gespannt - über Kreuz. Von ihr oben sieht das Ganze wie ein Abnehmspiel für Riesen aus, gleich kommt eine tropfnasse, riesige Hand aus dem Himmel in unseren Hinterhof geschossen und verwandelt das Kreuz in vier parallele Linien. Nee, das nehme ich ihr nicht ab, schon gar nicht bei dem Regen!

Samstag, 23. Juni 2012

staatstragender Trikottausch

Wer gestern aufmerksam Fußball geschaut hat, dem ist wahrscheinlich aufgefallen, dass Angela Merkel neben Michel Platini im Publikum saß. Bela Reti hatte dafür sogar ausnahmsweise den richtigen Spruch auf Lager: Er erklärt ihr die Euro und sie erklärt ihm den Euro. Vielleicht sollte man grundsätzlich darüber nachdenken, die Moderatoren lieber das Publikum kommentieren zu lassen, und während des Spiel halten die Moderatoren dann einfach die Klappe.

Wer gestern auch während der Halbzeitpause aufmerksam war, dem wird nicht entgangen sein, dass sich unsere Kanzlerin zusammen mit Monti in Italien aufhielt, um irgendwo aus einer Limosine zu steigen und kurz rüberzuwinken - so berichtete das heute-Journal. Dass Frau Merkel dabei eine beigefarbene Hose und ein hellgrünes Sakko trug, ist mir erst wieder zu Anfang der zweiten Halbzeit ins Gedächtnis gerufen worden, als die Kamera ein weiteres Mal auf sie zu schwenken kam. Sie trug während dieser Auseinandersetzung zwischen Griechenland und Deutschland - ihrer zweiten an diesem Tage, denn vorher war sie bei der Partie Deutschland und Italien zugegen - das gleiche Outfit.
Da tat sie mir dann fast ein bißchen leid. Niemand wollte mit ihr das Trikot tauschen.

Freitag, 22. Juni 2012

Onlinejournalismus/digitale Medien: Fridtjof Küchemann und Jan Ehlert

Teil 9

Wer spricht? Die FAZ hat Tom Cruise in die Vorlesung „Angewandte Literaturwissenschaft“ geschickt, alias Fridtjof Küchemann von FAZ.net, ein echter Schwiegermuttertyp. Aber das war nicht alles. Am Anfang dachte ich, er hätte einen Besen verschluckt, so kerzengerade saß er da. Trotzdem wirkte das Ganze nicht nur kontrolliert, sondern auch irgendwie lässig – wie ein frischgebackener Leutnant eben.

Meine Assoziation mit Tom Cruise nahm Gestalt an, als er von einem Artikel erzählte, den er für das Feuilleton der FAZ geschrieben hatte. Dieser wurde in „studentischer Runde“¹ heiß diskutiert, wie er dem Plenum erklärte und er meinte damit nichts anderes als eine Redakteurssitzung des Feuilletons bei der FAZ morgens gegen 11.00 Uhr. Die Argumente können banal, witzig oder wohlüberlegt sein, es gibt nur einen Platzhirsch, Frank Schirrmacher, und danach kann jeder, der das Zeug dazu hat, sein Stück vom Kuchen abbekommen, also 3-4 Seiten insgesamt pro FAZ. Herr Küchemann hat das Zeug dazu, selbst aus der banalen Werbekampagne einer wohltätigen Stiftung, die einen „Fernseher“ auf der Oxford Street in London postierte, einen Artikel zu machen. Dreht sich dieser Artikel zufällig um den Kauf eines kleinen Unternehmens, dass sich der Gesichtserkennung im Internet verschrieben hat und zufällig an die Firma verkauft wurde, der das Gesicht heilig ist: Facebook? Das würde ich Atmosphäre nennen! Ich dachte auch deshalb an Tom Cruise, weil es eine dicksche Dystopie namens Minority Report gibt, die mit Tom Cruise erfolgreich² verfilmt wurde und bei der es unter anderem auch um die Problematik der auf Gesichtserkennung basierende, auf den „Konsumenten“ zugeschnitte Werbebotschaften geht, die ihn, Tom Cruise alias John Anderton, letztendlich verraten und zu einer halsbrecherischen Flucht zwingen. Tom Cruise auch deshalb, weil mir dieser durchaus sympathisch ist und mir auch Fridtjof Küchemann sehr sympathisch war. Ich muss im Nachhinein sagen, dass mir viel lieber gewesen wäre, wenn er eine komplette Sitzung für sich gehabt hätte und sie nicht hätte teilen müssen mit Jan Ehlert von NDR-Kultur, der auch dabei gewesen ist aber längst nicht über diese Strahlkraft verfügte.

Wer spricht? Dieses Credo, erläuterte Herr Küchemann, begleitet ihn bereits von Anbeginn seiner Karriere als Journalist. „Cui bono?“ würde wahrscheinlich auch passen und selbst „wen interessiert’s?“ war er sich nicht zu schade zu fragen, indem er den Zeitungsbetrieb in seiner jetzigen Form als ein längst überholtes, ja schon fast widersinniges Unterfangen darstellte: als er nämlich auf die Zukunft der Zeitung zu sprechen kam, redete er von den Prozessen der Zeitungsherstellung und Verwertung wie von einem Ameisenhaufen, den er genau studiert hätte aber leider für ineffizient erklären müsse. Dieser nicht ganz uneigennützigen Selbstkritik Küchemanns folgte dann ein lauter Gedankengang von Alexander Košenina, der sich wunderte, weshalb die Leute überhaupt noch Radio hören. Ob Riepl am Ende Recht hat, wird die Zeit, äh FAZ beweisen müssen. Doch zurück zu seinem selbstbewussten Auftreten, das selbst das eigene Hinterfragen mit ins Kalkül zog: Als ich noch Azubi war und das Unternehmen, in dem ich lernte, anfing, rote Zahlen zu schreiben, kam der Hauptaktionär, der Sohn des Geschäftsgründers, in unsere Filiale und beschwor die Mercedes-Benz-Mentalität in uns. Wir sollten genauso stolz sein, wie ein Mitarbeiter von Mercedes Benz, der mit stolz geschwellter Brust auf die Frage, wo er denn arbeitet, antwortet: ich arbeite bei M. B. (ich kürze das hier mal ab, nicht dass nachher noch jemand denkt, ich bekomme Geld dafür). Genauso sollten wir von unserem Unternehmen reden, stolz sein, auf das, was wir tun und die frohe Botschaft ins Land tragen. Hat alles nichts genutzt, ein anderer hat es gekauft. Worum es mir ging, war die Botschaft, die Fridtjof Küchemann hier verbreitete. „Ich bin bei der FAZ! Ich bin beim Flaggschiff des Printjournalismus! Ich muss mir darauf etwas einbilden, sonst bin ich den Job gar nicht wert!“ Mit jeder Faser verkörperte er diese Marke, identifizierte sich damit, machte sich ihre Argumente zu Eigen, ihre Arbeit. Er ist auch Teil dieser Arbeit, und darauf kann er mit Recht stolz sein, aber das darf man nicht vergessen, wenn man fragt, wer spricht.

Wer spricht? Jan Ehlert. Er produziert Dreiminutenakter über Bücher in zweifacher Ausführung³, gesendet zu einer Zeit, „wo wir alle beschäftigt sind“, wie Dr. Alexander Košenina sagte. Jan Ehlert war Pikenier, durchlief den steinigen Werdegang vom Studenten, zum Volontär, zum Redakteur und schreibt neben seinen gesprochenen Rezensionen noch für Tagesschau.de und andere. Er sieht sich an Nummer 5 von 5 Redakteuren, wenn es darum geht, Buchrezensionen selbst wählen zu können, nimmt also eher, was er kriegt. Da gibt es keine espritlastigen Sitzungen, sondern eher den Gang in das Büro der Vorgesetzten, die stapelweise Arbeit haben, wovon nur wenig wirklich Spaß macht? Naja, so hat er das natürlich nicht gesagt.

Zweieinhalb Minuten, länger sollte es nicht brauchen, um ein Thema zusammenzufassen. Jan Ehlert fühlt sich in der Lage, jedes Thema in diese Zeitspanne zu pressen, gibt aber gerne zu, dass dabei einiges verloren gehen kann. Den Verlust hebt er sich auf, hat ihn sozusagen in der Hinterhand, denn nichts ist schlimmer, als ein Beitrag, der nicht auf zweieinhalb Minuten gepresst worden, sondern tatsächlich nur zweieinhalb Minuten wert ist.

Zweieinhalb Minuten, länger am Stück sprach er selten. Mit Interaktion hatte er es auch nicht so, zumindest nicht mit Fridtjof Küchemann. Auf die Fragen von Dr. Alexander Kosenina antwortete er präziser, nicht so weitschweifig, bescheidener. Leider konnte ich ihn nicht richtig sehen, eine Phalanx von mehr als 18 Studenten saß vor mir, und weil Jan Ehlert ebenfalls saß, blieb er dahinter verborgen. Der ganze Eindruck, den er damit bei mir hinterließ, war geprägt von seinem Wissen um die eigenen Fähigkeiten – bei aller Bescheidenheit. Als die Sitzung dem Ende zuging, ließ er sich dann doch zu dem ein oder anderen Statement hinreißen, wenn sie auch längst nicht so radikal waren, wie das von Fridtjof Küchemann, der die Zeitung ja gleich abbestellen wollte. Seine Prognose ging hin zum Universaljournalisten, der sich überall ein bisschen auskennt und hofft, möglichst selten ohne echten Experten auskommen zu müssen. Bei dieser Beurteilung bliesen sie ins gleiche Horn. Einig waren sie sich auch, was den Vorteil des Internets gegenüber dem Printmedium anging, der ihrer Meinung nach in den Kommentaren zu suchen sei. Leider „zu suchen“, weil längst nicht alles, was dort verfasst wird, tatsächlich Qualität hat. Umso mehr freut es natürlich, wenn einem dadurch neue Sichtweisen aufgezeigt, womöglich Inspirationen für andere Blickwinkel oder neue Artikel geliefert werden. Insgesamt muss ich sagen, dass auch Jan Ehlert eine eigene Sitzung verdient hätte, vielleicht wäre der Rundfunk dann nicht so kurz gekommen. Schön war, dass der Rundfunk überhaupt noch Gehör fand.

Der Text ist ein wenig lang geworden, wie mir scheint. Dabei gäbe es noch einiges zu berichten. Meine Assoziationen sind diesmal ziemlich weit hergeholt, aber dafür kann ich nichts. Die kommen einfach so. Wie das gehen kann mit den irrlichternden Gedankengängen konnte ich während der Stunde übrigens auch sehr gut bei zwei Studentinnen im Plenum beobachten. Nicht selten wurde sowohl von Jan Ehlert als auch Fridtjof Küchemann auf die Metapher „den Fuß in der Tür haben“ verwiesen. Es ging dabei darum, wie sie beide an ihre Jobs gekommen sind. Es dauerte danach nicht lange, da erschien auf dem Bildschirm des Laptops der einen Studentin, plötzlich die Seite eines Verkaufsportals – für Schuhe. Das konnte natürlich Zufall sein...


¹ So kann man sich die Redakteurssitzung bei der FAZ vorstellen, da sitzt ein Haufen Junggebliebener und klärt bei lockerer Atmosphäre, wie die FAZ am nächsten Tag auszusehen hat, so berichtete Fridtjof Küchemann.
² Ein Kassenschlager, mehr meinte ich mit "erfolgreich" nicht.
³ In zweifacher Ausfertigung deshalb, weil die Fassung fürs Internet eine nackte ist, ohne Musik und Firlefanz. Das geht auf die GEMA zurück (das konnte ja nun wirklich keiner ahnen!).

Teil 11

Dienstag, 19. Juni 2012

einfach spitze

Ich kann sie nicht mehr sehen, die Spitzen. Hören kann ich sie auch nicht mehr. Alles spitzt sich zu: Bankenkrise, die Lage am Hindukusch, Teppich-Affären, Syrien, Atomstreit. Was passiert, wenn sich etwas zuspitzt? Eine Spitze bleibt eine Spitze, selbst wenn ich mir eine Mandelbrotmenge anschaue, und eine wachsende Spitze beobachte, so bleibt die Spitze eine Spitze. Stattdessen wächst die Basis. Sie wird breiter und breiter und breiter bis ich sie aus den Augen verlieren muss, um die Spitze im Blick zu behalten. Was wollen uns die Medien also sagen, wenn sie kritzeln, palavern: „es spitzt sich zu“?

Die Spitze ist im Journalismus eine der strapaziertesten Umschreibungen überhaupt, habe ich das Gefühl. Da gibt es ja nicht nur unendliche Zuspitzungen, außerdem gibt es auch noch Spitzenvertreter, Spitzenpolitiker, Spitzensteuersätze. Eine ganz tolle Spitze ist die hier: Spitzenrefinanzierungsfazilität. Die Spitze ist in aller Munde. Auf die Spitze getrieben, zugespitzt formuliert, mit spitzer Zunge vorgetragen bleibt sie trotzdem nur ein nasser Lappen.

Ich für meinen Teil gebe einen Scheiß auf die Spitze und einen Scheiß auf die Basis. Die Medien geben sich keine Mühe, Fakten ins rechte Licht zu rücken. Menschen geben sich keine Mühe, den Subtext, das Zwischenzeilige herauszulesen, wenn es denn etwas gibt, weil alles beherrscht wird von Spitzen. Die Kompliziertheit, die Interdependenzen (erst wenn der Iran Einsicht in sein Atomprogramm gewährt, wird das Ölembargo aufgehoben; erst wenn das Ölembargo aufgehoben wird, könnt ihr vielleicht mal gucken kommen usw.) werden der kurzen Schlagzeile geopfert und selbst in ausführlichsten Reportagen steht die Spitze am Anfang der Berichterstattung. Wenn es nicht so traurig wäre, könnte man von einer Spitzenzeit sprechen. Das Mantra der Postpostmoderne ist die Zuspitzung, die uns so oft auf Augen und Ohr schlägt, dass sie eher einem Hammer gleicht, denn einer Spitze. Das ist Brechstangenjournalismus; Amplitudendenken. Ich habe Kopfschmerzen.

Entschuldigung. Das musste ich jetzt mal loswerden.

edit: Meine heutiger Google

Montag, 18. Juni 2012

Kissen im Knie

Ich habe seit zwei Wochen einen Airbag im Knie. Genau genommen ist es kein Airbag, denn was drin ist, will ich nicht wissen, aber Luft ist es eher nicht. Bei voller Bewegungsfreiheit und mittlerweile wenig Schmerzen, regt mich das kaum noch auf. Nur heute, als unser neuer Geschirrspüler geliefert wurde, da war mir das Kissen im Knie manchmal im Weg.

Nachdem ich den alten Geschirrspüler gleich entsorgt bekam, machte ich mich in den letzten 3 Stunden daran, das vermaledeite Ding anzuschließen. Wie bei allen Plug&Play Geräten stellt die eigentliche Inbetriebnahme meistens kein Problem dar. Das Problem war das Plug. Ich schaute auf den Anschlussschlauch, drehte ihn fest, ging. Ich nahm den Stecker in die Hand, steckte ihn in die Steckdose, ging. Ich nahm den Ablauf, hielt ihn an den Abfluss, ging nicht. Ich verfüge über ein sorgfältig gehütetes Gummimuffenlager nebst diversen Anschlussvariationen für allerlei wasserführendes Gerät, doch leider besaß ich nichts, womit ich diesen Schlauch dort hätte befestigen können. Die Größe war identisch mit dem Ausgang und das kurze Stück echter Gummischlauch, was dem geriffelten und wenig flexiblen Schlauch voranging, einfach zu kurz, um mehr als nur den üblichen Schraubring darauf zu befestigen.

Als ich mich dessen mehrmals überzeugt hatte, also der Tatsache, nichts weiter als Befestigung benutzen zu können, außer dem besagten Schraubring, versuchte ich es einfach so und übergab mein Schicksal dem Lauf des Vorspülprogramms. Vorausschauend wie ich nun mal bin, habe ich dafür extra den Spülenschrank ausgeräumt. Das Handtuch für eventuelle Malheurs bewahrte ich in einem Schrank auf, der weit genug weg stand, um beim Eintreffen etwaiger Wassermassen echte Panik auszulösen. Von der Panik machte ich nach ca. 7 Minuten intensiven Gebrauch, als der Schlauch vom Abflussrohr riss und das gotzeidank klare Wasser mit einem kleinen Plopp aus dem freiliegenden – nein frei schwenkenden – Schlauch spritzte. Auf den Spülenschrankboden, in die Steckdosenleiste, auf den Fußboden, hinter die Schränke. Bis ich soweit war, den Schlauch unter Kontrolle zu bringen, waren ca. 3,5 Liter in der Küche verteilt. Den halben Liter, der noch übrig blieb – denn das Vorspülprogramm verbraucht exakt 4 Liter Wasser, wie mir die Bedienungsanleitung später mitteilte – fing ich mit der Blumengießkanne auf, die zufällig in der Nähe stand.

Nachdem alles wieder trocken war, berief ich mich auf den ältesten Trick, des ungelernten Klempners: schneide ein Stück Schlauch ab, vorsorglich am Ende, und verlängere ihn dann um das gewünschte Maß. Verlängern wollte ich nicht, aber das Gummiende des Schlauches schien keiner weiteren Belastungsprobe standzuhalten. Demzufolge musste ich das starre Stück Riffelschlauch mit irgendwas verbinden. Ich fand etwas in meinem Muffenlager, was passen könnte und knipperte es mithilfe einer Schlauchklemme daran feste. Dann versuchte ich mein Glück wieder mit dem Schlauchring und siehe da: es passte. Das Vorspülprogramm tat seinen zweiten Dienst und der Schlauch hielt. Ich war so stolz.

Jetzt läuft das Schnellprogamm, 11,5 Liter. Ich sitze jetzt am Rechner und tippe. Jedesmal, wenn ein röcheln erklingt, stratze ich in die Küche zurück und schaue nach dem Schlauch. Das Knie habe ich jetzt total vergessen, aber das Kissen ist noch da und ist manchmal im Weg.

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