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Montag, 4. Juni 2012

Feuilleton/Literaturredaktion: Frau Martina Sulner

Teil 6

Dieses Mal habe ich mir wirklich ungebührlich lange Zeit gelassen, um meine Beschreibung der Vorlesung „Angewandte Literaturwissenschaft“ abzuliefern. Es war Vorlesungsunterbrechung und ich war im Urlaub, deshalb dauerte es diesmal etwas länger. Zu Gast war Frau Martina Sulner von der HAZ. Thematisch „überschattet“ war die Veranstaltung von dem Titel „Feuilleton / Literaturredaktion“.
Ich habe mich während der Vorlesung schon einige Male davon überzeugen lassen können, dass es sich bei den Gastdozenten nicht ausschließlich um „Elfenbeinturmbewohner“ handelt. So wurde ich auch hier wieder angenehm überrascht von einer Dame, die ganz und gar nicht den Eindruck vermittelte, abseits des realen Lebens und in abgehobener Position vor sich hin zu arbeiten; die sich mit klarer, lauter Stimme gegen geöffnete Fenster und damit verbundenem Straßenlärm durchsetzte. Das Plenum war beschaulich brav und leise, aber auch in besonderem Maße interessiert. Frühe Fragen verzerrten den Dialogcharakter der Vorlesung, ein Pluspunkt. Inhaltlich kam nicht viel Neues auf den Tisch. Das übliche Bla Bla beim Lebenslauf. Was ich schon länger nicht mehr gehört hatte, war der ominöse Anruf eines potentiellen Arbeitgebers, der da einfach mal so wissen wollte, „ob sie (Frau Sulner) nicht diesen oder jenen Job machen wolle“, in ihrem Fall den Pauschalistenjob bei der HAZ. Mentoren seien wichtig, Praktika nicht zu vergessen usw. Was gäbe es also noch Interessantes zu berichten, fragte ich mich.



Diese Todesanzeige geht zurück auf die Äußerung Martina Sulners, in 15 Jahren werde es immer noch Zeitungen geben. Recht hat sie, nur wie sieht diese Zeitung der Zukunft aus? Die HAZ hat kein Feuilleton, genauso wenig wie jede andere Zeitung im „Madsack-Imperium“. Todesanzeigen und sinkende Auflagen haben sie aber alle. Die Todesanzeigen finden sich übrigens recht häufig in dem Teil der Zeitung, der sich Feuilleton nennt. Ist das Zufall? Ist es Zufall, dass das Feuilleton laut Prof. Košenina immer die Seiten der Zeitung sind, die in Fitnessstudios, Bibliotheken, Friseursalons usw. als erstes vergriffen sind und wie hängt das mit den Todesanzeigen zusammen? Prof. Eva Martha Eckkramer von der Universität Mannheim äußert sich dazu ungewöhnlich vage für eine Wissenschaftlerin: „Anscheinend gehört der Todesanzeigenteil zu einem der meistgelesenen Teile einer Tageszeitung, der einen sehr hohen Grad an Aufmerksamkeit genießt.“¹ Arg rüde äußert sich dieser Blogger: „Hier in meiner unmittelbaren Umgebung interessiert es den geneigten Tagesblatt-Leser weit mehr, wer in den Todesanzeigen steht und wie die Heimmannschaft der 8.Liga am vorherigen Samstagnachmittag gespielt hat, obwohl man selbst dem Spiel seine bierflaschenbewehrte Aufwartung gemacht hatte. Wenn da im Feuilleton über eine Seite hinweg nur "Zicke-zacke-Hühnerkacke" zu lesen ist, merkt dass doch keine Sau.“ Es könnte also lange und ausgiebig darüber diskutiert werden, ob die Todesanzeigen deshalb im Feuilleton stehen, weil sie so beliebt sind, oder ob das Feuilleton deshalb immer vergriffen ist, weil die Todesanzeigen darin abgedruckt sind – die altbekannte Huhn-und-Ei-Frage, wobei ich noch nicht herausgefunden habe, wer die Todesanzeigen ins Feuilleton getan hat. Es könnte auch danach gefragt werden, ob sich hinter dem Feuilleton-Leser ein Aufschneider versteckt, der, seit es den Kindle gibt, leider nicht mehr als sogenannter „Bildungsbürger“ enttarnt werden kann, weil er nicht mehr in der Straßenbahn eine leicht zerlesene Ausgabe der „Dialektik der Aufklärung“ liest, sondern in einen kleinen schwarzen Kasten guckt, der auch die neueste Ausgabe des Lustigen Taschenbuchs anzeigen könnte. Solche Fragen will ich hier aber gar nicht stellen.

Was macht eine Zeitung zukunftsfähig? Frau Sulner sagte, dass es eine Gratwanderung sei, den „etablierten“ Abonnenten (Altersgruppe 60+) nicht zu verschrecken und andererseits den „jungen Leser“ zu gewinnen. Hier wird natürlich nicht nach Antworten gesucht, sondern lediglich die Schwierigkeit des Unterfangens herausgestellt. Frau Sulner äußerte sich – nicht ohne Bedauern – zu den letzten Marktanalysen der Madsack-Gruppe, die allesamt leider schon viel zu alt sind, um noch repräsentativ zu sein. Hoffentlich sind sie nicht schon so alt, wie die Abonnenten, wobei dies allerdings erklären würde, was bei der NP gerade passiert. Wie es nicht geht, beweist nämlich seit längerem die Neue Presse, indem sie sich bei den Schlagzeilen dem Niveau der Bildzeitung nähert. Auf Rückfrage meinerseits bei einem dort tätigen Redakteur sagte dieser, dass das ein heikles Thema sei und kontrovers diskutiert wurde, letztendlich aber der Abgrenzung (Schärfung?) des eigenen Profils dienen sollte. Aha! Mein Schuss ins Blaue dazu sähe ungefähr folgendermaßen aus: man betrachte einmal die Statistiken der Seite meedia.de² und veranschauliche sich die Grafiken der HAZ/NP und der Bild nebeneinander. Da fällt auf, dass sich die Käuferschicht der Bild nicht aus Abonnenten, sondern eher aus Direkteinkäufern zusammensetzt und die der NP und HAZ größtenteils aus Abonnenten. Die Zahl der Abonnenten zu erhöhen ist wie gesagt eine „Gratwanderung“, also bleiben nur die Direktkäufer. Das heißt, derjenige, der seine Zeitung althergebracht am Kiosk oder beim Bäcker einkauft, soll statt zur Bild jetzt zur NP greifen Das macht man mit einer reißerischen Schlagzeile und funktioniert wohl ähnlich wie bei dem Impulskauf an der Supermarktkasse, wenn man dort steht, wartet und plötzlich zu den Tic Tac greift. Ähnliches dachte sich wohl die NP und versucht nun mit reißerischen Schlagzeilen und A4-formatigen Werbeaufstellern, den Käufer beim Kiosk oder Bäcker auf die NP einzuschwören. Dadurch dass auch die Bild sinkende Auflagen hat und sich die NP trotzdem dazu durchrang, diese Strategie zu fahren, hätte das Ganze durchaus etwas altruistisches – denn wer liest schon gerne die Bild. Hätte, weil es scheinbar nur funktioniert, wenn das Niveau bei der NP selbst auch sinkt. Nicht die Zeitung ist hier die Ware, sondern der Leser.

Der hier zu Tage tretende Solipsismus zeigt sich auch an anderer Stelle. Wenn zum Beispiel Di Lorenzo und Schirrmacher von Katrin Göhring-Eckardt interviewt werden und sich im Kommentarstrang unter dem Interview nicht nur gelöschte Einträge (Meinungsfreiheit?!?), sondern vor allem unbeantwortete Kommentare wiederfinden (auf den Inhalt des Interviews einzugehen, obwohl streckenweise durchaus lesenswert, würde hier zu weit führen). Ich teile nicht die Meinung, dass „schöne Worte“ den Nimbus des „Einkanalmediums Zeitung“ hinwegredigieren können. Uneingelöst bleibt somit das „Dialogangebot“ (davon sprach auch Frau Martina Sulner). Da unterhält und streitet man sich lieber über die Zeitungsgrenzen hinaus aber bitte schön im erlesenen Kreis. Die heutige Avantgarde – und damit meine ich nicht den Literaturwissenschaftler oder die, die es noch werden wollen – liest ja sowieso mehrere Zeitungstitel, sie kann dem Gequassel problemlos folgen und folgt den Quasslern natürlich überall hin; sie geht dafür ins Fitnessstudio, zum Friseur oder in die Bibliothek, denn an steigenden Abonnentenzahlen kann man die Avantgarde leider nicht ausmachen. Wenn sich die Zeitungsmacher also weiterhin vor einem „echten“ Dialog verschließen, den Leser dazu verdammen, trotz bekundetem Interesse (Abonnement) immer ein wenig außen vor zu bleiben, ist das Feuilleton nichts weiter ein Statusemblem und die Zeitung nichts weiter als gutes Papier, um die guten schwarzen Schnürschuhe zum Glänzen zu bringen.

¹Eva Martha-Eckkramer, Sabine Divis-Kastberger, Die Todesanzeige als Spiegel kultureller Konventionen, Mannheim 2009?, S.19.
²Hier können sich fast alle Zeitungstitel der Madsack-Gruppe und so ziemlich alle großen Zeitungstitel angeschaut werden, ein Blick, der sich lohnt.

Teil 8

Donnerstag, 31. Mai 2012

ohne Klingelton

Ich hatte vor kurzem unsere Klingel reaktiviert, weil wir mehrere Pakete erwarteten. Die Pakete waren alle während unserer Anwesenheit geliefert worden. Es klingelte, ich ging zur Tür und öffnete. Es kam ein junger Mann die Treppe hochgerannt, hielt mir sein Bedienpanel vor den Bauch und nötigte mir eine Unterschrift ab. Dafür bekam ich dann jeweils ein Paket, eins von GLS, eins von DHL und noch eins von einem Lieferservice, dessen Name mir entfallen ist. Das Ganze spielte sich letzte Woche ab.
Diese Woche kam noch ein Paket, das niemand auf der Rechnung hatte. Ich musste dafür auch nicht unterschreiben, ich bekam es einfach so ausgehändigt, von DHL. Das ging nur deshalb, weil ich vergessen hatte, den weißen Draht unserer Klingel zu lösen. Normalerweise ist unsere Klingel immer abgestellt. Es nervt einfach, wenn Hinz und Kunz an jedem Vormittag ein Konzert im Treppenhaus veranstalten, weil irgendein Wurstblatt in irgendeinen Briefkasten zu landen hat. Viel schlimmer noch als die Wurstblätter aber sind die Pizzablätter der Bringdienste, die Kreditofferten und Zirkusse, die Jubiläen von Autohäusern.

Meine schlimmste Arbeitserfahrung machte ich vor zwei Jahren im Sommer, als ich einen Stapel Infoblätter von den Herrenhäuser Gärten und ihren Konzertreihen in die Hand gedrückt bekam und vor dem Opernplatz an Passanten verteilen sollte. Ich sollte nicht nur verteilen, sondern explizit auf die Veranstaltungen verweisen, die Leute in ein Gespräch verwickeln und ausschließlich den wirklich Interessierten einen Flyer in die Hand drücken. Ein älteres Ehepaar, was mehr oder weniger eine Abendveranstaltung besuchen wollte an diesem Tag ( es fand genau an diesem Tag die Eingangsveranstaltung der Konzertreihe statt ), waren die einzigen wirklich Interessierten. Den Rest der Flyer drückte ich mitleidvollen Passanten in die Hände. Auf jede Annahme eines Flyers kamen ca. 10 Absagen, Abwinken, Ignorieren.
Nach ca. 20 verteilten Flyern ging ich eine Runde um die Oper herum, fand eine unauffällig geparkte Tonne und entledigte mich der Hälfte des schweren Gutes. Besser ging es mir dann nicht. Auch nicht, als ich die andere Hälfte wieder bei meinem Arbeitgeber ablieferte. Aber ich wusste wenigstens, welchen Job ich niemals wieder machen würde. Ich verminderte meine tatsächlich geleistete Arbeitszeit um eine Stunde des schlechten Gewissens wegen, und kündigte noch am gleichen Tag.

Weil ich unsere Klingel weiterhin in Betrieb halte, läutet es zur Zeit mindestens zweimal am Tag, wegen des Postboten und wegen einer ungewollten Offerte irgendeines armen Menschen, der ebenfalls ein schweres Päckchen trägt und sich dessen in unserem Hausflur entledigen möchte. Bevor ich den Job gemacht hatte, wollte ich schon des Öfteren herunterlaufen und mit drohender Faust auf die Tabuklingel, unsere, verweisen. Ich bin dafür zu gut erzogen. Ich nehme mittlerweile jeden noch so beschissenen Flyer an, den man mir in die Hand drücken möchte und lehne nur ab, wenn ich bereits an anderer Stelle aus anderer Hand den gleichen vorzuweisen habe. Den zeige ich dann freundlichst vor und gehe meiner Wege. Zu Hause wandern die Papiere in den Müll, ich traue mich nicht einmal mehr, sie vorher wegzuwerfen.

Und heute will ich gerade das Haus verlassen, als ich, der ich immer durch die Hintertür auf den Hof trete, den Postboten sehe, wie er mit rascher Hand die Klingel im Haus auslöst und um Einlass bittet. Es summt, er ruft: "Post! Danke!", und beginnt die Briefkästen zu füllen. Ich gehe hinten raus, laufe vorn herum und frage mich, ob er nur dort geklingelt hat, wo er auch einen Brief einwerfen wird; ob er aus Rücksicht nur wenige bestimmte Klingeln betätigt, wenn er sich einem Hauseingang nähert. Ich warte vor der Eingangstür, bis er wieder herauskommt und frage ihn danach. Er antwortet, dass er überall klingelt, sonst würde er noch morgen die Post von gestern austragen. Ich habe mich nicht getraut zu fragen, ob an seinem dicken Schlüsselbund nicht auch der Schlüssel für unsere Haustür befestigt ist, ich habe soeben die Klingel wieder abgeschaltet.

Mittwoch, 30. Mai 2012

Prokrastinspiegel

Jetzt sind Ferien, ich war in den Ferien und irgendwie ist alles auf Ferien umgestellt. Mein Prokrastinspiegel nähert sich dem Höchstwert. Die Sonne lacht jeden Tag aufs Neue über all die Sachen, die ich mir vornehme und träumen tu ich auch nur Scheiß. Heute wachte ich sogar vom Träumen auf.

Der Traum war so absurd, dass ich davon aufgewacht bin und ihn sogleich vergessen habe. Als ich dann hier am Rechner sitze und kurz was schreiben will, drängt er sich in mein Gedächtnis und klaut allen anderen Ideen die Luft zum Atmen. Jetzt sitze ich hier und überlege, ob ich irgendjemand mit halb aufgeblasenen Volleybällen, einer zugigen Turnhalle und meiner Berufsschullehrerin belästigen sollte oder ob ich meinen Prokrastinspiegel - diesmal aus durchaus vernünftigen Gründen - zur stabilen Wetterlage erkläre.

Ich glaube, ich mache beides. Ich entschuldige mich hiermt für die Erwähnung eines Traumes, belasse es bei den drei sinnlosen Absätzen und genieße das Wetter so lange es heiß ist.

Samstag, 26. Mai 2012

Wernigerode

Wernigerode ist wie eine Modelleisenbahn im 110:1 Maßstab, also alles in Echtgtröße, wo man seine müden Knochen doch sonst durch irgendwelche Einstiege oder abseits der Platte hinbewegen muss, um Einfluss auf den Betrieb nehmen zu können. Die HSB trötet ihren Gruß alle halbe Stunde in ca. 50 cm Luftlinie an unserer Residenz vorbei ins Tal. Der Blick auf das Schloss ist phänomenal, das Schloss selbst leider nicht unbedingt eine Reise wert, denn die Ausstellung ist eher mau.

Fachwerk ist hier der hervorzuhebenden Baustil. In der Innenstadt ist fast alles Fachwerk, hier oben auf dem Eisenberg liegen die mondänen Villen aus der Jahrhundertwende des vorigen Jahrhunderts. Selbst die Kellerfenster sind hier mondän und von steinernem Sockel umschlossen. Die Kirchen, zumindest diejenigen, ide wir besucht haben, waren alle romanischen Ursprungs. Der Turmwächter in der zweiten war nicht romanisch, aber so nett, uns den Eintritt auf die Aussichtsplattform zu erlassen. 138 Stufen habe ich gezählt, mit meinem Sohn auf dem Arm. Oben: Taubenscheiße und ein herrlicher Ausblick. Morgen geht es schon wieder weiter in die Ottonenstadt, auch irgendwie romanisch, auch mit der Eisenbahn.

Mittwoch, 23. Mai 2012

Bier im Stiefel

Als wir, Frau H., Herr D., Trithemius und ich, gestern limmern waren ( auf der Limmerstraße sitzen, dummes Zeug erzählen und Bier trinken ), kamen so einige geflügelte Worte daher, teilweise ungewollt und an anderer Stelle durchaus mit Absicht. Dieses Bonmot war ungewollt von Trithemius in die Welt gesetzt, weil er tatsächlich Bier im Stiefel hatte, was ihm Herr D. aus Versehen hineingekippt hatte.

Bier im Stiefel könnte für so vieles stehen, deshalb darf sich jetzt jeder etwas aussuchen. Ich fange einmal mit zwei Vorschlägen an und nehme natürlich gerne weitere entgegen:

1. Vorschlag

Bier im Stiefel = Wut im Bauch
So ungefähr das blödeste, was einem auf der Limmerstraße passieren kann, ist, wenn einem das Bier umkippt. Wenn man daran nicht selbst schuld ist und, oder es einem dann in den Stiefel läuft, ist die Laune echt am Boden.

2. Vorschlag

Bier im Stiefel = sturzbetrunken
Mit Bier im Stiefel hat man es auf der Limmer eindeutig geschafft, herumgrölen und -torkeln, Passanten anrempeln und im Kiosk rumpöbeln. Der Abend war eindeutig feuchtfröhlich.

Montag, 21. Mai 2012

Zwei Uhren

Mit zwei Uhren hat man, soweit sie ihre Zeit nicht über Funk beziehen, immer das Problem des Nichtgleichlaufens. Wir haben in unserer Küche sogar drei Uhren: eine Küchenuhr von Kienzle in furchtbar retrogrünem Fliesendekor, einen Uhr am Backofen und eine an der Küchenwaage. Alle drei laufen nicht gleich und zeigen unterschiedliche Minuten an, richten tu ich mich nach der Uhr von meinem Handy, das ich dafür ständig aus der Tasche ziehe und begutachte. Dann vergesse ich die Uhrzeit wieder, bzw. was ich eigentlich mit dem Handy tun wollte, und hole es erneut aus der Hosentasche. Das Spielchen kenne ich schon.

Ein neues Spiel hat jetzt Reno erfunden. Da kommt man als unbescholtener Schuhkäufer hin und - wenn man einmal ausgewachsen ist - kauft sich die Schuhe in der Größe, wie man sie immer kauft. Wenn derjenige Schuhe braucht, der noch keine feste Größe hat, wie unser Sohn zum Beispiel, dann wird es jetzt doppelt kompliziert: einerseits steht nämlich die Größe des Herstellers auf dem Karton und außerdem hat Reno selber nachgemessen und häufig ein anderes Ergebnis vorgelegt und daneben abgedruckt. So wechselten wir heute fröhlich Schuhgrößen aus, um nach kürzester Zeit festzustellen, dass unser Sohn eine Zwischengröße hat, irgendwo zwischen 20 und 21.

Mir war nach drei paar Schuhen alles egal, Farbe, Aussehen, Lederanteil. Hauptsache, die Schuhe passten. Wir probierten eine 20: ( Hersteller und Reno ) zu klein, eine 21: ( Hersteller, Reno sagte 20 ) zu klein, eine 21: ( Reno, Hersteller 20 ) zu groß, eine 21: ( Reno, Hersteller auch 21 ). Wir probierten die unterschiedlichsten Modelle an, nichts passte. Scheiße.

Samstag, 19. Mai 2012

Kurt Tucholsky: Schloss Gripsholm II

Als ich noch ein wenig trödeliger mit meiner Zeit umgegangen bin als jetzt, kam es schon mal vor, dass ich tagelang nichts anderes machte, als zu arbeiten ( oder zur Schule zu gehen ) und dann nach Hause zu kommen und Computer zu spielen – immer das gleiche Spiel. Seit Jahren, genauer gesagt schon seit meiner Schulzeit spielte ich dieses Spiel hoch und runter. In der 10. Klasse war ich deshalb einmal drei Wochen nicht in der Schule. Ich bin jeden Morgen um 7 aus dem Haus, zu einem Freund, der dementsprechend natürlich auch zwei Wochen fehlte, und dann haben wir bei Cola und Tiefkühlpizza von morgens bis abends gezockt.

Meine Mutter, Englischlehrerin, kannte meine Klassenlehrerin, ebenfalls Englisch, aus einer Weiterbildung für Französisch. Sie waren auf Du und Du sozusagen. Als sie sich eines Tages beim Einkaufen über den Weg liefen, sagte meine Klassenlehrerin nur: „Dein Sohn ist aber schon lange krank.“ Meine Mutter sagte so etwas wie: „Ja, aber morgen kommt er wieder zur Schule.“ Das gab mächtig Ärger, zudem meine Mutter auch noch eine Schachtel Luckies in meiner Jacke fand.

Bei dem Spiel, was wir da spielten, eine schlichte Aufbausimulation, die für einige ein enormes Suchtpotential bereithält, ging es uns bzw. mir nie darum, zu gewinnen. Es ging um die Momente des Auskostens, kurz vor dem Sieg. Na klar haben wir das Spiel durchgespielt, so wie alle Nachfolger, die sich dem ersten und zweiten Teil der Reihe verbunden fühlten ( zwischenzeitlich kamen ja ein paar weniger gute Ausreißer für die Echtzeitstrategie-Käuferschicht auf den Markt, gotzeidank haben sich die Macher aber zurückbesinnt, uns als potente Käuferschicht wiederentdeckt und ein paar grafisch verbesserte Revivals auf den Markt geworfen, die ich natürlich alle im Original besitze ). Wir haben danach selbst Karten entworfen, haben an manchen Karten tagelang gespielt, und dann kurz vor dem Ende, wenn der Rechner durch das viele Gewusel sowieso kurz vor dem Aufgeben war, neu angefangen und eine andere Karte gespielt. Wir haben extra langsam gespielt, bestimmte völlig abwegige Spielziele erfunden, wie die meiste Kohle oder das meiste Gold einzulagern, die meisten Fische zu angeln. Nur um den einen Sieg ging es uns irgendwie nie so richtig.

Warum erzähle ich das überhaupt? Will ich etwa ein Buch über ein Computerspiel vorstellen? Nein. Ich habe vor einer Woche mein Freitagsbuch ausgelesen. Zum zweiten Mal das gleiche Buch. Ich besitze das Buch sogar zweimal, eine Fassung, bei der sich der Deckel löst und eine fast neuwertige ( wenn man das von einem Buch überhaupt sagen kann, das fast doppelt so alt ist wie ich ) Version, die bis auf vergilbtes Papier nichts an Gebrauchsspuren aufweist, eine Erstausgabe des 4. rororo Taschenbuchs von 1950: Kurt Tucholsky, Schloss Gripsholm.

Ähnlich wie bei meiner Neigung zum Computerspiel erging es mir mit diesem Buch. Ich musste mich zwingen, immer weniger Seiten zu lesen, um es einfach noch ein wenig länger auszukosten. Alles passte an diesem Buch: diese heiter beschwingte Grundstimmung, diese Lebensweisheit, die komplizierten aber nie anstrengenden Beziehungen und zuletzt sogar die traurige Geschichte des kleinen Mädchens, das den Bruder verloren hatte und bei einer Hexe von Erzieherin ihr tristes Dasein fristete. Das gute Ende in jeder Hinsicht, das Fehlen jeglicher Verpflichtung für die Protagonisten über die Handlung hinaus gab mir immer das Gefühl, im Urlaub zu sein, wenn ich zu lesen anfing. Ich trug das Gefühl nach ein paar Seiten der Lektüre für Stunden mit mir herum und wenn ich jetzt daran denke und aus dem Fenster schaue, kann mich selbst die von mir noch zu reinigende Wohnung nicht mehr ärgern.

Das Bild und den eigentlichen Artikel in meiner Reihe "Werbung im Buch" findet sich hier.

Freitag, 18. Mai 2012

Dramaturgie und Theater: Volker Bürger und Dr. Ole Hruschka

Teil 5

Felix Schwenzel schrieb vor kurzem, dass ihm genau die Vorträge auf der Republica am besten gefallen hatten, die von einer gewissen Unprätentiösität getragen wurden. Die Menschen, denen er zugehört hatte, waren allesamt flauschig und unprätentiös. So gesehen war auch das „Gespräch“ – um hier Dr.Ole Hruschka, zu zitieren, der dem gebotenen Rahmen nicht den sperrigen Begriff einer Vorlesung überzustülpen bereit war – welches am letzten Mittwoch in der Vorlesungsreihe „Angewandte Literaturwissenschaft“ stattfand, von solchem Charakter.

Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn ich bei meinem ersten Arbeitsantritt auf einer der Bühnen des Staatstheaters bei der Vorstellung durch einen Kollegen den anderen Anwesenden durch Hände in den Hosentaschen aufgefallen wäre. Ich glaube es waren drei Dinge, die ich bereits vor meinem ersten Arbeitsantritt eingebleut bekam: kein Pfeifen und Summen auf der Bühne, kein Handyklingeln und der wichtigste Punkt: habe niemals die Hände in den Hosentaschen. Im Ballhof ist das nicht ganz so strikt, da gibt es sogar mal Musik auf der Bühne, während ein Stück aufgebaut wird. In der Oper allerdings gab es Zeiten, da war bei einem solchen „Vergehen“ ein Kasten Herri fällig.

Dunkle Kleidung, nicht zwingend schwarz, reicht für uns Aushilfen aus, wenn wir nicht in den Pausen oder sogar während der Stücke Kulissen zu bewegen haben. Die schwarze Bekleidung mag für Festangestellte der Bühnentechnik gelten, für Dramaturgen und auch für solche, die es einmal waren, gilt das nicht, wie gut zu beobachten war. Sicherlich mag der ein oder andere Regisseur oder Schauspieler auf seinen schwarzen Rolli bestehen, wenn er außerhalb des Theaters auf ein Publikum trifft, und sicherlich zeigt er damit mehr Willen zur Identifikation zum Theaterschaffen als der Arzt, der in seiner Freizeit statt zur weißen Hose und weißem T-Shirt lieber die volle Farbpalette ausschöpft, bis hin zum gern getragenen rosafarbenen Polohemd mit dem kleinen grünen Krokodil drauf. An Identifikation mangelte es trotz der vermissten schwarzen Kleidung allerdings nicht. Letztendlich hat es wohl Stanislawski auf den Punkt gebracht: so ist doch der pragmatische, nämlich die Ausblendung alles gerade Unwichtigen, das Verhängen aller nicht bespielten Teile, schlicht ihre Neutralisation der Hauptgrund für das alles dominierende Schwarz am Theater.

Doch genug der Äußerlichkeiten und ersten Eindrücke. Ich bin übrigens genau anders herum vorgegangen, als ich meinen Beitrag hier begann und habe nur einen der beiden Vortragenden genannt, nämlich denjenigen, der in der Sitzung nur „nebenbei“ vorgestellt worden ist. Dr. Ole Hruschka störte das nicht, ganz im Sinne der Unprätentiösität, schob er sich während der Dramaturg Volker Bürger vorgestellt wurde, von seinem „Hiwiplatz“ rechts außen an der Tür in die Mitte des Raumes hinter den großen Schreibtisch und sortierte erstmal seine mitgebrachte Literatur, bevor er sich selbst ins Gespräch einbrachte und auf Fragen antwortete, die ihm gar nicht gestellt worden waren. Volker Bürger war nicht weniger unprätentiös, für Professor Alexander Košenina, so schien es mir, jedoch der interessantere Besucher. Bürgers Antworten begannen stets bei der zuletzt gestellten Frage und arbeiteten sich dann bis zur ersten Frage zurück. Am Schluss der „Vorstellung“ musste er einmal nachhaken, wie denn die erste Frage „nochmal gewesen“ sei, aber insgesamt machte er einen hochkonzentrierten, aufgeräumten Eindruck. Ein kleines Schatzkästlein an Zitaten hatte er ebenfalls im Gepäck, um die Aufgaben des Dramaturgen hinreichend zu erklären. Hier hielt er sich an die „richtige Reihenfolge“ und gab dann zum Beispiel wieder, dass der Dramaturg der erste und letzte Zuschauer sei. Mir kam es so vor, als sei der Dramaturg so etwas wie der Theaterredakteur.

Leider war die Vorlesung in puncto Tipps und Tricks längst nicht so ergiebig wie andere Veranstaltungen zuvor, was auch damit zusammenhängt, dass sich vieles wiederholte. Viel spielt sich im Theaterleben einfach über Sehen und Gesehen werden ab. Da muss es also nicht verwundern, wenn neben den einschlägigen Praktika vor allem die persönlichen Kontakte als Türöffner benutzt werden. Das wirklich Schöne ist: dieses lästige Bewerbungen Schreiben scheint in diesem Berufszweig längst nicht den Stellenwert einzunehmen, wie es in anderen Bereichen so üblich ist. Der Vitamin- B-Faktor ist dafür umso höher anzusetzen, was für den einen gut, für den anderen aber auch ziemlich ungünstig verlaufen kann (Volker Bürger berichtete anbei von einem Kollegen, der 800 Bewerbungen geschrieben hatte. Hut ab! Wenn man dabei auch noch auf Eigenheiten des jeweiligen Stadttheaters Rücksicht nimmt und sich durch Kenntnis der Spielstätte auszeichnen möchte, ist das eine echte Mammutaufgabe.). Interessanter als der Werdegang der beiden waren ihre Ansichten zum Berufsbild des Dramaturgen. Die unterschieden sich nicht groß voneinander, ergänzten sich aber gut, denn Dr. Ole Hruschka repräsentierte die distanzierte Perspektive, er war ja „nur“ bis 2007 als Dramaturg tätig. Volker Bürger vertrat hingegen den direkteren Blick auf das Tätigkeitsfeld. Diese Mischung aus Nähe und Distanz beschreibt dann auch gut den Zwiespalt, mit dem sich ein Dramaturg dem Theaterstück und seinen Protagonisten (Regisseure, Schauspieler, Bühnenbildner, Publikum usw.) nähern muss.

Vielleicht hätte meine Adaption zu einem kommentierten Fußballspiel hier viel besser gegriffen, wenngleich sich das Personalkarussell mit weniger öffentlicher Wahrnehmung dreht als beim Fußball ( längst nicht alle Zeitungen leisten sich einen Feuilleton, einen Sportteil hat sogar das hinterletzte Umsonstschmierpapier ). Es ist aber mindestens genauso schnell, was Volker Bürger so kommentierte: „Um Theater neu zu erfinden, braucht es auch neue Menschen“. Prof. Alexander Košenina konterte ungewohnt (ungewollt wahrscheinlich auch) bissig, indem er kurz danach von Amerika sprach: „In Amerika kann man sich alle paar Jahre neu erfinden…“ Das gab mir persönlich besonders zu denken, worüber ich auch noch nicht fertig bin.

Teil 7

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