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Bei den Leisen Tönen. Manchmal braucht es einen Blog, um sich Luft zum Denken zu verschaffen. Keine Steckenpferde, Hobbies oder sonstiges Spezielles, nur Luft zum Denken.

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Montag, 18. Juni 2012

Kissen im Knie

Ich habe seit zwei Wochen einen Airbag im Knie. Genau genommen ist es kein Airbag, denn was drin ist, will ich nicht wissen, aber Luft ist es eher nicht. Bei voller Bewegungsfreiheit und mittlerweile wenig Schmerzen, regt mich das kaum noch auf. Nur heute, als unser neuer Geschirrspüler geliefert wurde, da war mir das Kissen im Knie manchmal im Weg.

Nachdem ich den alten Geschirrspüler gleich entsorgt bekam, machte ich mich in den letzten 3 Stunden daran, das vermaledeite Ding anzuschließen. Wie bei allen Plug&Play Geräten stellt die eigentliche Inbetriebnahme meistens kein Problem dar. Das Problem war das Plug. Ich schaute auf den Anschlussschlauch, drehte ihn fest, ging. Ich nahm den Stecker in die Hand, steckte ihn in die Steckdose, ging. Ich nahm den Ablauf, hielt ihn an den Abfluss, ging nicht. Ich verfüge über ein sorgfältig gehütetes Gummimuffenlager nebst diversen Anschlussvariationen für allerlei wasserführendes Gerät, doch leider besaß ich nichts, womit ich diesen Schlauch dort hätte befestigen können. Die Größe war identisch mit dem Ausgang und das kurze Stück echter Gummischlauch, was dem geriffelten und wenig flexiblen Schlauch voranging, einfach zu kurz, um mehr als nur den üblichen Schraubring darauf zu befestigen.

Als ich mich dessen mehrmals überzeugt hatte, also der Tatsache, nichts weiter als Befestigung benutzen zu können, außer dem besagten Schraubring, versuchte ich es einfach so und übergab mein Schicksal dem Lauf des Vorspülprogramms. Vorausschauend wie ich nun mal bin, habe ich dafür extra den Spülenschrank ausgeräumt. Das Handtuch für eventuelle Malheurs bewahrte ich in einem Schrank auf, der weit genug weg stand, um beim Eintreffen etwaiger Wassermassen echte Panik auszulösen. Von der Panik machte ich nach ca. 7 Minuten intensiven Gebrauch, als der Schlauch vom Abflussrohr riss und das gotzeidank klare Wasser mit einem kleinen Plopp aus dem freiliegenden – nein frei schwenkenden – Schlauch spritzte. Auf den Spülenschrankboden, in die Steckdosenleiste, auf den Fußboden, hinter die Schränke. Bis ich soweit war, den Schlauch unter Kontrolle zu bringen, waren ca. 3,5 Liter in der Küche verteilt. Den halben Liter, der noch übrig blieb – denn das Vorspülprogramm verbraucht exakt 4 Liter Wasser, wie mir die Bedienungsanleitung später mitteilte – fing ich mit der Blumengießkanne auf, die zufällig in der Nähe stand.

Nachdem alles wieder trocken war, berief ich mich auf den ältesten Trick, des ungelernten Klempners: schneide ein Stück Schlauch ab, vorsorglich am Ende, und verlängere ihn dann um das gewünschte Maß. Verlängern wollte ich nicht, aber das Gummiende des Schlauches schien keiner weiteren Belastungsprobe standzuhalten. Demzufolge musste ich das starre Stück Riffelschlauch mit irgendwas verbinden. Ich fand etwas in meinem Muffenlager, was passen könnte und knipperte es mithilfe einer Schlauchklemme daran feste. Dann versuchte ich mein Glück wieder mit dem Schlauchring und siehe da: es passte. Das Vorspülprogramm tat seinen zweiten Dienst und der Schlauch hielt. Ich war so stolz.

Jetzt läuft das Schnellprogamm, 11,5 Liter. Ich sitze jetzt am Rechner und tippe. Jedesmal, wenn ein röcheln erklingt, stratze ich in die Küche zurück und schaue nach dem Schlauch. Das Knie habe ich jetzt total vergessen, aber das Kissen ist noch da und ist manchmal im Weg.

Samstag, 16. Juni 2012

Arbeitsgrammatik

Heute Morgen um 7 fuhr ich nicht den gewohnten Weg entlang der Leine ins Theater, sondern, weil ich in einer anderen Gewohnheit drin war, einen anderen Weg. Es war aber auch nichts wie gewöhnlich und doch hat sich der Tag nicht unbedingt von anderen Arbeitstagen unterschieden. Komische Sache.

Das ging schon damit los, dass ich eine Viertelstunde zu früh da war. Der Weg am Leineufer entlang, vorbei am verschlafenen Ihmezentrum, durch die Holperstraße an der Glocksee mit ihren ewig neu entstehenden Graffitis, über die Straße, in der Karl Koch gewohnt hatte, ist nämlich nicht der direkteste aber der schönere Arbeitsweg. Heute fuhr ich über die Dornrößchenbrücke auf dem anderen Ufer, bog unter dem Schnellweg nicht ab in Richtung Glockseebahnhof, um ans Ufer zurück zu kommen, sondern fuhr die Skulpturenmeile entlang, die sich dem Königsworther Platz anschließt. Links stapeln sich die Legosteinchen, erst Contihochhaus, dann das Allianzgebäude und das Arbeitsamt. Rechts, wo ich unterwegs war, stehen ein paar ältere Stadtvillen hinter der massiven Rundung des Gewerkschaftshauses, bis sich ebenfalls ein paar Klötzer in den Blick schieben. Am Clevertor, fuhr ich bei Grün über die Ampel. An der Brücke über die Leine, schräg gegenüber der einzigen katholischen Kirche im alten Stadtkern Hannover, früher notwendig für die Kur, heute wohl eher Kür, fuhr ich bei Rot. Bis auf die wenigen Flohmarktbetreiber waren weder Menschen und erst recht keine Fahrzeuge unterwegs.

Als ich ankam, gab es bereits Kaffee und alle Kollegen waren schon da. Ungewöhnlich. Wir starteten auch nicht um zehn nach 7 wie üblich, sondern erst gegen 8. Auf die Frage, was wir denn zu tun hätten, gab es eine blumige Antwort, die besagte, dass es wohl nicht so viel sei. Weshalb wir da waren, also insgesamt drei Aushilfen, blieb rätselhaft. Auf dem Ballhof 1 angekommen – der Ballhof 2 schien fertig aufgebaut zu sein und aus nichts weiter als einem schwarzen Tanzboden zu bestehen, auf dem ein paar Scheinwerfer und Boxen standen – erwarteten uns drei Züge, an die wir mit hundert Schleifen drei weiße Vorhänge festzurrten. Dann kamen die Tontechniker und die Lichttechnik und die Requisite. Die Requisite war wohl ein Versehen, denn es wurde mir sehr schnell klar, dass nicht nur oben auf dem Ballhof 2, sondern auch unten auf der Hauptbühne nur getanzt werden würde. Und wo getanzt wird, gibt es Kulissen und Requisite in überschaubarer Zahl. Wir gingen deshalb kurze Zeit später wieder nach oben und frühstückten ausgiebig. Dann war ich zufällig gerade nicht da, als drei von uns – die beiden anderen Aushilfen waren dabei – abgeordert wurden. Ich blieb oben sitzen und betrachtete die Uhr, die wegen Batterieschwäche immer langsamer fortkroch. Zum Frühstück ging sie gerade einmal 10 Minuten nach, und ich vermutete, dass das einfach deshalb so war, weil das Frühstück ja auf der Bühne ausgerufen aber im Pausenraum beendet wurde, also 10 Minuten mehr Zeit zum Frühstücken blieb. Als es dann allerdings auf 12 zuging und die Uhr erst bei Viertel nach 11 stand, musste ich meine Theorie wieder verwerfen.

Gegen 1 rief ich einen Kumpel an, der den Dienstplan vor Augen hatte und mir sagte, dass wir nur bis 12 gebucht worden waren, da kam dann endlich ein weiterer Marschbefehl. Wir gingen nach unten, rollten 5 weiße Böden aus und nagelten und klebten die Kanten ab. Um 14 Uhr, als es nur noch darum ging, mit ein paar Bändern die Leinwand zu fixieren, fuhr ich nach Hause, total geschafft vom vielen Rumsitzen. Als ich mir das Geschriebene eben noch einmal durchlas, um eine abschließende, treffende Beschreibung des heutigen Arbeitstages abzugeben, fiel mir nicht s weiter ein, als der zweite Satz im zweiten Absatz. Er steht da mitten drin und eigentlich ist er nicht so wichtig, in seiner Struktur aber sehr ähnlich dem heutigen Schaffen: Hauptsatz ohne Prädikat und dann eine ewige Litanei, bis dann am Ende des langen Einschubs das für den Hauptsatz wichtige Verb kommt, aber eigentlich gar nichts passiert ist.

Freitag, 15. Juni 2012

idenken

Neben mir sitzt ein Typ und telefoniert über Kopfhörer und Mikrofon. In der rechten Hand hält er einen Stift und schreibt hin und wieder etwas auf ein weißes Blatt Papier. Die linke Hand huscht über ein Touchpad seines aufgeschlagenen Laptops und bewegt auf dem Bildschirm Dinge, die ich von hier aus nicht sehen kann.

Als er fertig ist mit telefonieren, legt er den Stift beiseite und tippt mit beiden Händen auf der Tastatur herum.

Als er vorhin hereinkam, unterhielt er sich kurz mit der Bedienung. Dabei fiel neben anderen Sätzen auch dieser eine, der mir im Gedächtnis blieb: „…Mit Musik lässt sich einfach kein Geld mehr verdienen…“. Ich dachte an das Urheberrecht, an die Inflation, an arme Musiker, die sich die Saiten einer Gitarre vom Munde absparen. Ich dachte er sei Musiker.

Neben mir sitzt also dieser Typ, haut in die Tasten seines Macbooks, das iPhone liegt neben ihm auf dem Tisch, das iPad auf dem Stuhl rechts von ihm, und ich denke gar nichts. Das ist nicht einfach zu beschreiben.

Donnerstag, 14. Juni 2012

Editoren an Wissenschaftsakademien: Dr. Monika Meier und Prof. Dr. Wenchao Li

Teil 8

Edieren ist von außen betrachtet eine komische Angelegenheit. Da werden lose Blätter zu einem Nachlass sortiert und dann zu Akten gebündelt, die dann in Regale gestellt werden, um die man ein Gebäude baut, das dann von Leuten besucht wird, die an die Regale gehen, die Akten entnehmen, diese transkribieren, vielleicht die einzelnen Blätter neu sortieren und ein Buch dazu verfassen, das in ein Regal gestellt wird, um das ein Gebäude gebaut wird, das dann von Leuten besucht wird, die an die Regale gehen, die Bücher entnehmen, in andere Gebäude gehen und dort Akten aus anderen Regalen nehmen – weil sie es sehr genau nehmen – um ihre dazu gemachten Notizen in einem Buch niederzuschreiben, das zu anderen Büchern in ein Regal gestellt wird, um das man ein Gebäude baut, das dann von Leuten wie mich besucht wird, die vor einem Regal mit 1000 handschriftlich verfassten Akten von Leibniz stehen und beeindruckt sind, oder in ein anderes Gebäude gehen und vor einem Regal stehen, in dem 850seitige 10bändige Leibnizeditionen stehen und beeindruckt sind oder in ein anderes Gebäude gehen und vor einem Regal stehen, das 1000 Bücher enthält, die den gesamten Stand der Leibnizforschung enthalten und beeindruckt sind und sich dann plötzlich fragen, wer war denn dieser Leibniz überhaupt?*



*Dieser Text ist einem schwarzen Notizbuch entnommen, welches insgesamt drei Entwürfe dieser Textfassung enthielt. Nach der Datierung des Verfassers zu urteilen, entstand diese endgültige Fassung am 14.06.2012 irgendwann am Vormittag. Es handelt sich dabei um einen Text, der Bezug nimmt auf die Vorlesung „Angewandte Literaturwissenschaft“, die am 13.06.2012 stattfand und das Thema „Editoren an Wissenschaftsakademien“ hatte. Der Vorlesung wohnten bei: als Hauptverantwortlicher Prof. Dr. Alexander Košenina, als Gastdozenten Dr. Monika Meier und Prof. Dr. Wenchao Li sowie 18 nicht näher beschriebene Zuhörer.


edit: Ich wurde angehalten, meine "Polemik" ein wenig verständlicher zu gestalten, da der Eindruck entstehen könnte, dass ich die Arbeit der Editoren nicht zu würdigen weiß. Im Gegensatz zu den restlichen 57 eingetragenen Teilnehmern der Veranstaltung, die nicht an dieser Sitzung teilnahmen, war ich sehr wohl anwesend; den Vorwurf möchte ich deshalb so nicht stehen lassen. Das vehemente Plädoyer von Dr. Wenchao Li gegen die "schnelle" Evaluation, dieser allgemeine Kontrollzwang, der insbesondere an den Universitäten und Forschungseinrichtungen überhand nimmt, machte mich betroffen, betrifft mich längst, auch wenn Dr. Alexander Košenina keine Anwesenheitslisten ( die letzte Instanz der Kontrolle ) herumreicht.
Den Rest lasse ich jetzt einfach unkommentiert stehen, dazu kann sich jeder seine eigenen Gedanken machen.

Teil 10

Dienstag, 12. Juni 2012

Schnabulieren? Aber nicht in der Oper!

Schnabulieren. Davon las ich heute, als ich bei der Hörbar auf einen Kaffee einzog. Auf einer Tafel zur Limmerstraße hin zugewandt stand das Wort einfach so rum und sollte Appetit machen auf die darunter beschriebenen Speisen.

Das ist schon so ein Wort dieses schnabulieren. Eine Kombination von sch und n ist noch relativ häufig, so wie Konsonantencluster im Deutschen sowieso recht häufig zu sein scheinen. Konsonantencluster sind mehr als zwei Konsonanten hintereinander ohne einen Vokal dazwischen. Wenn Konsonantencluster erstmal da sind, gehen sie auch nicht mehr so leicht weg. Das wohl berühmteste Cluster hat der Strumpf. Das Wort Strumpf hat nämlich vorn und hinten ein Konsonantencluster. Vorne wird ein s zum sch, dann kommt ein t und zum Schluss noch ein r bis endlich sonoriert werden kann. Die stille Übereinkunft von s und t, als scht ausgesprochen zu werden, könnte, wenn man es nicht besser wüsste, aus der Oper kommen. Da sitzen zwei Herren in der dritten Reihe und fangen plötzlich eine lebhafte Diskussion über Konsonantencluster an, während sich das übrige Publikum doch lieber dem Geschehen auf der Bühne widmen möchte. Oder noch besser: Eine Frau fängt an, ihre Suppe zu schnabulieren, die sie sich in der Handtasche mitgebracht hat. Dabei macht sie laut schmatzende Geräusche. Dann fliegt ein erbostes scht durch die Stuhlreihen und die beiden Herren oder die Frau vertagen sich – das ist völlig legitim. Die Oper lebt ja praktisch von dieser stillen Vereinbarung.

Schnabulieren ist nicht nur wegen des Konsonantenclusters interessant, sondern auch, weil es in mir ganz bestimmte Assoziationen weckt. Für mich ist schnabulieren die mindestens außergewöhnliche Form der Nahrungsaufnahme, vielleicht mit einem Hauch von Exklusivität für die Speise. So ähnlich steht es auch im etymologischen Wörterbuch. Dass schnabulieren mit schnappen verwandt ist, wusste ich bis dahin nicht. Und außerdem wurden all diese gemeinsamen Wurzelworte ( also schnappen, Schnaps, Schnepfe usw. ) auch nur mit sn geschrieben. Da taucht kein sch auf. Demzufolge scheint das s nicht nur eine stille Vereinbarung mit dem n gehabt zu haben, sondern wurde auch gleich noch zu schn verarbeitet. Es gibt im Deutschen übrigens gar kein Wort mehr, das noch mit sn anfängt, es steht zumindest keins im Duden ( Snob und Snowboard will ich hier nicht hinzuzählen, das sind eindeutig Lehnwörter ). Sn wurde also zu schn.

Man stelle sich einmal vor, st würde zu scht. Wir müssten dann Schtuhl schreiben oder Schtadtschparkasse. Oder lieber doch nicht, das ginge zu weit.

Montag, 11. Juni 2012

Schon wieder eingedeutscht

Ist bei mir ja schon eine Weile her, die Schule, aber erinnern kann ich mich an ein paar Details trotzdem noch. Ich kann mich zum Beispiel daran erinnern, dass ich im Topographieunterricht eine besonders große Leuchte war. Gab es irgendwo ein Land auf der Erde, ich wußte die Hauptstadt. Hörte ich den Namen eines deutschen Mittelgebirges, ich kannte die höchste Erhebung darin, die längsten Flüsse, Wüsten, Meere usw. Ich hatte da ein Köpfchen für.

Seitdem ist viel passiert, Länder wie Zaire gab es noch, Eritrea war noch nicht unabhängig und überhaupt hat sich so einiges verändert. Man spricht heute so einiges anders aus, als früher. Als ich noch in die Schule ging, sagte man nämlich noch das eingedeutschte Peking anstatt Beijin ( ich übernehme hier keine IPA Lautschrift, sondern einfach die Buchstaben, die mir bei der heutigen Sprechweise so einfallen ). Spätestens seit den olympischen Spielen dort, ich vermute aber schon früher, schlug die Aussprache der chinesischen Hauptstadt um von der eingedeutschten Variante Peking zum wohl mehr landessprachlichen Bejin. Kein Problem, solche kleine Änderungen bekomme ich sehr schnell in meinen Kopf und wegen der Besonderheit bleiben sie meistens sogar darin. Es gibt ja auch ein englischsprachiges Lied, wo es um 100.000 Fahrräder geht oder so ähnlich, die Sängerin singt auch Beijin.

Ein anderes Detail fällt mir seit ein paar Tagen auf, genauer gesagt seit Beginn der Fussballeuropameisterschaft. Zu meiner Schulzeit war es nicht nur verpönt, sondern wurde schlicht mit falsch bewertet, wenn wir Danzig oder Posen sagten. Die Städte hießen Gdańsk und Poznań. Und heute: da fällt keinem Sprecher der ARD oder ZDF auch nur im entferntesten ein, die polnischen oder ukrainischen Namen der Städte zu nennen.

Samstag, 9. Juni 2012

Jahörer

Mein Sohn sagt seit ein paar Tagen "Ja!". Es ist ein trockenes Ja ohne besondere Hebung oder Senkung. Das ganze Wort, so kurz es auch ist, wird gleichmäßig schnell gesprochen und betont. Er weiß noch nicht, was es bedeutet, aber es kommt ja auch immer auf die Frage an, die man stellt. Alle Nase lang wird jetzt ein Ja von ihm abverlangt. Nein kann er nicht sagen, dafür umso vehementer kenntlich machen. Das geht vom einfachen Kopfschütteln bis hin zum Wegdrehen, aus der Hand schlagen oder zu Boden sinken und in Tränen ausbrechen.

Gestern dann stand ich am Strandleben, bestellte mir einen Kaffee und wurde nach Milch gefragt. Ich ließ ein trockenes Ja die Kehle runterrollen und blieb wie angewurzelt stehen. Ich spreche seit über 30 Jahren Jas aus und habe gestern zum ersten Mal meins gehört. Es klang wie das Ja von meinem Sohn. Und nun kann ich mich partout nicht daran erinnern, ob ich das Ja schon immer so ausgeprochen habe, oder ob das erst seit ein paar Tagen so ist.

Donnerstag, 7. Juni 2012

Leitung eines Literaturhauses: Kathrin Dittmer

Teil 7

Abgeklärter Enthusiasmus. Auf mehrere Gastdozenten traf diese Beschreibung schon zu, wenn es darum ging, das eigene Tätigkeitsfeld mit all seinen Höhen und Tiefen vor dem Plenum breit aufzufächern; Mathias Wehrhahn ebenso wie Volker Bürger. Kathrin Dittmer, die Leiterin des Literaturhauses Hannover, verkörperte diese Art der Selbstwahrnehmung in ihrer bisher reinsten Form, doch dazu mehr im weiteren Verlauf.
Wahrscheinlich hat die Schafskälte das Plenum im Hörsaal zur Vorlesung „Angewandte Literaturwissenschaft“ ausgedünnt. Ich hätte meine Winterjacke auch gern an den Nagel gehängt und die Kapuze gern gegen ein paar Flip Flops eingetauscht, den Kugelschreiber gegen einen Cocktail mit Sahne – aber das Leben ist ja kein Ponyhof. So ähnlich schien mir auch die Berufsauffassung von Kathrin Dittmer zu funktionieren, die als eine von zwei Festangestellten das Literaturhaus Hannover leitet und als deren Vertretung in genanntem Hörsaal erschien und mit einer gehörigen Portion stoischer Pragmatik bewaffnet den Kampf gegen stille Minuten bestritt. Das ging sogar so weit, dass sie zu reden begann, wenn sich bereits abzeichnete, dass das ans Plenum übergebene Wort demselben nicht zu entlocken war.

Der von ihr präsentierte Lebenslauf gestaltete sich ähnlich unspektakulär wie die meisten Lebensläufe, die während der Vorlesungsreihe so vorgestellt worden sind. Nicht einmal das „obligatorische“ Auslandspraktikum wurde erwähnt (absolviert?). Dieses vorgebrachte Understatement der Gastdozenten ist jedesmal wie ein Sonnenstrahl, der es durch eine dunkle Wolke schafft. Und an dieser Stelle möchte ich auch gleich noch etwas klarer stellen, was missverständlich aufgefasst wurde. Mein „Bla Bla“ aus dem vorigen Artikel hätte ich gern korrigiert auf „Geplauder“, und nichts läge mir ferner, diesen immer wieder angesprochenen Punkt in jeder Vorlesung wegzustreichen, denn es ist sehr wohl interessant, wie sich so ein Berufsleben entwickelt und was der ein oder anderen Zäsur oder Weichenstellung vorausgegangen war. An solchen Stellen wünschte ich mir manchmal nur ein wenig mehr Präzision – diese Stellen werden von den Vortragenden aufgrund des guten Auskennens in der eigenen Biographie häufig als selbstverständlich angenommen und oberflächlich abgehandelt – und wenn schon keine Präzision so doch zumindest Präzisierung durch gezieltere Fragen.
Und endlich, endlich ist sich wieder jemand nicht zu fein, auszusprechen, dass Arbeit nicht nur Spaß bedeutet, sondern Arrangement mit allerlei ungeliebten „Nebentätigkeiten“ für die von jedem selbst gefordert wird, darin einen Nutzen für sich und diese Arbeit abzuleiten. Das kann eine schlichte Erfolgskontrolle sein, die es einem ermöglicht, sich danach auf die Schulter zu klopfen oder es beim nächsten Mal anders zu machen. Das kann auch bedeuten, sich mit Dingen zu beschäftigen, die kein Arbeitsvertrag vorher schriftlich als zugeteiltes Aufgabengebiet definiert hat. Oder es heißt, sich in seiner Freizeit mit Dingen zu beschäftigen, die in Teilen zur Kür (Krimi lesen) aber in anderen Teilen zur Pflicht (zur Vorbereitung auf eine Lesung den Autor anzulesen) gehören. Frau Sullner äußerte sich ja sehr diplomatisch, was ihre Lesegewohnheiten anging. Frau Dittmer sagte es offen heraus: sie liest (Kür und Pflicht) in der Freizeit. Und das macht ihr Spaß – auch an der Arbeit.

Das Literaturhaus Hannover hat ein umfangreiches Programm, das sich aus Lesungen, Diskussionen, Preisvergaben (LiteraTour Nord z.B., dessen Preisträger aus dem Jahr 2000 ebenfalls bei uns zu Gast war) uvm. zusammensetzt. Als Verein „getarnt“ arbeiten sich die beiden Mitarbeiter(:innen?, ja, die Veranstaltung hatte auch ein Genderproblem, nicht nur dass Frau Dittmer so sprach wie Frau Kiehl schreibt, nämlich die weibliche Form anhängend, als würde sie von einem Doppelpunkt, einer kleinen Pause mitten im Wort, getrennt; auch Prof. Košenina war ein ums andere Mal bemüht, aus jedem Anwesenden eine Chefin zu machen) an der Gegenwartsliteratur ab, haben ein Auge auf die Finanzen, die längst nicht nur aus Spenden und erst recht nicht nur aus Mitgliedsbeiträgen bestehen und kümmern sich um alle möglichen Dinge – von der Hotelbuchung bis hin zum Schülerwettbewerb der HAZ als Jurymitglied. Bei der Erwähnung dieses Wettbewerbes rollte Frau Dittmer mit den Augen und war froh, dem diesjährigen als Mitglied der Jury noch nicht beigewohnt zu haben. Verständlich, denn wer liest schon gerne 1000 Aufsätze. Ein kleiner Wermutstropfen blieb bis zum Schluss übrig und gab dann auch den Ausschlag für den von ihr bis zur Vollendung verkörperten „abgeklärten Enthusiasmus“: sie sagte nicht, was ihr von all den Dingen, die sie so tut, am meisten Spaß macht.

Teil 9

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Zuletzt aktualisiert: 12. Dez, 08:51

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