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Bei den Leisen Tönen. Manchmal braucht es einen Blog, um sich Luft zum Denken zu verschaffen. Keine Steckenpferde, Hobbies oder sonstiges Spezielles, nur Luft zum Denken.

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Samstag, 17. März 2012

Limmer? Immer!

Es beginnt wieder die Zeit, zu der du einen Spaziergang von 30 Minuten planen musst, weil du einen Weg von 10 Minuten zurückzulegen hast. Ständig begegnen dir auf der Limmer Leute, die du kennst. Es werden Worte gewechselt, sich verabredet, kurz hingesetzt und urplötzlich ist eine Stunde vergangen. Die Sonne ist auf dem Weg ihre erste Aufwärmrunde zu beenden, du siehst sie nicht, denn sie läuft in der letzten Kurve für heute. Es ist immer noch herrlich warm und das erste Alster des sich ankündigenden Sommers ist auf deiner alten Bank neben Kiosk, Buchladen und Cafe getrunken. Der Winter, der zum reißen gespannte Expander, zieht sich zusammen und alles, was in vermeintliche Ferne gerückt war, stellt sich als neben dir stehend heraus. Nachbarn sind urplötzlich präsent, von denen du nicht einmal wußtest, ob sie da noch wohnen.

Ich habe gestern soviel erlebt, dass mein Kopf die eine Hälfte der anderen zuliebe vergessen musste und die andere Hälfte habe ich dann bruchstückhaft behalten. Der erste Sonnentag im Jahr schien aber auch 48 Stunden zu haben, die in gefühlten 12 Stunden an mir vorüberzogen.

Mittwoch, 14. März 2012

diskreter Katheter

Läuft Harn keinen Meter
hilft ein diskreter
Einmalkatheter


Quelle: Facebooks rechter Rand

Die geile Heidi im Zet

Wir waren gestern zu Besuch bei einer guten Freundin. Für meine Frau und höchstwahrscheinlich auch für unseren Sohn war dies nicht der erste Besuch bei ihr. Für mich schon. Ich war froh, dass Fiete Bewegungspunkte übrig hatte und so hielt ich ihn an den Händen fest und er zeigte mir mit generösen, weitausholenden Armbewegungen die Wohnung.

Er geht immer sehr vorsichtig, leicht nach vorn oder hinten schwankend und er braucht meine beiden Hände, um sich daran festzuhalten. Ich ging, weil meine Arme zwar wie Äste lang und knorrig sind aber nicht bis zu ihm herunter reichen, vornüber gebeugt wie eine alte Trauerweide hinter ihm her. Trauerweiden sind meine Lieblingsbäume, weil sie so etwas Erhabenes besitzen. Sie stehen hier bei uns im Georgengarten vorzugsweise an einem der vielen kleinen Teiche und kämmen mit ihren Zweigen die Wasseroberfläche und das Ufergras. Ich bürstete die Luft um uns herum und bewegte im Gleichschritt langsam meine Wurzeln.

Die Wohnung ist im rechten Winkel um sich selbst gebaut. Die Zimmer sind alle ungefähr gleich groß und mit großen Fenstern ausgestattet, die bei Tage genug Licht hereinlassen. Nur das Schlafzimmer nicht, dieses Fenster zeigt ins Esszimmer, der eigentlich ein Wintergarten ist. Der Flur passt sich wie ein Tetrisbaustein, mit dem man drei Zeilen auf einmal löschen kann (L), in dieses Gefüge ein. Die Küche und das Esszimmer (Wintergarten) ist einer dieser ungeliebten Z-Bausteine, die immer dann zu hauf auftreten, wenn man eigentlich ein I benötigt, um vier Zeilen zu tilgen. Hier passt er ausnahmsweise gut hinein. Selbst das Schlafzimmerfenster, welches in das Esszimmer mündet, stört nicht, es lädt zum Frühstück ein, im Bett.

Als Fiete und ich das Revier begutachtet hatten, gingen wir ins Esszimmer, wo sogar ein Hochstuhl auf den jüngsten Gast wartete. Schräg gegenüber auf der braun gestrichenen Wand wartete noch jemand. Eine leicht bekleidete Frau auf einem Divan an eben dieser Wand. Kein Gemälde, es war ein Druck mit einem hübschen hellen Rahmen, der einen schönen Kontrast zur dunklen Tapete bildete. Sie hatte was von Rubens - vielleicht den Schal, der das komplizierte Schenkelsystem teilbedeckte. Wie sie so dalag mit ihren verschränkt umschlungenen Beinen und dem Tuch dazwischen, musste ich an unser Bild im heimischen Schlafzimmer denken, ähnliche Konstellation bei Tuch und Bein nur statt Divan eine bunte Blumenwiese mit lauter Engeln und im Hintergrund der Leibniztempel (der Pavillon sieht nur aus wie der Leibniztempel, eine schlichte Säulenhalle ist das) und ein Baum. Ich ließ den Blick an den Beinen herauf entlang schweifen und dachte plötzlich an runde Pyramiden mit einer Cocktailkirsche als Spitze, unmöglich um damit im Tetris zu gewinnen. Ich wandte meinen Kopf ihrem Kopf zu. Sie sah mich vorwurfsvoll an, weil ich viel zu lange ihre offensichtlichen Vorzüge gedanklich unter den Scheffel gestellt hatte.

"Hupen", sagte unsere Gastgeberin in diesem Moment und unterbrach unser Blickspiel. Ich nutzte die Gelegenheit zum Zwinkern und tat so, als hätte ich einen interessanten Satz zu sagen. Die geile Heidi oder auch träumende Maja, wie das Bild je nach BetrachterIn genannt wurde, hatte mich natürlich durchschaut aber ich wollte unserer Gastgeberin gegenüber nicht auch noch unhöflich erscheinen, also erwiderte ich:"ja, tolle Hupen", soviel zu dem interessanten Satz.
"Ganz schön groß, irgendwann sagte mal irgendwer Hupen dazu", unserer Gastgeberin war das überhaupt nicht unangenehm, von den Cocktailkirschenpyramiden zu sprechen.
"Interessant", sagte ich, tolle vier Silben in nur einem einzigen Wort. Ich hatte das unbestimmte Gefühl, mich auf die Suche nach meiner Fassung machen zu sollen. Irgendwie musste sie mir beim Trauerweidenspiel aus dem Ärmel gerrutscht sein. Als es klingelte - wir sollten ja nicht die einzigen Gäste bleiben - fand ich sie wieder, neben meinen Schuhen.

Mit Fassung und Verstärkung gelang uns eine halbwegs treffende Analyse der einzelnen Bildkomponenten. Wir einigten uns darauf, dass die Brüste operiert waren, weil ein dunkler Streifen unter der rechten Brust saß. Die linke Brust war leider nicht so gut zu erkennen, sie setzte sich mit dem Selbstverständnis eines Fernsehturms über alle Bildelemente hinweg und überragte sogar den naturgemäß höher sitzenden Kopf - na gut, die träumende Maja oder geile Heidi lag ja auch auf dem Divan - eine Narbe war hier aber nicht zu erkennen.

Eigentlich wollte ich über das Essen schreiben. Es war ausgezeichnet, eine Art marrokanischer Eintopf mit Couscous. Der Eintopf hat auch einen Namen aber der war schon schwierig auszusprechen, deshalb schreibe ich ihn hier nicht auf.

Montag, 12. März 2012

Zombies nicht nur in Linden

Man ist alles nur noch ein bißchen. Ein bißchen hungrig, durstig, müde und ein bißchen online. Wenn ich mitten in der Nacht von der Arbeit, aus der Kneipe, komme und einen Link in mein Facebookprofil setze, dann ist dort fast die Hälfte meiner Freunde anwesend. Wahrscheinlich quatschen sie im Dunkeln miteinander und lachen sich scheckig über die sporadischen Besucher, die sich da für maximal 1 Minute einschalten, also nicht richtig dabei sind.

Das ist natürlich Quatsch, niemand von denen unterhält sich dort. Das wäre von einem kleinen Smartphone aus auch viel zu umständlich. Aber mit diesem kleinen Smartphone kann man den ganzen Tag online, und bei jeder kleinen Bewegung im Profil eines anderen live dabei sein. Vielleicht gibt es sogar schon einen Klingelton für den aktualisierten Status eines Freundes.

Da braucht man sich natürlich nicht zu wundern, wenn dir in der Straßenbahn lauter Smartphonezombies entgegenkommen. Übrigens über die "Zombies in Linden" konnten hier bei uns in Linden viele lachen, wer damit gemeint ist und welches gesellschaftliche Problem dabei auf die Schippe genommen wurde, konnte bei soviel Zombies natürlich nicht mehr untersucht werden. Die Zuschauer, -hörer waren viel zu sehr damit beschäftigt, über die witzigen Dialoge zu lachen und sich bei den vielen Lesungen in den Kneipen Hannover Lindens gegenseitig zuzuprosten.

Ist es ein hanebüchener Vergleich, jetzt von Smartphonebenutzern zu sprechen, die eine gewisse Ähnlichkeit mit Zombies aufweisen? Wie sie da mit ihren Geräten herumspielen und Fingerabdrücke auf Minifenstern verteilen? Wie sie sich die Statusmeldungen derer reinziehen, die auch irgendwo herumsitzen und das gleiche machen?

Plötzlich schaut einer von denen auf, sieht aus dem Straßenbahnfenster und blickt auf einen gelben Forsythienstrauch. "Es ist Frühling" postet er über Facebook, es klingelt in der Bahn, die Hälfte der Leute nimmt ihr Smartphone heraus und dann lächeln sie still vor sich hin, die Smarties (edit).

Samstag, 10. März 2012

Text ohne Überschrift

Gestern traf ich mich mit Trithemius in unserer Lieblingskneipe. Wir saßen wie immer - eigentlich nicht wie immer, denn unser ureigenster Platz war besetzt, so dass wir auf die diagonal gedrehte Ecke im Raum ausweichen mussten - an einem der Tische. Gelesen und gehört hatte ich von ihm einmal, dass es eine emotionale und eine starke Seite in uns gäbe. Wir sitzen stets so, dass ich ihm meine emotionale Seite und er mir seine starke ( in seinem Fall die rechte ) Seite entgegenstreckt. Ich habe mich längst daran gewöhnt, mit meiner "schwachen", emotionalen Seite auf seine starke zu treffen, achte aber seitdem bei jedem Gespräch mit anderen darauf, nicht so ungünstig zu sitzen. Soviel also zur Einrede.

Trithemius sprach dann wie häufig mitten in einem längeren Absatz eine kleine Sentenz aus, die mir zu denken gab. Den ganzen Abend. Ich schrieb sie ein mein kleines grünes Notizbuch und heute morgen hatte sie sich schon weit von mir entfernt. Er sagte so etwas wie Veröffentlichung sei Entfremdung und mit jeder Korrektur stöße man den Text weiter von sich weg. Es können Jahre vergehen dabei, und ein plötzliches Wiederfinden uralter Zeilen ist wie ein Tor zu einer anderen Welt, einem früheren Ich.

Ich korrigiere viel an meinen Texten herum. Meist schreibe ich ihn in einem runter, veröffentliche ihn und lasse ihn dann erstmal in sich ruhen. Kurze Zeit später setze ich mich erneut mit dem Text auseinander und lese ihn - bereits mit einigem Abstand, wie ich denke. Ich suche Fehler heraus - ohne Zwang -, ein paar Formulierungen oder ein Wort, was mir plötzlich einfällt und besser passt als das alte. Der Text wird flüssiger, bilde ich mir ein. Er liest sich schneller weg. Kurzweil, ein Grund zu schreiben. Dieses Spiel spiele ich so oft, bis ich zufrieden bin. Das dauert manchmal einen ganzen Tag, manchmal geht es innerhalb weniger Korrekturen und Minuten.

Ich habe mir bisher nie Gedanken gemacht darüber, wie ich den Text mit meinen Korrekturen von mir wegstoße, wie er mir entgleitet und ein Eigenleben zu führen beginnt, wie er mich beherrscht, indem ich meine Aussage mit seiner vergleiche und er sich, scheinbar gleichzeitig, immer weiter von mir, seinem Autor entfernt.

Es gibt im Fundus meines Blogs noch ein paar Texte, die ich nicht veröffentlicht habe. Ich werde sie nie veröffentlichen. Es fehlt ihnen, auch der besseren Erkennbarkeit in der Beitragsverwaltung wegen, die Überschrift. Es ist mir noch nie gelungen, einen solchen Text zu "retten" und im Nachhinein zu veröffentlichen. Und das ist der Knackpunkt des Ganzen, wie ich finde. Nicht die Veröffentlichung ist die Entfremdung, das Schreiben ist die Entfremdung. Die Sprache entfernt sich unmittelbarer von unseren Gedanken und Gefühlen, weil sie dokumentierbar wird. Ein Wort kann ich morgen vergessen haben, spätestens in einem Jahr ist es vergessen, schreibe ich es aber auf, ist es immer da - aber eigentlich viel weiter von mir weg.

Ich höre jetzt mal auf mit dem Quatsch hier. Ich weiß nicht einmal, ob das Kauderwelsch hier verstanden wird, mache aber nicht den Fehler, dies unveröffentlicht zu lassen. Es geht raus, entfremdet sich von mir und ist morgen schon nicht mehr Ich aber irgendwie genau das, nur eben anders.

*Die Korrektur

Freitag, 9. März 2012

Kurt Tucholsky: Schloss Gripsholm

Als ich heute Mittag von der Schule nach Hause fuhr, stolperte ich beim Lesen über ein herrliches Bild. Mein Geist war frei, ich fuhr dem Wochenende entgegen und da bemerkte ich in Tucholskys "Schloss Gripsholm" einen kleinen Absatz, der es in sich hatte:

"Die Frau war im ius. Welche eine preußische Überlegung! Ein Kind litt. Los."

In dieser Szene schleichen die drei Besucher Schloss Gripsholms um das Mädcheninternat herum, um den Zettel mit der Adresse der Mutter des jungen Mädchens zu suchen, den sie heimlich aus dem Fenster werfen sollte, damit die drei ihrer Mutter von den ungeheuerlichen Vorgängen im Internat schreiben konnten. Offenbar wurde das Kind vorher mißhandelt, als es auf der Straße von den drei Besuchern aufgehalten wurde.

Zuerst überlegte ich, was den "ius" überhaupt sei. Bis ich darauf kam, dass das Recht damit gemeint sein könnte, übersprang ich zwei Haltestellen. Als es dann klick machte, ließ mich die Rafinesse dieser Formulierung nicht mehr los. Nicht nur, dass Tucholsky hier auf das höchstwahrscheinlich antiquierte Recht im lateinischen Wortsinne anspielte, ihm gelang durch den folgenden Satz sogleich ein weiterer Schlag gegen das "Recht", indem er es als "preußische Gesinnung" abtat. Die verblüffendste Wirkung auf mich hatte allerdings der Umstand, dass "ius" klein geschrieben war. Dadurch verlor die lateinische Vokabel so viel ihres Gehalts, dass das offensichtliche Recht der Internatsleiterin, über die Kinder richten zu dürfen, ganz schnell abgetan war.

Als ich allerdings las, dass Tucholsky Jura studiert hatte, war ich mir der Rafinesse dieser Formulierung gar nicht mehr so sicher. Gefunden habe ich dazu nichts, niemand setzte sich mit diesem Wort in der Erzählung "Schloss Gripsholm" auseinander, zumindest konnte ich bei Google nichts entdecken. Google fragte mich stattdessen, ob ich es nicht lieber mit "aus" versuchen wolle.

Kommen wir aber nun zum wesentlichen. Das Buch ist eines der ältesten aus der Reihe Rowohlts Rotationsromane und selbstverständlich befindet sich darin eine Werbung.

Autor: Kurt Tucholsky
Titel: Schloss Gripsholm
beworbenes Produkt: FOX Zigaretten
Fundstelle: zwischen S. 132 und 133


"Zwischenbemerkung des Verlegers Ernst Rowohlt
Spätestens an dieser Stelle des Buches - wahrscheinlich schon früher - werden Sie sich, wenn Sie ein Raucher oder eine Raucherin sind, eine Zigarette anzünden wollen. Ein Raucher kann ein Buch nicht ohne Genuß lesen, wenn er nicht raucht.
Ich bin nicht der Reklamechef einer Zigarettenfabrik, aber ich habe diese Seite einer Zigarette verkauft. Seien Sie mir bitte nicht böse deswegen! Die besten Zeitschriften der Welt verkaufen einen Teil ihrer Seiten an Inserenten. Die Inserenten machen Zeitschriften damit überhaupt erst rentabel. Warum macht man das nicht auch mit Büchern? Es würde die Auflage der guten Bücher in der Welt vermehren.
Man soll nicht immer alles wie vorgestern machen.
Lesen Sie die nächste Seite nicht, wenn Sie glauben, daß es unfair ist, ein Inserat in ein gutes Buch einzuschalten.
Ernst Rowohlt"



Bildquelle: Kurt Tucholsky, Schloss Gripsholm, Rowohlt Taschenbuchverlag GmbH, Hamburg, Februar 1953.

Donnerstag, 8. März 2012

Verkehrsberuhigung

Der öffentliche Dienst hatte heute zum empfindlichen Schlag gegen die Arbeitgeber ausgeholt und unter anderem den Verkehr in ganz Hannover lahmgelegt. Den ganzen Verkehr? Nein, eine kleine Schar widerspenstiger Unternehmer versuchte aus dem Zusammenbruch des öffentlichen Nahverkehrs Kapital zu schlagen. Die Deutsche Bahn als Großbediener von Nahverkehrsinteressen lasse ich einmal außen vor, die haben auf anderem Gebiet hervorragend auf die Situation reagiert.

Ich schnappte mir also heute Morgen gegen Viertel vor 9 mein Fahrrad und reiste gegen 9 am Hauptbahnhof an, wo ich hoffentlich meine S-Bahn nach Langenhagen erreichen würde. Auf dem Bahnhofsvorplatz bot sich mir ein Bild wie aus tiefsten DDR-Tagen: die Leute standen an, und es gab nichts, wofür man anstehen konnte. Zu DDR-Zeiten standen die Leute nicht wegen Nichts an, aber häufig klärte sich erst nach längerem Stehen, weshalb die Leute eigentlich anstanden, der Platz in der Schlange war wichtiger als die Ware, die dabei herausspringen sollte. Hier in Hannover lag es etwas anders. Die Leute wußten sehr wohl, weshalb sich hier eine Schlange bildete, nur war niemand in Sicht, der die Schlange kürzer machen konnte. Es waren keine Taxis weit und breit zu sehen, die waren alle unterwegs.

Die Haltestellen um den Bahnhof waren allesamt verwaist, man wich entweder auf das eigene Auto, auf die eigenen Füße oder auf die Deutsche Bahn aus. Ab 9 Uhr kann man in der Deutschen Bahn, so lange man sich innerhalb der Grenzen des Umkreises Hannover bewegt, sogar das Fahrrad kostenlos mitnehmen, sofern es der Ansturm an Fahrgästen gestattet. Da ich nicht genau abschätzen konnte, wie weit es vom S-Bahnhof bis zu meinem Bestimmungsort sein würde, nahm ich das Fahrrad einfach mit in die Bahn. Die Menge an Gleichgesinnte war überschaubar, Cebit-Reisende haben selten ein Fahrrad dabei und fahren außerdem in die andere Richtung. Insgesamt muss ich sagen, hatte mich der "ruhende" Verkehr der Öffis nicht einmal leicht behindert. Schade, eine kleine Auszeit vom "Alltag" hätte ich mir durchaus gewünscht.

Die Deutsche Bahn selbst hat, wie ich finde, auf die geänderten Anforderungen der Reisenden und insbesondere der Streikenden prompt reagiert. Das äußerte sich dann in den Durchsagen: "Willkommen in der S-Bahn der Linie 5 nach Hannover Flughafen. Der nächste Halt ist Hannover Nordstadt. Umsteigemöglich...", dann brach die Verbindung ab - was sollte auch berichtet werden - und es folgte nach längerer Pause nur noch das obligatorische: "...Ausstieg in Fahrtrichtung links."

Mittwoch, 7. März 2012

Unterrichtsplanung?

Für die kommende Woche habe ich gleich drei Termine, an denen ich selbst unterrichten darf, zwei 9. Klassen, eine davon in Geschichte und Deutsch, die andere nur in Geschichte. Als Schüler kam mir jedes Thema langweilig vor, so dass eine Auswahl nicht unbedingt schwerfiel. Ich ging einfach nicht hin, und das so oft wie möglich. Als Lehrer allerdings gibt es - das habe ich recht schnell begriffen - Lieblingsthemen und Scheißthemen. Ich habe zweimal ein gutes Thema erwischt und einmal ein Scheißthema.

John Tenniel, Karikaturist und Illustrator, hat eine der berühmtesten Zeichnungen erschaffen, nämlich den Lotsen, der von Bord geht. Bismarcks vorletzter Abtritt, danach war er sowas wie Helmut Schmidt heute, naja mit anderer politischer Ausrichtung. Darüber darf ich was machen. Sehr schön, denn darüber habe ich am Anfang meines Studiums eine Hausarbeit geschrieben, da fällt mir genug zu ein, ein paar bunte Bilder, vielleicht eine Art Memory, ganz toll. Das zweite Thema liegt mir sowieso, es geht um Kurzgeschichten. Ich mache natürlich nicht den Scheiß, der im Lehrbuch steht, der hat mich bis auf wenige Ausnahmen in meiner Schulzeit schon nicht interessiert, obwohl ich alles, was in meinem Lehrbuch stand, mehrere Male gelesen hatte. Ich habe mir zwei eigene Geschichten gesucht, will die Schüler mitnehmen auf zwei völlig unterschiedliche Bearbeitungen des gleichen Themas und sie sozusagen aus der Reserve locken, habe da ein paar tolle Ideen zu, der Lehrer findet's auch Klasse.

Nur das dritte Thema, scheinbar das leichteste von den dreien, das liegt mir quer. Es ist nichts weiter als ein Schema, ein paar Kärtchen, ein paar Fragen und dann ist die Stunde auch schon rum. Doch genau das will ich nicht. Ich will die Verfassung der Weimarer Republik nicht nach einer 0815-Stunde abhandeln. Ich will das nicht so unterrichten, dass spätestens zum nächsten Tag alles vergessen ist. Das kenne ich noch zur Genüge, bin ja selber gerade dabei mir den Kram anzueignen, weil es weder der Unterricht in der Schule - als Entschuldigung könnte ich hier noch anbringen, dass das bereits 18 Jahre her ist - noch die Seminare in der Uni es geschafft haben, mir diesen Trockenstoff mit einem Mindestmaß an Eigeninteresse beizubringen, so dass tatsächlich was hängen bleibt.

Ist es zuviel verlangt, für jedes Thema eine richtig gute Lösung haben zu wollen? Ist es notwendig, manchmal einfach Schema F herauszuholen? Muss das unbedingt in der Klasse sein, deren Lehrer auch noch Seminarleiter ist und gewohnheitsmäßig Referendare betreut? Ist Pech eine Zahl zwischen 1 und 3 bei drei Pflichtversuchen?

Dienstag, 6. März 2012

Was ein Knopf so alles auslösen kann...

Schlechte Erinnerungen sind zuverlässig. Man kann sich darauf verlassen, dass sie genau in dem Moment über einen hereinbrechen, wenn man sie am wenigsten gebrauchen kann. Gestern kam so ein Moment über mich, als ich meinen Sohn beim Spielen beobachtete. Er klettert mittlerweile an allem hoch, was irgendwie senkrecht veranlagt ist, sei es nun mit irgend einer Art von Griff ausgestattet oder eine schlichte Wand. Unser Kühlschrank ist so eine Wand. Ungefähr in Augenhöhe, seiner Augenhöhe, befinden sich zwei Griffmulden, eine für das Gefrierteil und die andere für den Kühlschrank darüber. Und darüber ist genau das Problem. Dort haften jede Menge Kühlschrankmagneten, die wiederum andere Dinge zum Haften bringen, Postkarten, Zeichnungen meiner Nichte, Zettel. Einer dieser Magneten ist ein überdimensionales Auge. Es kommt aus Istanbul, meine Frau hat es von dort mitgebracht. Es gilt dort als Glücksbringer und schützt vor dem bösen Blick.

Dieses große Auge hatte es meinem Sohn angetan, er griff danach und pflückte es wie eine Pflaume vom Ast, die Blätter fielen zu Boden, nur ein Kollateralschaden. Doch was macht man mit reifen Pflaumen? Natürlich, sie verschwinden im Mund. Genau in diesem Moment erwischte mich ein Erlebnis aus eigenen Kindertagen. Der Schreck fuhr mir durch alle Glieder, ich sprang in einer einzigen Bewegung über alle Hindernisse, die ein Küchenfußboden bereithalten kann und erwischte den Magneten in der zweiten Halbzeit zwischen Zeigefinger und Daumen. Ich schüttelte den Kopf, sagte nein und hatte nach wenigen Sekunden den Magneten in der Hand. Braver Junge.

Ich war kein so braver Junge. Ich konnte aber bereits sprechen und auch verstehen, was man mir sagte, nur hören wollte ich nicht. Ich hatte einen Teddy, braun, groß, mit einem Knopf als Nase. Robert, so hieß der Teddy war mein ständiger Begleiter und er musste so manches über sich ergehen lassen, was er jetzt so treibt, weiß ich nicht, wahrscheinlich liegt er bei meinem Eltern auf dem Dachboden in einer Kiste und schläft. Augen hatte er nämlich keine mehr. Die Augen waren kleine schwarze Plastiksteine, die nur angeklebt waren, und nach mehrmaligem Wiederankleben waren sie irgendwann weg. Die Nase dieses Teddys allerdings war ein großer runder Knopf, der durch zwei dicke Nasenlöcher mit dem Kopf vernäht war.

Auch ich nahm gerne Dinge in den Mund und die Nase war nach Jahren des daran Ziehens, Lutschens, Herumkauens ziemlich locker geworden. Meine Mutter wußte das und verbot mir zu jeder Zeit, die Nase des Teddys in den Mund zu nehmen. Verbote taugen aber nichts, wenn man klein ist. Sie fördern bei liebgewonnenen Gewohnheiten nur den Drang heimlich damit fortzufahren, wie das Lesen eines spannenden Buches zur Schlafenszeit, es wird einfach eine Taschenlampe hervorgeholt und weitergelesen.

Als ich einmal allein in meinem Zimmer war, meine Mutter war nebenan, da passierte das Schreckliche. Ich verschluckte die Knopfnase vom Teddy. Ich verschluckte den Knopf nicht wirklich, er versperrte mir die Atemwege. Zuerst versuchte ich zu husten, dann zu röcheln. Nichts half. Meine Mutter kam in mein Zimmer, sah den Teddy, sah die Nase nicht, schrie in Panik auf und haute mir schmerzhaft auf den Rücken, einmal, zweimal, immer wieder. Nichts half. Sie rief meinen Vater aus der Küche. Der rannte mit einem Satz die Treppe herauf, sah das Übel und packte es bei den Wurzeln. Er packte mich bei den Wurzeln, drehte mich auf den Kopf, seine Hände hielten meine Beine wie dünne Zweige. Er schüttelte mich mit Schwung, es galt jetzt Knöpfe zu ernten. Meine Mutter schlug mir bei der Gelegenheit gleich nochmal auf den Rücken.

Endlich machte es plopp. Der Knopf war draußen und trollte sich beleidigt wie ein Fußballspieler, der gerade Rot gesehen hatte in Richtung Kabine, er rollte unter das Bett. Mein Haupt hatte ihm die rote Karte gezeigt. Ich wurde auf das Bett abgesetzt, es gab noch einen Klaps auf den Hinterkopf, ich würde schwören, dass meine Mutter Gotzeidank gesagt hat und dann war der Spuk vorbei. Ich japste noch ein wenig, hörte mit einem Ohr der Gardinenpredigt zu, aber meine Lektion hatte ich auch ohne die Worte meiner Mutter gelernt.

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