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Bei den Leisen Tönen. Manchmal braucht es einen Blog, um sich Luft zum Denken zu verschaffen. Keine Steckenpferde, Hobbies oder sonstiges Spezielles, nur Luft zum Denken.

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Text ohne Überschrift

Gestern traf ich mich mit Trithemius in unserer Lieblingskneipe. Wir saßen wie immer - eigentlich nicht wie immer, denn unser ureigenster Platz war besetzt, so dass wir auf die diagonal gedrehte Ecke im Raum ausweichen mussten - an einem der Tische. Gelesen und gehört hatte ich von ihm einmal, dass es eine emotionale und eine starke Seite in uns gäbe. Wir sitzen stets so, dass ich ihm meine emotionale Seite und er mir seine starke ( in seinem Fall die rechte ) Seite entgegenstreckt. Ich habe mich längst daran gewöhnt, mit meiner "schwachen", emotionalen Seite auf seine starke zu treffen, achte aber seitdem bei jedem Gespräch mit anderen darauf, nicht so ungünstig zu sitzen. Soviel also zur Einrede.

Trithemius sprach dann wie häufig mitten in einem längeren Absatz eine kleine Sentenz aus, die mir zu denken gab. Den ganzen Abend. Ich schrieb sie ein mein kleines grünes Notizbuch und heute morgen hatte sie sich schon weit von mir entfernt. Er sagte so etwas wie Veröffentlichung sei Entfremdung und mit jeder Korrektur stöße man den Text weiter von sich weg. Es können Jahre vergehen dabei, und ein plötzliches Wiederfinden uralter Zeilen ist wie ein Tor zu einer anderen Welt, einem früheren Ich.

Ich korrigiere viel an meinen Texten herum. Meist schreibe ich ihn in einem runter, veröffentliche ihn und lasse ihn dann erstmal in sich ruhen. Kurze Zeit später setze ich mich erneut mit dem Text auseinander und lese ihn - bereits mit einigem Abstand, wie ich denke. Ich suche Fehler heraus - ohne Zwang -, ein paar Formulierungen oder ein Wort, was mir plötzlich einfällt und besser passt als das alte. Der Text wird flüssiger, bilde ich mir ein. Er liest sich schneller weg. Kurzweil, ein Grund zu schreiben. Dieses Spiel spiele ich so oft, bis ich zufrieden bin. Das dauert manchmal einen ganzen Tag, manchmal geht es innerhalb weniger Korrekturen und Minuten.

Ich habe mir bisher nie Gedanken gemacht darüber, wie ich den Text mit meinen Korrekturen von mir wegstoße, wie er mir entgleitet und ein Eigenleben zu führen beginnt, wie er mich beherrscht, indem ich meine Aussage mit seiner vergleiche und er sich, scheinbar gleichzeitig, immer weiter von mir, seinem Autor entfernt.

Es gibt im Fundus meines Blogs noch ein paar Texte, die ich nicht veröffentlicht habe. Ich werde sie nie veröffentlichen. Es fehlt ihnen, auch der besseren Erkennbarkeit in der Beitragsverwaltung wegen, die Überschrift. Es ist mir noch nie gelungen, einen solchen Text zu "retten" und im Nachhinein zu veröffentlichen. Und das ist der Knackpunkt des Ganzen, wie ich finde. Nicht die Veröffentlichung ist die Entfremdung, das Schreiben ist die Entfremdung. Die Sprache entfernt sich unmittelbarer von unseren Gedanken und Gefühlen, weil sie dokumentierbar wird. Ein Wort kann ich morgen vergessen haben, spätestens in einem Jahr ist es vergessen, schreibe ich es aber auf, ist es immer da - aber eigentlich viel weiter von mir weg.

Ich höre jetzt mal auf mit dem Quatsch hier. Ich weiß nicht einmal, ob das Kauderwelsch hier verstanden wird, mache aber nicht den Fehler, dies unveröffentlicht zu lassen. Es geht raus, entfremdet sich von mir und ist morgen schon nicht mehr Ich aber irgendwie genau das, nur eben anders.

*Die Korrektur
la-mamma - 10. Mär, 12:31

ich find, ein paar kleinere korrekturen fühlen sich anders an, als wenn man etwas wirklich überarbeitet. wobei ich das jetzt eher für längere texte als für blogeinträge gilt. schön, dass sie da auch so viel sorgfalt drauf verwenden!

die nicht veröffentlichten blogeinträge sind für mich was anderes: entweder zu schlecht oder zu persönlich. bei mir sind die fast zu einem archiv der traurigkeit geworden. und das lass ich dann auch lieber im verborgenen;-)

Shhhhh - 10. Mär, 16:20

Dann würde ich den zweiten Teil (das Archiv der Traurigkeit) einfach mal löschen. Man merkt sich negative Dinge sowieso schon 7mal besser.
Trithemius - 10. Mär, 13:14

Dass man mit jeder Korrektur den eigenen Text weiter von sich wegstößt, ist ein weiterführender Gedanke von dir, der aber logisch sich anschließt an meine Erfahrung, dass die Veröffentlichung eines Textes ihn dem Autor entfremdet. Zunächst beruht die Entfremdung darin, dass der Text in eine andere Schrifttype umgewandelt wird, dann indem er im Zeilenumbruch und im Kontext des Bloglayouts erscheint. Aber entscheidend für mich ist die Tatsache, dass nun fremde Augen ihn betrachten und lesen können. Mir ist dann als würde ich ebenso wie ein vermuteter Leser auf den Text gucken. Meistens entdecke ich dann Fehler, die mir entgangen sind, als der Text mir noch nah war, als es nur ihn und mich gab. Die Fehler, die er beim Schreiben enthalten hat, sind oftmals stilistischer Natur, Wortwiederholungen beispielsweise, weil ich gedanklich noch bei diesem Wort gewesen bin und es hineinrutschte in folgende Passagen. Die Tippfehler sind ebenso mir nah, sie zeigen Abläufe in mir, Laufzeitfehler, dass etwa ein Buchstabe vor dem anderen erscheint, wo er eigentlicht nachfolgen sollte, quasi Übersetzungsfehler zwischen Gehirn und den tastenden Fingern. Mal eilen die Finger voraus, mal hinken sie dem Denken hinterher. Es kann auch an Unaufmerksamkeit liegen oder an meiner landschaftlich geprägten Aussprache. Mark Twain hat geschrieben: "Wie gesagt, gute Rechtschreibung hat mir nie großen Respekt abgenötigt. Das ist heute noch genauso. Bevor die Rechtschreiblehre mit ihren eigenmächtigen Regeln herauskam, haben die Leute mit ihrer Orthographie feine Züge ihres Charakters unbewusst enthüllt und dem, was sie schrieben, aufschlußreiche Ausdrucksnuancen zugefügt. Es ist durchaus möglich, dass die Rechtschreiblehre für uns ein Geschenk von zweifelhaftem Wert war."

Die Korrektur tilgt all diese Nuancen, man stößt den Text tatsächlich, wie du sagst, weiter und weiter von sich weg. Das hat noch einen anderen Nachteil. Oft habe ich gefunden, dass Fehler sinnstiftend sind, besonders wenn ich nicht selbst schreibe, sondern der Text sich schreibt. Es wäre sinnvoll, diese Fehler zu belassen, aber manche Kleingeister denken, man könnte es nicht besser, und man will ja nicht als Depp dastehen.

Mit einem korrigierten Text wendet man quasi dem Leser seine starke Seite zu.
Wenn die vier Frauen am Tisch schräg gegenüber nicht so laut rumgehühnert hätten, wären wir mit unseren Überlegungen zum Fehler weitergekommen. Aber ich wandte ihnen meine schwache Seite zu, da konnte das Rumhühnern voll in mich reinhauen, und demzufolge war ich sehr abgelenkt ;)

Shhhhh - 11. Mär, 01:49

Mit meinen Texten wende ich meinen Lesern nie die starke Seite zu, dafür sind sie nie fertig genug. Viel zu oft habe ich das Gefühl, an dem was ich sagen wollte, vorbeizuschrammen, statt es auf die Hörner zu nehmen. Diese Unklarheit führt natürlich dazu, dass Interpretationsspielraum freigesetzt wird, aber ob das an jeder Stelle auch seinen Wert hat, ist zweifelhaft.
Korrekturen müssen auch nicht unweigerlich Nuancen tilgen. Und Fehler mit sinnstiftendem Gehalt belasse ich meist lieber, anders wäre so manch ein Blogeintrag von mir gar nicht zustande gekommen.
Ich habe übrigens nicht das Gefühl, dass ich mir erlaube, nach den Ursachen bestimmter Fehler zu suchen. Diese Entfernung zum Text habe ich erst nach vielen Malen lesen, was im Anfangsstadium meiner Korrekturen häufig noch gar nicht der Fall ist. Da wird stur berichtigt bei Buchstabentausch oder Vergessen desselben. Vielleicht sollte ich einfach meine ersten geschriebenen Zeilen hier noch einmal genaueer unter die Lupe nehmen, ob sich dann so etwas einstellt. Diese Erfahrung habe ich bisher noch nicht gemacht.
Trithemius - 11. Mär, 12:28

Gerade denke ich darüber nach, dass all der Ehrgeiz, gut zu schreiben, mir die Unbefangenheit genommen hat, die ich in der Anfangszeit meines Bloggens hatte und die ich zurückhaben will. Dieser verfluchte Perfektionismus peinigt mich sehr. Es ist manchmal gewiss auch gut, am Thema vorbeizuschrammen und genug Leerstellen zu lassen, die ein Leser mit eigenen Vorstellungen füllen kann.

Ich erlaube mir, nach den Ursachen von Fehlern zu suchen, die in der Schreibtechnik begründet sind. Beispielsweise sind Kommentareditionsfelder viel zu klein, so dass man beim Tippen den Überblick auf den gesamten Text nicht hat. Daraus ergeben sich unnötige Wortwiederholungen und eine gewisse Kurzatmigkeit der Argumentation, ein Umstand, auf den Dieter E. Zimmer schon 1991 in seinem Buch "Die Elektrifizierung der Sprache" hingewiesen hat, wobei er allerdings die Darstellung einer Bildschirmseite meinte, die in Texteditionsfeldern ja noch viel ausschnitthafter ist. Er bestimmt in seinem Buch noch eine ganze Reihe weiterer Fehlertypen, die mit dem Schreiben per Textverarbeitung zu tun haben, beispielsweise fehlende grammatische Kongruenz, die sich aus dem nachträglichen Umstellen von Sätzen ergeben kann.
Shhhhh - 11. Mär, 13:02

"Die Elektrifizierung der Sprache", das hört sich ziemlich gut an, danach werde ich mal fahnden.
Lo - 11. Mär, 16:15

Wie schön! Was Sie da an Empfindungen und Gewohnheiten niedergeschrieben haben, kann ich für mich auch bestätigen: mit zeitlichem Abstand gelesen habe ich zu meinen Texten auch einen anderen Bezug, einen Abstand eben. Finde auch Fehler, die mir beim Tippen und Drüberschauen vor dem Veröffentlichen nicht aufgefallen sind, und korrigiere.

@ Trithemius (zit.:) "als der Text mir noch nah war.....als es nur ihn und mich gab"
Das hat mir sehr gut gefallen. Es beschreibt so schön den "intimen" Zeitraum, in dem das Gedachte gerade aufgeschrieben, aber noch niemandem gezeigt wurde.
Hat Spaß gemacht, hier zu lesen.

Lo

Shhhhh - 11. Mär, 21:54

Mir macht das Lesen bei Ihnen auch immer Spaß.
Zu dem Zitat, möchte ich noch anmerken, dass ich selten das Gefühl habe, einem von mir verfassten Text nah zu sein, aus oben geschilderten Gründen der Unvollständigkeit bzw. mehr oder minder schlechten Ausdruckvermögens bei der Übertragung vom Gedanken ins Schriftliche.
Trithemius - 13. Mär, 10:25

Es ist doch egal, ob man mit einem Text zufrieden ist oder nicht. Im Augenblick des Entstehens ist er dir immer am nächsten. Ich habe einige Texte, die einfach nichts werden wollen, in meinem Schrottordner. Trotzdem sind sie mir beim Entstehen nah gewesen, weil sie einen inneren Zustand von mir authentisch spiegeln. Keiner ist zu jeder Zeit gleich gut.

@ Lo
Schade, dass ich Ihre Blogs jetzt erst entdeckt habe.

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