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Intelligenztests

Im Rahmen eines Seminars, das gestern seinen Abschluss fand, haben wir uns intensiv mit dem Konstrukt der Intelligenz beschäftigt und sind in der abschließenden Diskussion zu dem Ergebnis gekommen, dass nicht unbedingt viel darauf zu geben ist, mindestens jedoch gesunde Skepsis an den Tag gelegt werden sollte, wenn von der Intelligenz oder dem Intelligenzquotienten die Rede ist. Im Laufe des Seminars haben wir unterschiedliche Modelle der Intelligenzberechnung durchgenommen, einen Faktor g, also eine allgemeine Intelligenz, hatten viele dieser Modelle gemeinsam und auch die Unterscheidung in fluide, also Problemlösefähigkeit und logisches Denken, und kristalline Intelligenz, explizites Wissen, war vielen Modellen eigen.

Eine Frage, die allerdings nicht beantwortet werden konnte, hat mich während des Seminars immer wieder beschäftigt. Wie verhält sich die Akzeptanz des Wertes der eigenen Intelligenz zum gemessenen Ergebnis? Meine Hypothese dazu lautet, dass sie sich ebenso verhält wie das Aufkommen des IQ selbst, nämlich entlang einer Gaußkurve. Das heißt genauer, dass die Akzeptanz zum Ergebnis im Intelligenztest nach gemessenem IQ in der Spanne von 85 bis 115, also von einer Standardabweichung zu beiden Seiten der 100, am höchsten ist und je nach Höhe des gemessenen Wertes zu beiden Seiten hin abfällt. Konkreter würde das für die Intelligenzmessung bedeuten, dass insbesondere sehr niedrig ausfallende und sehr hoch ausgefallene Messergebnisse von den jeweiligen Probanden weniger akzeptiert werden, als Werte im Normalbereich.

Doch was bedeutet das? Auf dem Gebiet der differentiellen Psychologie stellt die Intelligenzforschung einen nicht kleinen Forschungszweig dar, der unter Umständen erheblich in das Leben Vieler eingreifen kann. Sei es nun der Einstellungstest bei einem Arbeitgeber oder die Vorschuluntersuchung oder ein Schullaufbahntest. All diese Ergebnisse können dazu führen, dass Lebenswege vorgezeichnet werden, die von den Betroffenen unterschiedlich aufgenommen werden können. Im Allgemeinen verlässt sich aber vor allem der Tester auf das Ergebnis und gibt dernach Empfehlungen für Job oder Schullaufbahn. Gekniffen sind die Getesteten, wenn das Ergebnis nicht das gewünschte, bzw. eher erhoffte Resultat liefert.

Zwei Extrembeispiele sollen das einmal näher erläutern: Vor nicht allzu langer Zeit geisterte der Fall des Marvin Wilson durch die Presse und führte nicht zuletzt wegen des bei ihm gemessenen IQs zu einem Aufschrei der Empörung. Wilson hatte einen IQ von 61, was in den USA als geistig behindert gilt. Somit ist die Schuldfähigkeit eingeschränkt. Trotzdem wurde Wilson hingerichtet, weil er in anderen Messungen einen IQ von 71 bzw. 75 erreichte. Wie gekniffen der Getestete in diesem Fall war, muss nicht näher erläutert werden.

In einem anderen Fall – auch dieser findet im Netz Verbreitung – geht es um eine New Yorker Stripperin, die angeblich einen sehr hohen IQ haben soll. Ich konnte das nicht genauer nachprüfen, ob es sich bei dieser Messung eher um eine Ente oder um ein tatsächlich stattgefundenes Ereignis handelte, muss es aber gar nicht, denn zwei Dinge werden dabei klar: sollte es sich um eine Ente handeln, scheint zumindest der Wunsch nach einer „Normalisierung“ erkennbar zu sein, also die Akzeptanz des Messergebnisses nimmt auch bei hohen IQs ab. Oder, sollte es tatsächlich wahr sein, bestätigt es meine Hypothese zumindest insofern, als dass ein hohes Ergebnis nicht automatisch zu den bestmöglichen Lebensentwürfen führt.

In beiden Fällen, wie auch in vielen anderen sind es jeweils nur die Tester, bzw. die Beobachter, die etwas davon zu haben scheinen, den Getesteten geht es entweder nichts an oder es ist ihnen egal. Die anfänglich beschriebene „gesunde Skepsis“ reicht bei weitem nicht aus, wäre mein Ergebnis dieser Überlegungen. Offenes Misstrauen jeglicher Art dieser Tests, den Entwicklern und Anwendern gegenüber wäre wohl eher angebracht.
Trithemius - 13. Jul, 22:27

Grundsätzlich teile ich deine Skepsis. Allein der Umstand, dass der Mensch hinsichtlich seiner geistigen Fähigkeiten vermesssen wird als ginge es um nichts mehr als um seine Schuhgröße, lässt mich schaudern. Die missbräuchliche Verwendung solcher Befunde ist nicht auszuschließen. Oft trifft zu, dass die Befunde aus dem Intelligenztest dazu verwendet werden, Menschen höherwertig oder minderwertig einzuschätzen und dass die Ergebnisse bewirken, was du vorsichtig mit der Vermutung umschreibst, die Intelligenzforschung greife unter Umständen erheblich in das Leben Vieler ein. Man muss ja immer nach den Zielen der Auftraggeber solcher Tests fragen. Was definieren sie als Intelligenzleistung, welche Qualifikationen ignorieren sie? Ist der Begriff der Intelligenz überhaupt geeignet, Fähigkeiten zu erfassen. Wie würde ein außerirdischer Vertreter einer hochentwickelten Spezies abschneiden? Einige Fragen korrespondieren mit denen nach gerechten Schulnoten. Ist jemand mit einer Abiturdurchschnitt von 1,0 nach dem Medizinstudium später wirklich ein guter Arzt. Es scheint mir auch fragwürdig, die Messinstrumentarien zu verfeinern, um verlässlichere Aussagen zu bekommen. Eigentlich sollte man von echten Aufgaben abstrahierte Fragestellungen grundsätzlich als ungeeignet ablehnen.

Shhhhh - 13. Jul, 22:42

Hochinteressant fand ich, dass bereits zu Beginn des Seminars zwei Dinge geklärt wurden: Einerseits sei die Forschung um das Konstrukt der Intelligenz eines der besterforschten in der differentiellen Psychologie und andererseits hat sich die Forschung auf keine einheitliche Definition von Intelligenz einigen können. Und leider nahmen die Widersprüche in den folgenden Sitzungen kaum ab.
Es mag durchaus Platz in der Forschung geben für eine trial-and-error-Methode aber doch bitte nicht immer wieder auf Kosten der eigenen Spezies, und vor allem dann nicht, wenn die gemachten Fehler bisher in der Überzahl waren.
Bis 1971 konnte ein Studienplatz in den USA noch unter dem Vorwand abgelehnt werden, der oder die Kanditatin hätte in einem Intelligenztest zu schlecht abgeschnitten. Ich erwähnte vor längerer Zeit einmal mein eigenes Zutun zu dem Seminar und bin die Fortsetzungen bisher schuldig geblieben. Ich hole das demnächst nach, dann wird klarer, was ich damit meinte.
bonanzaMARGOT - 15. Jul, 12:19

die messbarkeit von intelligenz ist wie alle messungen von der messmethode abhängig. bei der messung von etwas komplexem wie der intelligenz kann es per se keine genauen ergebnisse geben, weil die intelligenz sich auf zu viele faktoren verteilt.
sie kann eigentlich nur in auszügen gemessen werden. so gibt es menschen, die eine hohe mathematische begabung haben, andere, die eine sprachliche begabung haben, wieder andere die durch eine multi-begabung brillieren ... etc.
es kommt dabei auch darauf an, welche begabung bzw. welche intelligenz in einer gesellschaft besonders gefördert und gebraucht wird. ein urwald-bewohner benötigt andere geistige fähigkeiten als ein großstadtbewohner. hinzu kommen die unterschiedlichen kulturellen prägungen. was als intelligenz betrachtet wird, ist also auch von vielen bedingungen abhängig.
es gibt kein objektives konstrukt intelligenz.
bei autisten beobachtet man z.b. manchmal erstaunliche sonderbegabungen. sie können aber oft ganz einfache aufgaben des täglichen lebens nicht bewältigen.
es gibt hochintelligente verbrecher und hochintelligente obdachlose ... es ist immer die frage, was für eine messlatte man für die erfassung von intelligenz anlegt. moralische dimensionen werden in intelligenztests ungenügend erfasst - und sowieso setzt sich die intelligenz in einer gesellschaft nicht immer durch, wie wir beinahe täglich feststellen dürfen.
intelligenztests sind in meinen augen etwa so sinnvoll wie ... brustvergrößerungen, - es liegt allein im auge des betrachters.
die betrachtung der eigenen intelligenz hat mit dem selbstwertgefühl zu tun. und auch mit unserer leichtgläubigkeit.
oder aber damit, die ergebnisse eines intelligenztests zu verstehen und richtig zu werten. man muss relativ dumm sein, wenn man die ergebnisse nicht skeptisch ansieht. (selbstbewussten) intelligenten menschen sind intelligenztests scheiß egal, würde ich sagen.

Shhhhh - 15. Jul, 16:33

Einmal davon abgesehen, dass ich zuerst eben so dachte, wie du, nämlich, dass sich Intelligenz wegen der hohen Faktorenstreuung, wegen der unterschiedlichen Gebräuche im Umgang mit Alltag (Ureinwohner vs. Stadtmensch z.B.), bin ich nach dem Seminar zu der Auffassung gelangt, dass es sehr wohl möglich ist, etwas zu messen und das durchaus Berechtigung besteht, dieses Konstrukt Intelligenz zu nennen. Die Frage, die du am Ende deines Kommentars stellst, ist aber genau diejenige, die ich mir auch stellen musste: der Betrachter ist nicht nur Auge, sondern noch viel mehr, er bestimmt über Wohl und Wehe, obwohl es eben nicht klar ist, was gemessen wird.
Es gibt drei wichtige Gütekriterien, die in einer Messung eingehalten werden sollen:
Die Objektivität, also das Messergebnis ist unabhängig vom Messenden, die Reliabilität, das Messergebnis muss stabil bzw. wiederholbar sein, und die Validität, die aussagt, dass nur gemessen wird, was auch gewollt war. Und gerade im letzten Punkt sollten Fragen aufkommen, denn wie kann feststehen, dass Intelligenz gemessen wird, wenn es keine einheitliche Definition gibt.
bonanzaMARGOT - 15. Jul, 17:24

Man kann nur messen, was man vorher klar definierte. Eine objektive Maßeinheit für ein komplexes Konstrukt wie die Intelligenz lässt sich niemals definieren. Das liegt einfach in der Natur der Sache.
Es kann lediglich eine Erfassung von Segmenten der Intelligenz geben, und das ist schon schwierig genug.
Ansonsten dienen Intelligenztests lediglich zur Manipulation der Intelligenz.
bonanzaMARGOT - 15. Jul, 17:57

Man könnte sich auch mal die Frage stellen:
Was erwarte ich von einem Intelligenztest, der dümmer ist als der Proband?
steppenhund - 21. Aug, 10:43

Skepsis

Man kann den Intelligenztest ja auch als Problemlösungstest unter Berücksichtigung zeitlicher Vorgaben sehen. Dass er nur bestimmte Problemzonen misst, ist ein Selbstgänger und als Argument nicht sehr zielführend. Es gibt Fragestellungen, die vielleicht auch in soziale Kompetenz hineinzielen, aber die gehen eher in die Richtung psychologischer Versuche. Wie weit ist jemand bereit, sich bedingungslos einer Autorität zu unterwerfen und einen Unbekannten realer Schmerzen zu unterwerfen? Wie verhält sich jemand dem Kantschen Imperativ gehorchend, wenn er weiß, dass er von zwei vom Tod bedrohten Menschen nur einen retten kann? Usw.
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Ich selber fand IQ-Tests durchaus interessant und war auch einmal Clubmitglied von der Mensa, bis durch bestimmte real-vereinspolitische Veränderung der Verein zu dem Niveau eines Kaninchenzüchtervereins mutierte.
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Aber ich mache ab und zu einen Test, um zu sehen, wie ich langsam depperter werde. Obwohl das Alter statistisch berücksichtigt wird, merke ich, wie ich langsam nachlasse. Da kann ich mich nicht auch mit der fluiden Intelligenz trösten. Ich brauche einfach länger und bezweifle meine Ergebnisse so stark, dass ich mich selbst dabei einbremse. Ich könnte das heute nicht mehr mit meinem Kopf leisten, was ich zwischen 22 und 35 konnte. Ist halt so.
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Aber dass die Akzeptanz des Ergebnis in einer Glockenkurve verläuft, die mit dem gemessenen IQ korreliert, glaube ich nicht.
Allenfalls korreliert das Produkt als Akzeptanz und empfundener Wichtigkeit mit der Gauss-schen Verteilung. Ich habe kein Mensamitglied oder anderen hochintelligenten Menschen getroffen, der mit seinem Wert angegeben hätte. Bei denen, welche es tun, hege ich große Zweifel an der Wahrhaftigkeit. Ich unterstelle also einmal, dass wirklich intelligente Menschen, denen man per Test einen hohen IQ bescheinigt, den lächelnd zur Kenntnis nehmen und sagen: in Wirklichkeit kommt es auf etwas ganz anderes an.

"Um im Leben glücklich zu werden oder sonst was..."

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