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Bei den Leisen Tönen. Manchmal braucht es einen Blog, um sich Luft zum Denken zu verschaffen. Keine Steckenpferde, Hobbies oder sonstiges Spezielles, nur Luft zum Denken.

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Freitag, 10. Juni 2011

Künstliche Menschen

Die Erscheinung des künstlichen Menschen hat sich im Laufe der Jahrhunderte einem fortwährenden Wandel unterzogen, sie fand Eingang in die unterschiedlichsten Kulturkreise und ist bis heute präsent geblieben. Der Schritt aus dem Reich der Phantasie in die Wirklichkeit ist dabei längst getan, Automaten, Maschinen, Roboter sind Teil unseres Lebens. Doch nicht nur an der Erscheinung selbst vollzog sich dieser Bedeutungswandel, auch der Schöpfer erlag dieser Veränderung. Er wandelte sich vom Künstler, zum Magier und schließlich zum Gelehrten. Das Einzige, was dabei fortwährend Bestand hatte, ist das Verhältnis zueinander. Der Schöpfer erschafft sich einen Diener.

Die Reflektion und Thematisierung von kultureller und wissenschaftlicher Entwicklung innerhalb der Literatur hält bis heute an. Von eminenter Wichtigkeit erscheint diese Entwicklung zur Zeit der Aufklärung, denn das dort geprägte Bild vom Schöpfer und seinem Diener erfährt neben einer allgemeinen Renaissance den Wandel vom magischen zum technischen Verhältnis.

Künstliche Menschen sind jedoch nicht erst seit der Epoche der Aufklärung Gegenstand der Literatur. Eine der ältesten Überlieferungen ist in der griechischen Mythologie zu finden, wonach Prometheus, den ersten Menschen formte und Athene ihm durch einen Schmetterling Leben einhauchte. Ovid beschrieb in den Metamorphosen Pygmalions Liebe zu der durch ihn geschaffenen Elfenbeinstatue, die auf seine Gebete zum Fest der Venus hin lebendig wird und seine Liebe erwidert. Ein anderes Beispiel findet sich bei Polybios. Sein Tyrann Nabis verfügte über eine Maschine, die seiner Frau Apega bis aufs Haar glich. Sie ermöglichte es ihm seine Forderungen gegenüber dem Bürger durchzusetzen, indem sie die Arme um ihn schlang und ihn an sich heranzog. Die Arme und die Brüste waren mit eisernen Nägeln beschlagen und entlockten dem Bürger entweder das von Nabis geforderte Geld oder er starb in ihren Armen. Hier erscheinen gleich drei unterschiedliche Erbauer und mit ihnen auch drei unterschiedliche Geschöpfe. Der Prometheus, der Titan und Göttergleiche, als Schöpfer der Menschheit sollte im eigentlichen Sinne ausgeklammert werden, allerdings ist er der Vorbote einer anmaßenden Menschheit, die das Werk der Schöpfung selbst in die Hand nehmen will. Bei Pygmalion und Nabis stehen hingegen nicht die Anmaßung, sondern vielmehr die Zweckmäßigkeit im Vordergrund. Außerdem sind beide Schöpfer bereits Menschen, der eine ist Künstler, der andere Tyrann.
Im Mittelalter setzt sich die literarische Auseinandersetzung mit dem Stoff weiter fort. Der Türhüter des Albertus Magnus, ein eiserner Kopf, der sogar sprechen konnte, die Golemsage um Rabbi Löw aus Prag und die Sage vom Holzmenschen aus der chinesischen Tripitaka sollen hier als Beispiele für die unterschiedlichen Kulturkreise und ihrer Verarbeitung des Motivs genügen. Zudem sind auch die antiken Inhalte weiter verarbeitet worden.

Beredte Zeugnisse der neuerlichen Weiterentwicklung des Kunstmenschenmotivs gehen auch mit dem Fortschritt der Wissenschaft einher, die Renaissance lieferte dafür einige Beispiele. Als besonders markantes Beispiel sollen hier die Ausführungen Paracelsus zur „Putrefaction“ und „generatio“ in der Schrift „De generatione rerum naturalium“ genannt werden. Er unterscheidet dabei die natürliche Erzeugung „ohne alle Kunst“ und die künstliche „durch alchiam“. Beide Prozesse bedürfen jedoch der „feuchten Wärme“. Aus diesem Prozess kann dann in wohlgefälliger Form – das heißt nicht gotteslästerlich – ein Homunkulus gezüchtet werden, der, sobald er eine gewisse Größe und Alter erlangt, über alle Geheimnisse der Welt verfügt.

Der Sieg des Individuums über die Masse – dies ist durchaus schon eine Errungenschaft der Renaissance, der Künstler zum Beispiel tritt aus seiner Anonymität hervor – bildet abgesehen von der Notwendigkeit seiner Identifizierung in frühkapitalistischer Zeit ein solides Fundament für alle Bereiche der Wissenschaft und treibt im 17. Und 18 Jh. ihre Blüten. Nicht nur die Medizin profitiert davon. Es kommt zur Begründung gänzlich neuer Wissenschaften, die nicht unbedingt neu im eigentlichen Sinne des Wortes sind, aber in ihrer Abgrenzung und Definition etwas Neues darstellen. Die Wiederentdeckung des Menschen in Kultur und Wissenschaft ist die Renaissance der Epoche der Aufklärung. Mit der Frage, was ist der Mensch muss natürlich auch die Frage einhergehen, was ist der Mensch nicht. Der Mensch ist nicht mehr nur stummer Diener sondern vielmehr Schöpfer. Den Mut zu haben, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen und dies auch öffentlich zu machen sind die Maximen des aufgeklärten Menschen. Der Prometheus der Aufklärung, Goethes Prometheus, ist wieder der Vorbote, die Spitze des Eisbergs. Den Stimmen der Mahner und Moralisten entkommt er nicht gänzlich, sie sind in der Literatur des 18. Jh. immer noch in der Überzahl aber der Mensch als Schöpfer ist literarisch nicht mehr aufzuhalten. Schrieben die Jakobs ( Jakob Emden und Jacob Grimm ) noch von einem bösen Ende des Schöpfers der Golems, so ist nicht einmal 50 Jahre später schon ein guter Ausgang der Sage möglich. Lawrence Sterne, der englische Pedant zu Jean Paul, und viel später Raoul Hausmann führen den Homunkulus ins Possierliche. In Goethes Faust dient er nur noch der Ablenkung vom Wunsche Fausts, Helena zu besitzen.

Das schöpferische Element der Aufklärung lebt allerdings nicht nur von einem Zustrom immer neuer Verarbeitungen alter Stoffe, es entstehen auch etliche Neuentwicklungen. Johann Christian Wiegleb fertigt in „Vaucansons Beschreibung eines mechanischen Flötenspielers“ eine literarische Skizze zum Aufbau und der Funktionsweise des künstlichen Musikanten an, den Vaucanson 1737 erbaute und der ein Repertoire von 12 Liedern spielen konnte. Wiegleb war es auch, der dem künstlichen Menschen des Albertus Magnus ( nach der Sage, nicht nur ein eherner sprechender Kopf, wie er vielen Gelehrten des Mittelalters zugeschrieben worden ist, sondern ein komplett künstlicher Mensch ) seine Daseinsberechtigung gegenüber der kirchlichen Meinung, dass solch eine Kreatur teuflisch sein müsse, verteidigt. Aus der Zauberei wird Wissenschaft. Auch Jean Paul nimmt sich des Stoffes an und ersinnt in der aufkommenden Euphorie der Automatenherstellung einen Menschen, der sich für jede erdenkliche Tätigkeit, die ein Mensch durchzuführen hat, ein maschinelles Pendant entwickelt, um sich diesen lästigen Tätigkeiten zu entledigen. Dabei entstehen nicht nur Vorläufer heutzutage nicht mehr wegzudenkender Hilfsmittel wie zum Beispiel die Schreibmaschine, sondern auch Maschinen, die so abwegige Funktionen wie das Kauen von Nahrung vollführen.

Der künstliche Mensch hatte also schon immer seinen festen Platz in der Literatur und fast jede literarische Epoche setzte sich auf ihre Weise mit dem Phänomen auseinander. Neuerliche Entwicklungen in der Wissenschaft – ob nun die Medizin, das neu eröffnete Feld der Psychologie oder die Physik und Chemie – erschlossen der Literatur ein schier unerschöpfliches Arsenal an Ideen, Nuancen und Fokussierungen. Der eigentliche Akt der Schöpfung, die Wahrnehmung durch den Menschen oder auch seine moralische Verteidigung können bei der Verarbeitung des reichhaltigen Angebots nur noch Stichproben liefern. Vollständig erfassbar ist das Phänomen wohl nicht mehr.

Samstag, 11. Juni 2011

Vor dem Aufstehen

Der echte Schlaf ist flüchtig. Die reinsten Essenzen sind von jugendlicher Unschuld und für kein Geld der Welt zu kaufen. Das Bett ist völlig egal. Ein rostiger Suppentopf könnte als Kopfkissen dienen und als Decke vielleicht der Lappen, den man normalerweise darauf verwendet, den Ölstand beim Auto abzumessen. Das ist alles egal.

Für diesen Schlaf braucht es kein Interieur. All die Zeremonienmeister mit ihren Kaschmiraugenmasken, Wasserbetten mit verschiedenen Beruhigungsstufen oder ganz spezieller Einschlafmusik, sie wollen alle nur eins:
Sie wollen kurz erwachen, weil sie das Gefühl haben, über sie wacht jemand, und mit diesem Gefühl wieder einschlafen – so wie mein Sohn, 10 Wochen alt.

Alles nur geklaut

Ich habe noch etliche Texte in petto, da komme ich auf die unterschiedlichsten Autoren, deren Stil ich anscheinend kopiere. Viele davon habe ich noch nie gelesen, geschweige denn überhaupt gekannt. Von Phyllis inspiriert konnte ich davon nicht genug bekommen und habe etliche Texte durch die Analyse geschickt, aber am liebsten wäre mir das:

Shhhhh

Langweilige Vorlesung?

Es gibt immer einiges zu kritisieren, wenn ich eine Vorlesung besuche, und immer gibt es auch zwei Seiten von denen aus ich dies beurteilen will. Da gibt es zum Einen die Forderung der Dozenten, für ein Referat ein Handout zu erstellen, damit die Hörer dem Vortrag zum Einen folgen können und zum Anderen nach dem Seminar etwas Handfestes erhalten, was sie für eigene Aufzeichnungen nutzen können. Wenn also in einer Ringvorlesung der Dozent - häufig sind das Professoren – kein Handout herausgibt, liefert er Angriffsfläche für den Hörer, der von den selben Leuten dazu genötigt wird und andererseits adeln sie sich damit selbst, indem sie auf solche Kinkerlitzchen verzichten.
Wo bin ich? Im wunderschön restaurierten Chemiehörsaal der Leibniz-Universität Hannover in Begleitung von Trithemius, der mit nicht weniger Begeisterung an dieser Vorlesung teilnimmt. Worum geht es? Es geht um Jean Paul und Leibniz, also keine geringeren als die treibenden Kräfte in der Philosophie des 17. und der Literatur des 18. und 19. Jahrhundert. Die Verbindungen liegen auf der Hand, und wie es der eingangs erläuternde Professor feststellte, keine unfruchtbare Verbindung. Angetreten ist eine Kennerin des Fachs. Lange Zeit war sie für die Edition der Werke Jean Pauls zuständig und neuerdings widmet sie sich den Leibnizschen Briefwechseln.
Schon früh zeichnen sich zwei Schwerpunkte ab, um die der Vortrag kreist. Da ist die Monadologie von Leibniz zu nennen und das Leib-Seele-Problem, was sich in der Frühaufklärung manifestierte und bis in die Spätaufklärung heiß diskutiert wurde. Eine Lösung ist heute noch lange nicht in Sicht, es bleibt also genug Stoff für Literaten und Philosophen gleichermaßen.
Genauso früh wird mir klar, dass ich dem Vortrag in seiner Gänze nicht folgen werde, denn die Akustik lässt aufgrund des lauten Lichts ( der Lüfter des bilderwerfenden Projektors stört die akustische Aufnahme des Gesagten erheblich ) und dem mangelnden Talent der Sprecherin zu lauter und deutlicher Artikulation zu wünschen übrig.
Die Sprecherin zitiert Jean Paul, sie lässt glücklicherweise das Zitat auf dem Projektor erscheinen. Sie referiert, dass Leibniz sowohl in London als auch in Hannover zur gleichen Zeit verweilen könnte und nur durch die Trennung von Leib und Seele wäre eines der Schriftstücke zwar erdacht aber nicht verfasst worden, weil es der Seele an Händen mangelte. Die Einheit von Körper und Seele und ihrer Rezeption durch Jean Paul wird hier sehr deutlich. Leibniz selbst spricht von zwei unabhängig voneinander gleich schlagenden Uhren; ein passender Vergleich zur Ausführung Jean Pauls davor. Hier steige ich dann aus. Die Notizen dazu habe ich später frecherweise von Trithemius abgeschrieben, der insgesamt etwas aufmerksamer war als ich.
Wenn ich am linken Rand säße – immer in Position zur Sprecherin gemeint – wäre es die gleiche Position wie rechts vom Rand, wenn ich allein ihr Manuskript fokussierte. Es wären die gleichen Blätter, zu zwar unterschiedlichen Seiten geneigt – die Rechtshänderin ist unverkennbar – aber die Menge wäre immer die gleiche. Es neigt sich ein aus vielleicht einem, maximal zwei, Blättern bestehendes Bündel direkt nach unten, während der Rest des Manuskripts nichts an seiner durch die rechte Hand beigebrachte Spannung eingebüßt hat und starr dahin zeigt, wohin sich die Sprecherin wendet. Ich kann ungefähr erahnen, wie viele Blätter es noch sind. Quatsch! Ich kann optimistisch schätzen. Mit jedem Blatt, was sie zur Seite legt, schätze ich erneut – optimistisch.
Eine schlimme Vorstellung bietet die penible Ablage der Blätter, die sorgsam rückseitig aufeinander auf dem Tisch gestapelt werden. Man stelle sich vor, nachdem das letzte Blatt abgelegt ist, wird der abgelegte Stapel in seiner hinterlassenen Ordnung von Neuem aufgenommen und das Referat geht in die zweite Runde, die Rückseiten kommen an die Reihe. Meiner Gemütsverfassung zwar nicht zuträglich wäre dies trotzdem eine außergewöhnliche Performance.

Hah, das letzte Blatt ist erreicht.
Angelesen.
Aufgelesen.
Abgelegt.
Überlebt.

Dienstag, 7. Juni 2011

Platte

Als ich am Wochenende in meiner alten Heimat war, besuchte ich zusammen mit meiner Frau und Kind einen guten Freund und seine Frau. Wir kennen uns schon seit unserer Geburt sozusagen, zumindest unsere Mütter kennen sich schon so lang und wir beide seit dem Kindergarten.
Meine "alte Heimat" ist eben absolut zufällig von mir geschrieben worden, und während dies geschah, musste ich mich doch über die Präzision dieser Formulierung wundern, die sowohl meine alte Verbundenheit mit Magdeburg aber auch nur ein Zurückblättern zu einem längst abgeschlossenen Kapitel bedeutete. Hier bin ich aufgewachsen, habe meine Jugend verlebt aber als es ernst wurde, bin ich abgereist und habe mir ein neues Domizil gesucht. Das ist jetzt 6 Jahre her.
Am Samstag saßen wir dann bei den beiden herum, zuerst im Wohnzimmer und später der besseren Unterhaltung wegen auf dem Dach des Hauses. Das Haus ist ein zehngeschossiger Klotz, der letzte unsanierte in einer Reihe, die im Abstand H1 zu insgesamt sieben solcher Klötzer angeordnet sind. H1 bedeutet, es ist genausoviel Platz zwischen den Gebäuden, wie jedes einzelne hoch ist. Als Architekt muss man so etwas wissen und mein Freund ist Architekt. Warum er jedoch als aus gutbürgerlichem Elternhaus stammender, niemals auf eine Plattenwohnung angewiesener in eine solche gezogen ist, erschließt sich mir nur durch solche im Nebensatz formulierten Feinheiten.
Er wohnt in der 10. Etage, die als 9. gekennzeichnet ist, weil es ja auch ein EG gibt. Auch das ist mir ein Rätsel aber danach habe ich ihn nicht gefragt. Der Fahrstuhl fährt übrigens nur bis in die 8. Etage. Das hat er schon immer so gehandhabt und bei den meisten 10ern ist das wohl heute noch so - wenn nicht die Fahrstuhlanlage komplett überholt worden ist. Wir müssen also immer noch eine Etage nach oben laufen, im Fall, dass wir auf dem Dach sitzen wollen, sogar zwei. Für die Aussicht macht man das aber gern.
Sitzt man wie wir mit Blick in die langsam untergehende Abendsonne so erschließt sich in weiter Entfernung ein Meer aus Windrädern. Ganz nah und halb links befindet sich das Gelände der medizinischen Akademie, die heute anders heißt. Ein Meer aus sattem Grün mit versprenkelt darin zum Vorschein kommenden alten Ziegeldächern. Rechts der Sonne erstreckt sich die Stadt. Früher, vor der Zerstörung im zweiten Weltkrieg muss Magdeburg mehr Kirchen als Christen gehabt haben, heute sind es weniger Kirchen, die Zahl der Christen kenne ich nicht. Ein paar neue Kirchen sind auch gebaut worden. Der Schandfleck halb rechts, die Johanniskirche, wurde ja schon vor Jahren voll saniert, mittlerweile kann man auch von dort die Aussicht genießen und vielleicht stehen dort gerade Leute auf dem Turm und schauen zu uns herüber. Um etwas zu erkennen, sind wir aber viel zu weit weg.
Noch weiter rechts kommt der Dom, den man schon deshalb nicht verwechseln kann, weil es die höchste Erhebung in der Gegend darstellt. Die Gerüste, die beide Türme bekleistern, kann man nicht mehr abnehmen, weil sich der Boden darunter - der Domfelsen - als nicht so hart präsentiert, wie es die Erbauer gern gehabt hätten. Der Dom sackt ab, langsam. Vielleicht ist es bald ein schiefer Dom. Vielleicht ist er schon schief. Hinter uns ergrünt seit ein paar Jahren das stillgelegte ehemalige Gelände der SKET, dem Schwermaschinenbaukombinat Ernst Thälmann. Viele der Produktionshallen sind abgerissen, dort stehen jetzt kleine Birken und Pappeln und Ahorn und Linden.
In nächster Nähe von uns zu beiden Seiten, schaut man in die langen Fensterreihen der anderen Klötzer. Wie ein Adventskalender gehen ständig irgendwo die Lichter an und es erscheinen Menschen vor den Fenstern. Dann gehen die Lichter wieder aus und das Leben zieht zu einem neuen Fenster, vielleicht auf der Rückseite, die wir nicht sehen können. Es gibt immer zwei Seiten, die Vorderseite, dort wo der Eingang ist, haben die Fenster eine klare Hierarchie. In der Mitte ist das Flurfenster. Links davon kommt zuerst das Küchenfenster, dann das Badezimmer. Danach häufig das Kinderzimmer und dann kommt noch ein häufig als Schlafzimmer genutzter Raum, danach ist Schluss. Zur rechten kommt zuerst das Badzimmerfenster, dann die Küche und auch danach häufig das Kinderzimmer - heute wohl eher der Hobbyraum, Kinder gibt es hier nicht mehr so viele. Die Symmetrie wird durch den Blockcharakter durchbrochen. Die Versorgungsleitungen sind immer gleich, deshalb ist links zuerst die Küche und nach weiter außen hin das Bad und auf der rechten Seite ist es genau anders herum.
Auf der Rückseite des Gebäudes ist es schwieriger, die Zimmer ihren Funktionen zuzuordnen. Wenn ich jedoch ganz rechts außen beginne, kommt wohl zuerst das Wohnzimmer der Wohnung, die auf der Vorderseite über das Kinderzimmer und das Schlafzimmer auf der linken Seite verfügte. Danach folgt das Schlafzimmer einer Wohnung, die nach vorn raus überhaupt kein Zimmer hat. Diese Wohnung gleicht im Grundriß der Wohnung meines Freundes bis ins kleinste Detail, die Inneneinrichtung bei ihm ist jedoch einzigartig. Dann kommt das Wohnzimmer und dann das Küchenfenster. Nun ist die linke bzw. rechte Seite eines Eingangs abgeschlossen. Es folgt die umgekehrt angeordnete Fensterreihe der rechten bzw. linke Seite des Eingangs.
Gegen 23.00 Uhr sind wir runtergegangen vom Dach, die Sonne war längst verschwunden. Die Faszination dieser aus dem Gedächtnis erfolgten Rekonstruktion lässt mich ein klein wenig nachvollziehen, was meinen Freund in die Platte treibt, die Aussicht vom Dach natürlich auch.

Montag, 6. Juni 2011

Jörg Fauser: Der Schneemann

Dieser einen Empfehlung meines Antiquars bin ich nachgegangen. Natürlich war die für ihn nicht ganz uneigennützig, denn er hatte das Buch antiquarisch nicht da, so dass ich es neu bestellen musste. Fante ist aber rar und so muss man eben nehmen, was man kriegen kann.
Blum, dem ein e abgeht, reist von Malta nach Deutschland, findet dort 5 Pfund Kokain und versucht nun, es an den Mann zu bringen. Eine völlig abstruse Geschichte. Ständig läuft er dabei den gleichen Gestalten über den Weg, die nichts anderes wollen, als ihm den Stoff abjagen. Die Hälfte des Buches ist die Paranoia vor dem Verlust der Ware und der Auseinandersetzung mit den Menschen seiner Umgebung, die andere Hälfte des Buches ist die winterkalte Beschreibung seiner Umwelt, in der er immer wieder Menschen begegnet, die genauso arm dran sind wie er und die auf ihre Chance warten. So ist das Buch eine Ansammlung von verpassten Gelegenheiten an unmöglichen Orten mit unmöglichen Menschen. Es deshalb unrealistisch zu nennen, wäre aber zu leicht. Natürlich sind die Charaktere alle hoffnungslos überzeichnet. Da springen verrückte Händler herum, die neben Kokain auch mit Kuckucksuhren handeln und alles von ihrem holländischen Hausboot aus steuern ( natürlich ohne Internet ) und geheime Organisationen, deren Mitglieder ein perfides Beschattungsspiel mit Blum spielen ( manche Hinweise darauf lösen sich erst zum Schluss des Buches auf ). Aber darum geht es wahrscheinlich nicht. Für mich war das Buch eine Erzählung von der Angst vor der eigenen Courage. Blum ist zu prinzipientreu, um auf die vielen Deals einzugehen, zu denen er in der Lage ist. Er ist konsequent mißtrauisch. Das ist schade, rettet ihm aber manchmal auch das Leben. Nur den letzten angebotenen Deal, da hätte ich mir gewünscht, dass er ihn annimmt. Aber Blum will es allein machen, wie er immer alles allein gemacht hat. Vielleicht will er auch was anderes machen und hat genug von den Illusionen, den Inseln in der Südsee und dem großen Geld. Vielleicht hat er ja Recht, vielleicht muss aber auch 40 werden, um das zu erkennen. Vielleicht.

Dienstag, 31. Mai 2011

Fante?

Fante ist kaum zu kriegen. Fast könnte man meinen, niemand möchte damit Geld verdienen. Vielleicht verdient man mit solcher Literatur aber auch einfach kein Geld mehr.
Wenn ich den zweiten Antiquar meines Vertrauens aufsuche, der neben den alten Schinken auch in neubestellbare Bücher macht, dann spricht dieser irgendwann immer davon, dass die wirklich guten Autoren sowieso nur einmal gedruckt und erst recht erst berühmt werden, wenn sie tot sind. Überhaupt ist der Buchmarkt ein Archipel, das wegen steigender Pegel aus nur noch zwei Inseln besteht, dem stationären und dem Internethandel. Der Internethandel ist fest in Amazonhand - es spielt keine Rolle, ob ZVAB, Abebooks oder Amazon, das ist alles der gleiche Mist - und der stationäre sind entweder die Liebhaber, die online nach China und Japan verhökern, wie mein zweiter Antiquar oder aber irgendwelche Buchketten, deren Mitarbeiter zwar die Klappentexte kennen aber vom Inhalt keine Ahnung haben.
Aber Fante, den kriegt man nicht. Es ist wohl ein bißchen so, wie eine Frau für Dino Rossi zu finden. Da kann man sich drum kümmern aber am Ende bleibt alles beim alten.
So suche ich weiter nach Arturo Bandini und werde mich so lang mit den Schwergewichten in meiner Liste begnügen.

Montag, 30. Mai 2011

Elternzeit

Geschafft. Heute hatte ich bei meinem Hauptarbeitgeber meinen letzten Arbeitstag für die nächsten zwei Monate. Es war ein Sch...job. Ich musste Briefmarken auf Tüten kleben und diese dann mit anderen Wischen in andere Tüten tun, ca. 312 Stück.
Jetzt gehe ich nur noch zum Seminar, lasse mich berieseln und vielleicht, ganz vielleicht scheint noch die Sonne, wenn ich fertig bin und dann genehmige ich mir noch ein schönes kühles Bier. Prost :)

Gruppenarbeit

Diese Form der Arbeit - ob nun innerhalb oder außerhalb des Seminars, sprich zu Hause - ist die wohl beschissenste Arbeitsteilung, wo gibt. Mit sich und den anderen kann man da nie zufrieden sein, denn man selbst möchte ja so wenig wie möglich machen und trotzdem am Ende gut aussehen.
Da ich in diesem Seminar eigentlich nur Statist bin, weder Punkte erarbeiten kann noch muss, ist es für mich nicht selbstverständlich, mich an einer solchen Gruppenarbeit zu beteiligen. Für einen meiner Lieblingsdozenten mache ich das aber. Ist auch nicht weiter schwierig. Wir sind zu fünft. Es gibt 4 Texte zu lesen, jeder liest alle, jeder macht zu einem eine kurze Zusammenfassung und ich gestalte das gemeinsame Handout und sorge für die Kopien für das Seminar.
Deadlines sind natürlich immer so eine Sache und egal wie locker oder strikt man das Ganze handhabt, es wird ja doch nicht eingehalten. Also dachte ich mir, egal. Wenn ich bis Sonntag Nacht 24.00 Uhr ( Montag ist die Präsentation ) die Notizen von allen habe, reicht das. Ich stehe ja sowieso gegen 4.00 Uhr auf, da kann ich mich auch morgens noch einmal hinsetzen und ein paar Formatierungen vornehmen. Wegen einer anderen Sache, sah ich gestern Abend bereits in meinem Postfach nach und stellte mit Wohlwollen fest, dass ich bereits zwei Mails bekommen hatte. Heute morgen dann hatte ich sogar drei von vier Mails vorliegen. Ein guter Schnitt, wie ich finde. Nur leider ist das zu wenig und das ist das Hauptproblem bei Gruppenarbeiten: Egal wieviel jeder Einzelne dafür tut, macht einer nicht mit, ist es nie vollständig.
So sitze ich also hier und schreibe neben der allerletzten Aufforderungsmail an die Mitreferentin einen paar Zeilen in meinen Blog. Die Zusammenfassung des letzten Textes von den vieren kann ich zur Not auch selber machen, ich habe sie ja alle 4 gelesen. Aber ein wirkliches Einsehen habe ich nicht.

Sonntag, 29. Mai 2011

Milchmädchenrechnung

Säuglinge sind anstrengend? Ich habe am Donnerstag Abend den Fehler begangen und mich auf eine Doppelkopfrunde eingelassen. Die erste Nacht seit langem, die ich 1. auswärts verbrachte und 2. ohne Anhang. Ich musste zwar am folgenden Tag gegen 8:30 Uhr aufstehen, aber mit genügend vernünftiger Planung kommen da durchaus mehr als 4 Stunden Schlaf heraus. 4 Stunden sind bei unserem Kleinen die magische Grenze, danach stellt sich der Hunger ein.
Das Kartenspiel war schön aber anstrengend. Als ich gegen 4:00 Uhr morgens ins Bett fiel, hatte ich noch eine halbe Stunde mehr Zeit zur Verfügung, als wenn ich zu Hause geblieben wäre, mit dem dortigen Vorteil, nach einer halben Stunde Wickeln, Stillen und ein wenig Herumtragen wieder einschlafen zu dürfen.
Mittlerweile habe ich das Schlafdefizit wieder ausgeglichen und stelle fest: ich würde es wieder tun. War also alles nicht schlimm.

Donnerstag, 26. Mai 2011

Die Konsumfalle

Ich musste heute morgen wieder einmal etwas aufheben und vertiefen. Ein ähnliches Problem wie Herr Trithemius mit seinen Blättchen hat, habe ich mit meinen nicht, es ist ein ganz anderes Problem. Eigentlich wäre es auch keins, wenn ich mich nicht wie jeder halbvernünftige Konsument im heiratsfähigen Alter hin und wieder fragen würde: Sag mal, brauchst du das jetzt wirklich? Dann siegt zum Mißvergnügen der Werbeindustrie meist meine vernünftige Seite und ich kaufe nicht.
Bei den neuen Kaugummis, "bla bla stimuliert deine Sinne", ist mir dies lange Zeit gelungen, bis ich dann doch zuschlagen musste. Und was war das Ende vom Lied? Ich kaufe sie nicht wieder, weil ich eigentlich gar keine Kaugummis mag ( bin eher so der Lutschtyp ) und weil diese Kaugummis nichts anderes sind als alle anderen Kaugummis auf der Welt auch. Nach einer Minute schmecken sie nicht mehr und im Gegensatz zur Pastille, die sich auflöst und mit schwindender Größe ihr Ende ankündigt, bleibt ein schlecht schmeckender Klumpen Gummi zurück, der irgendwo hingespuckt selbst nach Jahren noch auf dem Asphalt kleben kann.
Bei den Zigarettenblättchen kommt bezüglich "großer Ankündigung und nichts dahinter" gerade ein ähnlicher Trend auf. Es gibt drei neue Sorten von meiner Marke, die unterschiedliche Papierstärken durch kluges Design von einander unterscheidet ( drei unterschiedliche Farben, man könnte sich also auch gleich noch fragen: bin ich der eher der blaue oder der gelbe Typ? ) und auch sonst eine sehr edle Verpackung besitzen. Da ist zum Beispiel ein Magnetverschluss, der die Verpackung immer wieder zuschnappen lässt. Es sind außerdem auch doppelt soviel Blättchen drin, wie in der normalen Packung - alles gute Gründe für den unvernünftigen Konsumenten, sofort zuzuschlagen.
Ich schlug bisher nicht zu. Das Design erinnert mich zu sehr an das der Kaugummis und die Enttäuschung darüber ist noch nicht vergessen. Ich vermute aber ganz stark, dass es bald soweit ist und ich diese unselige Verpackung der Blättchen ausprobieren muss, schon des Magneten wegen. Wirklich innovativ fände ich es allerdings, wenn sich Zigarettenblättchenproduzent und Kaugummiexperte einmal zusammentäten und nicht nur in puncto Verpackung autrümpften, sondern vielleicht einmal ein Blättchen entwickelten, das beim Rauchen für einen guten Atem sorgt.

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