ist wie Sonntag nur ohne Samstag.
Die Frage stellt sich bei schönem Wetter ganz automatisch, wenn die Veranstaltungen in der Uni mit nichts besonderem aufwarten können. Es werden Referate gehört und darüber gesprochen. Das ist nichts besonderes. Die alternativen Beschäftigungen sind auch nicht besser. Da ruft noch eine Hausarbeit und Arbeit an anderer Stelle, die aufgrund der Feiertage vorher gemacht werden muss. Ich bin sozusagen alternativlos, Arbeit schreit.
Die Strandsaison ist eröffnet worden. Am Samstag konnte ich kurz vorfühlen, was das für mich heißt und fast verlernte Arbeitsabläufe eintrainieren. Dazu gehört das Stühle einräumen, die letzten Gäste durch unmißverständliche Kommentare vergraulen und immer ein Bier für den Heimweg parat zu haben.
Heute war ich als Gast da. Große Gruppe. Alles bekannte Gesichter. Wie zufällig schwenkt das Gespräch auf die Medizin über, ganz klar, wir haben Mediziner an Bord. Einen Anästhesisten. Das Problem der Anesthäsisten seit Menschengedenken ist, dass sie mit den Chirurgen nicht grün werden. Das sind Welten, die da aufeinander treffen. Jeder halbwegs gebildete Psychologiestudent wird von dem Anästhestisten-Chrirurgen-Problem gehört haben und als Hypochonder Sonderklasse sowieso. Ich bin alles. Hypochonder Sonderklasse und psychologisch mit Halbwissen ausgestattet, da ein guter Freund den Kram studierte und ich des öfteren Muße fand, seine Bücher zu studieren.
Auf jeden Fall geht es um eine Frau, die zu dick ist, um ihr an dafür vorgesehenen Stellen, den Blutdruck zu messen. Eine Bedingung für das Gelingen der anstehenden OP ist die Gewährleistung, dass die Patientin danach wieder aufwacht, dazu gehört eben ein Blutdruckmessresultat. Pech eben, die Patientin will, der Chirurg will sowieso und Morpheus hat das Nachsehen. Er ist nämlich dafür verantwortlich, dass die Patientin wieder erwacht, egal ob die Operation geglückt ist oder nicht. Die Krönung des Ganzen war aber der Grund für die OP. Die Dame benötigte ein neues Hüftgelenk.
Der Blutdruck wurde gemessen. In der stabilen Seitenlage waberte das Fett der Oberarme und Schultern derart um den Kopf der Frau herum und der verantwortliche Oberarzt ( mein Freund ist der Assistenzarzt auf der Anesthäsistenstelle ) machte ein Foto davon. Natürlich geschah dies nicht aus Sensationslust, sondern wegen eventueller Folgeschäden. Es könnte ja ein Ohr vom Blutkreislauf abgeklemmt worden sein und die Dame später reklamieren wollen.
Gott sei Dank bin ich Germanistikstudent. Gott sei Dank stellt mir niemand solche Fallen.
Heute saß ich völlig allein vor den Toren zur Mensa im Außenstuhlbereich. Die Mensa öffnete gerade. Die Sonne schien und da ich noch ein paar Texte vorzubereiten hatte, pflanzte ich mich auf eine der wenigen freien Bänke. Genauer gesagt, es war die letzte frei Bank.
Recht häufig, wenn wir in Gruppe zur Mensa gehen, halten wir es so, dass wir eine wenig beanspruchte Bank - wenn möglich nicht mehr als zwei Personen daran sitzend - allmählich für uns vereinnahmen. Durch laute Gespräche, Zigarettenrauch oder auch scheinbar unkontrollierbarem Zustrom an Leuten vergraulen wir dann systematisch die "Anderen". Heute wurde ich Zeuge dessen, als der zu Vergraulende, wie mir schnell klar wurde. Kein obligatorisches "Ist hier noch frei?" begleitete die stille Okkupation. Als ich vom Text aufschaute, war ich längst von drei BWL-Studenten "überrannt" worden, die laut erzählend um mich saßen und mit Essen, Rauchen und ständig am Tisch verweilenden Personen auf den von mir beanspruchten Platz anspielten. Natürlich kann ich mir so etwas nicht bieten lassen. Sozusagen als Miterfinder dieses Prinzips habe ich meine ureigene Methode, damit umzugehen.
Ich stand demonstrativ von meinem Platz auf, ohne meine Sachen aufzuheben, fragte die Platzbesetzer, ob sie noch eine Weile blieben und holte mir einen neuen Kaffee. Ich habe es tatsächlich länger dort ausgehalten als die drei.
Schlussendlich, bei der zweiten Gruppe von Okkupatoren, habe ich dann das Feld geräumt. Es wurde einfach unerträglich heiß in der Sonne...
Ich kann eines ganz besonders nicht leiden: Präsenzbibliotheken. Man möchte gern ein Buch studieren und die einzige Möglichkeit dies zu tun, ist, in einem muffigen Kellergewölbe hinter Schreibtischen zu hocken. Neben dir sitzen andere Leute, tippen auf Tastaturen ein, atmen laut und ständig laufen andere Verfolgte an dir vorbei, auf der Suche nach einem Buch. Das ist hinlänglich bekannt. Das ist so bekannt, dass es zwei Kopierer bedarf, um den immensen Andrang zu befriedigen, Kopien zu ziehen und sich ganz schnell zu verpissen. Ich habe keine Kopierkarte. Ich benutze immer den fürs Bargeld. Ein Münzeinwurf steht direkt neben dem Gerät und nimmt jede zweite Münze an. Ich hatte nur 1,70 Euro bei mir und musste schon fürs Kopierendürfen jede Menge Nervenstärke aufbringen. Münze reiben, scheiße, durchgefallen, Münze nochmal reiben, ok, 4 Kopien sind drin. Scheiße, ich brauche noch ne Münze. Das Spiel geht so lang, bis die Münzen alle sind. Vom Buch bleibt noch zuviel Text für das bißchen Klimpergeld. Ich gehe meiner Wege, lese ja doch nicht mehr genug davon am heutigen Tag. Dafür kann ich aber bis 22.00 Uhr unter der Woche und sogar am Samstag zum Kopieren kommen, toll.
Es gab heute Bratwurstschnecken in der Mensa. Zu später Stunde, gegen 15.00 Uhr erst, fanden wir uns zu zweit dort ein und mussten darüber nachdenken, welche Zustandsformen warm gehaltenes Mittagessen einnehmen kann. Offensichtlich war der Frischegrad bereits überschritten, denn sowohl die Pelle als auch das Innerste ließen sich nicht so leicht davon überzeugen, den Spieß in der Mitte freizugeben. Der war aus Holz und somit definitiv in einem Stadium angelangt, der den Verzehr nicht gestattet. Das Prozedere führte zu unschönen Spritzern und der Frage, ob findige Ökotrophologen dafür eine Skala hätten, nach der die Speisen klassifiziert werden.
Im Büro sitzen ist ja schon schlimm genug. Wenn unten auf der Straße aber auch noch ohrenbetäubender Lärm herrscht, kann das die Stimmung noch tiefer drücken.
Da sitzt ein Hund auf der Straße und bellt, seine Leine liegt lose auf dem breiten Fußweg. Das Bellen wird nur unterbrochen, wenn ein Krankenwagen vorüberfährt. Dann wird geheult. Wahrscheinlich ist er einer alten Oma entlaufen. Eine Kollegin sagte, das wäre ein typischer Omahund. Vielleicht hat die alte Frau ihr Hörgerät verlegt und kann das Bellen gar nicht hören. Sie steht vielleicht nur eine Ecke weiter und ruft nach ihrem Hasso oder Fiffi. Wenn sie auch noch kurzsichtig ist, steht sie vielleicht auf der anderen Straßenseite und ruft nach ihrem Schätzchen. Nein, das könnte ich auch hören. Dann wäre ich runtergelaufen und hätte die beiden wieder zusammengeführt. Wir hören also weiter dem Bellen zu.
Nach der Raucherpause ist der Hund angeleint worden. Passenderweise an einer Regenrinne vor dem Eingang einer Bank. Entweder ist das böse Frauchen gerade dabei, ihre Rente aufs Spiel zu setzen oder aber ein Passant hat sich erbarmt und wollte verhindern, dass der Kläffer wild um sich beißt. Den Hund jedenfalls stört das nicht. Er bellt und bellt und bellt und manchmal jault er auch.
Jetzt ist noch etwas passiert: Ein Mann kam aus der Bank, lief drei Schritte mit dem Hund und hat ihn dann wieder angeleint.
Banker: Ist das ihr Hund da draußen?
Kunde: Ja, der bellt nur, der beißt nicht.
Banker: Sollen wir ein andernmal weiter machen?
Kunde: Nein. Heute habe ich mir extra Zeit dafür genommen.
Seit gestern weiß ich, dass Anthropopophagie der lateinische Fachbegriff für Kannibalismus ist.
Das Drama gibt es in mehreren Übersetzungen, wobei nur wenige davon nicht sperrig sind. Diejenige, die ich gelesen habe, war nicht sperrig. Sie war von Durs Grünbein und ist direkt fürs Theater geschrieben worden. Man sagt Seneca ja immer wieder mal nach, dass seine Dramen reine Lesedramen waren.
Wir haben das Drame im Rahmen eines Seminars behandelt und wie so oft, kam ich auf ganz andere Fragen, die mir wichtig erschienen, als das im Seminar der Fall war. Das liegt wahrscheinlich auch auf dem Fokus, den wir innerhalb der Veranstaltung auf die "Ästhetik des Schrecklichen" legen, anstatt uns mit kleinteiliger Interpretationswut auf jedes Detail zu stürzen. Aber interessant fand ich es schon:
1. Warum heißt das Drama Thyestes? Es geht um Sagenstoff. Bereits Homer berichtete davon. Der Clou jedoch ist, dass nicht Thyestes der Hauptakteur ist, sondern sein Bruder Atreus, der in der Heimkehr seines Bruders Verrat vermutet und deshalb beschließt, ihn vollständig zu vernichten. Natürlich auf subtilere Art, denn durch direkt an ihm verübte Gewalt. Er tötet Thyestes Söhne und serviert sie ihm als Mahl. Das Drama heißt aber Thyestes nach der Leidensfigur und nicht nach dem Bösewicht. Konvention?
2. Wieso hat der dritte Sohn keinen Namen? Wenn der erste nicht Tantalus geheißen hätte - die Ähnlichkeit mit dem Namen des Urahns der Sippe ist ja auch heute keine Seltenheit. Als unbedarfter Leser fiel mir das allerdings auf, weil Tantalus Geist im ersten Akt spricht und mir nicht klar war, dass es sich um zwei verschiedene Personen handelte. Das brachte mich dazu, die Lektüre zu unterbrechen und in der griechischen Mythologie neu einzusteigen, um mir klar zu machen, wer wer ist und warum alle so handeln, wie es hier geschildert wird. Das brachte aber keine neuen Erkenntnisse in Bezug auf den Namen des dritten Kindes. Es gibt sogar Stimmen, die sagen, das dritte Kind sei nur eine Allegorie der ersten beiden und gar nicht wirklich vorhanden gewesen.
Ein Fremdwort. Vom lateinischen disciplina entlehnt bedeutet es soviel wie Lehre, Zucht oder Schule. Ich habe davon stets zu wenig. An Motivation mangelt es nicht, selbst für die sinnlosesten Aufgaben - gerade da habe ich meine Stärken. Aber etwas Begonnenes auch zu Ende zu bringen, das liegt mir nicht. Aber liegt das an der fehlenden Disziplin? Vielleicht. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass ich nicht mehr daran herumfeilen kann, wenn etwas fertig ist. Kein Verlieren mehr in Einzelheiten, in neue Recherchen, um-, zurück- und vorblättern. So werde ich wohl nie fertig - glücklicherweise.