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Freitag, 16. November 2012

Die Rückseite des Weltenbretts

Auf 4a lag ein abgetrennter Frauenkopf, dem bereits das Gesicht abbröckelte wie Putz von der Wand, nur das blonde Haarteil war immer noch perfekt drapiert, Haarfestiger vielleicht. Ich ging kleine Bögen, fast kreisförmig folgte ich dem rechteckigen Treppenhaus hinauf, dessen Mitte von einem Fahrstuhl gefüllt war, der hinter einer Fassade aus rot gestrichenem Beton nach unten brummte. Ich fuhr selten mit ihm. Von der Kantine im ersten Stock sind es nur zwei Etagen bis zur Requisite. Zwischenstopp. Und von dort aus sind es nur noch zwei Etagen bis zur Bühne.

Die Aufregung nahm mit jeder erklommenen Stufe zu. Kloß im Hals. Ein Ritter in voller Montur kam mir entgegen und löste gar nichts aus. Ich konnte nicht einmal grüßen, ich guckte nur blöde. Als ich die Tür zum Vorraum öffnete war dahinter gerade der Maskenbildner zu Gange. Er räumte einen Tisch beiseite und verließ kurz darauf den Bereich hinter der Bühne. Ich war allein. Eine kleine Ecke verstellt den Blick auf die Tür zur Bühne und auf den großen Requisitentisch, der links im kurzen Flur zum Bühnenaufgang abgestellt war. Ich ging darauf zu, vollführte die Drehung um die Ecke, ging noch einen Schritt und stand vor der ersten von zwei geschlossenen Türen, die den Vorraum von der Bühne abtrennen. Auf dem Requisitentisch stand ein Monitor, der das Geschehen auf der Bühne in Wort und Bild wiedergab. Von schräg unten hörte ich das dumpfe Dröhnen des Konzerts, das auf der Hauptbühne gerade in die Zugabe ging. Hier oben, direkt vor dem Monitor verblassten die Geräusche wieder, sobald ich mich dem Geschehen auf dem Bildschirm widmete. Meine Hände waren schweißnass. Gleich sollte es soweit sein. Vielleicht noch 5 Minuten.

Unschlüssig stand ich herum, kein Mensch war da. Ich öffnete vorsichtig die erste Tür, stellte mich zwischen beide Räume. Ich vernahm das Geschehen auf der Bühne nun in doppelter Ausfertigung. Das Original kam von rechts und der Durchschlag dröhnte vor mir aus dem Monitor, der weniger als einen Meter neben der Tür stand. Plötzlich setzte Spektakel auf der Bühne ein, ich erschrak heftig. Der Lautstärkepegel war für einen kurzen Moment enorm angeschwollen. Dopplereffekt, Interferenz hallten in meinem Bewusstsein nach. Ich schloss die Tür ebenso vorsichtig, wie ich sie geöffnet hatte. Vor dem Bildschirm lag eine Fernbedienung, ich regelte die Lautstärke herunter und begann, die Tür erneut zu öffnen. Ein feuchter Film lag bereits auf den Händen, ich wischte ihn am Ärmel ab. Als Kind hatte ich einmal einen Splitter im Zeigefinger, genau auf der Kuppe. Meine Mutter versuchte ihn mit einer Nadel zu entfernen und ängstlich beobachtete ich sie dabei. Sie hatte meinen Finger noch nicht mit der Nadel berührt, als ich bemerkte wie sich kleine Tropfen auf meiner Haut bildeten. Meine Mutter sah dies auch und staunte über meine Darbietung. Das kann ich heute noch.

Mit der schmierigen Hand strich ich mir eine Strähne aus dem Gesicht, klebte sie regelrecht hinter mein rechtes Ohr und fühlte dabei den Hammerschlag hinter der Schläfe. Ich brauchte keinen Haarfestiger. Noch 2 Minuten etwa, dann würde es losgehen. Die zuerst geöffnete Tür, sollte sie ganz geöffnet sein? Oder nur angelehnt? War der kleine dunkle Vorraum zur Bühne überhaupt groß genug, um alle aufzunehmen? Sah man nicht vielleicht das Licht der hellgrün getönten Neonröhren bereits durch die Türritzen auf die Bühne scheinen? Erschrocken ging ich in den großen Vorraum zurück und besah mir die Bühne aus der Kameraperspektive. Da war kein Lichtschein links unten. Gut. Ich ging zurück und bemerkte das Klebeband an den unteren Rändern der Tür. Noch eine Minute vielleicht.

Dem Treiben auf der Bühne konnte ich nicht folgen, musste ich glücklicherweise auch nicht. Mein Signal war der einsetzende Applaus. Ich stand herum, die Arme vor der Brust verschränkt, die Hände in klammen Ärmeln vergraben. Mein Schnaufen, ist das zu laut? Mein linkes Knie knackte mit ohrenbetäubendem Lärm. Plötzlich Stille auf der Bühne. Die ich unterbrochen hatte? Sie verflog mit der nächsten, vielleicht letzten Sentenz vor meinem Einsatz. Kein Applaus, Gelächter. Ein nächster Satz, noch einer. Musik, wieder Gelächter, Stimmengewirr. Und dann endlich: Applaus. Ich riss die zweite Tür, die seitlich auf die Bühne führt, auf, verlangsamte noch beim ersten Lichtschein, der von der Bühne auf mich fiel, meine Bewegung. Zu früh. Ich kibitzte durch den Spalt. Dann endlich hörte ich das Getrappel der Schauspieler. In großem Bogen öffnete ich die Tür, trat selber dahinter zurück in den Schatten und die Darsteller liefen an mir vorbei in den Vorraum. Sie sortierten sich in verabredeter Reihenfolge und trabten erneut auf die Bühne. Der Applaus ebbte nicht ab. Sie kamen zurück, tauschten wiederum die Positionen untereinander. „Toller Service!“, rief mir eine Schauspielerin lächelnd zu, ich lächelte zurück, sagte nichts. Was sollte ich auch sagen, mein Job war es, die Tür aufzuhalten.

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Zuletzt aktualisiert: 22. Mär, 21:06

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