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Bei den Leisen Tönen. Manchmal braucht es einen Blog, um sich Luft zum Denken zu verschaffen. Keine Steckenpferde, Hobbies oder sonstiges Spezielles, nur Luft zum Denken.

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Gedankeninseln

Montag, 21. Januar 2013

Ungekaufte Brote überall

Ich hätte gern einfach mal wieder ein bißchen Zeit, um was in mein Blog zu schreiben. Leider verhält es sich gerade so wie mit dem Schneetreiben da draußen: da denkt man für einen kurzen Moment, jetzt lässt es sich losgehen, aber sobald die Klamottenburg am Leibe sitzt und das Treppenhaus bezwungen wurde, weht einem körniges Eis in die Augen und Brauen.

Und wehe, es muss nach draußen gegangen werden, einen unvermeidbaren Weg erledigen. Da wird aufgeschoben, Zeit verplempert und lieber die ganze Wohnung mit dem Staubsauger von kleinem Split befreit, der sich unter den Schuhsohlen sammelt, als vor die Tür gegangen. Mit dem Schreiben ist es genauso. Lieber wird noch ein wenig gelesen, dort einmal reingeschaut und noch ein wenig Zeit verdaddelt und das dringend Wichtige bleibt liegen, wie der Schnee zur Nacht.

Jetzt ist es Abend und die letzte Gehwegräumung ist seit Stunden erledigt. Mich zwingt ein vergessenes Brot – es liegt noch ungekauft beim Bäcker – nach draußen, wie mich eine Vorbereitung auf ein Referat für morgen früh an den Rechner ruft. Und mir fällt nichts weiter ein, als diesem völlig nutzlosen Zeitvertreib nachzugehen. Ich sollte mich was schämen!

Mittwoch, 9. Januar 2013

Regendialektik

Ham'Se die letzten Tage schon mal rausjekuckt? Nee? Nich' schlimm, ham'Se nix verpasst. Die Sonne hängt in Höhe einer Kindergarderobe und wenn'Se ihr Jemüt dranhängen, wird‘s nur schmutzig, weil‘s über nassen Boden schleift. Da könn'S'es och gleich uffen Boden schmeißen.

Steh'n'Se bloß nich' so lange draußen rum, sonst kriejen'Se noch 'nen Moosbesatz an Ihrer Wetterflanke. Und sollte es bei'Se nich regnen, dann hau'n'Se bloß ab nach draußen und kucken hier nich' uff die windschiefen Zeilen!

Dienstag, 20. November 2012

Gutenmorgengruß

Seit ein paar Tagen begegnet mir auf dem Weg nach Hause immer dieselbe alte Dame. Morgens gegen 8:00 Uhr verlasse ich mit meinem Sohn das Haus, er sitzt im Kinderwagen und erklärt mir, was er so alles sieht, und wenn wir dann die Kita erreicht haben, steigt er aus, er klingelt an der Eingangstür und wird dann von mir verabschiedet. Auf dem Rückweg – es kommt darauf an, wie zeitig vorher alles abgelaufen ist – treffe ich sie. Sie trägt eine grauhaarige, struppige Dauerwelle, ihr Gesicht ist von kleinen roten Äderchen gezeichnet und darin liegen, weit hinten, zwei klitzekleine, spitze, wache Augen. Ein dicker beigefarbener Mantel reicht ihr bis über die Beine, die nicht mehr stark genug sind, sie von allein zu halten, sie schiebt eine Gehhilfe vor sich her und unablässig schüttelt sie ihren Kopf.

Manchmal, wenn ich sehr spät aus der Kita komme, sehen wir uns vorn an der Limmerstraße, dort wo der Edeka bereits seine Tore geöffnet hat. Am Anfang dachte ich, sie wohnt in dem Altenheim, das direkt über dem Geschäft liegt. Aber wenn ich sehr früh aus der Kita komme, dann begegnen wir uns bereits an der Grundschule am Pfarrlandplatz, dort wo zu dieser Zeit gerade die letzten Eltern ihre kleinen Wunder in die Schule bringen. Dann wackelt sie resolut mit ihrem Gefährt durch die schmalen Gassen der parkenden Autos, umschifft Pfützen, schwatzende Eltern und Seitenspiegel. Aber es ist egal, wo wir uns treffen. Immer grüßt sie mich freundlich, als ob wir uns seit Jahren kennen.

Natürlich kenne ich sie. Ich kannte sie schon immer. Ob sie nun Frau Lampe hieß und die Mutter des mittlerweile selbst in die Jahre gekommenen Nachbarn meiner Eltern war und dort oben in der zweiten Etage des Reihenhauses mit Minka, ihrer Katze, lebte. Oder ob es Frau Kober war, die gegenüber von unserem Garten ihren Garten hatte, in dem ein herrlich großer Aprikosenbaum steht. Oder die alte Frau Obenauf, die so kurz nach der Wende als fast einzige in der Straße ein Telefon besaß, von dem aus ich einmal den Notarzt rufen musste. Oder die Eltern von Nachbarskindern, mit denen ich spielte. Immer grüßten sie. Bis ich irgendwann zuerst grüßte. Bis ich alt genug war, diesem Ritual etwas abzugewinnen und für mich beschloss, dass es ein Privileg der Jugend ist, zuerst grüßen zu dürfen. Nie wäre mir der Gedanke gekommen, grüßen zu müssen. Ich handelte und handele in dieser Sache immer als freier Mensch, der sich aussucht, wen er grüßt und wen nicht, und der eben immer zuerst grüßt, weil er jünger und schneller ist.

In unserer Straße wohnte auch eine Familie, die eine Tochter hatte. Ich kann mich nicht mehr an den Familiennamen erinnern aber in der Auffahrt stand später immer ein großer beigefarbener Opel Vectra. Ein Birnbaum musste diesem Gefährt weichen. Steffi war ein Jahr älter als ich. Einmal klingelten wir, die Kinder vom Dahlienweg, bei ihr, um sie zum Spielen in unserer Straße abzuholen. Sie durfte aber nicht raus. Seitdem habe ich ihren Vater nicht mehr gegrüßt. Immer wenn er an mir vorüber ging, was allerdings auch selten genug vorkam, weil dieser Bereich der Straße abseits unseres kleinen Zentrums lag, schaute ich ihn kurz an und ging dann grußlos an ihm vorbei. Das war meine Strafe für ihn, weil Steffi an diesem Tag nicht mit uns spielen durfte.

Als ich längst nicht mehr in Magdeburg wohnte, traf ich ihn irgendwann erneut und machte meinen Frieden mit ihm. Ich grüßte ihn wieder. Er wird das nicht verstanden haben, damals wie heute, er wird sich daran wahrscheinlich gar nicht erinnern. Wie er mich leicht konsterniert angesehen hatte, als sich unsere Wege grußlos kreuzten. Es ist auch das einzige Mal, an das ich mich erinnern kann, wo ich - heute würde ich sagen, aus einer Laune heraus – mir, der Entscheidung zu grüßen, absolut sicher war und trotzdem nicht gegrüßt hatte. Die Illusion, mit dem Gruß frei gewesen zu sein, hält sich noch immer.

In meinem jetzigen Wohnhaus leben außer unserem Jungen noch zwei weitere Kinder, die ich ebenfalls grüße, zuerst versteht sich. Sie schauen ähnlich konsterniert, wenn ich Hallo sage, wie der Vater damals, aber sie grüßen mich immer regelmäßiger zurück. Neulich haben sie sogar zuerst gegrüßt, als wir uns auf der Straße begegneten. Da war ich der Verwirrte, weil ich die beiden Kiddies gar nicht auf dem Schirm hatte, meine Gedanken waren woanders. Und als mich die alte Dame zum ersten Mal gegrüßt hatte, war ich in einer ähnlichen Stimmung. Ich war so perplex, dass ich darüber beinah nichts erwidert hätte. Ob sie das wahrgenommen hatte, weiß ich nicht, ich holte das schnell nach und grüßte hastig und leise in ihren Rücken. Ertappt hatten sie mich. Sie, die Kinder aus der Nachbarschaft und auch die alte Dame auf ihrer allmorgendlichen Mission.

Heute sah ich die Alte bereits von weitem. Unsere Wege sollten sich an besagter Grundschule kreuzen und sobald sie in Hörweite an mich heran gerollt war, hob ich zum Gruße an. Einen Guten Morgen wünschte ich ihr und war irgendwie stolz darauf. Sie grüßte natürlich zurück, verzog aber sonst keine Miene. Kein noch so kleiner Anflug von Ironie umspielte ihre Lippen, kein Aufblitzen in ihren kleinen schwarzen Augen ließ erkennen, dass sie nun erreicht hatte, was sie wollte. All das eben Geschriebene lief in einem farbigen Bilderbogen vor meinem geistigen Auge ab. Ich fühlte mich plötzlich so jung, wie schon lange nicht mehr. Ich wäre am liebsten links abgebogen und hätte meinen Ranzen schlenkernd, laut krakelend in die Schule rennen wollen, um eine lange Reihe kleiner f’s in mein Heft zu schreiben.

Samstag, 10. November 2012

Hat sich erledigt

Ich hätte auch hinter einem Regal in zweiter Reihe stehen können, oder gerade beim Suchen nach Speisestärke in Gang drei, als die Kassiererin eingangs des Ladens an der Kasse plötzlich in ihr Mikro schreit: „Wir brauchen ganz dringend einen Notarzt!Ausrufezeichen!“

Die verunglückte Frau ist weißhaarig, dick und trägt ihre Krücken im vor ihr platzierten Einkaufswagen mit. Zwei Leute sind sofort zur Stelle aber die Frau kann nicht aufstehen. Die Kassiererin, die ganz dringend einen Notarzt bestellt hat, kassiert nicht mehr. Sie dreht sich nach allen Seiten um, ob nicht vielleicht ein Arzt im Geschäft herumstreunt und gleich seinen Kittel aus dem Koffer holt, das Stethoskop unter dem Pullover hervorzieht und mit routiniert modulierter Stimme um kaltes Wasser und Platz zum Arbeiten bittet.

Es kommt aber kein Arzt. Die Frau ist mit Hilfe einer weiteren Person und unter Aufbietung ihrer ganzen Kraft wieder zum Stehen gekommen. Den Schrei, den sie dabei ausgestoßen hat, hätte ich wahrscheinlich in Reihe drei ganz hinten gehört, dort wo die Milch steht und die Butter. Ohne Zweifel hätte ich dort auch den Ausruf der Kassiererin gehört, wie sie mit abfallender Stimme ins Mikro ruft: „Hat sich erledigt!“ Gut, dass ich vorn an der Kasse stehe und mit eigenen Augen sehen kann, dass es der Frau gut geht. Manchmal ist es ja doch schön, wenn sich etwas erledigt.

Montag, 5. November 2012

Tatütata mit Schleife

Leider war ich heute Morgen auf der "falschen" Straßenseite unterwegs, denn mir bot sich ein wirklich grotesker Anblick. Eigentlich bot sich mir dieser Anblick gerade deswegen, weil ich auf der falschen Straßenseite unterwegs war, weshalb ich mich durchaus fragen könnte, was denn nun eigentlich zuerst da war. Und drehte sich diese Episode nicht so herrlich um sich selbst, wäre sie auch keine Erwähnung wert gewesen, aber ich sollte nun wirklich davon anfangen, sonst ist nachher alles schon verraten, bevor ich überhaupt dazu kommen konnte, sie zu erzählen.

Ich ging also heute Morgen gegen kurz vor 8 aus dem Haus und mir bot sich ein völlig normales Bild. Mein Sohn, dessentwegen ich überhaupt das Haus verließ – er wurde von mir zur Kita chauffiert – sang ein mit der allseits bekannten Melodie unterlegtes, lautes „Tatütata“ und ich, in Erwartung einer Sirene, spitze die Ohren. Die Augen hätte ich richten sollen, denn sein Ton galt einem stummen Martinshorn, einem ausgeschalteten Blaulicht auf dem Dach eines T4 auf der gegenüberliegenden Straßenseite.

Das Polizeiauto stand direkt in der Ausfahrt einer Kreuzung, versperrte sowohl den abgesenkten Bordstein des Fußweges als auch die Einmündung der Straße. Mit dem Kinderwagen, wäre ich auf dieser Straßenseite unterwegs gewesen, hätte ich einen großen Umweg in Kauf nehmen müssen, um daran vorbei zu manövrieren. Da ich aber auf der „richtigen“ Straßenseite ging, war alles kein Problem. Schaulustig besah ich mir also das Treiben der beiden Beamten. Eine Polizistin saß mit einem Gerät bewaffnet auf dem Beifahrersitz und tippte darauf herum, während ihr Kollege in der offenen Tür stand und seine Hand bereithielt. Sogleich entsprang dem Gerät ein Zettel, dieser, vom Polizisten abgerissen, wanderte von der Hand getragen zur gegenüberliegenden Einmündung der eben beschriebenen Straße und wurde dort an einem roten Fahrzeug befestigt.

Das rote Fahrzeug nämlich, parkte so dicht an der Kreuzung, dass sowohl die Einfahrt in die Kreuzungseinmündung für andere Autos als auch die Benutzung des abgesenkten Bordsteins für Fußgänger maßgeblich erschwert wurde. Ich habe mich nicht getraut, einen Zettel aus meinem Notizbuch zu reißen und den beiden Polizisten ans Auto zu heften, weil sie die Straße und den Fußweg versperrten. Ob sie es mit Humor genommen hätten, das habe ich mich trotzdem gefragt.

Montag, 22. Oktober 2012

Wein und kalter Kaffee

Das Wochenende ist umgebracht. Es folgt, wie meistens, ein Montag, der mit sinnloser Hetze beginnt, in Kaffee mündet und dem ersten, richtigen Einschalten des Computers seit Freitag. Kaffee. Folgt man der etymologischen Spur dieses Gemütserregers, so endet man beim arab. qahwa, das laut Wörterbuch sowohl für Wein als auch für Kaffee stehen konnte. Daneben steht das türk. kahve wohl ebenfalls Pate, denn die venezianischen Kaufleute brachten den Kaffee nach Italien im 16. und 17. Jh. Schaut man dem Wein auf seine etymologischen Wurzeln, so erreicht man, nachdem das lat. vinum abgehakt wurde, den Pontus, bzw. Südkaukasus als Heimat der Weinkultur. Es gibt also einen Hinweis vom Kaffee zum Wein aber nicht umgekehrt. Dass es überhaupt einen Hinweis auf Wein gibt, wenn man Kaffee im etymologischen Wörterbuch nachschlägt, ist für sich genommen ja schon erstaunlich genug. Folgt man aber genau dieser Spur, stellt man nach geraumer Zeit der Recherche fest, dass sich bis auf wenige Gemeinsamkeiten kaum Hinweise finden lassen, die einen brauchbaren Zusammenhang zwischen beiden Getränken herstellen.

Vielleicht war die Erwähnung des Weines im Kaffeeartikel des etymologischen Wörterbuches ja nur Zufall? Vielleicht war es aber auch ein Überbleibsel aus längst vergessenen Tagen, als der Wein und auch der Kaffee noch als Begrüßungsgetränk gereicht wurde. Hinweise dafür ließen sich sogar finden. 1864 hieß es in einer Zeitschrift dazu: „Kaum 150 Jahre hatten ausgereicht, den Kaffee im ganzen Orient einzubürgern. Sogar Indien wurde schon sehr frühzeitig mit demselben bekannt. Bereits 1642 brachten die Holländer 83,540 Pfd. dorthin. Und noch heute steht dieses Getränk in der ganzen orientalischen Welt in hohem Ansehen. Es ist wie bei uns der Wein das Ehrengetränk, mit welchem man den Gast zu jeder Tageszeit bewirthet. Überhaupt vertritt der Kaffee bei den Muselmännern die Stelle des Weines, dessen Genuß der Koran aus ähnlichen Rücksichten verbietet wie Moses seinen Juden das Essen des Schweinefleisches…“

Über meine Recherche ist der Kaffee kalt geworden. Ich werde nicht darum herumkommen, ihn noch einmal aufzuwärmen. Diesmal lasse ich mich aber nicht vom kalten Kaffee der Etymologie ablenken und komme besser gleich zur Sache.

Montag, 1. Oktober 2012

Ei?

Frühstücksei. Das ist ein Wort, das kann mein Sohn noch nicht sagen. Er verlässt sich darauf, dass wir die letzte Silbe verstehen und ihm zu gegebener Zeit ein solches präsentieren. Die Zeit, zu der das passiert, ist immer sonntags. Und sobald wir beide vom Bäcker kommen und die Küche betreten haben, in der gerade ein Ei von meiner Frau abgepellt wird, ertönt der Ruf eines furchtbar seltsamen Vogels. Es klingt ein wenig nach den Möwen aus „Findet Nemo“, die stets und ständig „meins?“ rufen. Nur sein Ruf ist noch kürzer und bezieht sich direkt auf das dampfende weiße Ding, was gerade von der Küchenarbeitsplatte zum Frühstückstisch wandert: „Ei? Ei? Ei?“, dabei wird heftig mit dem Finger gezeigt und am Kinderstuhl geruckelt. „Jetzt setz mich doch, verdammt nochmal, endlich in den Sitz und gib mir das Ding da rüber!“ Das wäre mein Übersetzungsvorschlag für die lautstarke und gestenreiche Darbietung.

Ich wäre wahrscheinlich nicht der Vater unseres Sohnes, wenn ich nicht wüsste, dass ich als kleiner Junge nicht anders gewesen bin. Ich vermute, es gibt für jedes Kind in einem bestimmten Alter eine bestimmte Köstlichkeit, die alles zuvor Gelernte vergessen lässt und unter Aufbietung allen Vokabulars, aller Gestik und Mimik, und alles total durcheinander, einen Wunsch – nein, einen Willen! – formulieren lässt, den Eltern offensichtlich trotz aller sonstigen Verständigungsprobleme eindeutig identifizieren können.

„Ei?“, das kennen auch meine Eltern noch. Ich war ein Frühstückseiliebhaber besonderer Art. Ich war zuerst kein Gourmet in Sachen Frühstücksei, ich verschlang sie alle. „Alle?“, ruft mein Sohn Fiete dann, wenn ich ihm verständlich gemacht habe, dass er sein Ei restlos verputzt hat. Und dann schaut er auf mein Frühstücksei, zeigt darauf und ruft wieder: „Ei? Ei? Ei?“ Gestern habe ich mein Ei hinter einer Phalanx aus Kaffeetasse, Zuckerstreuer und Marmeladenglas versteckt, mein antifietestischer Schutzwall, das stimmte Fiete etwas ratlos, brachte ihn aber immerhin dazu, noch etwas anderes zu essen, außer die Eier von allen anderen, die am Frühstückstisch saßen. Meins war außer Sicht und das meiner Frau ist sowieso bereits nach Verzehr von zwei Brötchenhälften passé.

Früher verschlang ich mein Ei auch deshalb, weil ich zwei Geschwister habe. Ich verschlang einfach alles in wahnsinniger Geschwindigkeit. Gab es einen Nachschlag, so war ich mit meinem ersten Teller bereits fertig, bevor meine Mutter allen anderen aufgetan hatte. Das ging mit den meisten Dingen so, bis heute. Viel und schnell. Nur beim Ei, da wandelte sich mein Verhalten irgendwann als kleines Kind.

Ich war bereits so alt, dass ich wusste, wie man einen Löffel bedient, ich konnte mir mein Brötchen selbst schmieren – Butter, Salz und Pfeffer, etwas anderes esse ich heute noch nicht zum Ei – und ich habe irgendwann begriffen, dass es nur eine ganz bestimmte Zeit des Eiüberflusses gibt, nämlich Ostern, und ich mich sonst mit nur einem Ei zufriedengeben muss. Als ich das begriffen hatte, wandelte sich mein Verhältnis zum Frühstücksei grundlegend. Ich aß plötzlich mit Bedacht. Ein klitzekleiner Löffel portionierte das Ei zu immer kleineren Happen, die parallel zum Biss vom Brötchen in die Luke geschoben wurden. Ich konnte so bis zu drei Brötchen, also 6 Hälften, mit nur einem Ei essen. Grundlegend hat sich mein Essverhalten demnach nicht geändert, was meinen Vater also weiterhin den Kopf schütteln ließ, nur mit dem Ei ging ich plötzlich anders um.

Wenn Fiete, unser Sohn, demnächst eine Schwester bekommt, und diese nach geraumer Zeit ein eigenes Ei zum Frühstück – also in ca. 2 Jahren wahrscheinlich – wird er sich sein Brötchen selbst schmieren können. Dann wird er einen Eierbecher bekommen, das gleiche Format übrigens, wie die Eierbecher, die meine Eltern früher besaßen und wir heute noch besitzen – ich schätze fast jeder Haushalt der DDR verfügte über diesen Eierbechertyp der „tausend kleinen Dinge“, ein Gockel aus Plaste, einfarbig gelb, rot, blau oder grün – und er wird sich sein ganz persönliches Ei einteilen können, wie er will, ich bin gespannt wie ein Flitzebogen.

Mittwoch, 26. September 2012

Das X mit der Schrift

Mit Verwunderung stellte Trithemius fest, dass er sich nicht erklären könne, wie ein Hemd in dieser Größe wohl aussähe: XXXXL. Das Hemd in seiner Größe kostete seinerzeit wesentlich mehr, als ein Hemd in dieser Größe kurz vor der Schließung des Geschäfts. Geschlossen ist es jetzt deshalb, weil renoviert wird. Neue Fenster, neue Oberlichter, wahrscheinlich auch ein völlig neues Innenleben wurde in dem Laden neben unserem Kaffeestübchen konzipiert und jetzt befindet sich eine Schreinerfirma in der Ausführung der Pläne.

XXXXL. Stünde jedes dieser iXe für einen Arbeitsschritt, so könnte man sich ein ungefähres Bild von einem Unterfangen wie dem Umbau eines Ladengeschäfts machen. Läse man den aktuellen Text von Trithemius, würde man sich bewusst machen können, welche Arbeitsschritte nötig waren und heute nötig sind, um einen Text „auf Papier“ zu bringen. Wir bringen aber heute kaum noch etwas zu Papier. Der Text entsteht an einem Computer, an dem eine Tastatur hängt, auf dem eine Standardtastatur abgedruckt ist, die es uns ermöglicht, in einheitlicher Schriftgröße vor uns hin zu tippen. Wir haben unser Arbeitsmittel vertauscht – manchmal. Wir haben dem Prozess des Schreibens viele kleine Prozesse beigefügt. Wo vorher eine Papiermühle, ein Bleistiftmacher vonnöten war, nebst Lehrer, der einem das Schreiben beibrachte, zuletzt einen Schreiber und eventuell einen Leser als Letzten in der Kette eines Prozesses, der nichts weiter wollte, als mitzuteilen, sind es heute viel mehr iXe, die dazu nötig sind, um nichts mehr als das Gleiche zu erreichen: mitzuteilen. Wir benötigen dazu weiterhin all diese Dinge, sollten wir, wie ich zum Beispiel, nach wie vor ein Notizbuch mit uns führen. Wir benötigen aber auch die Industrie zur Herstellung von Tastaturen, Prozessoren, Monitoren, Computermäusen und nicht zuletzt auch die Programmierer, die dafür sorgen, dass unsere Eingabe auch dem entspricht, was wir wollen: eine von Vielen lesbare Mitteilung.

Wir unterhielten uns aber nicht nur über die Mittel zur Ausführung des Schreibprozesses, sondern auch darüber, was mit uns dabei passiert. Früher benötigten wir dazu eine Kerze oder nicht, je nach Tagesfortschritt, einen Arm, eine funktionierende Hand und ein Auge, meistens zwei, und natürlich das ein oder andere Hirnareal, welches, angeregt durch unser Tun, Synapsen zum Arbeiten brachte. Natürlich könnte diese hohe Form der Konzentration auf einen so schlichten Vorgang wie dem Abfassen einer Nachricht ein Gut sein, dass wir in heutiger Zeit vermissen. Gerade weil es aber Leute gibt ( den hier zum Beispiel ), die das in aberwitzigen Studien, ganzen Buchreihen, ach was sage ich: ganzen Bibliotheken, zu beweisen versuchen, kommt der vernünftige Mensch nicht um die Frage herum: Ist das jetzt gut oder schlecht?

Nicht weniger Konzentration ist übrigens nötig, um als ungeübter oder geübter ( eigentlich ist das sogar völlig egal ) Tastenklimperer den Fortschritt des Textes sicherzustellen, seine Botschaft klar und unmissverständlich herauszuarbeiten, als es beim Schreiben von Hand nötig ist. Man denke nur, an die vielen Blicke, die es erfordert, Einheit zwischen Gedachtem und Geschriebenem herzustellen, eventuelle Rechtschreibfehler oder Tippfehler auszumerzen. Man bedenke nur die Komplexität der Bewegung einer Extremität beim handschriftlichen Abfassen und dem computergestützten Schreiben, bei dem womöglich zwei Arme zu steuern sind. Auch hier sind also ein paar iXe hinzugekommen, deren einzige messbaren Konstanten Hirnareale darstellen, die wir glauben komplett erforscht zu haben und die scheinbar in ihrer Aktivität leiden, wenn wir von dem Einen lassen und das Andere bevorzugen. Deshalb sind Computer per se schlecht und die Handschrift ein Gut, das es zu pflegen gilt.

Was also alle Schreibprozesse gemeinsam haben, ist das sinnlose oder sinnvolle – je nach Betrachter – Aufblähen eines oder mehrerer Vorgänge, die nur einem Zweck dienen: sich mitzuteilen. Ich sagte zu Trithemius, dass der Herr, der draußen an einem der Tische saß, ein XXXXL-Hemd trug, weil er über einen Körperumfang verfügte, in dem wir beide gleichzeitig Platz hätten. Doch nur weil ich die Größe kenne/vermute, heißt das noch lange nicht, dass seine iXe aus einer schlechtlaufenden Schilddrüse herrühren oder er nicht in jeder Jackentasche ein Arsenal aus Schokoriegeln mit sich führt. Und zu beurteilen, was daran gut oder schlecht ist, das maße ich mir schon gar nicht an.

Freitag, 7. September 2012

Von Leberwurst und Pilzen

Heute fragte mich eine Freundin, wann wir denn diesen Herbst einmal in die Pilze gingen. Für mich war da noch Zeit, vor allem etwas mehr Regen nötig, um die gewünschten Ergebnisse zu zeitigen. Sie jedoch berichtete von einer Freundin, die offensichtlich bereits im Juli Pilze sammeln war und auch ordentlich gefunden hatte. Nur essen kann sie die nicht. Pfifferlinge aus dem Supermarkt, ok. Champignons, kein Problem. Aber selbst gesammelte Waldpilze kommen ihr nicht auf den Teller. Und das liegt nicht daran, dass sie sich selbst nicht über den Weg traue, sondern, weil, naja, nee, das ist einfach eklig.

Mein Onkel war ja – oder ist, ich habe ihn schon lange nicht mehr gesprochen – leidenschaftlicher Angler. Nur Fisch essen, das wollte er nicht. Es ging, glaube ich, sogar so weit, dass er auch keinen gekauften Fisch aß. Er verschenkte den Fang oder setzte sie wieder in den Teich. Ich war nämlich auch einmal mit ihm angeln, da war ich noch keine 12 Jahre alt. Den Abend davor, spielte ich bis spät in die Nacht mit meiner Tante Monopoly und am nächsten Morgen konnte ich kaum aus den Augen gucken. Ich habe mir Fischköder als Erdbeerdrops andrehen lassen und die beiden „alten Herren“, mein Onkel und sein Kumpel, haben sich kaputt gelacht, wie ich angewidert das Gesicht verzog.

Heute hätte ich vielleicht ebenfalls ein Problem damit, ein von mir geschlachtetes Schwein zu essen. Früher fehlte mir die Abstraktion. Ich stand ruhig daneben, wie mein Vater ein Kaninchen an den Hinterläufen packte und solange schüttelte, bis es tot war. Blut tropfte auf den Estrich vor dem gartenseitigen Garagentor, wo die Kaninchenställe standen. Ich war hocherfreut, vom Nachbarn, einem entfernten Verwandten, eine Hasenpfote – eine echte! – geschenkt bekommen zu haben. Leider musste ich sie dann später entsorgen, weil sie komisch roch. Und Karnickel habe ich immer gern gegessen.

Allerdings konnte ich ab einem bestimmten Alter, ich glaube, es war so ungefähr zur gleichen Zeit, keine Leberwurst mehr essen. Ich bekam das Zeug einfach nicht hinunter. Diese grobe Masse mit ihren weißgrauen Flocken darin. Die ekelhafte Pelle, durch die das Messer schien, wenn es die Innenseite freikratzte. Ich hatte den Geschmack für Jahrzehnte in meinem Kopf gespeichert und musste mich dessen nur erinnern und dann konnte ich die Leberwurst schon schmecken. Ein Graus. Später das gleiche mit Rotwurst, dann Teewurst, dann nur noch Marmelade oder Butter und Salz. Im Gegensatz zum toten Kaninchen fehlte mir hier ein echter Bezug zum Tier. Diese reziproke Entwicklung hat sich in beidem wieder abgeschwächt. Ich esse Mortadella und Salami, Würstchen und andere Wurstprodukte, deren ehemaliges Leben ich nicht erkennen kann genauso wie ich Kaninchen oder Fisch esse. Ich gehe selber gern Pilze sammeln und esse sie dann auch gern. Ich habe mir sowohl Distanz als auch Nähe zum Lebensmittel bewahrt. Irgendwie seltsam.

Mittwoch, 5. September 2012

Die Eurohochzeit

Angelehnt an das alte Volkslied der Vogelhochzeit habe ich mir erlaubt, den Text neu auszurichten und mich den Eurostaaten zu widmen, mein besonderes Augenmerk lag dabei auf den Motiven der Ein-Euro-Münzen der Mitgliedstaaten.

Ich bin damit längst nicht fertig geworden, wollte nur ein paar Anregungen loswerden. Den Rest, liebe Leser:innen, wollte ich Ihnen überlassen. Wer sich das Lied vorher noch einmal zu Gemüte führen möchte, hier entlang und die Motive der Ein-Euro-Münzen gibt es hier. Los geht's:

Europa wollte Hochzeit machen, das ging leider nicht so gut
Fiderallala, Fiderallala, Fiderallalalala
Es fanden sich fast alle ein, doch verließ sie alsbald der Mut
Fiderallala, Fiderallala, Fiderallalalala

Der träge Bundesadler, er wird zum Dauertadler
Fiderallala, Fiderallala, Fiderallalalala

Die abgebrannte Eule nimmt Abschied mit Geheule
Fiderallala, Fiderallala, Fiderallalalala

Juan Carlos, das war ja klar, der flüchtet sich nach Afrika
Fiderallala, Fiderallala, Fiderallalalala

Dem Kreuze der Maltesen, dem blieben nur die Spesen
Fiderallala, Fiderallala, Fiderallalalala

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Zuletzt aktualisiert: 12. Mai, 14:30

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