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So muss Uni

Die Sitzung vom 20.06.2013 im Seminar „Zur sozialisatorischen und pädagogischen Bedeu-tung des Spiels“ widmete sich nicht der üblichen „Klassikerexegese“, sondern betrachtete stattdessen ein besonderes Phänomen der Schulbuchgestaltung. Schon zu Beginn der Sitzung wurde von H. K., der die Sitzung leitete, klargemacht, in welchem Zusam-menhang sein vorgestelltes Thema zum Kontext des Seminars gesehen werden sollte. Durch eine Seminararbeit zur Bebilderung von Schulbüchern, die er im Rahmen eines anderen Seminars anfertigt, kam ihm der Gedanke, dass Sportmetaphern in den Bebilderungen von Schulbüchern einen überproportional großen Stellenwert einnehmen. Um die pädagogische Bedeutung des Spiels – in seinem hier vorgestellten Fall des sportlichen Wettkampfs – herauszuarbeiten, hatte er für uns als Beispiel ein Deutschbuch der 5. Klasse aus dem Verlag Cornelsen aufbereitet und mehrere Abbildungen aus dem Themenkomplex „Arbeitstechniken“ zur Verfügung gestellt. Dieser Teilbereich der Arbeitstechniken widmete sich dem Thema „Hausaufgaben organisieren“. H. K. betonte, dass es ihm nicht schwer gefallen sei, einerseits Abbildungen generell und andererseits Abbildungen zu finden, die seine These vom übermäßigen Gebrauch von Metaphern des Sports unterstützen.

Problematisch erschien sowohl dem Plenum als auch dem Dozenten, dass Abbildungen in Schulbüchern dadurch nicht einer gewissen Verlogenheit entbehren, die sich – überspitzt formuliert – auf das gesamte System Schule übertragen ließen. In einem kurzen Exkurs seitens Herrn Wernet wurde dazu sinngemäß die Antrittsrede eines Schuldirektors zitiert, dem es oblag, eine Klasse von neu eingeschulten Kindern auf den Schulalltag vorzubereiten. In dieser Rede wurde – ebenfalls überspitzt formuliert – nicht gesagt, dass Kuscheltiere nur in der ersten Woche erlaubt seien, die Schülerinnen und Schüler vor allem das Stillsitzen und Nur-Reden-wenn-sie-gefragt-werden zu lernen haben, sondern, dass sie neue und alte Freunde um sich hätten, neue Herausforderungen auf sie warten würden, der Ernst des Lebens begänne und noch weitere unscharfe Formulierungen. Sowohl die Einführung in den neuen Lebensabschnitt Schule als auch die Bebilderung von Schulbüchern hätten demnach etwas „verlogenes, zweifelhaftes“, im Mindesten jedoch wären sie „wirklichkeitsfern“ zu nennen.

Ich weiche in den folgenden Darstellungen vom chronologischen Ablauf der Ereignisse ab, da sich die freie Interpretation der Abbildungen durch das Plenum während des Seminars nicht ohne eine gleichzeitige Darstellung der Bilder bewerkstelligen ließe. Daher beginne ich mit einer möglichst wertfreien Darstellung des Gesehenen und erst darauf folgen die markanten Punkte in der Diskussion. Die zur Abbildung gehörenden Formulierungen wer-den nur dann in einen Kontext gestellt, wenn es hinsichtlich der Evidenz der Interpretation notwendig erscheint.

Bildanalyse Bild 1

Bild 1 zeigt einen Jungen, der offensichtlich in den Vorbereitungen steckt, einen Start auf einer Kurzlaufstrecke vorzunehmen. Außer dem Jungen ist nur noch ein Startblock darge-stellt. Der Junge wendet dem Betrachter zwar sein Gesicht zu, der Blick jedoch ist nicht klar einer bestimmten Richtung zuzuordnen. Er befindet sich in der Hocke und steckt mit einem Bein bereits im Startblock, auf dem eine 1 abgedruckt ist.
Die abgebildete 1 auf dem Startblock bot sogleich eine Vielzahl an Interpretationsmöglich-keiten, die letztendlich jedoch alle auf eine Platzierung im Rennen hindeuteten. Hielte man sich nah am Text, so ließe die Abbildung den Schluss zu, dass eine gute Vorbereitung automatisch zu einer guten Platzierung führe. Eine gemäßigtere Interpretation dagegen gestand der 1 lediglich die Funktion einer Startposition zu, im Sinne von mehreren Startbahnen, die durchnummeriert werden und bei 1 beginnen. Die 1 (übertragen auf den schulischen Kontext) als Benotung zu sehen, konnte sich demgegenüber nicht durchsetzen. Grundsätzlich ist aber der fast alles dominierende Wettkampfgedanke festzuhalten, außerdem die Verhaltens- und Spielregeln, die zu beachten sind und die „Illusion“ eines guten Ergebnisses bei guter Vorbereitung. Auf der anderen Seite wurde mehrfach vom Plenum darauf hingewiesen, dass die Abbildung aufgrund ihrer fehlerbehafteten Darstellung geradezu dazu einlädt, missgedeutet zu werden. Dies äußerte sich einerseits bereits bei der abgebildeten 1, weil sich eine Startposition – sollte diese Deutung angenommen werden – auf der Bahn befindet und nicht auf dem Startblock, und andererseits der Startblock selbst nur „rudimentäre“ Merkmale eines solchen besaß: es gab nur die Möglichkeit, einen Fuß einzustellen, der normalerweise aus zwei Fußstützen bestehende Startblock war nicht vollständig dargestellt.

Der allgemeinen Dominanz des Wettkampfgedankens ließ sich dann noch entgegenhalten, dass der Junge in seinem Startblock nach hinten schaut, also noch nicht als im Start befindlich dargestellt wird. Er vergewissert sich der richtigen Einstellung des Startblockes, dies war allgemeiner Konsens in der Diskussion. Im Hinblick auf die Wortwahl im Text tritt der Wettkampfgedanke wiederum sehr in den Fokus. Die Formulierung „präzise Einstellen“ deutet auf die seitens der Verfasser gewünschte Sorgfalt der Hausaufgabenvorbereitungen hin. Die Formulierung „Hindernisse aus dem Weg räumen“ allerdings erzeugt kein vernünftiges Bild im Kopf des Betrachters, weil ein Läufer zwar durchaus seinen Startblock präzise einstellt, sich im Allgemeinen aber nicht darum zu kümmern hat, dass seine Laufstrecke frei von Hindernissen ist. Sowohl Text als auch Darstellung vermitteln daher den Eindruck, dass die Verfasser selbst nicht ausreichend vorbereitet gewesen waren, als sie den Vergleich der Hausaufgabenvorbereitung mit den Vorbereitungen auf einen Kurzstreckenlauf anstreng-ten.

Bildanalyse Bild 2

In diesem Bild wird eine Laufstrecke gezeigt. Diese wird durch ein Schild, auf dem „Start“ steht, in ihrem Anfang markiert, verläuft dann in Schlängellinien irgendwohin und ist mit unterschiedlich hohen Bücherstapeln belegt, auf denen jeweils „Portion 1“, „Portion 2“ usw. abgedruckt ist. Am Anfang der Strecke hockt ein Junge in der „üblichen“ Starterpose. Hier fehlt ein Startblock und außerdem ist der Junge nicht adäquat gekleidet: er trägt eine lange Hose und ein Shirt, ist aber nicht mit Schuhen, sondern lediglich mit Socken bekleidet.

Auch in dieser Darstellung kommt das Wettkampfmotiv zum Tragen, hier wird allerdings zusätzlich deutlich, dass der Läufer mit Anstrengungen konfrontiert wird, denen er scheinbar nicht ausweichen kann. Die Bücherstapel wurden vom Plenum überwiegend als Hürden gedeutet und deren unterschiedliche Höhe, als auch der Schriftzug „Portion“ deuteten darauf hin, dass die Bücherstapel als unterschiedlich einzuteilendes Arbeitspensum zu gelten haben. Der Schriftzug „Portion“ rief auch eine Assoziation mit Mahlzeiten bzw. dem Essen hervor, dem wurde aber nicht weiter nachgegangen. Die Bücherstapel wurden jedoch nicht nur als Hürden in einem Wettkampf interpretiert, sondern auch als Hindernisse allgemein, was im Schulkontext einen fragwürdigen Beigeschmack bekommt. Bücher als Hindernisse darzustellen kann nicht dazu beitragen, Schülerinnen und Schüler zum Lernen zu motivieren, die anfangs formulierte These der Verlogenheit und Wirklichkeitsferne bekommt hier neues Gewicht. Tatsächlich könnte man dem Gedanken verfallen, dass die hier gewählte Darstellung unfreiwillig ehrlicher war, als es sich die Verfasser gewünscht haben könnten.
Anstoß erregten auch die fehlenden Schuhe. Nach Meinung einiger aus dem Plenum sollte dies auf den Umstand hindeuten, dass es sich um eine Tätigkeit im häuslichen Rahmen handeln soll (Hausaufgaben). Von Herrn Wernet wurde diesbezüglich eingeworfen, dass es generell fraglich sei, wie sich die Schule in den privaten Rahmen von Schülerinnen und Schülern einmischt.

Bildanalyse Bild 3 und 4

Beide Illustrationen wurden aufgrund mangelnder Zeit nur kurz angerissen. Bild 3 zeigt ein leeres Zimmer und diente als Untergrund für die rechts davon abgebildeten Möbel, die schablonenartig im Zimmer angeordnet werden sollten, um eine „angenehme Arbeitsat-mosphäre“ zu schaffen. Bild 4 zeigt eine 24stündige Uhr, deren Verlauf die Tageszeit dar-stellen soll. Die Verfasser gaben hier drei Phasen vor, die jeweils mit einem Fragezeichen belegt sind und die Zeit darstellen sollen, die für Hausaufgaben genutzt werden soll.

Auffallend an beiden Abbildungen war der zuvor bereits erwähnte Eingriff in die Privatsphäre der Schülerinnen und Schüler. Nicht nur, dass hier vorgeschrieben wurde, wie das eigene Zimmer einzurichten sei, traf dabei auf Unverständnis. Mit keinem Wort ist zum Beispiel erwähnt worden, dass es sich dabei um ein Kinderzimmer handeln soll, vielmehr war durchgehend von einem Arbeitszimmer die Rede. Im Text dazu ging es demzufolge auch nicht um den Verbleib von Lieblings-CDs oder Comics, sondern um Arbeitsmaterialien und Schreibtischposition. Nicht geklärt wurde, wo sich die Comics denn befinden sollten.

Die Darstellung der 24stündigen Uhr sorgte grundsätzlich für Verwirrung, weil zuerst einmal nicht klar war, wie sie funktioniert. Als sich im Plenum ein Konsens dazu bildete, wurde nur noch festgestellt, dass es sich bei den einzuteilenden Zeiten für die Hausaufgaben um Bereiche des Nachmittags handelt, was nach dem Eingriff in die Gestaltung des „Arbeitsraumes“ vor allem einen Eingriff in die „freie“ Zeiteinteilung der Schülerinnen und Schüler darstellte.

Insgesamt waren alle Abbildungen in der Technik der Ausführung, in ihrer Aussagekraft und im Verhältnis zum Text mehr als fragwürdig. Es schien, so formulierte es Herr Wernet, als wären den Illustratoren zufällig ein paar Bilder untergekommen, die unbedingt in das Buch gepflanzt werden sollten. Anstatt durch unmissverständliche und wahrheitsgetreue Abbildungen einen Text zu illustrieren, sind hier uninspirierte Stempel aufgedrückt worden, die an den Verfassern des Schulbuches und ihren Absichten zweifeln lassen.

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Zuletzt aktualisiert: 22. Mär, 21:06

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