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Bei den Leisen Tönen. Manchmal braucht es einen Blog, um sich Luft zum Denken zu verschaffen. Keine Steckenpferde, Hobbies oder sonstiges Spezielles, nur Luft zum Denken.

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Notizen jenseits des Regals

Mir kamen so einige Gedanken in den letzten Tagen, von denen ich, glücklicherweise, nicht einmal die Hälfte behalten habe. Aufgeschrieben habe ich noch weniger, und das obwohl sich mein Notizbuch Nummer 2 gefährlich nah dem Ende neigt. Das neue Notizbuch liegt derweil in meinem Bücherregal. Da liegt so einiges. Zum Beispiel thront eine Tüte Eukalyptusbonbons etwas über Sichthöhe auf den Rücken von Rothmann und Ruff. Rothmann war eine jüngst gemachte Entdeckung und Ruff eine alte Empfehlung, die in Ermangelung besseren Lesestoffes tatsächlich einmal von mir angepackt wurde. Vor Poe, dessen 10-bändige Gesamtausgabe mit den Worten beginnt, dies könne keine Gesamtausgabe sein, da Poe als sich vom Schreiben Ernährender ein wahnsinniges Pensum an den Tag legte und überall veröffentlichte und niemand wisse, wo sich nicht vielleicht noch einer seiner Texte herumtreiben mag, steht eine Gießkanne. Die Gießkanne ist leer. Auf Poe liegt ein Schachbrett mit inliegenden Figuren. Indios gegen Konquistadoren, handbemalt. Immer wenn meine Nichte zu Besuch kommt, spielen wir eine Partie und ich staune darüber, wie sie sich den Gang der Figuren merken kann, wo sie doch zu Haus nie Schach spielt.

Im Fach daneben, das von Krimiautoren der alten Schule besetzt ist, liegt eine alte Aquariumlampe, die ich trotz eines wöchentlich stattfindenden Termins auf der Mülldeponie noch immer nicht entsorgt habe. Dahinter steht in Reih und Glied Agatha Christie und Arthur Conan Doyle. Dazwischen haben sich ein paar Querschläger eingenistet, Crusoe, Dath und Doctorow. Aber ganz am Rand, hinter Durrell, wird es wieder genregerecht: Dürrenmatt schließt die Reihe ab, der ist ja mittlerweile auch schon alte Schule. Ich habe sogar einen S.S. Van Dine dazwischen stehen, Sie wissen schon, das war der Literaturkritiker Willard Huntington Wright, der unter seinem Pseudonym Dine Kriminalromane schrieb und die 20 Regeln für eine gute Detektivgeschichte aufstellte. Auf Christie liegt ein Lolly, keine Ahnung wieso.

Ein sehr interessantes Fach findet sich ganz links in Hüfthöhe. Dort stehen alle kleinen Reclamhefte, derer ich habhaft werden konnte. Darauf liegt eine sternförmige Holzschale, die genau in die Lücke passt zwischen den höheren Büchern am linken Rand des Fachs und der kurz darauf, ebenfalls mit größeren Büchern beginnenden alphabetischen Sortierung. In der Holzschale sind ein paar Tannenzweige und ein paar rote Christbaumkugeln, die ich vor unserem Sohn retten musste. Der hat entdeckt wie schön es klimpert, fallen die Kugeln zu Boden. Ich musste entdecken, wie ungünstig sich haarfeine Glassplitter auf dem Fußboden machen, sollte eine Kugel dabei zerspringen. Zwischen Aira und Algren ragt ein Turm aus Spezialbürsten hervor, die unseren Staubsauger komplettieren sollen aber noch nie benutzt worden sind.

In einem Fach ganz rechts liegt sogar ein abgesägter, blau lackierter Stiel, dessen Bestimmung es war, beim Kinderbettbau übrig zu bleiben. Darunter versammeln sich die Vorlesungsverzeichnisse der Erziehungswissenschaften, Geschichte und des Faches Deutsch, was mich gleich auf die Palme bringt. Einerseits steht in dem Fach daneben tatsächlich eine abgesägte Yucca, die ich in einem Wasserglas zum Wurzeln bringen möchte. Andererseits schimpfen sich die Verzeichnisse selbst in Ermangelung des Formats Vorlesung in denselben nach wie vor Vorlesungsverzeichnisse. In dem neuesten Vorlesungsverzeichnis des Deutschen Seminars findet sich genau eine Vorlesung. Der Rest sind Seminare, die mit begrenzter Teilnehmerzahl, Zuteilung im Losverfahren und zu erbringenden Studien- und Prüfungsleistungen locken. Ein Hohn. Der Holzstiel ist lang genug für einen Knüppel, vielleicht passt da mehr zusammen, als ich bisher zu ahnen wagte.

Jetzt habe ich allerhand Gedanken verschwendet, mein Notizbuch ungenutzt liegen lassen, weil meine Tastatur diesen Text aufnahm und obendrein habe ich Ihnen wertvolle Zeit gestohlen, weil ich keine wichtige Feststellung zu machen hatte. Es gibt keine Konklusion, keine Pointe, nur Plauderei. Entschuldigung.

Folge 2
Lo - 12. Mär, 18:23

Immerhin gibt es ein "h" zuviel in Ihrem Text.
Als kleine Revance für den Zeitdiebstahl gebe ich keinen Hinweis darauf,
wo das "zuviele ´h`" zu finden ist. ;-))

Trithemius - 12. Mär, 19:04

Hast du mal ein h zuviel,
Sag, das wär der neuste Stil.
Lo - 12. Mär, 20:05

Lieber ein "h" im Text als in der Suppe!
Trithemius - 12. Mär, 20:19

:) Lieber ein h zuviel am Stiel als keins aufm Kopf.
Shhhhh - 13. Mär, 06:55

Ich habe es entdeckt und ausgemerzt, auch wenn ich mich wundere, dass mein Word es nicht vor mir entdeckt hat.
Lo - 13. Mär, 12:16

Ich fühlte mich auch nicht meiner Zeit bestohlen.
Während des Lesens hatte ich eine bildliche Vorstellung Ihrer beschriebenen Regale und fragte mich anschliessend, ob ich auch so eine Regalreisebeschreibung hinbekommen würde. Täglich nehme ich die vielen kleinen Dinge um mich herum wohl eher unbewusst wahr. Vielleicht mache ich das auch einmal. Nur für mich.
Beste Grüße!
C. Araxe - 12. Mär, 20:21

Da gab es mal eine nette Idee, was Bücherregale betrifft.

Shhhhh - 13. Mär, 06:59

Bei Frau Wortmeer habe ich den ursprünglichen Text nicht mehr entdecken können, vielleicht ist er verschwunden. Wie war denn die Idee genauer?
C. Araxe - 13. Mär, 15:34

Dichtung durch zusammenfügen von mehr oder weniger zufällig ausgewählten Buchtiteln. Ob man dies nun dem reinen Zufall durch einen Griff blindlings ins Regal überlässt oder gezielt etwas aussucht (und dabei womöglich seine Lieblinge bevorzugt) oder irgendeine Vorgehensweise wählt, die dazwischen liegt, ist dabei nebensächlich. Wobei die Lieblingstitelwahl natürlich am aussagekräftigsten ist.


(Der Text scheint in der Tat leider nicht mehr vorhanden zu sein.)
Shhhhh - 13. Mär, 17:30

Ja, das hört sich in der Tat sehr ähnlich zu dem an, was Trithemius schrieb. Wäre zu überlegen, ob das wiederzubeleben ginge.
C. Araxe - 14. Mär, 20:41

Legen Sie doch einfach mal los. Ich mag ja eigentlich nicht solchen Mitmachquatsch (das Stöckchenspiel unter Bloggern hat sich ja zum Glück auch totgelaufen), aber was Literarisches betrifft, sieht das bei mir mitunter etwas anders aus, von daher würde es auch im Gruselkabinett eine Neuauflage geben.
Shhhhh - 14. Mär, 20:53

Ich denke darüber nach. Stöckchen finde ich persönlich auch nicht so schön. Wenn es stattdessen einen gemeinsamen Termin gäbe, wie es zum Beispiel beim Bloggen des Buchstaben A gelaufen ist, das könnte ich mir vorstellen.
C. Araxe - 14. Mär, 20:58

Nun zieren Sie sich mal nicht so. Das muss ja nicht heute oder morgen sein. Ich würde solche literarischen Querverweise jedenfalls sehr spannend finden.
Shhhhh - 14. Mär, 21:02

...und dann als Stöckchen?
C. Araxe - 14. Mär, 21:08

Nee, nur kein Stöckchen. Wer will, soll einfach machen.
Trithemius - 13. Mär, 08:34

Jetzt mal im Ernst: Solche Beschreibungen von Alltagsgegenständen, von Möbeln und ihrem Inhalt lassen auch immer auf den Besitzer dieser Dinge schließen. Der russische Schriftsteller Sergej Tretjakov nennt das: "Die Biographie der Dinge." Aus dieser Biographien der Dinge werden schnell autobiographische Notizen.
http://abcypsilon777.blog.de/2006/04/13/abendbummel_online_die_biographie_der_di~725871/
Stellenweise erinnert dein Text an die Beschreibungen, die Georges Perec in "Das Leben Gebrauchsanweisung" gibt. Bei ihm sind die genauen Beschreibungen eines Raumes und bestimmter Möbelstücke der eigentliche Erzählanlass. Es wird die Geschichte der Besitzer erzählt, beispielsweise warum sie diese Gegenstände besitzen, wie sie in den Besitz gelangt sind, was wiederum auch Tretjakovs Neugier beflügelt hatte. Es ist also dein Text ganz und gar kein Diebstahl unserer Zeit. Ich jedenfalls habe ihn gern gelesen, zumal er so schön absichtslos daherkommt.

Shhhhh - 13. Mär, 08:58

Es wäre nicht richtig von mir, zu sagen, dahinter steckte keine Absicht. Die Perspektive ist außerdem falsch, bzw. gefällt mir nicht. Deinem Hinweis auf Tretjakov werde ich folgen, die Idee finde ich ziemlich gut. Vielleicht ließe sich das mit einem Bücherregal oder einem Auszug dessen in mehreren Blogs durchführen und es kämen vielleicht ganz wunderbare Geschichten dabei heraus. Ich denke, C. Araxe meinte so etwas ähnliches.
Trithemius - 13. Mär, 11:24

Welche Perspektive meinst du? Eine falsche Perspektive, darunter stelle ich mir eine Grafik von Hogarth oder Escher vor. http://unterricht.kunstbrowser.de/bildnerischemittel/bildraumplastizitaet/perspektivefalscheperspektive/index.html
Shhhhh - 13. Mär, 12:00

Ich meinte meine Erzählperspektive, die gefällt mir nicht. Wenn ich das mit Hogarths Bild in deinem Link vergliche, ergäbe sich in puncto Absicht ein ähnliches Bild wie sie der Mann und die Frau am oberen Ende des Bildes einnehmen.
Trithemius - 13. Mär, 15:47

Die Ich-Perspektive erscheint mir angemessen, denn es ist ja ausdrücklich Dein Regal, das du beschreibst.
books and more - 13. Mär, 12:22

Die (Bücher-,versteht sich!) Regale neu sortieren ist jedesmal wie das Leben neu entwerfen. Wäre interessant zu haben: eine Fotosammlung aller Regale (incl. Zusatzobjekte) seit Kindheit!

Shhhhh - 13. Mär, 17:28

Eine Fotosammlung diesbezüglich werde ich meinem Sohn anraten. Bei mir ist da mittlerweile der interessanteste Teil abhanden gekommen, nämlich der als die Bücher noch nach Erwerb sortiert waren und in Zweierreihen standen. Heute ist alles wohlsortiert und bis auf die Dinge, die eigentlich nicht ins Bücherregal gehören, ist kaum noch etwas von früheren Lebensentwürfen aufzuspüren, jedenfalls nicht ohne erhebliche Anstrengung. Mein vorheriges Bücherregal dient derzeit einem Freund und das davor, habe ich zerlegen und entsorgen müssen, nur ein paar Schrauben - ich erkenne sie an den roten Köpfen, weil es rot lasiert war und ich die Schrauben einfach übergestrichen hatte - sind noch übrig.
bonanzaMARGOT - 15. Mär, 13:43

tja - so manches leben passt in ein regal.

Shhhhh - 15. Mär, 15:01

Dein Bücherregal stelle ich mir ja ebenfalls sehr spannend vor. Immerhin hast du ja mit dem vor geraumer Zeit gegebenen Eindruck ( der Dildo vor Bukowski ) schon fast vorweggenommen, was ich hier zu beschreiben versuchte: dass ein Bücherregal mehr ist als die Summe seiner Teile, insbesondere dann, wenn nicht nur Bücher darin zu finden sind.
bonanzaMARGOT - 15. Mär, 15:18

ja, die schrumpfköpfe meiner ex-freundinnen liegen da auch irgendwo rum.
Shhhhh - 15. Mär, 15:22

Und der Rest? Im Tiefkühlfach?
bonanzaMARGOT - 15. Mär, 15:24

nein, so was finde ich ekelhaft. was soll ich mit leichen im tiefkühlfach? außerdem habe ich gar keins.
ne, den rest verbuddelte ich - wie es sich gehört.

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