Literaturvermittlung und Salon: Eckhard Stasch, Jens Meyer-Kovac
Teil 3
Gotzeidank kommen tatsächlich noch echte Leute in die Vorlesung, Reinkarnationen jenes Stuckrad-Barres, der in seiner Show nicht nur den Mund zum Aufmachen findet, sondern vor allem für Widerworte nutzt. Die optische Größe dieser beiden sei einmal dahingestellt, doch auch das Format zu besitzen, sich nicht an den leitenden Dozenten, sondern an das „lethargisch anmutende“ Publikum zu wenden, hat etwas wachgerufen, was ich in der Vorlesung davor vermisst hatte, ohne es wirklich benennen zu können. Hier sprach niemand auf Augenhöhe. Hier sprachen verquere Geister in einer Art solipsistischen Dialog gegeneinander. Ständig musste seitens des Professors nachgefragt und konkretisiert werden, nie gab es eine einfache Antwort, ein glückliches Schulterzucken und ein: „Ja, so war das damals“. Hier wurde tatsächlich das erreicht, was ich mir von der Vorlesung erhofft hatte, auch wenn dem leitenden Dozenten sicher einiges nicht so geschmeckt hat.
Da gab es zum Beispiel das Bild des überkommenen „Salons“ in Berlin, bei dem ältere Frauen in windschiefen Einteilern an geschüttelt oder gerührten Drinks nippen, während einerseits der Vortrag seinen langweiligen Verlauf nimmt und andererseits der Putz von der Decke rieselt. Auch James Bond geht längst mit der Zeit und auch wenn die Protagonisten des „Literarischen Salons“ selbst längst in die Jahre gekommen sind, so wissen sie doch um ihren eigenen Wert. Sie sind jung und brauchen das Geld. Ob es nun Absicht oder Vorsicht ( der Größenunterschied war doch sehr offensichtlich ) war, will ich nicht beurteilen, aber der leitende Dozent lehnte meistenteils an einer Wand, von der ebenfalls der Putz rieselte – der weiße Putz auf dem Sauberlaufboden der schwül, überhitzen, vom Straßenlärm teils übertönten Veranstaltung im Raum 003 zeitigte ein Ergebnis, was ich mir in meinen kühnsten Träumen nicht wagte, vorzustellen: Am Ende bleibt der Dreck nämlich einfach liegen.
Hier ist übrigens nicht von Genugtuung die Rede, sondern von einem Prozess, der sich verselbstständigt hat. Hier wird darüber philosophiert, ob es noch gesellschaftlich toleriert wird, wenn Carsten Maschmeyer 40.000 € locker macht und sich in den "Literarischen Salon" einkauft. Darüber haben wahrscheinlich – ganz ehrlich – nur wenige nachgedacht, mir aber kam der Gedanke und ich war froh auf eine so ehrliche ambivalente Antwort zu treffen, trotz der Schwierigkeiten, dies überhaupt vortragen zu können, denn die Fragen waren ja schon längst über diesen Punkt hinaus. Wie so oft waren die Gedanken des Professors über die wirklich unwegsamen Strecken, die Ypsilons ( wenn das überhaupt jemand versteht ), weit hinaus, stattdessen hagelte es Lobgesang, der zu elektrisierenden Schauern führte, die in den Füßen endeten – auf dem Teppich liegen blieben, zu dem man dann beschämt herabsah. Ich sah dort aber auch den rieselnden Putz.
Die kleinen Spitzen, das Ungesagte, machten den Vortrag erst richtig interessant. So etwas überhört man gerne bei seinem Lieblingsprofessor, bei den Gastdozenten nicht unbedingt. Wenn sie dann von ihren Dozenten sprachen, und welche Freiheiten sie genossen, und was die Dozenten ihnen alles zutrauten, Projekte in die große Welt entließen, unfertig, „unprofessionell“ – um im Wortlaut der Sprecher zu bleiben. Wo ist dieser Mut der hiesigen Dozenten, welcher Dozent ruft seine Studenten zur „Zweitverwertung“ auf? Wo sind die Dozenten, die sich zwanglos im Café um die Ecke mit ihren Studenten auf einen schlecht gemachten „latte macchiato“ treffen? Wo ist das Café der Germanisten nochmal? Was verbirgt sich hinter der „Kadettenanstalt“ und traut sich das überhaupt noch jemand zu fragen, bei der offensichtlichen Geringschätzung ( im Sinne der Masse, nicht im Sinne von Qualität ), die einem stets und ständig entgegengebracht wird? Wer sind diese Gesichter, denen nur die Fragen nach den Formalia locker im Ärmel sitzen? Wo ist das zum Zerreissen gespannte Publikum, das nicht nur durch Anwesenheit, sondern durch aktive Teilnahme glänzt?
Sie schauen betreten zu Boden, nicht in der Lage von der Nacktheit des Kaisers zu sprechen, weil sie keine Kinder mehr sind, sondern „gestandene Master-Literaturstudenten“, denen man nicht das kleinste Quäntchen Selbstinitiative zugesteht. Niemand „sieht“ den Dreck auf dem Fußboden. Niemand macht einen Vorschlag, wen sie im „Literarischen Salon“ hören wollen, aber alle unterschreiben den Sympathisantenwisch, als würden sie gerade den „Gefällt-mir-Button“ bei Facebook drücken. Ich will Andreas Glumm ( googelt doch einfach mal selber, ihr Smarties! ) im „Literarischen Salon“ sehen, dann komme ich vorbei und schaue mir den ganzen Zirkus an – Bukowski und Brautigan sind ja leider schon tot, was nicht heißt, dass ich mich nicht für neue Literatur interessiere, was schlicht heißt, dass ich weiß, dass meine Zeit hier begrenzt ist und ich nicht für jeden Scheiß Zeit habe.
So! Eckermann hat fertig.
Teil 5
Gotzeidank kommen tatsächlich noch echte Leute in die Vorlesung, Reinkarnationen jenes Stuckrad-Barres, der in seiner Show nicht nur den Mund zum Aufmachen findet, sondern vor allem für Widerworte nutzt. Die optische Größe dieser beiden sei einmal dahingestellt, doch auch das Format zu besitzen, sich nicht an den leitenden Dozenten, sondern an das „lethargisch anmutende“ Publikum zu wenden, hat etwas wachgerufen, was ich in der Vorlesung davor vermisst hatte, ohne es wirklich benennen zu können. Hier sprach niemand auf Augenhöhe. Hier sprachen verquere Geister in einer Art solipsistischen Dialog gegeneinander. Ständig musste seitens des Professors nachgefragt und konkretisiert werden, nie gab es eine einfache Antwort, ein glückliches Schulterzucken und ein: „Ja, so war das damals“. Hier wurde tatsächlich das erreicht, was ich mir von der Vorlesung erhofft hatte, auch wenn dem leitenden Dozenten sicher einiges nicht so geschmeckt hat.
Da gab es zum Beispiel das Bild des überkommenen „Salons“ in Berlin, bei dem ältere Frauen in windschiefen Einteilern an geschüttelt oder gerührten Drinks nippen, während einerseits der Vortrag seinen langweiligen Verlauf nimmt und andererseits der Putz von der Decke rieselt. Auch James Bond geht längst mit der Zeit und auch wenn die Protagonisten des „Literarischen Salons“ selbst längst in die Jahre gekommen sind, so wissen sie doch um ihren eigenen Wert. Sie sind jung und brauchen das Geld. Ob es nun Absicht oder Vorsicht ( der Größenunterschied war doch sehr offensichtlich ) war, will ich nicht beurteilen, aber der leitende Dozent lehnte meistenteils an einer Wand, von der ebenfalls der Putz rieselte – der weiße Putz auf dem Sauberlaufboden der schwül, überhitzen, vom Straßenlärm teils übertönten Veranstaltung im Raum 003 zeitigte ein Ergebnis, was ich mir in meinen kühnsten Träumen nicht wagte, vorzustellen: Am Ende bleibt der Dreck nämlich einfach liegen.
Hier ist übrigens nicht von Genugtuung die Rede, sondern von einem Prozess, der sich verselbstständigt hat. Hier wird darüber philosophiert, ob es noch gesellschaftlich toleriert wird, wenn Carsten Maschmeyer 40.000 € locker macht und sich in den "Literarischen Salon" einkauft. Darüber haben wahrscheinlich – ganz ehrlich – nur wenige nachgedacht, mir aber kam der Gedanke und ich war froh auf eine so ehrliche ambivalente Antwort zu treffen, trotz der Schwierigkeiten, dies überhaupt vortragen zu können, denn die Fragen waren ja schon längst über diesen Punkt hinaus. Wie so oft waren die Gedanken des Professors über die wirklich unwegsamen Strecken, die Ypsilons ( wenn das überhaupt jemand versteht ), weit hinaus, stattdessen hagelte es Lobgesang, der zu elektrisierenden Schauern führte, die in den Füßen endeten – auf dem Teppich liegen blieben, zu dem man dann beschämt herabsah. Ich sah dort aber auch den rieselnden Putz.
Die kleinen Spitzen, das Ungesagte, machten den Vortrag erst richtig interessant. So etwas überhört man gerne bei seinem Lieblingsprofessor, bei den Gastdozenten nicht unbedingt. Wenn sie dann von ihren Dozenten sprachen, und welche Freiheiten sie genossen, und was die Dozenten ihnen alles zutrauten, Projekte in die große Welt entließen, unfertig, „unprofessionell“ – um im Wortlaut der Sprecher zu bleiben. Wo ist dieser Mut der hiesigen Dozenten, welcher Dozent ruft seine Studenten zur „Zweitverwertung“ auf? Wo sind die Dozenten, die sich zwanglos im Café um die Ecke mit ihren Studenten auf einen schlecht gemachten „latte macchiato“ treffen? Wo ist das Café der Germanisten nochmal? Was verbirgt sich hinter der „Kadettenanstalt“ und traut sich das überhaupt noch jemand zu fragen, bei der offensichtlichen Geringschätzung ( im Sinne der Masse, nicht im Sinne von Qualität ), die einem stets und ständig entgegengebracht wird? Wer sind diese Gesichter, denen nur die Fragen nach den Formalia locker im Ärmel sitzen? Wo ist das zum Zerreissen gespannte Publikum, das nicht nur durch Anwesenheit, sondern durch aktive Teilnahme glänzt?
Sie schauen betreten zu Boden, nicht in der Lage von der Nacktheit des Kaisers zu sprechen, weil sie keine Kinder mehr sind, sondern „gestandene Master-Literaturstudenten“, denen man nicht das kleinste Quäntchen Selbstinitiative zugesteht. Niemand „sieht“ den Dreck auf dem Fußboden. Niemand macht einen Vorschlag, wen sie im „Literarischen Salon“ hören wollen, aber alle unterschreiben den Sympathisantenwisch, als würden sie gerade den „Gefällt-mir-Button“ bei Facebook drücken. Ich will Andreas Glumm ( googelt doch einfach mal selber, ihr Smarties! ) im „Literarischen Salon“ sehen, dann komme ich vorbei und schaue mir den ganzen Zirkus an – Bukowski und Brautigan sind ja leider schon tot, was nicht heißt, dass ich mich nicht für neue Literatur interessiere, was schlicht heißt, dass ich weiß, dass meine Zeit hier begrenzt ist und ich nicht für jeden Scheiß Zeit habe.
So! Eckermann hat fertig.
Teil 5
Shhhhh - 3. Mai, 01:15
Lieber Herr Eckermann
So etwas haben Stasch und Meyer-Kovac nicht verdient, denn sie betreiben den Literarischen Salon schließlich mit Herzblut. Vielleicht mal andere Leute einladen? Übrigens frage ich mich, warum auf dem "Sympathisantenwisch" oder einem zweiten Blatt nicht eine Wunschliste rundging, in den du deinen Autorenwunsch hättest eintragen können. Ich habe den Eindruck, dass die meisten Studenten sehr zurückhaltend sind, was gewiss mit der Verschulung des Universitätsbetriebs zusammenhängt. Das müssen doch auch die Professoren längst gemerkt haben und auf Abhilfe sinnen. Als Lehrer habe ich gelernt, dass man antizipieren muss, also mögliche Schwierigkeiten im Ablauf vorausehen und entsprechende Alternativen bereithalten muss. Ich habe kürzlich gehört, wie ein junger Dozent von einer neuen Arbeitsmethode schwärmte, die er in Havard kennen gelernt hatte. Die Studierenden sollten in Gruppen diskutieren und einen der ihren beauftragen, das Ergebnis ins Plenum einzubringen. Wenn Dozenten nach Havard reisen müssen, um derlei schlichte Gruppenarbeit kennenzulernen, dann steht es aber leider sehr schlecht mit den pädagogischen Fähigkeiten der Universitätslehrer.
Ich finde übrigens nicht, dass am Programm so grundlegend was geändert werden müsste, und wenn ich tatsächlich etwas fände, was mir gefiele, ginge ich vielleicht sogar einmal hin.
Deinen Eindruck, was die Qualität der Lehrenden angeht, kann ich in seiner Gesamtheit nicht bestätigen. Ich habe vielmehr das Gefühl, dass sich durchaus interessante Ansätze und Konzepte ergeben haben, wie die hier dokumentierte "Vorlesung" zum Beispiel. Es wird durchaus antizipiert.
Den Gefällt-Mir-Zettel um eine Wunschliste zu erweitern, halte ich auch nicht für notwendig, dakommt wahrscheinlich auch nicht viel heraus, weil in einer 90-Minuten-Verantaltung, in der es um Professionalisierung und Schwierigkeiten damit geht, kein Platz für konstruktive Programmvorschläge ist. Dafür findet ja im Anschluss das Seminar von Eckhard Stasch statt, in dem man sich bestimmt viel effizienter und überlegter einbringen kann.