Krimis sind doof?
Wahrscheinlich hätte ich den Tatort heute Abend gar nicht gesehen, wenn ich nicht zufällig hier darüber gelesen hätte. Und auch wenn ich diese Meinung nicht teile – im Übrigen teile ich auch nicht die Meinung des Spon, die da schrieb, dies sei der beste Tatort des MDR seit Jahren gewesen – so ist zumindest an der Flut der Krimis im Fernsehprogramm kaum vorbei zu kommen. Jeden Abend zur Primetime laufen sie wie fließbandproduzierte Quarktaschen über den Bildschirm und verkleben – sunflower schrieb zu Recht von einer Chloroformisierung – das längst müde Gehirn des Fernsehzuschauers.
Mich ermüdet erst der Tatort, ich bin davor und meistens auch währenddessen hellwach, denn jede dieser Großstadtepisoden erzählt ja noch etwas anderes als die übliche Mordermittlung. Im Gegensatz zu anderen Formaten erzählt der Tatort sogar viel mehr, als das Format selbst zugeben möchte. Ich schrieb ja schon einmal, dass mich das ewige Geduze halbwüchsiger Schauspieler nervte. Im Leipziger Allerlei, denn das war es tatsächlich, wurde die Tochter der Ermordeten ausnahmsweise nicht geduzt.
Stattdessen stehen sich wildfremde Menschen, die einander zum ersten Mal sehen, während der Aufnahmen plötzlich so nah, als wollten sie gleich über einander herfallen. Ich weiß leider nicht mehr wie die Zone heißt, die ein Mensch um sich aufbaut und in die er sein Gegenüber nur ungern einbrechen lässt, sollte es ihn nicht kennen, aber es gibt diese Zone. Wenn mir jemand zu nah kommt, gehe ich einen Schritt zurück. Manche Leute haben dafür kein Gefühl, vielleicht haben Kommissare dafür kein Gefühl, vielleicht ist das auch nur im Film so, um die Dramatik der Situation herauszuarbeiten, oder um vielleicht der Enge des Drehortes gerecht zu werden. Mit der Wirklichkeit hat das leider nichts zu tun.
Dann gibt es gleich zu Anfang eine Szene, in das Kommissarenpärchen das Haus der Ermordeten aufsucht, um die Tochter über den Tod der Mutter zu informieren. Beide haben Jacken an. Der stocksteife Keppler hat plötzlich einen Sinn für Mode entwickelt und trägt einen dreifach umwickelten Kaschmirschal um den Hals, während der Pooljunge, ach ne, das war ja der Freund der Tochter, mit freiem Oberkörper Blätter aus dem Pool fischt. War da etwa Winter befohlen bei der Polizei, oder was? Oder musste Keppler einen Knutschfleck verbergen, wir werden es nicht erfahren.
Oder kann sich jemand an die Szene bei der Hausdurchsuchung erinnern? Als Keppler plötzlich einen auf Lt. Horatio Cane macht und hinter einer undurchsichtigen Sonnenbrille kurz auflacht, als ihn die völlig verstörte Anwältin fragt, was das soll? Dann tigert er mit den Händen in den Hüften durch die Wohnung, alle gucken sich an, keiner sagt was. Das war ganz großes Kino!
Aber worum ging es denn überhaupt? Um Sado Maso? Um 50 Shades of Grey, wie es die Spon-Redaktion als Aufmacher in den Text hineinkolportierte? Um Ü40-Parties und alternde Frauen? Das Thema war nicht verfehlt, es war schlicht nicht vorhanden. Die Ermordete ist über Vierzig, die Kommissarin ist über Vierzig, auch wenn sie im Tatort etwas anderes erzählt, die Mörderin ist wieder einmal Ü…Überraschungsgast, denn die üblichen Bösewichte nebst der gehörnten Ehefrau des hauptverdächtigen Schönheitschirurgen sind allesamt unschuldig und leiden nur unter sich selbst. Die Sado Maso Geschichte geht unter in einem buntem Potpourri aus falschen Verdächtigen und Endlosschleifen einer gedachten (geträumten?) Rekapitulation der Ereignisse des Abends, bei der die Ermordete noch einmal kräftig das Tanzbein schwingen darf und lasziv mit der Hand in Richtung Kamera winkt.
Das war nicht der beste MDR-Tatort seit Jahren, das war einer besten ever! Ich wurde selten so gut unterhalten. Ich habe selten einen Tatort erlebt, der mir so vollständig und aufdringlich das Abendprogramm der restlichen Wochentage erklären wollte. Jetzt kann ich beruhigt ganze sieben Tage kein Fernsehen gucken, ich werde nichts verpassen.
Mich ermüdet erst der Tatort, ich bin davor und meistens auch währenddessen hellwach, denn jede dieser Großstadtepisoden erzählt ja noch etwas anderes als die übliche Mordermittlung. Im Gegensatz zu anderen Formaten erzählt der Tatort sogar viel mehr, als das Format selbst zugeben möchte. Ich schrieb ja schon einmal, dass mich das ewige Geduze halbwüchsiger Schauspieler nervte. Im Leipziger Allerlei, denn das war es tatsächlich, wurde die Tochter der Ermordeten ausnahmsweise nicht geduzt.
Stattdessen stehen sich wildfremde Menschen, die einander zum ersten Mal sehen, während der Aufnahmen plötzlich so nah, als wollten sie gleich über einander herfallen. Ich weiß leider nicht mehr wie die Zone heißt, die ein Mensch um sich aufbaut und in die er sein Gegenüber nur ungern einbrechen lässt, sollte es ihn nicht kennen, aber es gibt diese Zone. Wenn mir jemand zu nah kommt, gehe ich einen Schritt zurück. Manche Leute haben dafür kein Gefühl, vielleicht haben Kommissare dafür kein Gefühl, vielleicht ist das auch nur im Film so, um die Dramatik der Situation herauszuarbeiten, oder um vielleicht der Enge des Drehortes gerecht zu werden. Mit der Wirklichkeit hat das leider nichts zu tun.
Dann gibt es gleich zu Anfang eine Szene, in das Kommissarenpärchen das Haus der Ermordeten aufsucht, um die Tochter über den Tod der Mutter zu informieren. Beide haben Jacken an. Der stocksteife Keppler hat plötzlich einen Sinn für Mode entwickelt und trägt einen dreifach umwickelten Kaschmirschal um den Hals, während der Pooljunge, ach ne, das war ja der Freund der Tochter, mit freiem Oberkörper Blätter aus dem Pool fischt. War da etwa Winter befohlen bei der Polizei, oder was? Oder musste Keppler einen Knutschfleck verbergen, wir werden es nicht erfahren.
Oder kann sich jemand an die Szene bei der Hausdurchsuchung erinnern? Als Keppler plötzlich einen auf Lt. Horatio Cane macht und hinter einer undurchsichtigen Sonnenbrille kurz auflacht, als ihn die völlig verstörte Anwältin fragt, was das soll? Dann tigert er mit den Händen in den Hüften durch die Wohnung, alle gucken sich an, keiner sagt was. Das war ganz großes Kino!
Aber worum ging es denn überhaupt? Um Sado Maso? Um 50 Shades of Grey, wie es die Spon-Redaktion als Aufmacher in den Text hineinkolportierte? Um Ü40-Parties und alternde Frauen? Das Thema war nicht verfehlt, es war schlicht nicht vorhanden. Die Ermordete ist über Vierzig, die Kommissarin ist über Vierzig, auch wenn sie im Tatort etwas anderes erzählt, die Mörderin ist wieder einmal Ü…Überraschungsgast, denn die üblichen Bösewichte nebst der gehörnten Ehefrau des hauptverdächtigen Schönheitschirurgen sind allesamt unschuldig und leiden nur unter sich selbst. Die Sado Maso Geschichte geht unter in einem buntem Potpourri aus falschen Verdächtigen und Endlosschleifen einer gedachten (geträumten?) Rekapitulation der Ereignisse des Abends, bei der die Ermordete noch einmal kräftig das Tanzbein schwingen darf und lasziv mit der Hand in Richtung Kamera winkt.
Das war nicht der beste MDR-Tatort seit Jahren, das war einer besten ever! Ich wurde selten so gut unterhalten. Ich habe selten einen Tatort erlebt, der mir so vollständig und aufdringlich das Abendprogramm der restlichen Wochentage erklären wollte. Jetzt kann ich beruhigt ganze sieben Tage kein Fernsehen gucken, ich werde nichts verpassen.
Shhhhh - 16. Mär, 22:42
Unerhört finde ich, dass ich mit meinem Fernsehbeitrag diese Krimi-Inflation mitfinanzieren muss.