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Bahnhof?!?

Bahnhöfe sind ein Aushängeschild für jede Stadt gewesen. Im 19. Jahrhundert musste jeder Ort, der etwas auf sich hielt, mit einem solchen ausgestattet sein und heute ist das ziemlich lästig, wenn man aus finanziellen Gründen mit den Nahverkehrszügen der Deutschen Bahn unterwegs ist und an Orten wie Övelgünne oder Schandelah hält. Aber nichts für ungut, das ist ein selbstgewähltes Leid und außerdem eine andere Geschichte. Durch Zufall bekam ich ein paar schöne Bilder vom Hundertwasserbahnhof in Uelzen und einen Artikel dazu zu lesen. Ich kenne den Bahnhof ziemlich genau, denn ich bin auf meinen Reisen des öfteren an diesem "Prachtstück" umgestiegen; einmal sogar war dies meine Zielstation und es blieb genügend Zeit, sich dem ganzen Ausmaß der Architektur zu widmen.

Doch zuvor noch ein kleiner Schritt zurück. Bahnhöfe sind ein Aushängeschild für jede Stadt gewesen. Die Größe einer Stadt und ihr Auftreten gegenüber den verweilenden Gästen ist in nicht wenigen Fällen von monumentaler Bedrängung geprägt. Die schiere Größe der Bahnhofshallen schüchtert ein. Umso größer oder bedeutender ein Bahnhof ist oder zu sein wünscht, desto größer und monumentaler ist sein Auftreten. Wer einmal in der Halle der Grand Central Station in New York stand, wird das nachvollziehen können.
In deutschen Städten sind die Bahnhofshallen kleiner, dennoch sind sie für Publikumsverkehr konzipiert, der vermuten lässt, hier hielten Personenzüge mit Güterzuglänge auf allen Bahnsteigen - gleichzeitig. In Uelzen nicht. Uelzen ist ein kleiner verschlafener Ort, der eher durch EHEC von der Gurkenpresse bedacht wird als dass sich irgendjemand für den Bahnhof interessieren könnte, obwohl dieser von Hundertwasser konzipiert wurde.

Ähnlich geht es wohl dem Bahnhof in Lehrte, der zu seinen Hochzeiten einmal zum Drehkreuz Norddeutschlands ausgebaut werden sollte und nicht im Bahnhofsgebäude sondern im Schienennetz seinen monumentalen Charakter offenbart. Schienen soweit das Auge blicken kann. Nicht umsonst heißt in Gedenken an den Lehrter Bahnhof ein Berliner Bahnhof Lehrter Bahnhof, alles klar? Zurück nach Uelzen. Uelzen ist aufgrund seiner Beschaffenheit, ich erwähnte einen Teil des üblichen Procederes in meinem Artikel davor, ein wichtiger Knotenpunkt auf der Strecke von Hannover nach Hamburg. Zu fragen wäre hier nach den Gründen dafür. Ist der Bahnhof vorher dagewesen ( also der Hundertwasserbahnhof ) und dann entschieden worden, dass Nahverkehrszugreisende an diesem Bahnhof umsteigen müssen oder war das schon immer so und man dachte sich, hier baue ich doch mal was zum Gucken hin, einen Hingucker?

Keine Frage, ein Hingucker ist der Bahnhof. Überall sind Schiefen und Krummen. Die Fliesen sind von feinstem Mosaik unter Berücksichtigung keinerlei Ordnung angebracht worden. Selbst die Kanten der Fliesen stoßen unsauber aufeinander. Die Unart, mit schlurfendem Gang über den Boden zu schleichen, kann hier zu ernsthaften Verletzungen führen. Im Regelfall steigt man in Uelzen von einem Metronom in den anderen, um sein Ziel zu erreichen ( der Metronom fährt von Göttingen nach Hamburg ). Man steigt nicht nur um, sondern man wechselt auch den Bahnsteig. Dafür ist man gezwungen, den wahrscheinlich schon vorher viel zu engen Gang unter den Schienen hindurch zu nutzen. Nur dass zu früheren Zeiten nicht einmal halb so viele Menschen in Uelzen umgestiegen sind. Heute ist der Gang dafür eine schiefe Ebene mit etlichen Fallstricken und Hinguckern - Heinrich Hoffmann sei gegrüßt. Rollstuhlfahrer, Kinderwagenschieber oder auch nur profane Rollibesitzer werden des öfteren darüber geflucht haben, dass ihr jeweiliges Gefährt nicht die Spur hält. Aber dafür hat man ja was zu gucken. Denkste, zum Gucken hat man nämlich kaum Zeit. Die Spanne von 19 Minuten Umsteigezeit verfliegt in Bälde, wenn man auf vollen Bahnsteigen einen entfernten Bahnsteig erreichen muss. Es bricht Hektik aus. Fahrradfahrer - bzw. Fahrradmitnehmer passt wohl besser, denn sie fahren ja nicht, sondern transportieren es nur mit der Bahn - haben das größte Problem von allen, in den hinterletzten Waggons ausgestiegen müssen sie zu den hinterletzten Waggons, um weiterzukommen. Wer schonmal einen Fahrradlenker in den Nieren hatte, kennt die Probleme. Verständnis bleibt dann häufig auf der Strecke. Auch die Bahnsteigbezeichnung ist nicht mehr profan genug, um sich dem Verständnis des Reisenden aufzudrängen. Von Hannover nach Hamburg kommend, steigt man in Uelzen an Gleis 301 aus und an 103 wieder ein. Wenn ich einmal die Zeit finde, lache ich über diesen Witz.

Ich frage mich nach dieser ganzen Litanei, was wollte Hundertwasser damit bezwecken? Das ist sicher nicht alles auf seinem Mist gewachsen, da kommen ganz andere widrige Umstände dazu, wie zum Beispiel die Privatisierung der Deutschen Bahn und das Veräußern einer lukrativen Bahnstrecke an anderen Bahnanbieter, um ihnen die wenig geliebten Strecken gleich mit aufs Auge drücken zu können. Da kommt Geltungssucht von Bürgermeistern dazu, die sich in solchen "Prestigeobjekten" verewigt sehen wollen und dann gibt es auch Bahnreisende, die das Gesehene tatsächlich schön finden und sich darüber freuen, dass ein völlig zweckferne Architektur am Arsch der Welt ihr Dasein fristet. Diese letzte Kategorie hat eine Stunde und 19 Minuten Aufenthalt in Uelzen, die haben bereits vor Reiseantritt eingeplant, eine Stunde länger dort zu verweilen. Das sind die Leute, die mit der Gemütlichkeit eines Traktors durch die engen Gänge schlurfen, unvermittelt stehen bleiben und mit Armen in Richtungen zeigen, wo man selbst gerade entlang gehen wollte.

Ich wünsche mir Bewegungsfreiheit, schlichten Pragmatismus, wenn ich schon zum Umsteigen gezwungen werde. Ich kann mich sicherlich an dem schönen Bahnhof ergötzen aber nicht jedesmal aus Neue, irgendwann ist der Lack ab und dann möchte ich einfach nur noch ankommen und den Bahnhöfen dieser Welt entkommen.
Trithemius (Gast) - 17. Jun, 11:56

Erst Merzmensch, dann du, jetzt habt ihr mich wirklich neugierig auf den Uelzener Bahnhof gemacht. Auf dem Lehrter Bahnhof war ich schon, aber mir wollte partout nicht einfallen, warum mir der Name ein Begriff war. Danke für die Informationen. Ein Trauerspiel ist, dass viele Bahnhöfe inzwischen verfallen, weil die Bahn die Strecke stillgelegt hat. Aber auch noch genutzte Bahnhöfe sind vielerorts in desolatem Zustand, keine Visitenkarten der Städte, sondern abschreckend. Eine Zeitreise kann man machen, wenn man mit der Lausitzbahn von Görlitz nach Berlin fährt. Unterwegs gibt es viele kleine Bahnhöfe, die noch die technischen Einrichtungen aus der Zeit der Dampflok haben.

Shhhhh - 17. Jun, 21:21

Von Müngersdorf habe ich heute auch noch gelesen, und wie eine private Initiative versucht, den Verkauf des Haus "Belvedere" zu verhindern, ebenfalls ein altes Bahnhofsgebäude.
http://koelnbilder.blog.de/
Trithemius - 18. Jun, 13:28

Müngersdorf ist ganz in der Nähe meines Geburtsortes, aber bevor Videbitis über das Bahnhofsgebäude Belvedere geschrieben hat, kannte ich es nicht.
Shhhhh - 19. Jun, 02:15

Wie blind man doch selbst für die nähere Umgebung ist, das ist mir immer wieder ein Rätsel.
Trithemius (Gast) - 19. Jun, 11:49

Köln ist doppel so groß wie Hannover und viermal so groß wie meine alte Heimatstadt Aachen. Da kann man schon mal was übersehen.
Teresa HzW - 18. Jun, 19:09

Die neuen Bahnhöfe sind lediglich "Durchreise"-Stationen, jedoch keine Orte mehr, an denen eine[r] gerne [an]hält, um auszusteigen und einen Bummel durch den sich anschließenden Ortskern zu machen.
Architektonisch verwechselbar, da sich die Außenfassaden gleichen – beinahe wie ein Ei dem anderen. Besonders eindrucksvoll auf der Fahrt von Aachen nach Brüssel zu sehen. Da weiß eine[r] nie, war Liège schon oder kommt es erst noch. Ähnlich in Deutschland, wenn eine[r] mit dem ICE quer durch die Lande fährt und an periphären Haltestellen wie Frankfurt-Flughafen oder Kassel –Wilhelmshöhe umsteigen muss. Wehe dem, der da den Anschluss wegen Zugausfalls versäumt...
Die Funktion[alität] beugt sich dem Kosten- und Planungsdiktat der kürzesten, finanzierbaren Strecke von A nach B. Doch wer weiß, vielleicht erleben unsere Ur-Enkel dann den Bauhaus-Effekt?
In Stuttgart fanden im Sommer 1927 auch viele die Bauhaus-Siedlung am Killesberg "scheußlich" und waren entsetzt. Heute pilgern die Bustouristen zur Weißenhofsiedlung. Es gibt sogar eine spezielle Führung des Tourismusbüros dorthin.
Dennoch, Ihren Artikel hier habe ich gern gelesen, liebER Shhhhh, und die anderen Kommentare auch
;-)

Shhhhh - 19. Jun, 02:14

Ein Problem mit Durchreisestationen habe ich weniger, da ich nicht mit dem ICE unterwegs bin und deshalb gerade neu entstandene Bahnhöfe, wie zum Beispiel an Flughäfen, eher seltener besuche.
Mir drängt sich eher die Frage auf, ob denn die Nutzung eines Bahnhofgebäudes als solches und die damit verbundene Verschönerung den Zweck einer Unterbrechung der Reise rechtfertigt und wenn ja, wie kann dies trotz all der Mißlichkeiten noch angenehm gestaltet werden? Diese Frage hat Hundertwasser leider nur bedingt beantwortet, dafür hat Uelzen aber ein paar Arbeitsplätze geschaffen. Ob ich da in Hundert Jahren hinpilgern würde, weiß ich gerade nicht, halte das aber für eher unwahrscheinlich;)
Trithemius (Gast) - 19. Jun, 11:47

Kennst du eigentlich die Erzählung von Slawomir Mrozek, Der Dienstmann? Da kommt ein Fahrgast auf einem einsamen Bahnhof an, hat zwei schwere Koffer und muss noch weit ins Land hinaus. Auf dem Bahnsteig wartet ein alter Dienstmann, der sich anbietet, dem Reisenden das Gepäck zu tragen. Unterwegs durch die Felder fängt der Dienstmann an zu jammern und erzählt, wie schlecht es ihm geht und wie weh seine gichtigen Knochen ihm tun. Der Reisende bekommt Mitleid und nimmt dem Dienstmann einen Koffer ab. Doch der gibt keine Ruhe, bis der Reisende auch den zweiten Koffer trägt. Jetzt trottet der Dienstmann neben ihm her und quengelt immer noch, denn die Füße tun ihm auch weh. Am Ende nimmt der Reisende zu den Koffern den Dienstmann Huckepack. Der ist plötzlich gar nicht mehr müde, sondern packt den Reisenden bei den Ohren und dirigiert ihn in die schreckliche Einöde hinaus.

http://abcypsilon777.blog.de/2006/04/05/nachtschwarmer_online_hand_werfen~705462/

Merzmensch - 22. Jun, 18:10

Mag sein, Hundertwassers Ziel war, irgendein Bahnhof gestalten zu können, doch in Uelzen war für ihn die einzige Möglichkeit, sich künstlerisch zu entfalten. Das stimmt schon - wenn man da aussteigt, und vom Gleis zu Gleis wechselt, hat man stets dieses mulmige Gefühl, dass die biomorphen Formen der Wände und Böden einen zu vereinnahmen streben. Es ist interessant, quer durch die Welt die kleinen Universen von Hundertwasser zu entdecken, wie bei Gebrüder Strukatzki in "Picknick am Wegesrand" - als die Ausserirdischen zu Rast bei uns anhielten und die Naturgesetze veränderten.

Und das stimmt auch: ergonomisch ist so ein Bahnhof nicht. Doch die Fotokamera freut sich. :)

Shhhhh - 22. Jun, 18:56

Wir waren vor ein paar Jahren zu Besuch in Wittenberg und zum Ende des Stadtrundgangs staunte ich nicht schlecht, als unser Führer uns zum Schluss fragte, ob wir die von Hundertwasser mitgestaltete Schule nicht auch noch sehen wollten.
la-mamma - 25. Jun, 09:27

in wien könnten sie sich auch die von hundertwasser verkitschtebehübschte müllverbrennungsanlage ansehen, sowas sieht man als tourist doch auch nicht überall!;-)

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