Willkommen

Bei den Leisen Tönen. Manchmal braucht es einen Blog, um sich Luft zum Denken zu verschaffen. Keine Steckenpferde, Hobbies oder sonstiges Spezielles, nur Luft zum Denken.

Kontakt

shhhhtwoday(at)googlemail.com

Aktuelle Beiträge

Ich wusste, das war die...
Ich wusste, das war die richtige Entscheidung!
Shhhhh - 24. Jan, 07:13
Das Paket für später...
Das Paket für später käme sonst ja überhaupt nie dran...
iGing - 23. Jan, 19:19
Später Kaffee
Jeden Morgen, wenn ich zur Arbeit komme, gehe ich in...
Shhhhh - 21. Jan, 21:52
Sehr plastisch geschildert
Was brütet wohl derweil die EI aus, die echte Intelligenz...
Gernial - 12. Jan, 08:23
Ich denke auch, dass...
Ich denke auch, dass Pistorius schlauer ist als allgemein...
NeonWilderness - 30. Nov, 15:16

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Angewandte Literaturwissenschaft: Alexander Košenina

Hoffentlich ist dieser Text ( wenn ich denn die Zeit und Muße finde, mich nach jeder Sitzung hinzusetzen und einen Artikel darüber zu schreiben ) als Prolog zu verstehen und in seinen Aussagen kein Dogma. Er dient lediglich zur Einleitung in das hochkomplexe Thema dieser Veranstaltung und meine Erwartungen daran. Hier wird revidiert und bestätigt - mehr revidiert, hoffentlich.

Es geht im folgenden immer um die Veranstaltung: Angewandte Literaturwissenschaft der LUH, betreut durch Alexander Košenina, im Sommersemester 2012.


Als ich 1996 kurz vor dem Abitur zu einer Veranstaltung von „Carpe Diem“ geladen wurde – erst meine zweite Dresscode-Veranstaltung nach der Jugendweihe – kam mein Vater mit. Lachhaft möchte man meinen, war ich doch eigentlich alt genug, um Entscheidungen über mein zukünftiges Leben selbst in die Hand zu nehmen. Im Nachhinein betrachtet, konnte ich froh darüber sein, von meinem Vater, „entmündigt“ worden zu sein. Er hat viele Jahre für eine private Versicherungsgesellschaft gearbeitet, kennt das Haifischbecken. Ich durchschaute damals nämlich nicht, welche perfide Rekrutiermaschine hier ihre Tentakeln ausbreitete, die DVAG ( Deutsche Vermögensberatung ).

Wie komme ich darauf, wo ich doch gerade aus einer Vorlesung mit dem Titel „Angewandte Literaturwissenschaft“ komme? Wieso kommt mir gerade da mein Vater in den Sinn? Aus einem relativ einfachen Grund: die Liste der „Vorträger“ der Veranstaltung – bis auf die Eingangssitzung, die vom zuständigen Professor geleitet wurde – liest sich wie ein „Who is Who“ der literaturwissenschaftlichen Schwergewichte in ihren Fachgebieten. Da kommt nicht irgendwer, da kommen Professoren, Doktoren, Verlagsleiter, Feuilletonisten, Museumsleiter – die wahren Verkörperungen ihrer jeweiligen Institutionen.

Das erklärt natürlich noch nicht, wie ich das mit der Rekrutierveranstaltung eines der größten legalen Drückervereine Deutschlands in Verbindung bringe. Ich musste deshalb an meinen Vater denken, weil sich in dieser Vorlesungs der sogenannte Flaschenhals* die Klinke in die Hand gibt, die von uns Studenten doch höchstens einer von hundert beerben kann. Es sollen uns hier Möglichkeiten erläutert werden, was ein Studium der Literaturwissenschaft für die Karriere bedeuten kann. Kann? Möglichkeiten? Genauso wurde bei der DVAG verfahren, da wurde uns erzählt, wie viel Geld wir verdienen können, in welchen firmeneigenen Resorts wir Urlaub machen dürfen, von Tagungen mit internationaler Prominenz, Werbepartnern und Sponsoring, Kulturförderung – alles im Namen der DVAG. Aber dass wir dafür unsere Großmutter verkaufen müssen, das hat uns niemand gesagt.

Doch zurück zu der illustren Runde von Vorträgern: unser Dozent, ein Professor, den ich sehr schätze, weil er nicht nur die richtigen Ideen hat und manchmal sogar für deren Umsetzung sorgt, ein offenes Ohr für uns Studenten aufbringt und trotz seiner konservativen Meinung der sich verändernden Medienlandschaft gegenüber ( ein Zeitungsleser, der nicht müde wird, uns diesen alten Schinken immer wieder aufzutischen ) bereit ist, hin und wieder über den Tellerrand zu schauen – er spricht immer vom Wissenschaftsbetrieb im Elfenbeinturm, den er gern beenden, erden möchte – stellt also die Gastdozenten vor und mir wird klar, dass er genau den Elfenbeinturm, den er gern beseitigt wissen wollte, den es seiner Meinung nach nicht geben sollte, wenn die Literaturwissenschaft aus ihrer Selbstbeweihräucherung herauskommen möchte, zu uns eingeladen hat, um uns mit deren Werdegängen und Berufungen „bekannt“ zu machen ( das hätte ich jetzt auch viel drastischer und bestimmt weniger gestelzt und verschachtelt ausdrücken können, und steht deshalb Pate für meine Erwartung an die kommenden Sitzungen ).

Ich dachte auch deshalb an meinen Vater, weil ich jetzt, fast 16 Jahre später, längst erkannt habe, dass ich bei der DVAG zwar meine Großmutter verkauft hätte aber kein reicher und glücklicher Mann geworden wäre. Hier in der Vorlesung allerdings sitzt mein Vater nicht neben mir. Ich muss allein entscheiden, ob mir die dargebotenen „Trauben“ nicht sauer aufstoßen werden, ob ich womöglich gar nicht in der Lage sein werde, jemals von den Trauben zu kosten. Ich bin jetzt selber Vater und muss in noch ferner Zukunft vielleicht selber Rat und Stütze sein, wo ich doch nicht einmal hier und heute sicher sein kann, den Zweck des Ganzen zu durchschauen.

Und noch ein Nachtrag in eigener Sache: Die Vorlesung bietet uns die Möglichkeit, einen Schein zu erwerben. Die Studienleistung, die neben der Anwesenheit verpflichtend ist, besteht aus einem kurzen, knackigen Text zu einer der Sitzungen, in dem wir die jeweilige Sitzung und ihren Dozenten porträtieren – nicht mehr als 1-2 Seiten. Das habe ich jetzt auch schon erledigt, möchte das gern regelmäßig machen. Allerdings sind mir die Inhalte und Dozenten weniger wichtig, mir geht es nicht um eine Wiedergabe, sondern um eine Widergabe. Denn den mit Abstand größten Teil sollen meine Assoziationen ausmachen, meine Ressentiments gegenüber Inhalten und Dozenten, meine Skepsis – mein subjektiver Eindruck eben. Keinen meiner Texte werde ich meinem Professor einreichen, ich brauche den Schein nicht und würde dafür wahrscheinlich auch keinen bekommen.

Teil 2
la-mamma - 12. Apr, 07:26

eigentlich schade, dass sie diesen (oder die kommenden) an- oder erwiderungen nicht "einreichen" werden. andererseits haben sie wahrscheinlich recht, für allfälliges verständnis müssten die empfänger ein wenig uneitler, als es professoren und dozenten im allgemeinen sind, sein.

Shhhhh - 12. Apr, 13:02

Was noch zu beweisen wäre. Ich hege ja immer noch die Hoffnung, dass es sich mit dieser Vorlesung tatsächlich so verhält, wie uns das Ganze gestern vorgestellt worden ist, nämlich als Treffpunkt der Ideen und Möglichkeiten als junger Akademiker mit seinem gewählten Studienschwerpunkt Literaturwissenschaft etwas sinnvolles anfangen zu können.
Trithemius - 12. Apr, 13:51

Oberflächlich betrachtet ist der Vergleich mit der Deutschen Vermögensberatung (DVAG) vielleicht gewagt und könnte als Ungerechtigkeit empfunden werden, denn dein Professor will euch ja nur Möglichkeiten aufzeigen und Berufsfelder nahe bringen. Man muss allerdings fragen, wieso du spontan diesen Vergleich gezogen hast und eine Mogelpackung dahinter vermutest. Die Antwort deutest du an: Im Elfenbeinturm sind Stellen rar. Die Beschränkung auf Museen und das Printmedium scheint mir ein bisschen weltfremd zu sein, als würde nebenher noch ein Kulturkampf ausgefochten. Der ist ohnehin nicht zu gewinnen. Ich war ehrlich gesagt schockiert, als mir der Historikprofessor Schneider kürzlich gesagt hat, keiner seiner Kollegen publiziere im Internet oder beschäftige sich damit, und solche Leute wie Klaus Graf (Archivalia), den kenne man im Wissenschaftsbetrieb nicht. Scheint so, als ob man den gegenwärtigen kulturellen Umbruch verschlafen will, vielleicht auch sich im Elfenbeinturm einmauern. Das ist Vogel-Strauß-Denken, aber solange man wohlbestallt im eigenen Saft sitzen kann und bequem Zeitung lesen, sich gegenseitig zitieren in Zitierzirkeln und EVD nur benutzen, um Verwaltungsangelegenheiten zu organisieren, dürfen wir von den Universitäten nichts erwarten. Bin gespannt, wie es weiter geht in deiner Vorlesungsreihe.

Shhhhh - 12. Apr, 20:04

Ich kann derzeit nicht viel tun, als an der Oberfläche kratzen, denn die Veranstaltung hat ja gerade erst begonnen. Die Ungerechtigkeit, die stark an meine niedergeschriebene Assoziation zum Auftakt der Vorlesung geknüpft ist, habe ich aus zweierlei Sicht so pointiert dargestellt:
1. Ich muss befürchten, dass dein Kommentar zur bitteren Realität wird und uns ein paar Elfenbeintürme präsentiert werden. Für die Vorträger gibt es doch außer dem Vortrag selbst und eventuell ein paar Fragen am Schluss der Sitzung keinerlei darüber hinaus gehende Verpflichtungen. Darum geht es natürlich auch nicht, der Charakter der Veranstaltung ist im Titel schon enthalten: Vorlesung: Angewandte Literaturwissenschaft. Und da ist auch die Krux zu suchen, wie wenden wir an - und mit "wir" meine ich uns Studenten - in einer Veranstaltung, die nicht einmal Teilnahme voraussetzt, geschweige denn Teilhabe? Ich habe nach dem Seminar nicht 10 Telefonnummern in der Tasche und einen sicheren Praktikumsplatz, weil ich mich in einem Seminar profilieren konnte, zeigen konnte, was ich wert bin. Nein, ich sitze schweigend in einer Vorlesung, höre zu und kann am Ende vielleicht eine oder zwei Fragen stellen. Vielleicht bekomme ich eine Antwort darauf, wie es nach erfolgreichem Abschluss des Studiums weitergeht. Ein Vielleicht ist mir aber nicht konkret genug. Ich habe die Zeit gerade übrig und finde den Ansatz interessant genug, es mir anzuhören, schade wäre es nur um diejenigen, die am Ende nicht schlauer sind; schade auch um jene, die da nur sitzen, weil der Schein so leicht verdient ist; schade auch bei denen, die gar nicht mehr wiederkommen und vielleicht etwas verpassen.
2. Der zweite Grund war für mich der entscheidende. Unser Dozent bemerkte nicht nur einmal, dass es darauf ankäme, sich von der Masse abzusetzen, einen Aufhänger zu haben, an dem man sich reiben kann, sei es nun in der Bewerbung um einen Praktikumsplatz oder an einer Journalistenschule oder sonstwo. Ich habe das hier nicht auf die netteste Art gemacht, aber ich bin ja nicht hier, um nett zu sein. Und außerdem bleibe ich doch lieber in schlechter Erinnerung als in gar keiner.
klimt (Gast) - 13. Apr, 17:21

elfenbeinturm

Mich würde mal interessieren, wen der leitende Dozent deiner Meinung nach einladen soll: Lieschen Müller, die sich nach ihrem Studium umorientiert hat oder in der Verwaltung Akten sortiert? Man möchte als Student doch sehen, wohin es gehen könnte, was man schaffen kann! Ein Vortrag von jemanden, der seinen eigenen Verlag zu Erfolg gebracht hat, Chefredakteur bei der FAZ ist o.ä. finde ich ehrlich gesagt inspirierender als wenn mir irgendein 08/15-Mitarbeiter erzählt, welchen Standardjob er gerade noch so mit dem Studium bekommen hat. Ich finde den Begriff "Elfenbeinturm" da ganz und gar nicht angemessen.
Ich jedenfalls - und da bin ich hoffentlich nicht alleine - finde es anregender, mir von Leuten, die etwas erreicht haben, Eindrücke, Ideen und Anregungen einzuholen, als mir anzugucken, was ich denn machen kann, wenn ich das alles nicht erreicht habe...
Von mir aus könnte da auch Marcel Reich-Ranicki stehen und mir sagen, wie er es hingekriegt hat, so erfolgreich zu sein (man mag ihn finden wie man will) - dann wenigstens können wir uns inspirieren lassen, was noch alles in unserem Leben kommen kann, anstatt immer nur darauf fokussiert zu sein, wie schwierig alles ist/ wie besser alle anderen sind, denn das bringt einen nicht weiter!

Shhhhh - 13. Apr, 20:17

Das ist ein Aspekt, der mich ehrlich gesagt ratlos stimmt, denn ich habe keinerlei Erfahrung mit solchen Projekten. Ich wüsste nicht, vor allem nicht besser, ob man bei den geladenen Personen nicht bessere Kandidaten hätte finden können. Mir ging es eher um die Verunsicherung, die Einschüchterung, die man dabei empfinden könnte, von jemandem „beraten“ zu werden, der bereits so fest im Sattel sitzt. Das bilde ich mir nicht ein, man schaue sich doch nur einmal an, wie ein Masterstudent der Literaturwissenschaft bei wer-weiß-was.de seine Fragen und Ängste formuliert. Hat der keinen Professor oder eine kompetente Studienberatung? Natürlich hat er die, die Verunsicherung ist doch deswegen nicht weniger groß. Man stelle sich einmal vor, ich ginge als Masterstudent zu meinem Professor und fragte ihn nach meinen Berufsaussichten, weil ich mich von der Fülle schlicht überfordert fühle. Dürfte mir da nicht vorher der Gedanke kommen, dass ich doch so eine Frage nicht zu stellen wagen dürfte, denn ich bin doch bereits so weit fortgeschritten in meinem Studium? Darf ich mich vorher nicht fragen, wie mein Professor zu solch einer Frage steht und ob er nicht insgeheim denkt, was für ein Idiot ich doch eigentlich bin, dass ich studiere, weil es mir Spaß macht und mir erst am Ende des Studiums Gedanken um mein berufliches Fortkommen mache?

Auch auf die erste Vorlesung selbst hätte ich vielleicht mehr eingehen sollen, damit gewisse Dinge besser verstanden werden können. Der „Elfenbeinturm“ entspringt nicht meinem Vokabular, sondern ist eine vielbenutzte Metapher des leitenden Dozenten. In dieser Vorlesung kam sie nicht weniger häufig vor als in anderen Antrittsveranstaltungen, die ich bei ihm besucht habe. Der Zusammenhang allerdings, in dem ich diese Vokabel gebraucht habe, ist meiner und ob er gerechtfertigt ist oder nicht, wird sich noch herausstellen. Darüber wollte ich nicht urteilen, sondern nur zum Nachdenken anregen.

Weshalb sollte denn eigentlich nicht Lieschen Müller kommen? Unser Professor redete nur kurz von seinem eigenen Werdegang, der ihn in die USA geführt und an einem Projekt mitarbeiten lassen hat, bei dem, so seine eigene Einschätzung, es durchaus bessere Kandidaten gegeben hätte. Man sei an ihn herangetreten, er hat ja gesagt und auf einmal war er in den Staaten und editierte Handschriften aus dem 17.? (ich weiß es nicht mehr genau, könnte auch älter oder jünger gewesen sein) Jh. Was sagt mir das? Ich müsse warten, bis jemand an mich herantritt? Worin bestand seine harte Arbeit ( und ich bezweifle keineswegs, dass nur harte Arbeit in den Wissenschaftsbetrieb münden ) genau, wo treibt man sich rum, damit so jemand kommt und ein solches Angebot unterbreitet? Weshalb kommt nicht der ein oder andere Doktorand, der sich mühsam eine halbe Stelle erkämpft hat, der etliche Exposés geschrieben hat, der mit seiner Master- oder Magisterarbeit hausieren ging, um sie bei einem literaturwissenschaftlichen Fachblatt unterzubringen? Dass auch Glück dazu gehört und Zitat: „man sich nicht so einfach vornehmen kann, Professor zu werden“, ist mir doch klar. Aber ich will doch nicht nur wissen, wie rosig die Zukunft sein kann, sondern auch vom steinigen Weg dahin erfahren ( Beispiel: ein junger Absolvent bekommt, soweit ich weiß, nicht unbedingt genug Geld zum Leben, wenn er beschließt, ein paar Seminare an der Uni zu halten, was macht er also noch? ). Was ist mit Volontären, den Privatdozenten, deren prekäre Lage in der Vorlesung ebenfalls angesprochen wurde, einem Examenskandidaten der Journalistenschule und warum nicht Lieschen Müller, die gerade versucht mit einem Zusatzstudium oder einem kleinen Stipendium in eine Nische hinein zu manövrieren, die ihr mehr liegt?

Suche

 

Status

Online seit 5202 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 24. Jan, 07:13

Lesen

Credits


xml version of this page
xml version of this page (summary)
xml version of this page (with comments)

twoday.net AGB

Blogverzeichnis Creative Commons Lizenzvertrag
Shhhhh.

Alles nur Theater
Auf Spatzen geschossen
Auslaufmodell Buch
Den Ball gespielt
Der alltägliche K(r)ampf
Die kleine Form
Gedankeninseln
Geldregierung Arbeitsplatz
Gelegenheitslyrik
HaCK
Herr Fischer
Klassenraum
Links
Mensagespräche
Nichts Spezielles
Ohne Brille
... weitere
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren