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Bei den Leisen Tönen. Manchmal braucht es einen Blog, um sich Luft zum Denken zu verschaffen. Keine Steckenpferde, Hobbies oder sonstiges Spezielles, nur Luft zum Denken.

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Montag, 11. Juni 2012

Schon wieder eingedeutscht

Ist bei mir ja schon eine Weile her, die Schule, aber erinnern kann ich mich an ein paar Details trotzdem noch. Ich kann mich zum Beispiel daran erinnern, dass ich im Topographieunterricht eine besonders große Leuchte war. Gab es irgendwo ein Land auf der Erde, ich wußte die Hauptstadt. Hörte ich den Namen eines deutschen Mittelgebirges, ich kannte die höchste Erhebung darin, die längsten Flüsse, Wüsten, Meere usw. Ich hatte da ein Köpfchen für.

Seitdem ist viel passiert, Länder wie Zaire gab es noch, Eritrea war noch nicht unabhängig und überhaupt hat sich so einiges verändert. Man spricht heute so einiges anders aus, als früher. Als ich noch in die Schule ging, sagte man nämlich noch das eingedeutschte Peking anstatt Beijin ( ich übernehme hier keine IPA Lautschrift, sondern einfach die Buchstaben, die mir bei der heutigen Sprechweise so einfallen ). Spätestens seit den olympischen Spielen dort, ich vermute aber schon früher, schlug die Aussprache der chinesischen Hauptstadt um von der eingedeutschten Variante Peking zum wohl mehr landessprachlichen Bejin. Kein Problem, solche kleine Änderungen bekomme ich sehr schnell in meinen Kopf und wegen der Besonderheit bleiben sie meistens sogar darin. Es gibt ja auch ein englischsprachiges Lied, wo es um 100.000 Fahrräder geht oder so ähnlich, die Sängerin singt auch Beijin.

Ein anderes Detail fällt mir seit ein paar Tagen auf, genauer gesagt seit Beginn der Fussballeuropameisterschaft. Zu meiner Schulzeit war es nicht nur verpönt, sondern wurde schlicht mit falsch bewertet, wenn wir Danzig oder Posen sagten. Die Städte hießen Gdańsk und Poznań. Und heute: da fällt keinem Sprecher der ARD oder ZDF auch nur im entferntesten ein, die polnischen oder ukrainischen Namen der Städte zu nennen.

Samstag, 9. Juni 2012

Jahörer

Mein Sohn sagt seit ein paar Tagen "Ja!". Es ist ein trockenes Ja ohne besondere Hebung oder Senkung. Das ganze Wort, so kurz es auch ist, wird gleichmäßig schnell gesprochen und betont. Er weiß noch nicht, was es bedeutet, aber es kommt ja auch immer auf die Frage an, die man stellt. Alle Nase lang wird jetzt ein Ja von ihm abverlangt. Nein kann er nicht sagen, dafür umso vehementer kenntlich machen. Das geht vom einfachen Kopfschütteln bis hin zum Wegdrehen, aus der Hand schlagen oder zu Boden sinken und in Tränen ausbrechen.

Gestern dann stand ich am Strandleben, bestellte mir einen Kaffee und wurde nach Milch gefragt. Ich ließ ein trockenes Ja die Kehle runterrollen und blieb wie angewurzelt stehen. Ich spreche seit über 30 Jahren Jas aus und habe gestern zum ersten Mal meins gehört. Es klang wie das Ja von meinem Sohn. Und nun kann ich mich partout nicht daran erinnern, ob ich das Ja schon immer so ausgeprochen habe, oder ob das erst seit ein paar Tagen so ist.

Donnerstag, 7. Juni 2012

Leitung eines Literaturhauses: Kathrin Dittmer

Teil 7

Abgeklärter Enthusiasmus. Auf mehrere Gastdozenten traf diese Beschreibung schon zu, wenn es darum ging, das eigene Tätigkeitsfeld mit all seinen Höhen und Tiefen vor dem Plenum breit aufzufächern; Mathias Wehrhahn ebenso wie Volker Bürger. Kathrin Dittmer, die Leiterin des Literaturhauses Hannover, verkörperte diese Art der Selbstwahrnehmung in ihrer bisher reinsten Form, doch dazu mehr im weiteren Verlauf.
Wahrscheinlich hat die Schafskälte das Plenum im Hörsaal zur Vorlesung „Angewandte Literaturwissenschaft“ ausgedünnt. Ich hätte meine Winterjacke auch gern an den Nagel gehängt und die Kapuze gern gegen ein paar Flip Flops eingetauscht, den Kugelschreiber gegen einen Cocktail mit Sahne – aber das Leben ist ja kein Ponyhof. So ähnlich schien mir auch die Berufsauffassung von Kathrin Dittmer zu funktionieren, die als eine von zwei Festangestellten das Literaturhaus Hannover leitet und als deren Vertretung in genanntem Hörsaal erschien und mit einer gehörigen Portion stoischer Pragmatik bewaffnet den Kampf gegen stille Minuten bestritt. Das ging sogar so weit, dass sie zu reden begann, wenn sich bereits abzeichnete, dass das ans Plenum übergebene Wort demselben nicht zu entlocken war.

Der von ihr präsentierte Lebenslauf gestaltete sich ähnlich unspektakulär wie die meisten Lebensläufe, die während der Vorlesungsreihe so vorgestellt worden sind. Nicht einmal das „obligatorische“ Auslandspraktikum wurde erwähnt (absolviert?). Dieses vorgebrachte Understatement der Gastdozenten ist jedesmal wie ein Sonnenstrahl, der es durch eine dunkle Wolke schafft. Und an dieser Stelle möchte ich auch gleich noch etwas klarer stellen, was missverständlich aufgefasst wurde. Mein „Bla Bla“ aus dem vorigen Artikel hätte ich gern korrigiert auf „Geplauder“, und nichts läge mir ferner, diesen immer wieder angesprochenen Punkt in jeder Vorlesung wegzustreichen, denn es ist sehr wohl interessant, wie sich so ein Berufsleben entwickelt und was der ein oder anderen Zäsur oder Weichenstellung vorausgegangen war. An solchen Stellen wünschte ich mir manchmal nur ein wenig mehr Präzision – diese Stellen werden von den Vortragenden aufgrund des guten Auskennens in der eigenen Biographie häufig als selbstverständlich angenommen und oberflächlich abgehandelt – und wenn schon keine Präzision so doch zumindest Präzisierung durch gezieltere Fragen.
Und endlich, endlich ist sich wieder jemand nicht zu fein, auszusprechen, dass Arbeit nicht nur Spaß bedeutet, sondern Arrangement mit allerlei ungeliebten „Nebentätigkeiten“ für die von jedem selbst gefordert wird, darin einen Nutzen für sich und diese Arbeit abzuleiten. Das kann eine schlichte Erfolgskontrolle sein, die es einem ermöglicht, sich danach auf die Schulter zu klopfen oder es beim nächsten Mal anders zu machen. Das kann auch bedeuten, sich mit Dingen zu beschäftigen, die kein Arbeitsvertrag vorher schriftlich als zugeteiltes Aufgabengebiet definiert hat. Oder es heißt, sich in seiner Freizeit mit Dingen zu beschäftigen, die in Teilen zur Kür (Krimi lesen) aber in anderen Teilen zur Pflicht (zur Vorbereitung auf eine Lesung den Autor anzulesen) gehören. Frau Sullner äußerte sich ja sehr diplomatisch, was ihre Lesegewohnheiten anging. Frau Dittmer sagte es offen heraus: sie liest (Kür und Pflicht) in der Freizeit. Und das macht ihr Spaß – auch an der Arbeit.

Das Literaturhaus Hannover hat ein umfangreiches Programm, das sich aus Lesungen, Diskussionen, Preisvergaben (LiteraTour Nord z.B., dessen Preisträger aus dem Jahr 2000 ebenfalls bei uns zu Gast war) uvm. zusammensetzt. Als Verein „getarnt“ arbeiten sich die beiden Mitarbeiter(:innen?, ja, die Veranstaltung hatte auch ein Genderproblem, nicht nur dass Frau Dittmer so sprach wie Frau Kiehl schreibt, nämlich die weibliche Form anhängend, als würde sie von einem Doppelpunkt, einer kleinen Pause mitten im Wort, getrennt; auch Prof. Košenina war ein ums andere Mal bemüht, aus jedem Anwesenden eine Chefin zu machen) an der Gegenwartsliteratur ab, haben ein Auge auf die Finanzen, die längst nicht nur aus Spenden und erst recht nicht nur aus Mitgliedsbeiträgen bestehen und kümmern sich um alle möglichen Dinge – von der Hotelbuchung bis hin zum Schülerwettbewerb der HAZ als Jurymitglied. Bei der Erwähnung dieses Wettbewerbes rollte Frau Dittmer mit den Augen und war froh, dem diesjährigen als Mitglied der Jury noch nicht beigewohnt zu haben. Verständlich, denn wer liest schon gerne 1000 Aufsätze. Ein kleiner Wermutstropfen blieb bis zum Schluss übrig und gab dann auch den Ausschlag für den von ihr bis zur Vollendung verkörperten „abgeklärten Enthusiasmus“: sie sagte nicht, was ihr von all den Dingen, die sie so tut, am meisten Spaß macht.

Teil 9

Montag, 4. Juni 2012

Feuilleton/Literaturredaktion: Frau Martina Sulner

Teil 6

Dieses Mal habe ich mir wirklich ungebührlich lange Zeit gelassen, um meine Beschreibung der Vorlesung „Angewandte Literaturwissenschaft“ abzuliefern. Es war Vorlesungsunterbrechung und ich war im Urlaub, deshalb dauerte es diesmal etwas länger. Zu Gast war Frau Martina Sulner von der HAZ. Thematisch „überschattet“ war die Veranstaltung von dem Titel „Feuilleton / Literaturredaktion“.
Ich habe mich während der Vorlesung schon einige Male davon überzeugen lassen können, dass es sich bei den Gastdozenten nicht ausschließlich um „Elfenbeinturmbewohner“ handelt. So wurde ich auch hier wieder angenehm überrascht von einer Dame, die ganz und gar nicht den Eindruck vermittelte, abseits des realen Lebens und in abgehobener Position vor sich hin zu arbeiten; die sich mit klarer, lauter Stimme gegen geöffnete Fenster und damit verbundenem Straßenlärm durchsetzte. Das Plenum war beschaulich brav und leise, aber auch in besonderem Maße interessiert. Frühe Fragen verzerrten den Dialogcharakter der Vorlesung, ein Pluspunkt. Inhaltlich kam nicht viel Neues auf den Tisch. Das übliche Bla Bla beim Lebenslauf. Was ich schon länger nicht mehr gehört hatte, war der ominöse Anruf eines potentiellen Arbeitgebers, der da einfach mal so wissen wollte, „ob sie (Frau Sulner) nicht diesen oder jenen Job machen wolle“, in ihrem Fall den Pauschalistenjob bei der HAZ. Mentoren seien wichtig, Praktika nicht zu vergessen usw. Was gäbe es also noch Interessantes zu berichten, fragte ich mich.



Diese Todesanzeige geht zurück auf die Äußerung Martina Sulners, in 15 Jahren werde es immer noch Zeitungen geben. Recht hat sie, nur wie sieht diese Zeitung der Zukunft aus? Die HAZ hat kein Feuilleton, genauso wenig wie jede andere Zeitung im „Madsack-Imperium“. Todesanzeigen und sinkende Auflagen haben sie aber alle. Die Todesanzeigen finden sich übrigens recht häufig in dem Teil der Zeitung, der sich Feuilleton nennt. Ist das Zufall? Ist es Zufall, dass das Feuilleton laut Prof. Košenina immer die Seiten der Zeitung sind, die in Fitnessstudios, Bibliotheken, Friseursalons usw. als erstes vergriffen sind und wie hängt das mit den Todesanzeigen zusammen? Prof. Eva Martha Eckkramer von der Universität Mannheim äußert sich dazu ungewöhnlich vage für eine Wissenschaftlerin: „Anscheinend gehört der Todesanzeigenteil zu einem der meistgelesenen Teile einer Tageszeitung, der einen sehr hohen Grad an Aufmerksamkeit genießt.“¹ Arg rüde äußert sich dieser Blogger: „Hier in meiner unmittelbaren Umgebung interessiert es den geneigten Tagesblatt-Leser weit mehr, wer in den Todesanzeigen steht und wie die Heimmannschaft der 8.Liga am vorherigen Samstagnachmittag gespielt hat, obwohl man selbst dem Spiel seine bierflaschenbewehrte Aufwartung gemacht hatte. Wenn da im Feuilleton über eine Seite hinweg nur "Zicke-zacke-Hühnerkacke" zu lesen ist, merkt dass doch keine Sau.“ Es könnte also lange und ausgiebig darüber diskutiert werden, ob die Todesanzeigen deshalb im Feuilleton stehen, weil sie so beliebt sind, oder ob das Feuilleton deshalb immer vergriffen ist, weil die Todesanzeigen darin abgedruckt sind – die altbekannte Huhn-und-Ei-Frage, wobei ich noch nicht herausgefunden habe, wer die Todesanzeigen ins Feuilleton getan hat. Es könnte auch danach gefragt werden, ob sich hinter dem Feuilleton-Leser ein Aufschneider versteckt, der, seit es den Kindle gibt, leider nicht mehr als sogenannter „Bildungsbürger“ enttarnt werden kann, weil er nicht mehr in der Straßenbahn eine leicht zerlesene Ausgabe der „Dialektik der Aufklärung“ liest, sondern in einen kleinen schwarzen Kasten guckt, der auch die neueste Ausgabe des Lustigen Taschenbuchs anzeigen könnte. Solche Fragen will ich hier aber gar nicht stellen.

Was macht eine Zeitung zukunftsfähig? Frau Sulner sagte, dass es eine Gratwanderung sei, den „etablierten“ Abonnenten (Altersgruppe 60+) nicht zu verschrecken und andererseits den „jungen Leser“ zu gewinnen. Hier wird natürlich nicht nach Antworten gesucht, sondern lediglich die Schwierigkeit des Unterfangens herausgestellt. Frau Sulner äußerte sich – nicht ohne Bedauern – zu den letzten Marktanalysen der Madsack-Gruppe, die allesamt leider schon viel zu alt sind, um noch repräsentativ zu sein. Hoffentlich sind sie nicht schon so alt, wie die Abonnenten, wobei dies allerdings erklären würde, was bei der NP gerade passiert. Wie es nicht geht, beweist nämlich seit längerem die Neue Presse, indem sie sich bei den Schlagzeilen dem Niveau der Bildzeitung nähert. Auf Rückfrage meinerseits bei einem dort tätigen Redakteur sagte dieser, dass das ein heikles Thema sei und kontrovers diskutiert wurde, letztendlich aber der Abgrenzung (Schärfung?) des eigenen Profils dienen sollte. Aha! Mein Schuss ins Blaue dazu sähe ungefähr folgendermaßen aus: man betrachte einmal die Statistiken der Seite meedia.de² und veranschauliche sich die Grafiken der HAZ/NP und der Bild nebeneinander. Da fällt auf, dass sich die Käuferschicht der Bild nicht aus Abonnenten, sondern eher aus Direkteinkäufern zusammensetzt und die der NP und HAZ größtenteils aus Abonnenten. Die Zahl der Abonnenten zu erhöhen ist wie gesagt eine „Gratwanderung“, also bleiben nur die Direktkäufer. Das heißt, derjenige, der seine Zeitung althergebracht am Kiosk oder beim Bäcker einkauft, soll statt zur Bild jetzt zur NP greifen Das macht man mit einer reißerischen Schlagzeile und funktioniert wohl ähnlich wie bei dem Impulskauf an der Supermarktkasse, wenn man dort steht, wartet und plötzlich zu den Tic Tac greift. Ähnliches dachte sich wohl die NP und versucht nun mit reißerischen Schlagzeilen und A4-formatigen Werbeaufstellern, den Käufer beim Kiosk oder Bäcker auf die NP einzuschwören. Dadurch dass auch die Bild sinkende Auflagen hat und sich die NP trotzdem dazu durchrang, diese Strategie zu fahren, hätte das Ganze durchaus etwas altruistisches – denn wer liest schon gerne die Bild. Hätte, weil es scheinbar nur funktioniert, wenn das Niveau bei der NP selbst auch sinkt. Nicht die Zeitung ist hier die Ware, sondern der Leser.

Der hier zu Tage tretende Solipsismus zeigt sich auch an anderer Stelle. Wenn zum Beispiel Di Lorenzo und Schirrmacher von Katrin Göhring-Eckardt interviewt werden und sich im Kommentarstrang unter dem Interview nicht nur gelöschte Einträge (Meinungsfreiheit?!?), sondern vor allem unbeantwortete Kommentare wiederfinden (auf den Inhalt des Interviews einzugehen, obwohl streckenweise durchaus lesenswert, würde hier zu weit führen). Ich teile nicht die Meinung, dass „schöne Worte“ den Nimbus des „Einkanalmediums Zeitung“ hinwegredigieren können. Uneingelöst bleibt somit das „Dialogangebot“ (davon sprach auch Frau Martina Sulner). Da unterhält und streitet man sich lieber über die Zeitungsgrenzen hinaus aber bitte schön im erlesenen Kreis. Die heutige Avantgarde – und damit meine ich nicht den Literaturwissenschaftler oder die, die es noch werden wollen – liest ja sowieso mehrere Zeitungstitel, sie kann dem Gequassel problemlos folgen und folgt den Quasslern natürlich überall hin; sie geht dafür ins Fitnessstudio, zum Friseur oder in die Bibliothek, denn an steigenden Abonnentenzahlen kann man die Avantgarde leider nicht ausmachen. Wenn sich die Zeitungsmacher also weiterhin vor einem „echten“ Dialog verschließen, den Leser dazu verdammen, trotz bekundetem Interesse (Abonnement) immer ein wenig außen vor zu bleiben, ist das Feuilleton nichts weiter ein Statusemblem und die Zeitung nichts weiter als gutes Papier, um die guten schwarzen Schnürschuhe zum Glänzen zu bringen.

¹Eva Martha-Eckkramer, Sabine Divis-Kastberger, Die Todesanzeige als Spiegel kultureller Konventionen, Mannheim 2009?, S.19.
²Hier können sich fast alle Zeitungstitel der Madsack-Gruppe und so ziemlich alle großen Zeitungstitel angeschaut werden, ein Blick, der sich lohnt.

Teil 8

Donnerstag, 31. Mai 2012

ohne Klingelton

Ich hatte vor kurzem unsere Klingel reaktiviert, weil wir mehrere Pakete erwarteten. Die Pakete waren alle während unserer Anwesenheit geliefert worden. Es klingelte, ich ging zur Tür und öffnete. Es kam ein junger Mann die Treppe hochgerannt, hielt mir sein Bedienpanel vor den Bauch und nötigte mir eine Unterschrift ab. Dafür bekam ich dann jeweils ein Paket, eins von GLS, eins von DHL und noch eins von einem Lieferservice, dessen Name mir entfallen ist. Das Ganze spielte sich letzte Woche ab.
Diese Woche kam noch ein Paket, das niemand auf der Rechnung hatte. Ich musste dafür auch nicht unterschreiben, ich bekam es einfach so ausgehändigt, von DHL. Das ging nur deshalb, weil ich vergessen hatte, den weißen Draht unserer Klingel zu lösen. Normalerweise ist unsere Klingel immer abgestellt. Es nervt einfach, wenn Hinz und Kunz an jedem Vormittag ein Konzert im Treppenhaus veranstalten, weil irgendein Wurstblatt in irgendeinen Briefkasten zu landen hat. Viel schlimmer noch als die Wurstblätter aber sind die Pizzablätter der Bringdienste, die Kreditofferten und Zirkusse, die Jubiläen von Autohäusern.

Meine schlimmste Arbeitserfahrung machte ich vor zwei Jahren im Sommer, als ich einen Stapel Infoblätter von den Herrenhäuser Gärten und ihren Konzertreihen in die Hand gedrückt bekam und vor dem Opernplatz an Passanten verteilen sollte. Ich sollte nicht nur verteilen, sondern explizit auf die Veranstaltungen verweisen, die Leute in ein Gespräch verwickeln und ausschließlich den wirklich Interessierten einen Flyer in die Hand drücken. Ein älteres Ehepaar, was mehr oder weniger eine Abendveranstaltung besuchen wollte an diesem Tag ( es fand genau an diesem Tag die Eingangsveranstaltung der Konzertreihe statt ), waren die einzigen wirklich Interessierten. Den Rest der Flyer drückte ich mitleidvollen Passanten in die Hände. Auf jede Annahme eines Flyers kamen ca. 10 Absagen, Abwinken, Ignorieren.
Nach ca. 20 verteilten Flyern ging ich eine Runde um die Oper herum, fand eine unauffällig geparkte Tonne und entledigte mich der Hälfte des schweren Gutes. Besser ging es mir dann nicht. Auch nicht, als ich die andere Hälfte wieder bei meinem Arbeitgeber ablieferte. Aber ich wusste wenigstens, welchen Job ich niemals wieder machen würde. Ich verminderte meine tatsächlich geleistete Arbeitszeit um eine Stunde des schlechten Gewissens wegen, und kündigte noch am gleichen Tag.

Weil ich unsere Klingel weiterhin in Betrieb halte, läutet es zur Zeit mindestens zweimal am Tag, wegen des Postboten und wegen einer ungewollten Offerte irgendeines armen Menschen, der ebenfalls ein schweres Päckchen trägt und sich dessen in unserem Hausflur entledigen möchte. Bevor ich den Job gemacht hatte, wollte ich schon des Öfteren herunterlaufen und mit drohender Faust auf die Tabuklingel, unsere, verweisen. Ich bin dafür zu gut erzogen. Ich nehme mittlerweile jeden noch so beschissenen Flyer an, den man mir in die Hand drücken möchte und lehne nur ab, wenn ich bereits an anderer Stelle aus anderer Hand den gleichen vorzuweisen habe. Den zeige ich dann freundlichst vor und gehe meiner Wege. Zu Hause wandern die Papiere in den Müll, ich traue mich nicht einmal mehr, sie vorher wegzuwerfen.

Und heute will ich gerade das Haus verlassen, als ich, der ich immer durch die Hintertür auf den Hof trete, den Postboten sehe, wie er mit rascher Hand die Klingel im Haus auslöst und um Einlass bittet. Es summt, er ruft: "Post! Danke!", und beginnt die Briefkästen zu füllen. Ich gehe hinten raus, laufe vorn herum und frage mich, ob er nur dort geklingelt hat, wo er auch einen Brief einwerfen wird; ob er aus Rücksicht nur wenige bestimmte Klingeln betätigt, wenn er sich einem Hauseingang nähert. Ich warte vor der Eingangstür, bis er wieder herauskommt und frage ihn danach. Er antwortet, dass er überall klingelt, sonst würde er noch morgen die Post von gestern austragen. Ich habe mich nicht getraut zu fragen, ob an seinem dicken Schlüsselbund nicht auch der Schlüssel für unsere Haustür befestigt ist, ich habe soeben die Klingel wieder abgeschaltet.

Mittwoch, 30. Mai 2012

Prokrastinspiegel

Jetzt sind Ferien, ich war in den Ferien und irgendwie ist alles auf Ferien umgestellt. Mein Prokrastinspiegel nähert sich dem Höchstwert. Die Sonne lacht jeden Tag aufs Neue über all die Sachen, die ich mir vornehme und träumen tu ich auch nur Scheiß. Heute wachte ich sogar vom Träumen auf.

Der Traum war so absurd, dass ich davon aufgewacht bin und ihn sogleich vergessen habe. Als ich dann hier am Rechner sitze und kurz was schreiben will, drängt er sich in mein Gedächtnis und klaut allen anderen Ideen die Luft zum Atmen. Jetzt sitze ich hier und überlege, ob ich irgendjemand mit halb aufgeblasenen Volleybällen, einer zugigen Turnhalle und meiner Berufsschullehrerin belästigen sollte oder ob ich meinen Prokrastinspiegel - diesmal aus durchaus vernünftigen Gründen - zur stabilen Wetterlage erkläre.

Ich glaube, ich mache beides. Ich entschuldige mich hiermt für die Erwähnung eines Traumes, belasse es bei den drei sinnlosen Absätzen und genieße das Wetter so lange es heiß ist.

Samstag, 26. Mai 2012

Wernigerode

Wernigerode ist wie eine Modelleisenbahn im 110:1 Maßstab, also alles in Echtgtröße, wo man seine müden Knochen doch sonst durch irgendwelche Einstiege oder abseits der Platte hinbewegen muss, um Einfluss auf den Betrieb nehmen zu können. Die HSB trötet ihren Gruß alle halbe Stunde in ca. 50 cm Luftlinie an unserer Residenz vorbei ins Tal. Der Blick auf das Schloss ist phänomenal, das Schloss selbst leider nicht unbedingt eine Reise wert, denn die Ausstellung ist eher mau.

Fachwerk ist hier der hervorzuhebenden Baustil. In der Innenstadt ist fast alles Fachwerk, hier oben auf dem Eisenberg liegen die mondänen Villen aus der Jahrhundertwende des vorigen Jahrhunderts. Selbst die Kellerfenster sind hier mondän und von steinernem Sockel umschlossen. Die Kirchen, zumindest diejenigen, ide wir besucht haben, waren alle romanischen Ursprungs. Der Turmwächter in der zweiten war nicht romanisch, aber so nett, uns den Eintritt auf die Aussichtsplattform zu erlassen. 138 Stufen habe ich gezählt, mit meinem Sohn auf dem Arm. Oben: Taubenscheiße und ein herrlicher Ausblick. Morgen geht es schon wieder weiter in die Ottonenstadt, auch irgendwie romanisch, auch mit der Eisenbahn.

Mittwoch, 23. Mai 2012

Bier im Stiefel

Als wir, Frau H., Herr D., Trithemius und ich, gestern limmern waren ( auf der Limmerstraße sitzen, dummes Zeug erzählen und Bier trinken ), kamen so einige geflügelte Worte daher, teilweise ungewollt und an anderer Stelle durchaus mit Absicht. Dieses Bonmot war ungewollt von Trithemius in die Welt gesetzt, weil er tatsächlich Bier im Stiefel hatte, was ihm Herr D. aus Versehen hineingekippt hatte.

Bier im Stiefel könnte für so vieles stehen, deshalb darf sich jetzt jeder etwas aussuchen. Ich fange einmal mit zwei Vorschlägen an und nehme natürlich gerne weitere entgegen:

1. Vorschlag

Bier im Stiefel = Wut im Bauch
So ungefähr das blödeste, was einem auf der Limmerstraße passieren kann, ist, wenn einem das Bier umkippt. Wenn man daran nicht selbst schuld ist und, oder es einem dann in den Stiefel läuft, ist die Laune echt am Boden.

2. Vorschlag

Bier im Stiefel = sturzbetrunken
Mit Bier im Stiefel hat man es auf der Limmer eindeutig geschafft, herumgrölen und -torkeln, Passanten anrempeln und im Kiosk rumpöbeln. Der Abend war eindeutig feuchtfröhlich.

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