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Freitag, 27. April 2012

Geschäftswetterindex

Der Strand hat wieder aufgemacht und das seit Tagen schwelende schöne Wetter hat trotzdem auf sich warten lassen. Ich vermutete ja schon einen Zusammenhang mit meinem bisher fehlenden Gesundheitszeugnis, das habe ich jetzt nachgeholt, das Wetter war trotzdem so lala aber wir hatten auf. Angekündigt wurde ja ein Blitzsommer ( Achtung der Link führt zur BLÖD ) aber der war wohl nur für Süddeutschland gedacht - ein marginaler Ankündigungsfehler. Ich hätte es natürlich besser wissen müssen, wo ich bei Wettervorhersagen ja sowieso eher vorsichtig bin. Der Hurraoptimismus einiger Redaktionen zielt ja eher auf die positive Schlagzeile, denn auf den tatsächlichen Wahrheitsgehalt für alle. Schließlich wissen wir schon seit langem, dass schlechte Nachrichten die wirklich guten Nachrichten sind und man den Zeitungen ja nicht vorwerfen möge, deshalb nur schlechte Nachrichten zu drucken, da ist ein euphorischer Wetterbericht doch auch mal was.

Verquer wie das eben ist auch die Feststellung der Wetterexperten, dass Klima das ist, was wir erwarten und Wetter das, was wir kriegen. Verquer deshalb, weil diese optimistische "Vorhersage" meist auf statistischen Daten beruht, die sich aus den letzten 30 Jahren Wetterbeobachtung erschließen und alljährlich im Winter die Leute an vermeintlich noch einigermaßen warme Plätze lockt. Da wird kurzerhand ein Zypernurlaub im Dezember gebucht und 25° C erwartet. Ähnlich verhält es sich auch mit dem Ifo Geschäftsklimaindex, der, wie könnte es anders sein, natürlich nicht Ifo Geschäftswetterindex heißt, weil ja keiner möchte, dass er mit einem Regenschirm zur Börse rennt, obwohl die Prognose doch freundlich war. Da wird der viel dehnbarere Begriff des Klimas herangezogen, um uns vorzugaukeln, alles wäre super.

Ich für meinen Teil, lasse die Kapuzenjacke weiterhin in meinem Gepäck, denn ich vertraue weder den Klima- und erst recht nicht den Wetterexperten, auch wenn es heute am Strand trocken blieb.

Mittwoch, 25. April 2012

Wissenschaftliche Bibliothek/Forschungskoordination: Dr. Volker Bauer

Teil 2

Dr. Volker Bauer, stellvertretende Leitung der Abteilung Stipendien, wissenschaftliche Veranstaltungen und Nachwuchsarbeit der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, war heute Gastdozent in der Vorlesungsreihe „Angewandte Literaturwissenschaft“. Selbstverständlich persönlich bekannt mit dem hauptamtlich Lehrenden und auch voller Elan - davon gehe ich aus - machte dieser einen freundlichen und energischen Eindruck, und in diesen Details möchte ich mich diesmal verlieren:

Die wirklich ungeheuer große Stirn von Dr. Volker Bauer macht die ganze mittlere Partie vom Auge bis zum Mund – kleinlich, obwohl an sich weder Auge noch Nase, noch Mund kleinlich ist. Diese ungeheure Stirn verrät einen furchtbaren Reichtum, einen unbezwinglichen Eigensinn; in der Stirn ist Witz und Unbeugsamkeit sichtbar. Die Augen unter diesen idealisierenden Augenbrauen und in dieser Tiefe, mit diesem hellen, ruhigdurchdringenden Blick – sind die des unermüdeten, ausschöpfenden, aufgrabenden, idealisierenden Beobachters. Kraft haben sie zum Überschauen, Durchschauen, Detaillieren – mehr als schnell und ganz zu umfassen.

Diese Nase! Wie frei! Wie fest! ohne starr zu sein. Die Nase, mir entscheidend für die innere, unerlernte, eigene Größe empfindsamer, feiner Schöpfungskraft, sie überwindet, entscheidet alles. Wer sie nicht fühlt, hier nicht gestehen muss: Nase ist einer der beredsamsten Teile des Gesichts! Der Mund hingegen ist ein Gemeinplatz von Unbestimmtheit, trotz allem nicht ohne Gefälligkeit und Güte. In der Mittellinie des Mundes besonders liegt der Ausdruck von Kraft, ein Spiegelbild der Augen. Dieser zartgeschlossene Mund, das breite und dennoch nicht flache, nicht fleischige Kinn, das Vielfältige im ganzen Gesicht stimmt trefflich mit dem übrigen überein und ist Ausdruck von Nachdenken und sanfter Tätigkeit.

So, stellte sich ein gewisser Lavater die Größen seiner und aller Zeit vor, neu verwoben und trotzdem schlichtweg geklaut von mir. Das Bild, die Grundlage meiner „Beobachtung“ findet sich hier. Und wenn jemand fragt, wieso das Ganze? Ich war gar nicht da, musste Dinge erledigen, die keinen Aufschub duldeten, leider.

Teil 4

Montag, 23. April 2012

Nudelkissen

Am Tag des Bieres musste ich arbeiten, und irgendwie passend: für eine Kneipe, nein, keine Kneipe, ein Szenelokal. Jeden Montag fahre ich mit leeren Kisten beladen in die Metro und kaufe dort im großen Stil ein. Mein Einkaufswagen ist groß, meine Liste ist gefühlt jeden Montag ein klein wenig länger und ich brauche auch irgendwie immer ein bißchen mehr Zeit, denke ich. Ist aber nicht so, es ist immer das Gleiche.

Heute war also Montag und mit dem Feierabend wollte ich mir ein schönes Bier genehmigen. Dafür sollte ich nur die Liste abarbeiten und den ganzen Kram nach dem Heimtransport noch in die Regale füllen. Leider bekam ich nicht den ganzen Kram. Die wichtigen Dinge sind nie ausreichend vorhanden und wenn man sie dann endlich so dringend braucht, dass man sich nach einer alternativen Einkaufsmöglichkeit umsieht, kommt plötzlich eine Lieferung, eine Werbung, und es gibt den Scheiß, den man am liebsten woanders gekauft hätte auch noch billiger als sonst.

Als vor zwei Wochen der Sommer ausbrach, gab es nicht einen vernünftigen Ketchup mehr in der Metro. Ich musste mit Glasflaschen vorlieb nehmen, in ungünstiger, weil zu kleiner Größe und dem doppelten an Gewicht. Jeder gottverdammte Grill in der Stadt wurde eingeweiht und ich war am Montag Abend einfach zu spät, um noch etwas vom Ketchup abzubekommen. Diesmal war es so mit den Knabbereien zum Kaffee. Die gab es nicht, zumindest nicht ausreichend, weil jeder gottverdammte Krepelkiosk seine Außenbestuhlung herausgekramt hat und glaubt jetzt doppelt soviel Kaffee wie sonst zu verkaufen, denn ab Donnerstag soll ja schönes Wetter kommen. Da ist Montag Abend einfach kein Blumentopf mehr zu gewinnen. Scheiß drauf, gibt's eben halbe Walnüsse zum Kaffee, oder eine Gurkenscheibe.

Nach fast getaner Arbeit, die letzte Kiste drohte im Treppenaufgang, bestellte ich mir mein Essen in der Küche, bevor ich die beiden Nudelpakete herausholte und nach unten in den Keller trug. 10 kg Nudeln zu zwei Säcken, in jeder Hand einen. Ich legte sie wie immer auf den obersten Regalboden, wo sonst nur noch die Müsli- und Cornflakes-Kreationen ihrer Verzehrung harren. Ich hiefte sie hoch, stellte sie mit der schmalen Seite nach unten, sich leicht schräg gegenüber stehend. Dann machte ich in beide einen leichten Handkantenschlag und sie sahen aus wie Omis Kissen auf der Couch, immer wenn ich sie besuchen kam. Wenn es nicht der oberste Regalbodenträger gewesen wäre und die Decke so verdammt nah, dann hätte ich mir oben einen Apfelsaft und einen Eclair bestellt, mich zwischen die Nudelkissen gesetzt und meiner Oma dabei zugehört, wie unartig mein Vater war, als er so klein war wie ich.

Freitag, 20. April 2012

Verschnupft

Mein Sohn hat einen See verschluckt. Unaufhörlich speist dieser nun die Quellen des Gesichtsgebirges, vor allem der Nasenberg scheint über reichliche Wasservorräte zu verfügen. Aber auch aus Mund und Augen läuft es abwechselnd. Verbunden ist das mit markigen Geräuschen, wie man sie nur in den Bergen hört. Ein Echo gibt es bereits. Meine Frau stimmt mit lautem Niesen und Husten in die Kakophonie des Jammers ein. Mein Zinken schlägt sich wacker, doch auch hier bilden sich schon erste Stalaktiten. Und das, wo doch endlich Frühling zu werden droht - bei schönstem Sonnenschein.

Vorgestern traf ich eine Arbeitskollegin wieder, die mit mir zusammen am Strand arbeitet. Sie war lange Zeit im Ausland, man sah es ihr an. Die Sonne muss dort unverschämt oft über das Land gezogen sein, so braun ist sie. Wir unterhielten uns kurz über dies und das, bis sie plötzlich sagte, dass das Wetter ja mal endlich umschlagen könnte, damit der Strand wieder aufmacht. Wie sie das so sagte, dachte ich im gleichen Moment, sie geht jetzt los, holt sich einen Schraubenschlüssel und zieht die letzten Muttern fest. Das hat sie fein hinbekommen, die Sonne scheint seit zwei Tagen tatsächlich ein bißchen wärmer. Ob ich mir das Werkzeug mal ausleihen darf? Vielleicht bekomme ich damit die gebrochenen Dämme zum Versiegen.

Mittwoch, 18. April 2012

Schriftstellerberuf/Creative Writing: Prof. Dirk von Petersdorff

Hiermit begann die Reihe um die Vorlesung "Angewandte Literaturwissenschaft": Text 1.

Am Meer
„Seht dort jenen Surfer gleiten,“

Chapeau! Nur wenige Lyriker der letzten tausend Jahre – sinngemäß umriss Martin Rector einmal seine 2-semestristige Vorlesung „Höhepunkte deutscher Lyrik“ so – hatten Gelegenheit von einem Surfer zu schreiben.
Doppelt Chapeau! Nur wenige Vorlesungen trauen sich vom altbewährten Muster derart radikal abzuweichen. Ich hätte es natürlich wissen können, denn in Ansätzen ist das Konzept bereits in der Ringvorlesung „Leibniz und die Aufklärungskultur“ verfolgt worden, wenn auch dort das Dialogische längst keinen so großen Stellenwert besaß, wie es heute der Fall war.


„wie er kreuzt und wie er powert“

Im Dialog lag dann auch die vermeintliche Stärke beider Dozenten, man merkte es ihnen an wie beide kreuzten und powerten. Es war ein ständiger Wechsel der Ausführungen, der Moderator, der die Fragen möglichst kurz und verständlich formulierte und dem Gastdozenten, der möglichst ausführlich und genau zu antworten versuchte. Man fühlte sich gut unterhalten. Es fehlten die Kameras, die großen bequemen Sessel und das obligatorische Getränk auf dem kleinen Beistelltischchen und dann wäre mir das Format wohl allzu bekannt vorgekommen. So blieb der Rahmen, wenn auch nur des Protokolls wegen dann doch eine Vorlesung und keine Talkshow zur besten Sendezeit.
Auch ich will hier ein wenig kreuzen, denn mein Rahmen soll dieses Gedicht sein, welches ich in der Laudatio ANH’s ( einem Blognachbarn ) zur Vergabe des Literaturpreises der Literatur Nord an Dirk von Petersdorff fand ( ich fand die Laudatio im Netz als PDF zum Herunterladen, sowas soll’s geben ). Ich möchte dabei allerdings nicht ganz so offensichtlich vorgehen, wie es in der Vorlesung der Fall war, indem ich zwischen meiner leidlichen Analyse dieses Gedichts und des Gesprächs beider Dozenten hin und her wechsle.
Das Kreuzen ist auch nicht alles, was passiert ist in der „Vorlesung“. Interessant erscheint zunächst noch das powern. Was vormals, beim Rufen „Seht dort jenen Surfer gleiten“ noch als elegante Fortbewegung auf dem Wasser wahrgenommen werden sollte ( gleiten ), wandelt sich bereits hier zu einer machtvollen, kontrollierten Bewegung in unkontrollierbarem Gewässer. Der Surfer powert! Welcher Lyriker der letzten tausend Jahre konnte mit diesem Verb eine Zeile beschließen?


„durch die wind-verwehten Weiten,“

Hier wird klar, dass es mehr braucht als einen Surfer auf dem Meer, der Surfer braucht Wind; Luftbewegung, die Wellen schafft, Segel füllt und letztendlich die Kraft abverlangt, zu dessen Vergnügen sich der Surfer dem Meer ausliefert. Die heilige Dreifaltigkeit des Surfens sozusagen.
Wir waren ebenfalls zu dritt in der Vorlesung ( natürlich nicht im wörtlichen Sinne ), es gab den Moderator, den Gast und das Publikum. Wem jetzt welche Rolle zukam, möchte ich hier gar nicht weiter erörtern, denn die Runde war im allgemeinen recht locker und auch wenn klar war, dass die beiden Dozenten das Heft in der Hand hielten, so blieb tatsächlich Raum für eigene Überlegungen, die, formuliert in thematisch völlig offenen Fragen, an den Gast gestellt werden konnten. Die Ausbeute war nicht berauschend und die Fragen gingen auch nicht in die Tiefe, die Antworten allerdings waren ausführlich und unverbindlich.

„wo das Meer im Licht erschauert.“

Von einem Schauer konnte bei der Vorlesung keine Rede sein, weder ein wohliger noch ein schrecklicher stellten sich ein. Der herben Kritik aus meinem Anfangstext kann ich nichts hinzufügen, ich muss sogar revidieren. Ehrlich gesagt gab es bis auf die fehlenden Sessel und das Erfrischungsgetränk ( auf Kameras kann ich verzichten ) nicht viel zu kritisieren. Von der hemmenden Ehrfurcht war nicht viel zu spüren, kein Erschauern. Trotz der 5 gestellten Fragen, die größtenteils von den „üblichen Verdächtigen“ gestellt wurden, also denen, die auch sonst bereitwillig mitarbeiten und diese Art Berührungsängste womöglich gar nicht kennen, hatte ich nicht das Gefühl, dass der Charakter der Veranstaltung eher einem Seminar mit Minimalbesetzung glich.
Die Frage war ohnehin nicht, vor wem das Meer, das Publikum, erschauert, sondern worin. Das Meer erschauert im Licht, einem Mitspieler, der immer dann zum Tragen kommt, wenn dem Betrachter sein eigener Standort zum Geschehen ersichtlich wird. Nur selten wird dieser Mitspieler als Entschuldigung missbraucht ( beim Autofahren passiert das ganz gerne, denn im toten Winkel stand dann alles, was wir zufällig erwischt haben, als wir rückwärts aus einer Einfahrt kamen ). Meistens dient er eher der Erklärung unseres eigenen Standpunktes.
Ist es das, was Petersdorff meinte, als er von Ironie sprach, die sich nicht ausschließlich gegen Personen, in diesem speziellen Fall sogar gegen eine ganze Epoche richtet? Ist das überhaupt Ironie, so „modern“ zu dichten und dann ein höchst romantisches Bild heraufzubeschwören? Ich stelle mir gerade vor, wie es wohl aussähe, wenn auf Caspar David Friedrichs „Kreidefelsen“ im Hintergrund ein Surfer auf den Wellen glitte, genau dort wo das Meer im Licht erschauert.


„Das Leben – ein kurzes Erwachen,“

Huch. Eine zweite Strophe! Die kam in der Laudatio gar nicht vor. Die googelte ich beim Eingeben der ersten Zeile des Gedichts und sie stellt mich vor ungeahnte Herausforderungen, ich muss mit meinem Artikel forfahren:
Wo die erste Strophe eine geschlossene Einheit bildet überrascht der Autor hier mit 9 statt der vorher üblichen 8 Silben – und einem Gedankenstrich. Innehalten ist verlangt, und das inmitten der Zeile. Dann erst die Botschaft: die ist schon so oft gehört oder gesagt worden, dass sie wie eine Gardinenpredigt klingt, den Ironieschalter (Slang aus dem Netz, gern benutzt in aller Herren Foren ) kann ich also getrost auf „On“ verharren lassen, nachdem er bei Zeile 4 der ersten Strophe eingeschaltet worden war.
Ja, huch, eine zweite Strophe! Die kam deshalb nicht in der Laudatio vor, weil es nicht darum ging, mit dem Werk bekannt zu machen, sondern weil es um den Autor ging. Ähnlich wie in der Vorlesung, da ging es auch nicht um den Autor Petersdorff, sondern darum, wie er zum Autor wurde, wie er Professor wurde, wie das im Allgemeinen überhaupt vonstatten geht, deshalb hörten wir nur am Rande bzw. am Schluss ein paar lyrische Zugaben, wo mein gewähltes Gedicht leider nicht dabei war. Ob er es zu Benns „Handvoll“ dazuzählt, konnte ich ihn nicht fragen, soweit war ich noch nicht.
Aber zurück zum Text: das Googeln brachte das gewünschte Ergebnis, die zweite Strophe, und ich musste mich fragen, weshalb der DTV die 2009 veröffentlichte Sammlung der „Power-Lyrik“, zusammengestellt von Anton G. Leitner, mit 20 Seiten ins Netz stellt. Ich gehe nicht davon aus, dass es sich dabei um das vollständige Exemplar der Sammlung handelt. Aber anscheinend will doch hier jemand neugierig machen auf Lyrik, dem Urheberrecht zum Trotz völlig kostenlos. Und da komme ich schon mit Riesenschritten auf ein Thema zu, dass einen „Autor“ über kurz oder lang beschäftigen muss:

„ein Glitzern, flüchtiges Treiben,“

Das trifft genau zu: auf das Urheberrecht. Ich würde diesen Punkt hier nicht ansprechen, wenn er nicht Teil der Vorlesung gewesen wäre. Er wurde nicht intensiv diskutiert, sondern vielmehr abgehandelt, so wie es der Großteil der Menschen nun einmal macht. Zu Wort kommen alle, aber schön hintereinander. Ich wollte mich hier in meinem Blog nie darüber auslassen, denn die Diskussion ist müßig. Es gibt einen Text von Lachmann, in dem er sich über die Auffassung des Autorbegriffs beklagt – jene, die das Seminar Dehrmanns „Was ist ein Autor“ besucht haben, können sich vielleicht erinnern – und den Verdienst an der Sache in Frage stellt. Und genau darin liegt doch das Problem, es wird seit mehr als 4000 Jahren eine Schriftkultur gepflegt ( im Gilgamesh-Epos soll es sogar den Ausspruch geben, dass zum Zeitpunkt der Niederschrift des Epos bereits alles geschrieben worden sei ) und wer sich wo bediente und in welchem Maße ist längst nicht mehr überschaubar bis auf die wenigen Beispiele, die gut belegt erst in den letzten 200 Jahren gesammelt wurden. Bleibe ich gleich bei Lachmann, dessen Parzival ja immer noch die gültige Fassung einer längst vergangenen Dichtung darstellt. Oder Helene Hegemann, die sich im Blog von Airen bediente. Wolfram von Eschenbach musste sich nicht dafür rechtfertigen, dass er von seinem „französischen Kollegen“ abgekupfert hat. Auch er glitzerte nur kurz und steht nachwievor für den Parzival. Höchstwahrscheinlich nur dem studierten Germanisten ist bekannt, dass der Parzival, so wie wir ihn kennen oder schon einmal von gehört haben, textkritisch von Lachmann bearbeitet wurde. Was bleibt, ist die Frage nach dem Autor? Höchstwahrscheinlich ist er genauso ein Konstrukt, wie die „Urfassung“ des Faust oder die Urfassung der Nibelungensage, es ist alles eine Frage der Enge der Definition.
Der Ironieschalter übrigens steht weiterhin auf „On“, der Kreuzreim kann hier nicht darüber hinwegtäuschen, dass die beiden ersten als auch die beiden letzten Zeilen eine dichte jeweils gemeinsame Sinneinheit bilden. Der wehmütige Unterton des „Flüchtigen“ spielt sogar noch auf den Schluss der ersten Strophe an, wie ich finde.

„Du mußt Tempo machen!“

Ja, das muss ich, mein Manuskript fasst bereits 2 volle Seiten. Ich verlasse den Ironiesektor und widme mich endlich den wirklich wichtigen Dingen: in seinen Zeilen bestimmt keine herausragende Einzelleistung, das können andere genauso gut. In der Gesamtheit aber offenbart sich etwas Einmaliges. Es ist die Komposition, die ironische Ernsthaftigkeit, die mich an diesem Gedicht so gefesselt hat. Aus der Musik kennt man die Vermischung zweier oder mehrerer Musikstile unter dem Begriff Crossover, ähnlich ist es auch hier gelagert, wenn Anglizismen auf Romantik treffen.

„Du mußt locker bleiben!“

Ich bleibe lieber geschmeidig, denn ich darf nicht vergessen, dass ich einer anderen Generation angehöre. Diese andere Generation übersieht aber nicht die Parallelen zwischen dem „gleiten“ und dem „locker bleiben“, die scheinbare Mühelosigkeit, die in beidem steckt – den geschlossenen Kreis. Sie übersieht auch nicht, in welcher Konstellation die Vokale am Schluss der Zeilen eingesetzt werden, in welchem Wechselverhältnis sie zueinander stehen, die halblangen Diphtonge in „treiben“, „bleiben“, „weiten“ und „gleiten“ und ihre Wirkung aufs Gemüt. Sie stehen für die ausführlichen Antworten des Gastdozenten, wogegen die kurzen, herausgestoßenen „au‘s“ und „ach’s“ auf den „Interviewer“, dem hauptamtlich leitenden Professor zuzuschreiben sind. Diesen Zusammenhang habe ich mir ausgedacht, schließlich wollte ich die Vorlesung in Gedicht pressen – analytisch und nicht den Worten Schillers nach ( ich habe den Originallink leider nicht mehr gefunden, deshalb muss ich hier auf mich selbst zurückgreifen ).
Dafür muss ich locker bleiben, was mir manchmal schwer fällt, vor allem dann, wenn ich solche Sätze höre: „Auch als Blogger kann man sich zum Autor entwickeln.“ Wenn ich mir jetzt den Zusammenhang vergegenwärtige – es ging darum, dass in irgendeiner Zeitung stand, ein Blogger hätte sich bei der Künstlersozialkasse angemeldet, und das kürzlich, also vor vielleicht einer Woche – dann frage ich mich einerseits, ob das Medium Zeitung tatsächlich noch der Höhe der Zeit entspricht und den Ton angeben sollte, und welche schlummernden Ressentiments in unserem Dozenten bisher verborgen blieben. Zum ersten: bereits vor diesem von der Zeitung völlig verschlafenen Termin gab es Blogger, die in die Künstlersozialkasse eingezahlt haben, die „künstliche“ Trennung zwischen Autor und Blogger – soviel zu zweitens – ist demnach eine vor allem von etablierten Medien gestützte Hypothese, die mir fast genauso grotesk erscheint wie der Streit um das Urheberrecht ( ein paar schöne Links zu dem Thema aus meiner Nachbarschaft ). Und drittens erscheint mir das Statusdenken hier zu stark formalisiert, denn nur weil im Durchschnitt jeder Bundesbürger 20.000 Euro Schulden hat, trifft das noch lange nicht auf mich zu. Nur weil ein Blogger in die Künstlersozialkasse einzahlt, ist er ein Künstler, oder was?

Wie der geneigte Leser wahrscheinlich schon längst festgestellt hat, ich habe keine Ahnung von Lyrik. Ich kann den Kreuzreim vom umarmenden Reim unterscheiden aber Blankverse mit 5-hebigen Jambus waren nicht meine Welt, denn ich habe ja Internet und kann mich schlau lesen. Außerdem ist das hier mehr eine Pflicht, denn eine Kür. Auch wenn ich mir sehr viel Mühe gab, auch wenn ich diese Pflicht selbst heraufbeschwor, so bleibt dieser Text doch nur ein Blogeintrag von vielen – nicht auszudenken, wenn ich dafür bezahlt werden würde, dann hätte ich den Lachmann womöglich korrekt zitieren müssen, Recherche betreiben, die unvollständig bliebe und Angriffspunkte lieferte, ich hätte konsequenter Anführungszeichen setzen müssen. Vielleicht wäre ich zu dem Schluss gekommen, den Text gar nicht veröffentlichen zu können, weil hier absolut gar nichts zusammenpasst. Dem setze ich mich nicht aus.

Ich habe jetzt drei Halbe intus, keine notwendige Substanz zum Schreiben, aber in diesem Fall erleichterte es die Sache ein wenig.

Und noch etwas möchte ich anmerken, nachdem dieser Text seit 5 Tagen online ist. Ich habe mir erlaubt, daran zu arbeiten, seine Form flüssiger zu machen und den sperrigen Assoziationen ein paar Erklärungen nachgeschoben, das mache einmal jemand mit einer Zeitung, einer Examensarbeit oder einem bereits veröffentlichten Gedicht, dann heißt es gleich wieder: wo ist die Urfassung? Welcher Text steht dem Autor näher, welcher Text repräsentiert seine Ansichten besser? Das kann ich nicht abschließend beantworten aber den Nutzen aus der Ambivalenz zwischen der Entfernung zum eigenen Text und der trotzdem vorhandenen Nähe zu ihm kann mir nur ein Text im Internet bieten, den ich nach Belieben, wann ich es will, ändern kann.


Hier geht's weiter: Text 3

Montag, 16. April 2012

Fisten

Fast ohne Hintergedanken wollte ich mit diesem Blogbeitrag meine Rubrik „Wort für Wort“ um eine echte Lemmalücke bereichern. Natürlich kann man mir mit der Überschrift das Ausnutzen fremder Sensationslust unterstellen. Genau so ist es. Ich möchte möglichst viele Leser davon überzeugen, sich über das Dilemma des Lemmas Gedanken zu machen und der Verrohung des Agens und seiner Strahlkraft auf die Sprache Einhalt zu gebieten.

Ich kam bei meiner Thailandreise in den Genuss eines äußerst bösartigen Darmvirus, der zu meinem Verdruss an meinen Pfunden fraß. Ich verlor innerhalb einer Woche 7 Kilogramm Gewicht. Bei meiner Körpergröße und meinem vorher schon geringen Gewicht ist das kein haltbarer Zustand, auf Dauer. Ich kam also in die Verlegenheit nicht fasten zu müssen, wie das zu Ostern üblich ist, sondern musste stattdessen mit gezielt kontrollierter Gewichtszunahme meinen Status Quo eressen.

Nun könnte man ja einwenden, dass ich mich statt des Fastens der Völlerei hingeben müsse aber in Anbetracht der Gottesergebenheit, der hierzulande gerade um Ostern herum mit Inbrunst gehuldigt wird (um nur ein Beispiel zu nennen: Tanzverbot am Karfreitag ) und der generell negativen Schwingung des Wortes Völlerei (eine der sieben Todsünden!) ist hier das letzte Wort noch nicht gesprochen. Welch offensichtlich kranker Mensch möchte denn auch noch der Völlerei bezichtigt werden, weil er durch Krankheit sein Gewicht verlor? Auch stand mir der Weg der Ververblichung ( nicht zu verwechseln mit dem Verwerflichen ) nicht mehr frei, da der Duden bereits ein völlern kennt, welches unserem weißhaarigen ehemals blonden Pudelstürmer vorbehalten ist.

Außerdem könnte man ja einwenden, dass Fisten – denn darum geht es meinem Wunsche nach bei der gezielt kontrollierten Gewichtszunahme – auch schon belegt sei und es gar keinen Grund gibt, den Bedeutungsgehalt eines Lehnwortes unnötig aufzublasen. Dem ist aber gar nicht so. Mein Fisten ist kein Lehnwort!

Ähnlich wie bei der Feststellung, dass es im Deutschen kein Wort dafür gibt, auszudrücken, man hätte sich sattgetrunken, bin ich mit meiner Wortkreation verfahren. Satt steht für nicht mehr hungrig und sitt für nicht mehr durstig. Fasten für Diät und Fisten für willentliche Gewichtszunahme.

Als Kleingärtner im Schrebergarten der Sprachpflege (so oder so ähnlich sprach ein gewisser Trithemius einmal über sich selbst und ich muss gestehen, dass ich mich ihm dabei sehr verbunden fühle) besitze ich allein nicht genug Entscheidungsgewalt. Ich kann doch nicht einfach so daher kommen und einem simplen Ablaut ( aus a wird i ) zu Ruhm und Ehre verhelfen, indem ich ihn zu mehr erhebe. Da haben Sie Recht. Das kann ich nicht allein, deshalb brauche ich Sie liebe Leser, um mir bei meinem selbstlosen Vorhaben zu helfen. Ich möchte unsere Sprache reinwaschen von diesem anglisierten Fetischdeutsch einer exhibitionistischen Industrie, möchte diesem übermächtigen Feind meine Faust entgegenstrecken, ich möchte dem Fisten endlich gerecht werden.

Samstag, 14. April 2012

Hat jemand Zeit?

Eigentlich ist es gar keine urbane Legende, denn diese Geschichte ist überhaupt nicht unheimlich oder sonstwie verstörend. Sie handelt nicht von Krankheiten, Straftaten, Racheakten oder übersinnlichen Erfahrungen. Und nur weil ihr der Wahrheitsanspruch nicht abgeht, kann sie überhaupt in die Kategorie der modernen Sage fallen – so wird die urbane Legende ebenfalls genannt.

Wenn man die Limmerstraße in Richtung Küchengarten geht, ist spätestens an demselben Schluss mit der autofreien Flaniererei, denn es gilt, um den Küchengartenplatz zu erreichen, die Fössestraße zu überqueren. Diese Straße hat es in sich, hier bewegt sich wegen der wenigen Verbindungen zwischen dem Zentrum von Hannover und Hannover Linden eine Menge. Überhaupt gibt es nur wenige Verbindungen über die Leine und eine davon ist seit Jahren Dauerbaustelle.

Aber zurück zur Ampel, eine Fußgängerampel. Hier steht der gemeine Lindener, der nach einer anderen urbanen Sage durchschnittlich 78 Tage seines Lebens an roten Ampeln wartet, besonders lange, denn durch die komplizierte Kreuzung mit vorgelagerten Linksabbiegern, Straßenbahnen, die die Fahrbahn kreuzen, hat der Fußgänger einfach die schlechtesten Karten. Den einzigen Menschen, denen es an dieser Ampel besser gehen soll, ist den Blinden.

Wie geht das? Ganz einfach. An dieser Ampel ist, wie häufig in Hannover zu sehen, eine Vorrichtung angebracht, mit der es möglich wird, in den Grünphasen für Fußgänger einen Klickton freizuschalten. Jemand der nicht sehen kann, ob die Ampel grün oder rot ist, muss sich somit nicht auf andere Passanten verlassen. Fahren die Finger den Ampelpfeiler entlang und erwischen den gelben Kasten mit den drei schwarzen Punkten von unten, dann offenbart sich dort eine Aussparung, in der sich ein Druckknopf befindet.

Als ich neulich selbst an dieser Ampel stand, kam mir eine Freundin entgegen, die behauptete, dass die Fußgängergrünphase schneller heranrückt, wenn dieser Schalter betätigt wird, also nicht die freiliegende Fläche mit den drei Punkten, sondern der geheime darunter. Sie ließ sich davon nicht abbringen und hatte dies selbst von einer anderen Freundin erfahren.

Ich kann nicht sagen, ob das stimmt, ich habe es nicht ausprobiert, weil ich sie erst hinter der Ampel sprach und zurück einen anderen Weg ging. Um das zu testen, müsste zu verschiedenen Zeiten jemand dort stehen und zu unterschiedlichen Ampelphasen immer mal wieder diesen Knopf drücken und die Zeit stoppen. Ampeln sind ja bekanntlich zu Stoßzeiten und manchmal sogar je nach Verkehrssituation in der Lage, auf den herrschenden Verkehr zu reagieren. Welche Rolle spielt dabei die Fußgängerampel? Ist das überhaupt möglich? Hat jemand Zeit?

Donnerstag, 12. April 2012

Angewandte Literaturwissenschaft: Alexander Košenina

Hoffentlich ist dieser Text ( wenn ich denn die Zeit und Muße finde, mich nach jeder Sitzung hinzusetzen und einen Artikel darüber zu schreiben ) als Prolog zu verstehen und in seinen Aussagen kein Dogma. Er dient lediglich zur Einleitung in das hochkomplexe Thema dieser Veranstaltung und meine Erwartungen daran. Hier wird revidiert und bestätigt - mehr revidiert, hoffentlich.

Es geht im folgenden immer um die Veranstaltung: Angewandte Literaturwissenschaft der LUH, betreut durch Alexander Košenina, im Sommersemester 2012.


Als ich 1996 kurz vor dem Abitur zu einer Veranstaltung von „Carpe Diem“ geladen wurde – erst meine zweite Dresscode-Veranstaltung nach der Jugendweihe – kam mein Vater mit. Lachhaft möchte man meinen, war ich doch eigentlich alt genug, um Entscheidungen über mein zukünftiges Leben selbst in die Hand zu nehmen. Im Nachhinein betrachtet, konnte ich froh darüber sein, von meinem Vater, „entmündigt“ worden zu sein. Er hat viele Jahre für eine private Versicherungsgesellschaft gearbeitet, kennt das Haifischbecken. Ich durchschaute damals nämlich nicht, welche perfide Rekrutiermaschine hier ihre Tentakeln ausbreitete, die DVAG ( Deutsche Vermögensberatung ).

Wie komme ich darauf, wo ich doch gerade aus einer Vorlesung mit dem Titel „Angewandte Literaturwissenschaft“ komme? Wieso kommt mir gerade da mein Vater in den Sinn? Aus einem relativ einfachen Grund: die Liste der „Vorträger“ der Veranstaltung – bis auf die Eingangssitzung, die vom zuständigen Professor geleitet wurde – liest sich wie ein „Who is Who“ der literaturwissenschaftlichen Schwergewichte in ihren Fachgebieten. Da kommt nicht irgendwer, da kommen Professoren, Doktoren, Verlagsleiter, Feuilletonisten, Museumsleiter – die wahren Verkörperungen ihrer jeweiligen Institutionen.

Das erklärt natürlich noch nicht, wie ich das mit der Rekrutierveranstaltung eines der größten legalen Drückervereine Deutschlands in Verbindung bringe. Ich musste deshalb an meinen Vater denken, weil sich in dieser Vorlesungs der sogenannte Flaschenhals* die Klinke in die Hand gibt, die von uns Studenten doch höchstens einer von hundert beerben kann. Es sollen uns hier Möglichkeiten erläutert werden, was ein Studium der Literaturwissenschaft für die Karriere bedeuten kann. Kann? Möglichkeiten? Genauso wurde bei der DVAG verfahren, da wurde uns erzählt, wie viel Geld wir verdienen können, in welchen firmeneigenen Resorts wir Urlaub machen dürfen, von Tagungen mit internationaler Prominenz, Werbepartnern und Sponsoring, Kulturförderung – alles im Namen der DVAG. Aber dass wir dafür unsere Großmutter verkaufen müssen, das hat uns niemand gesagt.

Doch zurück zu der illustren Runde von Vorträgern: unser Dozent, ein Professor, den ich sehr schätze, weil er nicht nur die richtigen Ideen hat und manchmal sogar für deren Umsetzung sorgt, ein offenes Ohr für uns Studenten aufbringt und trotz seiner konservativen Meinung der sich verändernden Medienlandschaft gegenüber ( ein Zeitungsleser, der nicht müde wird, uns diesen alten Schinken immer wieder aufzutischen ) bereit ist, hin und wieder über den Tellerrand zu schauen – er spricht immer vom Wissenschaftsbetrieb im Elfenbeinturm, den er gern beenden, erden möchte – stellt also die Gastdozenten vor und mir wird klar, dass er genau den Elfenbeinturm, den er gern beseitigt wissen wollte, den es seiner Meinung nach nicht geben sollte, wenn die Literaturwissenschaft aus ihrer Selbstbeweihräucherung herauskommen möchte, zu uns eingeladen hat, um uns mit deren Werdegängen und Berufungen „bekannt“ zu machen ( das hätte ich jetzt auch viel drastischer und bestimmt weniger gestelzt und verschachtelt ausdrücken können, und steht deshalb Pate für meine Erwartung an die kommenden Sitzungen ).

Ich dachte auch deshalb an meinen Vater, weil ich jetzt, fast 16 Jahre später, längst erkannt habe, dass ich bei der DVAG zwar meine Großmutter verkauft hätte aber kein reicher und glücklicher Mann geworden wäre. Hier in der Vorlesung allerdings sitzt mein Vater nicht neben mir. Ich muss allein entscheiden, ob mir die dargebotenen „Trauben“ nicht sauer aufstoßen werden, ob ich womöglich gar nicht in der Lage sein werde, jemals von den Trauben zu kosten. Ich bin jetzt selber Vater und muss in noch ferner Zukunft vielleicht selber Rat und Stütze sein, wo ich doch nicht einmal hier und heute sicher sein kann, den Zweck des Ganzen zu durchschauen.

Und noch ein Nachtrag in eigener Sache: Die Vorlesung bietet uns die Möglichkeit, einen Schein zu erwerben. Die Studienleistung, die neben der Anwesenheit verpflichtend ist, besteht aus einem kurzen, knackigen Text zu einer der Sitzungen, in dem wir die jeweilige Sitzung und ihren Dozenten porträtieren – nicht mehr als 1-2 Seiten. Das habe ich jetzt auch schon erledigt, möchte das gern regelmäßig machen. Allerdings sind mir die Inhalte und Dozenten weniger wichtig, mir geht es nicht um eine Wiedergabe, sondern um eine Widergabe. Denn den mit Abstand größten Teil sollen meine Assoziationen ausmachen, meine Ressentiments gegenüber Inhalten und Dozenten, meine Skepsis – mein subjektiver Eindruck eben. Keinen meiner Texte werde ich meinem Professor einreichen, ich brauche den Schein nicht und würde dafür wahrscheinlich auch keinen bekommen.

Teil 2

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