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Bei den Leisen Tönen. Manchmal braucht es einen Blog, um sich Luft zum Denken zu verschaffen. Keine Steckenpferde, Hobbies oder sonstiges Spezielles, nur Luft zum Denken.

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Montag, 16. April 2012

Fisten

Fast ohne Hintergedanken wollte ich mit diesem Blogbeitrag meine Rubrik „Wort für Wort“ um eine echte Lemmalücke bereichern. Natürlich kann man mir mit der Überschrift das Ausnutzen fremder Sensationslust unterstellen. Genau so ist es. Ich möchte möglichst viele Leser davon überzeugen, sich über das Dilemma des Lemmas Gedanken zu machen und der Verrohung des Agens und seiner Strahlkraft auf die Sprache Einhalt zu gebieten.

Ich kam bei meiner Thailandreise in den Genuss eines äußerst bösartigen Darmvirus, der zu meinem Verdruss an meinen Pfunden fraß. Ich verlor innerhalb einer Woche 7 Kilogramm Gewicht. Bei meiner Körpergröße und meinem vorher schon geringen Gewicht ist das kein haltbarer Zustand, auf Dauer. Ich kam also in die Verlegenheit nicht fasten zu müssen, wie das zu Ostern üblich ist, sondern musste stattdessen mit gezielt kontrollierter Gewichtszunahme meinen Status Quo eressen.

Nun könnte man ja einwenden, dass ich mich statt des Fastens der Völlerei hingeben müsse aber in Anbetracht der Gottesergebenheit, der hierzulande gerade um Ostern herum mit Inbrunst gehuldigt wird (um nur ein Beispiel zu nennen: Tanzverbot am Karfreitag ) und der generell negativen Schwingung des Wortes Völlerei (eine der sieben Todsünden!) ist hier das letzte Wort noch nicht gesprochen. Welch offensichtlich kranker Mensch möchte denn auch noch der Völlerei bezichtigt werden, weil er durch Krankheit sein Gewicht verlor? Auch stand mir der Weg der Ververblichung ( nicht zu verwechseln mit dem Verwerflichen ) nicht mehr frei, da der Duden bereits ein völlern kennt, welches unserem weißhaarigen ehemals blonden Pudelstürmer vorbehalten ist.

Außerdem könnte man ja einwenden, dass Fisten – denn darum geht es meinem Wunsche nach bei der gezielt kontrollierten Gewichtszunahme – auch schon belegt sei und es gar keinen Grund gibt, den Bedeutungsgehalt eines Lehnwortes unnötig aufzublasen. Dem ist aber gar nicht so. Mein Fisten ist kein Lehnwort!

Ähnlich wie bei der Feststellung, dass es im Deutschen kein Wort dafür gibt, auszudrücken, man hätte sich sattgetrunken, bin ich mit meiner Wortkreation verfahren. Satt steht für nicht mehr hungrig und sitt für nicht mehr durstig. Fasten für Diät und Fisten für willentliche Gewichtszunahme.

Als Kleingärtner im Schrebergarten der Sprachpflege (so oder so ähnlich sprach ein gewisser Trithemius einmal über sich selbst und ich muss gestehen, dass ich mich ihm dabei sehr verbunden fühle) besitze ich allein nicht genug Entscheidungsgewalt. Ich kann doch nicht einfach so daher kommen und einem simplen Ablaut ( aus a wird i ) zu Ruhm und Ehre verhelfen, indem ich ihn zu mehr erhebe. Da haben Sie Recht. Das kann ich nicht allein, deshalb brauche ich Sie liebe Leser, um mir bei meinem selbstlosen Vorhaben zu helfen. Ich möchte unsere Sprache reinwaschen von diesem anglisierten Fetischdeutsch einer exhibitionistischen Industrie, möchte diesem übermächtigen Feind meine Faust entgegenstrecken, ich möchte dem Fisten endlich gerecht werden.

Samstag, 14. April 2012

Hat jemand Zeit?

Eigentlich ist es gar keine urbane Legende, denn diese Geschichte ist überhaupt nicht unheimlich oder sonstwie verstörend. Sie handelt nicht von Krankheiten, Straftaten, Racheakten oder übersinnlichen Erfahrungen. Und nur weil ihr der Wahrheitsanspruch nicht abgeht, kann sie überhaupt in die Kategorie der modernen Sage fallen – so wird die urbane Legende ebenfalls genannt.

Wenn man die Limmerstraße in Richtung Küchengarten geht, ist spätestens an demselben Schluss mit der autofreien Flaniererei, denn es gilt, um den Küchengartenplatz zu erreichen, die Fössestraße zu überqueren. Diese Straße hat es in sich, hier bewegt sich wegen der wenigen Verbindungen zwischen dem Zentrum von Hannover und Hannover Linden eine Menge. Überhaupt gibt es nur wenige Verbindungen über die Leine und eine davon ist seit Jahren Dauerbaustelle.

Aber zurück zur Ampel, eine Fußgängerampel. Hier steht der gemeine Lindener, der nach einer anderen urbanen Sage durchschnittlich 78 Tage seines Lebens an roten Ampeln wartet, besonders lange, denn durch die komplizierte Kreuzung mit vorgelagerten Linksabbiegern, Straßenbahnen, die die Fahrbahn kreuzen, hat der Fußgänger einfach die schlechtesten Karten. Den einzigen Menschen, denen es an dieser Ampel besser gehen soll, ist den Blinden.

Wie geht das? Ganz einfach. An dieser Ampel ist, wie häufig in Hannover zu sehen, eine Vorrichtung angebracht, mit der es möglich wird, in den Grünphasen für Fußgänger einen Klickton freizuschalten. Jemand der nicht sehen kann, ob die Ampel grün oder rot ist, muss sich somit nicht auf andere Passanten verlassen. Fahren die Finger den Ampelpfeiler entlang und erwischen den gelben Kasten mit den drei schwarzen Punkten von unten, dann offenbart sich dort eine Aussparung, in der sich ein Druckknopf befindet.

Als ich neulich selbst an dieser Ampel stand, kam mir eine Freundin entgegen, die behauptete, dass die Fußgängergrünphase schneller heranrückt, wenn dieser Schalter betätigt wird, also nicht die freiliegende Fläche mit den drei Punkten, sondern der geheime darunter. Sie ließ sich davon nicht abbringen und hatte dies selbst von einer anderen Freundin erfahren.

Ich kann nicht sagen, ob das stimmt, ich habe es nicht ausprobiert, weil ich sie erst hinter der Ampel sprach und zurück einen anderen Weg ging. Um das zu testen, müsste zu verschiedenen Zeiten jemand dort stehen und zu unterschiedlichen Ampelphasen immer mal wieder diesen Knopf drücken und die Zeit stoppen. Ampeln sind ja bekanntlich zu Stoßzeiten und manchmal sogar je nach Verkehrssituation in der Lage, auf den herrschenden Verkehr zu reagieren. Welche Rolle spielt dabei die Fußgängerampel? Ist das überhaupt möglich? Hat jemand Zeit?

Donnerstag, 12. April 2012

Angewandte Literaturwissenschaft: Alexander Košenina

Hoffentlich ist dieser Text ( wenn ich denn die Zeit und Muße finde, mich nach jeder Sitzung hinzusetzen und einen Artikel darüber zu schreiben ) als Prolog zu verstehen und in seinen Aussagen kein Dogma. Er dient lediglich zur Einleitung in das hochkomplexe Thema dieser Veranstaltung und meine Erwartungen daran. Hier wird revidiert und bestätigt - mehr revidiert, hoffentlich.

Es geht im folgenden immer um die Veranstaltung: Angewandte Literaturwissenschaft der LUH, betreut durch Alexander Košenina, im Sommersemester 2012.


Als ich 1996 kurz vor dem Abitur zu einer Veranstaltung von „Carpe Diem“ geladen wurde – erst meine zweite Dresscode-Veranstaltung nach der Jugendweihe – kam mein Vater mit. Lachhaft möchte man meinen, war ich doch eigentlich alt genug, um Entscheidungen über mein zukünftiges Leben selbst in die Hand zu nehmen. Im Nachhinein betrachtet, konnte ich froh darüber sein, von meinem Vater, „entmündigt“ worden zu sein. Er hat viele Jahre für eine private Versicherungsgesellschaft gearbeitet, kennt das Haifischbecken. Ich durchschaute damals nämlich nicht, welche perfide Rekrutiermaschine hier ihre Tentakeln ausbreitete, die DVAG ( Deutsche Vermögensberatung ).

Wie komme ich darauf, wo ich doch gerade aus einer Vorlesung mit dem Titel „Angewandte Literaturwissenschaft“ komme? Wieso kommt mir gerade da mein Vater in den Sinn? Aus einem relativ einfachen Grund: die Liste der „Vorträger“ der Veranstaltung – bis auf die Eingangssitzung, die vom zuständigen Professor geleitet wurde – liest sich wie ein „Who is Who“ der literaturwissenschaftlichen Schwergewichte in ihren Fachgebieten. Da kommt nicht irgendwer, da kommen Professoren, Doktoren, Verlagsleiter, Feuilletonisten, Museumsleiter – die wahren Verkörperungen ihrer jeweiligen Institutionen.

Das erklärt natürlich noch nicht, wie ich das mit der Rekrutierveranstaltung eines der größten legalen Drückervereine Deutschlands in Verbindung bringe. Ich musste deshalb an meinen Vater denken, weil sich in dieser Vorlesungs der sogenannte Flaschenhals* die Klinke in die Hand gibt, die von uns Studenten doch höchstens einer von hundert beerben kann. Es sollen uns hier Möglichkeiten erläutert werden, was ein Studium der Literaturwissenschaft für die Karriere bedeuten kann. Kann? Möglichkeiten? Genauso wurde bei der DVAG verfahren, da wurde uns erzählt, wie viel Geld wir verdienen können, in welchen firmeneigenen Resorts wir Urlaub machen dürfen, von Tagungen mit internationaler Prominenz, Werbepartnern und Sponsoring, Kulturförderung – alles im Namen der DVAG. Aber dass wir dafür unsere Großmutter verkaufen müssen, das hat uns niemand gesagt.

Doch zurück zu der illustren Runde von Vorträgern: unser Dozent, ein Professor, den ich sehr schätze, weil er nicht nur die richtigen Ideen hat und manchmal sogar für deren Umsetzung sorgt, ein offenes Ohr für uns Studenten aufbringt und trotz seiner konservativen Meinung der sich verändernden Medienlandschaft gegenüber ( ein Zeitungsleser, der nicht müde wird, uns diesen alten Schinken immer wieder aufzutischen ) bereit ist, hin und wieder über den Tellerrand zu schauen – er spricht immer vom Wissenschaftsbetrieb im Elfenbeinturm, den er gern beenden, erden möchte – stellt also die Gastdozenten vor und mir wird klar, dass er genau den Elfenbeinturm, den er gern beseitigt wissen wollte, den es seiner Meinung nach nicht geben sollte, wenn die Literaturwissenschaft aus ihrer Selbstbeweihräucherung herauskommen möchte, zu uns eingeladen hat, um uns mit deren Werdegängen und Berufungen „bekannt“ zu machen ( das hätte ich jetzt auch viel drastischer und bestimmt weniger gestelzt und verschachtelt ausdrücken können, und steht deshalb Pate für meine Erwartung an die kommenden Sitzungen ).

Ich dachte auch deshalb an meinen Vater, weil ich jetzt, fast 16 Jahre später, längst erkannt habe, dass ich bei der DVAG zwar meine Großmutter verkauft hätte aber kein reicher und glücklicher Mann geworden wäre. Hier in der Vorlesung allerdings sitzt mein Vater nicht neben mir. Ich muss allein entscheiden, ob mir die dargebotenen „Trauben“ nicht sauer aufstoßen werden, ob ich womöglich gar nicht in der Lage sein werde, jemals von den Trauben zu kosten. Ich bin jetzt selber Vater und muss in noch ferner Zukunft vielleicht selber Rat und Stütze sein, wo ich doch nicht einmal hier und heute sicher sein kann, den Zweck des Ganzen zu durchschauen.

Und noch ein Nachtrag in eigener Sache: Die Vorlesung bietet uns die Möglichkeit, einen Schein zu erwerben. Die Studienleistung, die neben der Anwesenheit verpflichtend ist, besteht aus einem kurzen, knackigen Text zu einer der Sitzungen, in dem wir die jeweilige Sitzung und ihren Dozenten porträtieren – nicht mehr als 1-2 Seiten. Das habe ich jetzt auch schon erledigt, möchte das gern regelmäßig machen. Allerdings sind mir die Inhalte und Dozenten weniger wichtig, mir geht es nicht um eine Wiedergabe, sondern um eine Widergabe. Denn den mit Abstand größten Teil sollen meine Assoziationen ausmachen, meine Ressentiments gegenüber Inhalten und Dozenten, meine Skepsis – mein subjektiver Eindruck eben. Keinen meiner Texte werde ich meinem Professor einreichen, ich brauche den Schein nicht und würde dafür wahrscheinlich auch keinen bekommen.

Teil 2

Dienstag, 10. April 2012

Birne weg

„Können Sie mir sagen, wie ich zum Birnenweg komme?“ „Sie“ hatte sie gesagt und meinte mich damit.
„Birnenweg? Der muss hier irgendwo sein, keine Ahnung wo“, so sprach ich wohl und zeigte nach Überall.
„Danke“, hörte ich sie noch sagen, bevor die Frau weiterstapfte im Obst- und Blumendorf. Das „Sie“ wanderte mit meinen Augen zusammen an mir herab, musterte mich von oben nach unten, drehte kurz vor dem Straßenbelag bei und verschwand irgendwo in Richtung Geradeaus hinter einer Hecke. Ich ging nämlich gerade von der Schule nach Hause, da gab es viele Hecken.

Mindestens zweimal am Tag lief ich durch die Reihenhaussiedlung Alt-Reform, weil sonst nur ein Umweg von mehreren hundert Metern zu meiner Schule führte, die ich ab der 7. Klasse besuchte. Umwege sind aber was für trödelnde Gedanken und ich war Schnelldenker und ich ging auch so – immer ein Ziel vor Augen, mit großen ausgreifenden Schritten. Ich teilte die Strecke in kleine Häppchen und legte am Ende eines Happens, also bei jeder zweiten Biegung, immer eine Schippe Kohlen nach. Mit genügend Hackengas konnte ich die Strecke von 20 Gehminuten auf 12 zusammenschmelzen, dafür musste ich aber in den Kurven in Schräglage gehen, wie dieser Tankstellenverkäufer, der immer so schneidig um die Regale kurvte und uns in der Spätjugendphase, vorzugsweise Samstag- oder Freitagnacht gegen halb drei, in der Tankstelle am Westring bediente. Es kam schon mal vor, dass wir alle hintereinander einzeln bestellten, nur um den Michael Schuhmacher der Tankstellenverkäufer möglichst oft nach einem Bier flitzen zu sehen. Er war nicht auf der Arbeit, er war auf Flucht. Naja, vielleicht war er doch kein Schumi, der Tankstellentyp trug nämlich eine Brille. Und die rutschte ihm zu allem Überfluss auch noch ständig von der fliehenden Nase.

Am schnellsten aber war ich bei meinen Schlussfolgerungen. Ich schloss daraus, dass ich im Dahlienweg wohnte und es außerdem einen Nelkenweg und einen Lilienweg in der Gartenstadt gab, es auch einen Birnenweg geben musste. So ähnlich habe ich es der Frau zu erklären versucht, glaube ich.

Jahre vergingen. Ich brachte ein wenig Ruhe in meine Gedanken und ließ den Blick vor allem in der Schule schweifen. Auch auf dem Nachhauseweg war ich längst nicht mehr so schnell wie früher und so kam mir irgendwann ein Straßenschild unter, auf dem stand doch tatsächlich Birnenweg. Er lag im dritten Häppchen von Zuhause aus gerechnet. Niemand, den ich kannte, wohnte da.

6 Jahre lang bin ich fast jeden Tag durch diesen Weg gegangen, ohne dass mir das aufgefallen war. Das konnte aber wirklich niemand ahnen, es stand ja nur ein Birnbaum in der Straße. Ich legte daraufhin beschämt den Turbo ein und verfing mich in Schräglage in einer ausufernden Heckenlandschaft am Knick des Weges. Heute steht da keine Birne mehr, nur noch ein Auto in der Auffahrt, manchmal.

Freitag, 6. April 2012

Ostern

Heute ist Karfreitag. Ostern rückt mir auf die Pelle, wie ein Betrunkener, der mir ganz im Vertrauen von seinen Sorgen berichten möchte. Dabei habe ich selbst genug Sorgen. Er hechelt mir Ostern ins Ohr.

Trotzdem versuche ich den freien Tagen etwas Schönes abzugewinnen. Mir fällt zum Beispiel immer der Osterspaziergang von Goethe ein, wenn ich an Ostern denke. Die ersten Zeilen bekomme ich immer noch aufgesagt, obwohl mir das Erlernen des Gedichts fast so lang her zu sein scheint wie das Erste Konzil von Nicäa.

Als ich neulich in meiner Lieblingskneipe saß und auf Trithemius wartete, versuchte ich zum Spaß eine Neufassung des Gedichts. Da Trithemius aber pünktlich kam und ich das Projekt aus den Augen verloren habe seitdem, ist es unvollendet geblieben. Damit es nicht verloren geht, will ich es hier reinstellen. Ich hätte es Frühjahrsputz genannt:

Mit drohend Gebärde liegt die Wäsche,
wüste Haufen versperren jeden Blick,
die Sonne scheint, was für ein Glück.
Gevatter Faulheit schlägt in die Bresche
und treibt mich in mein Bett zurück...


Es ist gar nicht so einfach, wenn Reimschema und möglichst auch noch die Reimworte identisch, mindestens aber ähnlich sein sollen. Ich hoffe, ich habe jetzt niemandem das Fest verdorben, weil die Fenster plötzlich dreckig erscheinen, der Boden voller Fussel ist oder ein Berg Wäsche wartet. Fröhliche Ostern!

Donnerstag, 5. April 2012

Felsenplatte digital

Ich habe heute mein Notizbuch entdeckt, das ich im Urlaub in Thailand vor zwei Monaten benutzt hatte. Es lag unter einem Stapel dünnem Holz auf meinem Schreibtisch. Hin und wieder möchte meine Frau nämlich, dass ich meinen Schreibtisch aufräume und dabei landen dann immer jede Menge Rechnungen, Mahnungen, Erinnerungsschreiben, schlicht die ganze Post im Papierkorb. Naja, und als ich diesen Stapel bedruckter Not endlich vom Halse hatte, offenbarte sich darunter ein dünnes schwarzes Büchlein, aus dem noch der Sand eines fernen Strandes gerieselt kam:

Heute keine Eindrücke, nur Plattfüsse. Ich wandere über die Felsen am rechten Ende des Strands. Die Felsen sind fest und dulden keine Dellen. Nur Rillen. In denen das Wasser herabläuft.
Die Felsen hier sind bestimmt Tausend Jahre alt. Tausend Jahre alte Schallplatten, denen der Regen und die Gischt eine immergleiche Melodie entlockt. Das Wasser in den Rillen ist wie die Nadel eines Plattenspielers und immer mal wieder springt ein Tropfen woanders hin. Dann hüpft die Nadel, bevor sie wieder einrastet. Ob die Felsen wissen, dass wir längst im digitalen Zeitalter angekommen sind?

Dienstag, 3. April 2012

Beim Arzt um viertel vor Hundert

Als hätte man mir Scheuklappen angelegt, allerdings nicht an den Augen, sondern auf der Schulter. Eigentlich sind es auch gar keine Klappen. Es ist eher ein kompliziertes Gestänge, das schmerzhaft aus meinen Schultern ragt und meinen Kopf am Drehen hindert. Ja, so ist das.

Können Sie sich an Tyler Durden erinnern, als er endlich begriffen hatte, dass er er war. Er stand vor einem Kneipier mit genau so einem Gestänge um den Kopf herum und dieser öffnete ihm dann die Augen, indem er ihn mit seinem Namen anredete. Mir öffnet niemand die Augen, das kriege ich noch allein hin. Ich kann nur nicht mehr nach links und rechts gucken. Außer vielleicht, wenn ich einen merkwürdigen Pinguintanz aufführe. Dafür muss ich aufstehen, wenn ich säße, und meinen ganzen Körper in die jeweilige Richtung drehen.

Wenn ich jedoch auf der Straße ginge und mich riefe jemand aus einem fahrenden Auto heraus, dann wäre entweder die Straße verstopft, weil der Rufer auf meine grüßende Erwiderung warten würde oder der Rufer aus dem Auto wäre längst vorüber gefahren. 3 Straßen weiter, womöglich schon in einer anderen Stadt. Hoffentlich wartet niemand darauf von mir zurückgegrüßt zu werden. Nachher steht am nächsten Tag in der Zeitung: Umständliche Begrüßung löst zweistündigen Stau aus. Oder im Radio: Bitte umfahren sie möglichst weiträumig die Straße XY, hier wird gerade zurückgegrüßt.

Vorhin saß ich dann wieder. In einer Arztpraxis. Ich bin also gerade keine Verkehrsbehinderung. Ich bin nur eine Behinderung der Routine des Praxisalltages, weil ich mich hier eingeschlichen habe. Mein Orthopäde ist im Urlaub und ich erdreistete mir, während seiner Abwesenheit einen steifen Hals zu bekommen. Jetzt sitze ich in einem mir unbekannten Wartesaal und hoffe behandelt zu werden.

Die Steckdosen und Lichtschalter in dem Warteraum sind alle schief eingebaut. Vielleicht ist auch der Fußboden schief, oder die Tür oder alles ist gerade und ich bin schief. So wird es wohl sein. Es sind zwei Stunden vergangen seitdem. Nach einer Stunde wurde ich bereits erlöst. Ich durfte meine Praxisgebühr entrichten, ein untrügliches Zeichen, dass man bis zum Arzt vordringen wird. Ich durfte meine Allergien, meine Telefonnummern und meine Namen auf ein halbes Blatt Papier schreiben und wieder Platz nehmen. So ein Glück. Ich habe einen Termin bekommen, an einem Dienstagvormittag! bei vollem Wartezimmer.
Um 11:85 Uhr bin ich dran. Viertel vor Hundert.

Ich bin jetzt wieder im Büro und schreibe das hier gerade auf. Zwischenzeitlich war ich bei einer sehr charmanten Ärztin, die mich zwei Jahre jünger machte und mir riet, mehr Sport zu treiben. Dann häkelte sie die bleiverschwerte Gardine auf, füllte die Kügelchen in eine Spritze und trieb mir je drei von den schweren Dingern in den rechten und linken Nacken. Eine besonders große Beschwerung bekam ich noch in den linksseitigen Allerwertesten. Zuerst dachte ich, das ist ja gar nicht so schlimm aber als ich die Praxis verließ merkte ich plötzlich, dass das Blei im Nacken zu wirken begann und mich langsam in Richtung Boden drückte. Vielleicht war es aber auch der Luftdruck, es hatte geregnet in der Zwischenzeit.

Jetzt ist alles wieder völlig normal, bis auf ein paar verschmerzbare Schmerzen in der Nackengegend. Meine Arme, in die kurzzeitig das Blei gerutscht war, lassen sich jetzt auch wieder normal bewegen. Nur, ob ich Auto fahren darf, hat mir die Ärztin nicht gesagt. Macht aber nichts, ich habe keins.

Montag, 2. April 2012

Weckepacke vs. Weggepacke

Mein hoch geschätzter Blogkollege sinniert gerade über das Zusammentreffen von Wörtern und Buchstaben. Ein schönes Beispiel, dies auf den Gipfel zu treiben kam mir neulich unter: Meine Schwiegereltern waren zu Besuch und mein Sohn stieß natürlich auf ungeteilte Aufmerksamkeit, entweder durch 5 Augenpaare ( meine Schwiegereltern, meine Frau und ihr Bruder und ich ) oder aber durch einen Fotoapparat. Diese Kamera kam ebenfalls in den Genuß unserer Aufmerksamkeit, weil sie sich in entscheidenden Momenten immer an einem Platz aufhielt, der es unmöglich machte, sie zu benutzen.

Ich habe das nie beobachtet und meiner Meinung nach hat sich mein Schwiegervater auch nie vom Sofa erhoben, um die Kamera an ihren Platz in seiner Jackentasche zu verstauen, doch immer wenn irgendjemand nach der Kamera suchte und dann danach fragte, antwortete er: "Die habe ich wieder weggepackt."
Weggepackt. Seine Frau sagte dann irgendwann völlig entnervt: "Immer dieses Weckepacke!" Das hatte ich mir sofort notiert, weil mir die lautsprachlich ins Schriftliche übertragene Variante so gut gefiel.

Nun kann man bei wegpacken bzw. weggepackt ja nicht einfach einen Konsonanten weglassen wie bei dem dreigleichkonsonantigen "Schifffahrt" aber als ich heute morgen den Eintrag bei Trithemius las, fiel mir sogleich ein, wie die Lautleser des Mittelalters über das Wort Weggepacke gestolpert wären, sie hätten sich vielleicht wie ein mannemerisch radebrechender Haufen an dem Doppel-g versucht, bis sie sich kurz darauf berichtigt hätten.

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