Oh, ich kriege gerade so einen Hals, als ich der Süssmuth dabei zuhören muss, wie sie von einer unethischen Gesellschaft spricht, die der unethischen Politik ja voraus gehen musste, denn die kann sich ja nicht selbst gebären. Da klatscht das Publikum ganz artig, denn der grande dame der deutschen Politik kann man ja auch jeden Schwachsinn verzeihen, selbst wenn sie dem applaudierenden Publikum gerade klarzumachen versucht, dass sie genau den Scheiß bekommen, den sie auch verdienen.
Aber seit neuestem weiß ich ja wie das läuft. Eine Studentin, mit der ich gemeinsam ein Seminar besuche, hat mich vor kurzem aufgeklärt, wie das im Fernsehen so läuft. Da werden arme mittellose Studenten herangezogen, die auf Kommando im Studio vorklatschen und der ganze Saal stimmt mit ein.
Und hat sich mal jemand das überdimensionierte Halsband der Frau Süssmuth angesehen? Dass die überhaupt noch gerade sitzen kann, muss sie einem eisernem Rückgrat zu verdanken haben.
Ich weiß nicht, weshalb mich immer Sachen interessieren, die anderen unangenehm aufstoßen oder schlimmstenfalls - also für mich wäre das schlimm - gar nicht auffallen. Druckfehler sind solche Dinge. Wir wissen, was dort zu stehen hätte, und dieser winzige Augenblick zwischen dem Erfassen durch das Auge und das Eindringen in unser Gehirn, wo das falsch geschriebene Wort dann mit Hilfe unseres Gedächtnisses und anderer Teilbereiche unseres Denkapparats in das richtige verwandelt wird und die Lücke schließt. In diese Zeitspanne passt nicht einmal ein Achselzucken.
Doch genau solche Momente, diese kleinen Fehler sind es, die uns inspirieren sollten. Wenn ich mit dem Handy eine SMS schreibe, gibt mir das T9 immer "was" vor, obwohl ich viel lieber "war" schreiben möchte. Ich will immer nur "war" schreiben. Stören könnte mich das oder aber - und das gefällt mir besser - ich denke darüber nach. Wann schreibt man denn "was"? In Fragesätzen! Völlig klar. Meine SMS beschränken sich aber auf kleine Statusmeldungen, ich erwarte keine Antworten, jedenfalls keine Ausführlichkeiten. Ich stelle auch keine offenen Fragen oder schreibe lange Sätze, die zur Erläuterung mit "was" eingeleitete Relativsätze evozieren. Ich habe zu große Finger, ich schreibe wirklich ungern SMS und mute das deshalb auch niemand anderem zu.
Ich las aber ein ganz anderes Wort, als "was" oder "war". Das stieß diese ganzen Überlegungen aber erst an. In Richard Brautigans Roman "Die Abtreibung - Eine historische Romanze 1966" entdeckte ich ihn. Wäre das Wort nicht durch einen Trennstrich geteilt worden und dadurch auf zwei Zeilen verteilt, ich hätte es vielleicht überlesen. Die Verwechslung hätte nie stattgefunden, wenn ich nicht gezwungen gewesen wäre am Zeilenende neu anzusetzen. So marginal entscheidend war der Fehler. Es war nur ein Bogen zuviel in der dritten Zeile von unten, der aus dem Bekannten etwas völlig Neues machte. Ein völlig neues Land wurde da geschaffen, nicht von Brautigan - oder vielleicht doch? - jedenfalls konnte ich dazu nichts finden.
Auf Seite 146 erschuf uns irgendjemand ein Land, in dem all die fabelhaften Dinge passierten, von denen Brautigan schrieb. Ein Land, in dem es Frauen gab, die so schön waren, dass es ihnen eine Last war, von der sie geheilt werden mussten. Ein Ort, an dem es Bücher gab, die niemand jemals lesen würde, stattdessen hatten diese Bücher aber eine eigens für sie eingerichtete Bibliothek. Eine Welt, in der Geld immer verfügbar ist aber nur dann in Erscheinung tritt, wenn es gebraucht wird, sonst nicht. Eine Gegend, in der Verlust ein Gedicht ist, was nicht von Schmerz handelt. Kaliformien.
Alles hat mittlerweile Taschen in ausreichender Menge und Vielfalt. Meine derzeit getragene Jeans hat vier Gesäßtaschen und jeweils zwei Taschen vorn. Darin befinden sich nur die allernötigsten und wichtigsten Gegenstände, denn zuviel Inhalt ist unbequem.
Meine Jacke hat jeweils rechts und links zwei Taschen, zwei davon kann ich seitlich befüllen - mit meinen Händen zum Beispiel. Alles andere macht keinen Sinn, denn es geht bei Bewegung verloren - so schon mit diversen Stiften, Feuerzeugen und ähnlichem geschehen. Die anderen beiden fülle ich von oben. Da sind meine ganzen Utensilien drin, die ich sonst so brauche: ein Stift, ein Notizbuch, eine Plastiktüte für den Fahrradsattel, Handschuhe und mein Schlüssel. Leider sind die Taschen so ausgebeult, dass ich den Inhalt vor Regen nicht schützen kann. Wenn meine Jacke ein Hamster wäre, wären das die Backen.
Dazu kommt noch eine dämliche Doppeltasche auf dem linken Oberarm, die ich nie befülle. Eine davon hat einen Reißverschluss, der sich beim Anlehnen an Bushaltestellenpfeilern unangenehm in den Arm drückt. Die andere hat eine Befüllvorrichtung von oben und kann mit zwei Knöpfen verschlossen werden. Und dann habe ich auch noch zwei Brusttaschen auf der Jacke, die ebenfalls mit Knopfleisten geschlossen werden. Diese habe ich in seltenen Fällen für ein Schreibgerät benutzt, musste aber feststellen, dass der Stift dann immer oben rausguckt.
Das einzige, worüber meine Jacke nicht verfügt, ist eine Innentasche. Scheiße.
Wir haben gestern in einem Seminar hin und her überlegt, was es mit den Präpositionen auf sich hat. Wir hatten Fachleute am Start, haben uns in die Materie eingearbeitet und sind zu keinen neuen Ergebnissen gekommen, dafür aber zu neuen Fragen und komischen Sätzen.
Die interessanteste Frage, der ich selbst mit dem Wortregister der Eisenberggrammatik nicht beikommen konnte, ist die seltsame Fügung der Präposition "bis". Ganz klar verlangt sie den Akkusativ bei nachstehenden Substantiven und verhält sich auch sonst nicht komisch. Bis zu dem Punkt - ich schrieb es eben auf - wir eine zweite Präposition anhängen. Plötzlich ist der Akkusativ Makulatur und der Dativ, den das umtriebige "zu" verlangt, ist der Fall der Fälle.
Nun verhält es sich mit dem "zu" so, dass dieses kleine morphologische Wunder längst nicht nur als Präposition ihr Dasein fristet, sondern auch noch andere Funktionen übernimmt - ich schrieb schon
darüber. Es kann zum Beispiel abtönen, indem ich sage: Zum Lateinkurs komme ich höchstwahrscheinlich
zu spät, weil ich mich hier verquasselt habe. Oder in Infinitvkontruktionen gebraucht werden: Ohne mir darüber Sorgen
zu machen, schreibe ich einfach weiter, weil der Dozent auch immer zu spät kommt.
Der von der Präposition "zu" verlangte Dativ scheint im Falle der Präpositionalkomposition einen höheren Stellenwert einzunehmen, ähnlich wie bei den Komposita, wo der zweite Wortbestandteil den ersten regiert und aus einem Pferd ( das ) eine Pferdekutsche ( die ) macht. Durch aus hat vielleicht einmal ein ähnliches Schicksal erlitten und sieht seine Einzelbedeutungen in Komposition mittlerweile zum Partikel geschrumpft. Wir schreiben durchaus sogar zusammen. Wir schreiben ständig Sachen zusammen, als wären die Wortzwischenstände, die irgendwann eingeführt worden sind, damit eine bessere Lesefähigkeit erreicht wird, gar nicht notwendig. Die Entwicklung der Sprache reicht anscheinend von bis zu und wieder zurück. "Bis" würde ich in Kombination mit "zu" übrigens auch als Partikel behandeln, es tönt das "zu" ja auch irgendwie ab.
Und bevor ich den geneigten Leser jetzt vollends abtörne, möchte ich noch kurz den tollen Satz präsentieren, der uns gestern vorgestellt wurde - ein hundsgemeiner Kalauer, dem ich glücklicherweise entronnen bin, da ich zu einem Zeitpunkt zu studieren anfing, als sich meine Eltern längst nicht mehr für mich verantwortlich fühlen mussten, ich habe mich da eher auf den Staat verlassen;) :
Der Stundent hängt vom Geld seiner Eltern ab.
Da sitze ich gestern mit drei jungen Damen im Aushilfenbüro und packe meinen Rucksack zusammen, weil ich endlich Feierabend habe. In der vorderen Tasche muss ich aber erstmal auspacken, um startklar zu werden. Da ist ein Haufen Müll drin. Ein Kugelschreiber kommt zum Vorschein, ein weiterer halber, zwei Marker der Farbe Gelb und die andere Hälfte des Kugelschreibers.
"Was ich für einen Quatsch in der Tasche habe", murmle ich so vor mich hin, als mir zwei gelbe Blätter eines Ficus in die Hände geraten. Ich erhalte einen Habichtblick von der Seite und den Kommentar: "Sagtest du gerade, was du für einen Quatsch in der Tasche hättest?"
"Ja?" war meine vorsichtige Antwort.
"Wir sind Frauen, frag uns doch mal, was wir tagtäglich mit uns herumschleppen!"
Bei diesem Fall handelt es sich um eine höchst merkwürdige Konstruktion, da er - nicht wie seine 4 Vorgänger - ausschließlich für den Kasus zuständig ist. Wenn dieser Fall eintritt, nimmt er Einfluss auf den gesamten weiteren Satzverlauf und häufig sogar darüberhinaus. Nach seinem Eintritt ist für den normalen Beobachter kaum ein Unterschied festzustellen, für den Involvierten jedoch ändert sich schlagartig alles. Nicht nur dass es häufig zu riskanten Wendungen kommt, verursacht durch das Subjekt, auch die Objekte verhalten sich völlig anders als sonst. Sind sie ebenfalls betroffen, ist alles unauffällig; sind sie nur indirekt davon betroffen, indem das Subjekt auf sie einzuwirken versucht, können - ich entschuldige mich an dieser Stelle für die drastische Ausdrucksweise - Mord und Totschlag die Folge sein.
Doch nun zum Verb: vorzugsweise wird dieser Kasus - ich bleibe trotzdem bei dieser Bezeichnung, auch wenn der Fall aufgrund seiner umfassenden Wirkung auf die deutsche Sprache eher eine Kombination, aus Deklination, Konjugation und Komparation darstellt - von reflexiven Verben gefordert und kann sowohl Objekt, als auch Subjekt oder beide betreffen. Es ist auch schon vorgekommen, dass Objekte, die scheinbar nicht davon betroffen waren, plötzlich ebenfalls aus dem Satzgefüge brachen und sich diesem Fall anschlossen. Bei Partizip II Konstruktionen ist das schon häufiger vorgekommen.
Dass bei diesen Verben die Einnahme vorrangige Bedeutung hat, fällt ebenfalls auf. Eine Einleitung dieses Kasus erfolgt häufig - wenn nicht sogar immer - durch ein Einnahmeverb der reflexiven Art. Nur manchmal, wie eben im Fall der Objekte, die scheinbar nichts damit zu tun haben, wird dieser Marker, also das Reflexiveinnahmeverb, weggelassen. Es ist deshalb trotzdem nicht schwer den Kasus zu ermitteln, er hat einfach ein zu prägnantes Äußeres.
Sicherlich wird der geneigte Leser längst wissen, um welchen Fall es sich handelt. Eine Beobachtung auf nachstehende andere Wortarten steht im Übrigen noch aus, wird allerdings an gegebener Stelle ergänzt. Eine bereits von mir gebildete Hypothese zu den Adjektiven lautet folgendermaßen: Adjektive verhalten sich zum 5. Fall wie der Positiv zum Exzessiv. Und natürlich, meine Damen und Herren, es handelt sich bei unserem Fall um den Sedativ.
Nach dem Besuch meiner Lieblingsvorlesung am Dienstag Abend schwirrte mir mal wieder mächtig der Kopf. Nicht nur dass unser Dozent den Eliaschen Kulturbegriff mit dem Begriff der Bildung gleichsetzte, darüberhinaus habe ich immer mehr das Gefühl, dass uns dieser Mann eher davon abraten wollte, den Lehrerberuf auszuüben.
Habe ich persönlich nichts dagegen, und bisher sind mir auch zu seiner schrägen Hypothese keinen wirklichen Gegenargumente eingefallen. Elias stellt ja den "deutschen" Kulturbegriff dem Zivilisationsbegriff des franko- bzw- angloamerikanischen Raum gegenüber und beschreibt dabei einen Wandel von der sozialen zur eher nationalen Begriffsbildung, also was vorher ein ständisches Feld war, wurde dann zum Nationalitätenfeld ernannt. Und in der Tat gibt es zwischen dem Begriff der Bildung und dem der Kultur ( im Eliaschen Sinne ) durchaus Ähnlichkeiten. Allerdings wird ein Vergleich mit dem Zivilisationsbegriff des Franzosen z.B. umso schwerer, wenn ich statt Kultur Bildung benutze.
Tischmanieren, Begrüßungsfloskeln oder eben allgemein moralisch und ethisch normiertes Verhalten spielen in der Genese des Zivilisationsprozesses eine große Rolle, wogegen dies beim Bildungsbegriff nur noch sehr schwammig daher kommt - also nicht in der Ausführung, sondern eher in der Definition. Das "Bildungswesen" und insbesondere der Gesetzgeber sagen dazu:
Die Schule soll im Anschluss an die vorschulische Erziehung die Persönlichkeit der Schülerinnen und Schüler auf der Grundlage des Christentums, des europäischen Humanismus und der Ideen der liberalen, demokratischen und sozialen Freiheitsbewegungen weiterentwickeln. Erziehung und Unterricht müssen dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland und der Niedersächsischen Verfassung entsprechen; die Schule hat die Wertvorstellungen zu vermitteln, die diesen Verfassungen zugrunde liegen.
Nieders. Schulgesetz, §2
Nun könnte man fragen: was hat dann die Schule damit zu tun? Erlangt man in der Schule Bildung? Wen würde ich ad hoc als gebildeten Menschen betrachten und welche Facetten seiner schulischen "Ausbildung" würde ich dabei berücksichtigen. Und hat das dann was mit seinen Manieren zu tun oder Persönlichkeit?
Es ist wohl alles eine Frage der Betrachtung und dabei ähneln sich alle drei Begriffe: sowohl die Zivilisiertheit, das Gebildetsein als auch das Kulturverständnis jedes Einzelnen obliegt der Beurteilung von Außen, und jedem dieser Begriffe wird je nach Herkunft eine andere ästhetische Messlatte zugrunde gelegt.