Das Schlüsselbund des Intendanten
Bin im Theater. Es läuft bereits und ich vertreibe mir die Zeit, indem ich in der Cafeteria den Gesprächen lausche. Nebenbei tue ich so, als läse ich in einem furchtbar interessanten Zeitungsartikel. Es liegt nämlich immer ein Pressespiegel vom Tage herum, in dem all die für den Kulturbetrieb relevanten Artikel hineinkopiert und gebündelt werden.
Heute ist oben auf der kleinen Bühne ein Vorsprechen und dafür sind einige Leute angereist, die ich noch nie gesehen habe. Die erzählen sich dann beim Bier ihre dicksten Geschichten, packen noch eine Ladung oben drauf und schlingern mit diesem Karren in meinen Gehörgang, nicht ohne das ein oder andere dabei umzustoßen.
Gerade in diesem Moment sitzt ein Nachwuchsschauspieler mit einem altgedienten Techniker beisammen. Der Alte hat den Jungen auf ein Bier eingeladen und sie unterhalten sich über Beleuchtung. Der Nachwuchsschauspieler erzählt gerade, wie er an einem Regler für die Beleuchtung sitzt, der Regisseur von unten ruft, weiter, ja, noch weiter, während er oben längst die Hand vom Regler genommen hat und sich gähnend die Hand vor den Mund hält und plötzlich von unten ein, ja, so ist es gut, ertönt, so lassen wir das.
Jetzt kommt Bewegung in den Techniker. Er erzählt den gleichen Vorgang in einem Dutzend von Varianten nochmals, bis auch der letzte heimliche Zuhörer, also ich, bemerkt hat, dass er längst Bescheid weiß und dass das eigentlich seine Geschichte gewesen ist, die sich der Jungspund hier nur in einem Anflug von Größenwahn unter den Nagel gerissen hat. Und das, wo er ihm doch gerade ein Bier ausgegeben hat. Zusätzlich zu dem Variantendutzend gibt der Techniker nun auch noch unterschiedliche Erklärungen dafür ab, weshalb das immer so läuft, und weshalb nicht einfach die empfohlenen Einstellungen der versierten Techniker übernommen werden. Es geht zum Beispiel darum, als Regisseur das letzte Wort zu haben, den größten Hut, den tollsten Schal und überhaupt das dickste Schlüsselbund, das Schlüsselbund des Intendanten zu besitzen. So läuft das eben, beschwört der Alte seinen Jünger.
Ich habe jetzt eine ungefähre Vorstellung von der Größe des Schlüsselbundes des Jungschauspielers. Es ist definitiv kleiner als das des Technikers. Ich hole mein geborgtes Requisitenschlüsselbund hervor, wo sich auch eine kleine Variante des großen Universalschlüssels der gesamten Schließanlage des Hauses befindet. Ich atme hörbar die Luft ein, prüfe noch einmal die ganzen Bärte der Requisitenschlüssel, denke an die ganzen alten Zöpfe und kann ein Gähnen nur mühsam unterdrücken.
Heute ist oben auf der kleinen Bühne ein Vorsprechen und dafür sind einige Leute angereist, die ich noch nie gesehen habe. Die erzählen sich dann beim Bier ihre dicksten Geschichten, packen noch eine Ladung oben drauf und schlingern mit diesem Karren in meinen Gehörgang, nicht ohne das ein oder andere dabei umzustoßen.
Gerade in diesem Moment sitzt ein Nachwuchsschauspieler mit einem altgedienten Techniker beisammen. Der Alte hat den Jungen auf ein Bier eingeladen und sie unterhalten sich über Beleuchtung. Der Nachwuchsschauspieler erzählt gerade, wie er an einem Regler für die Beleuchtung sitzt, der Regisseur von unten ruft, weiter, ja, noch weiter, während er oben längst die Hand vom Regler genommen hat und sich gähnend die Hand vor den Mund hält und plötzlich von unten ein, ja, so ist es gut, ertönt, so lassen wir das.
Jetzt kommt Bewegung in den Techniker. Er erzählt den gleichen Vorgang in einem Dutzend von Varianten nochmals, bis auch der letzte heimliche Zuhörer, also ich, bemerkt hat, dass er längst Bescheid weiß und dass das eigentlich seine Geschichte gewesen ist, die sich der Jungspund hier nur in einem Anflug von Größenwahn unter den Nagel gerissen hat. Und das, wo er ihm doch gerade ein Bier ausgegeben hat. Zusätzlich zu dem Variantendutzend gibt der Techniker nun auch noch unterschiedliche Erklärungen dafür ab, weshalb das immer so läuft, und weshalb nicht einfach die empfohlenen Einstellungen der versierten Techniker übernommen werden. Es geht zum Beispiel darum, als Regisseur das letzte Wort zu haben, den größten Hut, den tollsten Schal und überhaupt das dickste Schlüsselbund, das Schlüsselbund des Intendanten zu besitzen. So läuft das eben, beschwört der Alte seinen Jünger.
Ich habe jetzt eine ungefähre Vorstellung von der Größe des Schlüsselbundes des Jungschauspielers. Es ist definitiv kleiner als das des Technikers. Ich hole mein geborgtes Requisitenschlüsselbund hervor, wo sich auch eine kleine Variante des großen Universalschlüssels der gesamten Schließanlage des Hauses befindet. Ich atme hörbar die Luft ein, prüfe noch einmal die ganzen Bärte der Requisitenschlüssel, denke an die ganzen alten Zöpfe und kann ein Gähnen nur mühsam unterdrücken.
Shhhhh - 12. Okt, 21:16