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Leibniz und Leipzig

Gestern waren der Herr Trithemius und ich mal wieder die universitäre Luft beschnuppern. Die roch gewaltig nach Regen, und, so sagte Trithemius, sie sei deshalb besonders sauerstoffhaltig.

Im Hörsaal angekommen erwartete uns eine nicht kleinere Menge an Zuhörern als sonst. Die eingeschworenen Teilnehmer hatten sich trotz der widrigen Witterung eingefunden, um dem Vortrag des Herrn Doktor Otto zu lauschen. Die Laudatio vom schwer zu verstehenden Dr. Li fiel vielversprechend aus, bis zu diesem Satz: "Wo andere Teilnehmer der Konferenz einen 10-15seitigen Beitrag in dem Sammelband, der zu Tagung erschienen ist, veröffentlichten, war der Aufsatz des geschätzten Kollegen Otto 76 Seiten stark. Das vermittelt ungefähr das Gewicht."

Ich denke mir noch: Gewicht? Wieso Gewicht? Und da prasselte der Vorträger bereits auf uns ein. Ohne Punkt und Komma flog einem Gewitter gleich die erste Ladung des Vortrages über uns hinweg und während wir uns noch fragten, wie der dritte Punkt der Überschrift hieß - wir verstanden nur Leibniz, Gottsched und die deutsche... - waren die Einleitung und die ersten Zitate schon über uns herabgeregnet, leider vermisste ich den Sauerstoff.
Es gab ein paar Dinge, die ich mir trotz der Geschwindigkeit notiert hatte. Die kann ich hier leider nicht vortragen, denn ich bin mir nicht sicher, ob ich sie nicht falsch wiedergeben würde. Deshalb beschränke ich mich einfach mal auf die Art und Weise des Vortrages.

Ich behielt im Gedächtnis, dass Gottsched ein ziemlicher Egozentriker gewesen sein muss ( oder seine Frau hat ihm die Flausen eingeflüstert ) und Leibniz, in Leipzig geboren, entwickelte sich zu einem kontinuierlichen Stolperstein in Gottscheds Leben und vor allem im Vortrag. Nicht selten kam es nämlich vor, dass Dr. Otto "Leipzig" sagte, wenn er "Leibniz" meinte und umgekehrt. Die unfreiwilligen Pausen dieser Versprecher nutzte der gute Mann allerdings für ausgiebige Recherchen auf seinen Blättern, um danach in verdoppelter Geschwindigkeit den Tempo- und Zeitverlust wieder einzuholen. Auch "aus" und "auf" bargen so ihre Schwierigkeiten und da sich diese Präpositionen auch als Präfixe in der deutschen Sprache tummeln, wurden auch hier Pausen nötig, um noch einmal zu rekapitulieren, was denn überhaupt gemeint sei.

Nach gefühlten 66 Seiten Vortrag kamen wir dann endlich zu einem sehr interessanten Punkt, nämlich Punkt 4. Punkt 4 sollte nach der Ankündigung, die mir während des Vortrages ins linke Ohr wehte - das rechte nahm Herr Trithemius in Beschlag, denn wir hielten es ohne Rückversicherung über das Gehörte nicht lange aus und versuchten wie die Mäuschen die akustisch schwer verständlichen Passagen zu entschlüsseln, indem wir uns gegenseitig zutuschelten, was wir verstanden hatten, um das Gehörte dann irgendwie zu vervollständigen, nebenbei bemerkt, das klappte nicht so gut - der letzte Punkt sein.

Dieser Satz eben war auch symptomatisch für die Vortragsweise, bestanden doch nicht wenige Blätter auf seinem Vortragspapier aus weniger als zwei Sätzen, Zitate einmal nicht mitgerechnet. Doch was behandelte der letzte Punkt? Ich sage es nur ganz kurz und bin mir nicht sicher, ob er das tatsächlich so gemeint hat aber im Großen und Ganzen verstand ich, dass der gute Gottsched mit seiner Forderung nach einem Denkmal für Leipzig in Leibniz ( hihi ) die Erinnerungskultur als nationenbildendes Moment in die bürgerliche Öffentlichkeit trug. Ein Denkmal für einen Bürgerlichen, das hatte schon was. Damit hat er natürlich nicht ganz unrecht, allerdings, und das musste auch Dr. Otto zugeben, bedarf es hier noch ein paar ausgiebiger Studien zu dem Thema. Die Glorifizierer und Mystifizierer waren ja schon seit dem späten Mittelalter aktiv, als man nach langem Entschwinden Tacitus´ Germania wiederfand. Klopstock und andere griffen das Ganze dann literarisch auf und beglückten uns mit schwülstig, sperrigen Charakterstudien Hermanns des Obergermanen. Gottscheds Stil war das nicht und da Dr. Otto ihm ja jetzt eine eigene Nische der nationenbildenen Tätigkeiten zugewiesen hat, können wir den Klopstock wieder begraben, Gottsched sei Dank.

Im übrigen bekam Leipzig sein Leibnizdenkmal erst 1883, also mit einiger Verspätung. In Hannover steht bereits seit 1790 der Leibniztempel. Der gute Gottsched war glücklicherweise nicht so erfolgreich mit seinem Wunsch nach Vereinnahmung des guten Leibniz in seiner Geburtsstadt und so konnte sich die Stadt Hannover vom Ruhm des Universalgelehrten noch eine große Scheibe abschneiden, die Uni, die Bibliothek, einen Tempel; wir haben hier Leibniz satt :)
Trithemius - 30. Jun, 13:34

Diesmal hast du deutlich mehr mitbekommen,

wie meine kläglichen Notizen beweisen. Dafür gaben mir ein Regal und zwei Wandelemente eine schöne Bildidee durch Hineinsehen:

Shhhhh - 30. Jun, 18:49

Ich saß ja auch ein kleines Stückchen näher dran ;)
Trithemius - 1. Jul, 21:30

Das ist tröstlich, dann kann ich mich herausreden, dass ich in deinem akustischen Windschatten gesessen hätte.

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Zuletzt aktualisiert: 22. Mär, 21:06

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