Ulrich Peltzer - Das bessere Leben - Teil 2
Teil 1
Angelika Volkhardt, 45, Managerin einer großen Reederei, ist eines dieser Bindeglieder, die Peltzer geschickt in seinen Roman einbaut. Die es ihm ermöglichen, große zeitliche Sprünge zu absolvieren und manchmal sogar die Geschichte so realitätsgetreu zu erzählen, als wäre sie so passiert. Warum zum Beispiel Johannes R. Becher die stalinistischen Säuberungen unbeschadet überlebt. Weil ein weiterer deutscher, politischer „Flüchtling“ am gleichen Tisch sitzt, während einer Redakteurssitzung in Moskau, der noch weniger erklären kann, wie er einerseits dorthin gekommen ist und andererseits, wie es um seine tatsächliche Einstellung zum Stalinismus bestellt ist. Dessen Tochter wird die Russischlehrerin von Angelika Volkhardt.
Peltzer überlässt es dem Leser, daraus Schlüsse zu ziehen. Er wertet nicht, weiß oft nicht mehr als der Leser, weil es eben keinen allwissenden Erzähler zu geben scheint. Manchmal schimmert er durch, wenn sich die Figuren in der Zeit vorwärtsbewegen, doch seine hauptsächliche Erzählweise ist der Gedankenstrom, gespickt mit Dialogen, die von den jeweiligen Figuren sogleich in Assoziationen weiterverarbeitet werden, in die Vergangenheit führen, ins Spekulative und immer wieder ins Nichts, weil er erst später – oder früher, je nachdem, wie der Roman gelesen wird – scheinbare Zusammenhänge konstruiert.
Ulrich Peltzer wirft seine Figuren in ein Gesamtpanorama globaler finanzieller, politischer und gesellschaftlicher Verstrickungen hinein, lässt sie darin mehr oder weniger frei schwimmen. Er spielt auf große Zusammenhänge an, Kausalitäten, und er spielt mit den Lesern ein großartiges Versteckspiel, wo und wie sich diese Zusammenhänge offenbaren. Der Thriller ist nicht das Buch, das wir lesen, der Thriller ist im Kopf jedes einzelnen Lesers zu finden, und er geht jedes Mal anders aus. Das ist die große Kunst dieses Romans.
Die Welt von heute verstehen zu lernen, indem man eine Zeitung liest, ist eine höchst naive Vorstellung, dennoch ist nicht von der Hand zu weisen, dass den Entwicklungen an der Börse im Wirtschaftsteil die politischen und gesellschaftlichen Ereignisse vorausgehen. Sie nehmen darauf genauso Einfluss wie es auch anders herum der Fall sein könnte, so dass es tatsächlich egal ist, an welcher Stelle man als Leser beginnt. Darin ähneln sich Peltzers Roman und die Zeitungslektüre. Sie ähneln sich noch auf eine zweite Weise: es wäre genauso naiv, zu glauben, mit dem Lesen des Buches käme der Leser dem Geheimnis der Welt und ihren Mechanismen ein bisschen näher. Das ist Illusion und das bleibt sie auch. Und Peltzers Illusion ist eine der gelungensten.
Alternatives Ende (ein alternativer Anfang fehlt noch, vielleicht, aber ich will lieber nichts versprechen)
Als Fleming nach seinem Alter gefragt wird, antwortet er, dass er sich steinalt vorkomme, dass er sich fühlt, als ob er schon immer mitten im Geschehen dabei gewesen wäre. Einerseits diese Arroganz, alles zu wissen und zu verstehen und andererseits die Unfähigkeit, Beginn und Ende zu markieren, nicht einmal über Tod und Geburt, denn genauso wie Fleming behauptet, den Anfang nicht mehr zu erkennen, genauso wenig kann er aufhören mit seinem Job. Er ist ein Getriebener, und er ist nicht allein. Das lässt die Figuren in Peltzers Roman so ambivalent erscheinen. Das macht sie so interessant. Jochen Brockmann schätzt Fleming auf 56 und dieser antwortet lächelnd darauf: „Da sag ich mal ja, in diesem unseren Leben.“
Angelika Volkhardt, 45, Managerin einer großen Reederei, ist eines dieser Bindeglieder, die Peltzer geschickt in seinen Roman einbaut. Die es ihm ermöglichen, große zeitliche Sprünge zu absolvieren und manchmal sogar die Geschichte so realitätsgetreu zu erzählen, als wäre sie so passiert. Warum zum Beispiel Johannes R. Becher die stalinistischen Säuberungen unbeschadet überlebt. Weil ein weiterer deutscher, politischer „Flüchtling“ am gleichen Tisch sitzt, während einer Redakteurssitzung in Moskau, der noch weniger erklären kann, wie er einerseits dorthin gekommen ist und andererseits, wie es um seine tatsächliche Einstellung zum Stalinismus bestellt ist. Dessen Tochter wird die Russischlehrerin von Angelika Volkhardt.
Peltzer überlässt es dem Leser, daraus Schlüsse zu ziehen. Er wertet nicht, weiß oft nicht mehr als der Leser, weil es eben keinen allwissenden Erzähler zu geben scheint. Manchmal schimmert er durch, wenn sich die Figuren in der Zeit vorwärtsbewegen, doch seine hauptsächliche Erzählweise ist der Gedankenstrom, gespickt mit Dialogen, die von den jeweiligen Figuren sogleich in Assoziationen weiterverarbeitet werden, in die Vergangenheit führen, ins Spekulative und immer wieder ins Nichts, weil er erst später – oder früher, je nachdem, wie der Roman gelesen wird – scheinbare Zusammenhänge konstruiert.
Ulrich Peltzer wirft seine Figuren in ein Gesamtpanorama globaler finanzieller, politischer und gesellschaftlicher Verstrickungen hinein, lässt sie darin mehr oder weniger frei schwimmen. Er spielt auf große Zusammenhänge an, Kausalitäten, und er spielt mit den Lesern ein großartiges Versteckspiel, wo und wie sich diese Zusammenhänge offenbaren. Der Thriller ist nicht das Buch, das wir lesen, der Thriller ist im Kopf jedes einzelnen Lesers zu finden, und er geht jedes Mal anders aus. Das ist die große Kunst dieses Romans.
Die Welt von heute verstehen zu lernen, indem man eine Zeitung liest, ist eine höchst naive Vorstellung, dennoch ist nicht von der Hand zu weisen, dass den Entwicklungen an der Börse im Wirtschaftsteil die politischen und gesellschaftlichen Ereignisse vorausgehen. Sie nehmen darauf genauso Einfluss wie es auch anders herum der Fall sein könnte, so dass es tatsächlich egal ist, an welcher Stelle man als Leser beginnt. Darin ähneln sich Peltzers Roman und die Zeitungslektüre. Sie ähneln sich noch auf eine zweite Weise: es wäre genauso naiv, zu glauben, mit dem Lesen des Buches käme der Leser dem Geheimnis der Welt und ihren Mechanismen ein bisschen näher. Das ist Illusion und das bleibt sie auch. Und Peltzers Illusion ist eine der gelungensten.
Alternatives Ende (ein alternativer Anfang fehlt noch, vielleicht, aber ich will lieber nichts versprechen)
Als Fleming nach seinem Alter gefragt wird, antwortet er, dass er sich steinalt vorkomme, dass er sich fühlt, als ob er schon immer mitten im Geschehen dabei gewesen wäre. Einerseits diese Arroganz, alles zu wissen und zu verstehen und andererseits die Unfähigkeit, Beginn und Ende zu markieren, nicht einmal über Tod und Geburt, denn genauso wie Fleming behauptet, den Anfang nicht mehr zu erkennen, genauso wenig kann er aufhören mit seinem Job. Er ist ein Getriebener, und er ist nicht allein. Das lässt die Figuren in Peltzers Roman so ambivalent erscheinen. Das macht sie so interessant. Jochen Brockmann schätzt Fleming auf 56 und dieser antwortet lächelnd darauf: „Da sag ich mal ja, in diesem unseren Leben.“
Shhhhh - 27. Nov, 08:15