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Leitung eines Literaturhauses: Kathrin Dittmer

Teil 7

Abgeklärter Enthusiasmus. Auf mehrere Gastdozenten traf diese Beschreibung schon zu, wenn es darum ging, das eigene Tätigkeitsfeld mit all seinen Höhen und Tiefen vor dem Plenum breit aufzufächern; Mathias Wehrhahn ebenso wie Volker Bürger. Kathrin Dittmer, die Leiterin des Literaturhauses Hannover, verkörperte diese Art der Selbstwahrnehmung in ihrer bisher reinsten Form, doch dazu mehr im weiteren Verlauf.
Wahrscheinlich hat die Schafskälte das Plenum im Hörsaal zur Vorlesung „Angewandte Literaturwissenschaft“ ausgedünnt. Ich hätte meine Winterjacke auch gern an den Nagel gehängt und die Kapuze gern gegen ein paar Flip Flops eingetauscht, den Kugelschreiber gegen einen Cocktail mit Sahne – aber das Leben ist ja kein Ponyhof. So ähnlich schien mir auch die Berufsauffassung von Kathrin Dittmer zu funktionieren, die als eine von zwei Festangestellten das Literaturhaus Hannover leitet und als deren Vertretung in genanntem Hörsaal erschien und mit einer gehörigen Portion stoischer Pragmatik bewaffnet den Kampf gegen stille Minuten bestritt. Das ging sogar so weit, dass sie zu reden begann, wenn sich bereits abzeichnete, dass das ans Plenum übergebene Wort demselben nicht zu entlocken war.

Der von ihr präsentierte Lebenslauf gestaltete sich ähnlich unspektakulär wie die meisten Lebensläufe, die während der Vorlesungsreihe so vorgestellt worden sind. Nicht einmal das „obligatorische“ Auslandspraktikum wurde erwähnt (absolviert?). Dieses vorgebrachte Understatement der Gastdozenten ist jedesmal wie ein Sonnenstrahl, der es durch eine dunkle Wolke schafft. Und an dieser Stelle möchte ich auch gleich noch etwas klarer stellen, was missverständlich aufgefasst wurde. Mein „Bla Bla“ aus dem vorigen Artikel hätte ich gern korrigiert auf „Geplauder“, und nichts läge mir ferner, diesen immer wieder angesprochenen Punkt in jeder Vorlesung wegzustreichen, denn es ist sehr wohl interessant, wie sich so ein Berufsleben entwickelt und was der ein oder anderen Zäsur oder Weichenstellung vorausgegangen war. An solchen Stellen wünschte ich mir manchmal nur ein wenig mehr Präzision – diese Stellen werden von den Vortragenden aufgrund des guten Auskennens in der eigenen Biographie häufig als selbstverständlich angenommen und oberflächlich abgehandelt – und wenn schon keine Präzision so doch zumindest Präzisierung durch gezieltere Fragen.
Und endlich, endlich ist sich wieder jemand nicht zu fein, auszusprechen, dass Arbeit nicht nur Spaß bedeutet, sondern Arrangement mit allerlei ungeliebten „Nebentätigkeiten“ für die von jedem selbst gefordert wird, darin einen Nutzen für sich und diese Arbeit abzuleiten. Das kann eine schlichte Erfolgskontrolle sein, die es einem ermöglicht, sich danach auf die Schulter zu klopfen oder es beim nächsten Mal anders zu machen. Das kann auch bedeuten, sich mit Dingen zu beschäftigen, die kein Arbeitsvertrag vorher schriftlich als zugeteiltes Aufgabengebiet definiert hat. Oder es heißt, sich in seiner Freizeit mit Dingen zu beschäftigen, die in Teilen zur Kür (Krimi lesen) aber in anderen Teilen zur Pflicht (zur Vorbereitung auf eine Lesung den Autor anzulesen) gehören. Frau Sullner äußerte sich ja sehr diplomatisch, was ihre Lesegewohnheiten anging. Frau Dittmer sagte es offen heraus: sie liest (Kür und Pflicht) in der Freizeit. Und das macht ihr Spaß – auch an der Arbeit.

Das Literaturhaus Hannover hat ein umfangreiches Programm, das sich aus Lesungen, Diskussionen, Preisvergaben (LiteraTour Nord z.B., dessen Preisträger aus dem Jahr 2000 ebenfalls bei uns zu Gast war) uvm. zusammensetzt. Als Verein „getarnt“ arbeiten sich die beiden Mitarbeiter(:innen?, ja, die Veranstaltung hatte auch ein Genderproblem, nicht nur dass Frau Dittmer so sprach wie Frau Kiehl schreibt, nämlich die weibliche Form anhängend, als würde sie von einem Doppelpunkt, einer kleinen Pause mitten im Wort, getrennt; auch Prof. Košenina war ein ums andere Mal bemüht, aus jedem Anwesenden eine Chefin zu machen) an der Gegenwartsliteratur ab, haben ein Auge auf die Finanzen, die längst nicht nur aus Spenden und erst recht nicht nur aus Mitgliedsbeiträgen bestehen und kümmern sich um alle möglichen Dinge – von der Hotelbuchung bis hin zum Schülerwettbewerb der HAZ als Jurymitglied. Bei der Erwähnung dieses Wettbewerbes rollte Frau Dittmer mit den Augen und war froh, dem diesjährigen als Mitglied der Jury noch nicht beigewohnt zu haben. Verständlich, denn wer liest schon gerne 1000 Aufsätze. Ein kleiner Wermutstropfen blieb bis zum Schluss übrig und gab dann auch den Ausschlag für den von ihr bis zur Vollendung verkörperten „abgeklärten Enthusiasmus“: sie sagte nicht, was ihr von all den Dingen, die sie so tut, am meisten Spaß macht.

Teil 9
Trithemius - 7. Jun, 21:17

Es wurde ja auch thematisiert, dass junge Leute selten den Weg ins Literaturhaus finden. Ich bezweifele aber, dass das ein geringes Interesse an Literatur aufzeigt. Es gibt auch hier eine Subkultur, die inzwischen schon gar keine mehr ist, aber vom Mainstream der etablierten Kultur kaum wahrgenommen wird, so auch von Frau Dittmer nicht. Da aber auch die jungen Studenten nicht widersprochen haben, sah ich mich nicht in der Rolle, ihr Verteidiger zu spielen. Bei den vielen Poetry-Slams und Lesebühnen in Hannover finden sich locker hunderte junger Leute ein, zahlen Eintritt und hören sich die Slammer-Dichtkunst an. Das ist freilich nur ein kleine literarische Form, manches ist banal und nur auf Publikumswirksamkeit angelegt, aber es gibt auch Qualität und Tiefgang, nur eben nicht geadelt durch ein Literaturhaus, finanziert aus den Kulturetats. Man will da ja nichts mit schreibenden Dilettanten zu tun haben, nicht mal mit Debütanten des Kulturbetriebs, sondern richtet den Blick starr auf die Inzucht des Büchermarkts. Das wird sich vermutlich bald rächen, denn auch hier ist der Bann der Kulturmafia gebrochen, und besonders junge Leute streben links und rechts dran vorbei und machen ihrer eigene Kultur. Die Kunst kann nur gewinnen, wenn sie die etablierte Kultur unterwandert. Die kluge Phyllis hat es letztens auf den Punkt gebracht: "Kulturmafia + Bedeutungshoheit = Antikunstpille"

Shhhhh - 8. Jun, 07:13

Oh, das muss ich bei ihr (Phyllis Kiehl) überlesen haben.
Das ist so nicht ganz richtig, denn dass sich die Poetry-Slams, die im Opernhaus stattfanden letztes Jahr, nicht auch aus Geldern des Kulturetats finanzieren ließen, wage ich stark zu bezweifeln.
Nichts schützt Frau Dittmer davor, sich links und rechts umzuschauen, nimmt sie als vom Land Niedersachsen bezahlt sogar in die Pflicht das zu tun, aber wie selbst nicht müde wurde zu erwähnen: zu zweit ist das nichts, was man stemmen kann.
Trithemius - 8. Jun, 10:28

Vom genialen Slammer Klaus Urban weiß ich, dass man ihnen bei solchen Auftritten nicht mal das Hotel bezahlt. Dann trägt sich die Veranstaltung aus dem höheren Eintritt. Freilich ist das Haus subventioniert, aber sonst gehts auch ohne Geld aus Kulturetats.

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