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Die innere Zensur

Mir passiert es manchmal, dass ich etwas schreibe, von dem ich späterhin nicht mehr überzeugt bin. Soweit so klar. Die Gründe dafür sind häufig einfach: dass der Text nicht rund ist, nicht rund werden kann. Aber davon will ich hier nicht sprechen. Diese Erfahrung hat wahrscheinlich schon jeder gemacht. Mir geht es eher um die Texte, die nicht veröffentlicht werden, weil sie auf der inhaltlichen Ebene daneben liegen. Mit daneben meine ich Texte, die womöglich unter die Gürtellinie gehen, die Dinge verhunzen, die vorher schön gewesen sind, die keiner Rubrik des Blogs zugeordnet werden können. Ja, Texte, auf die wir im Nachhinein vielleicht gar nicht stolz sind.

Diese Texte kommen nicht in den Blog, weil sich unsere innere Zensurbehörde einschaltet und sagt, das können wir nicht machen. Damit vergraulen wir unsere Leser, das geht zu weit, das ist jenseits des guten Geschmacks. Uns könnte die Veröffentlichung übel genommen werden.

Anders als im Mündlichen, bei dem wir eine unbedachte, häufig wie aus der Pistole geschossene Äußerung, schlicht nicht mehr rückgängig machen können, und froh darüber sein können, wenn sie ignoriert wird, besteht im Schriftlichen ja durchaus die Möglichkeit, an einen Punkt zu kommen, an dem plötzlich der Kopf wieder frei ist. Da steht was auf einem Blatt Papier oder auf dem Monitor, das in der Hitze des Gefechts wie eine adäquate Reaktion erschien und sich beim Zurücklehnen und Korrekturlesen plötzlich als zu hart, zu gemein, ungerecht oder als ethische und moralische Grundsätze verletzend herausstellt.

Die Grenzen dafür verlaufen fließend. Je kürzer die Botschaft, desto größer ist die Gefahr, dass die eben angesprochene Art der Reflektion nicht mehr stattfindet. Ich würde sogar so weit gehen und behaupten, dass zwischen diesen beiden Kenngrößen, Textlänge und verbalem Danebenliegen, ein Zusammenhang besteht. Ich kenne die Fachliteratur dazu nicht, aber wenn ich mir so ansehe, was bei Facebook oder Twitter manchmal abgeht, dann bestätigt dies meinen persönlichen Verdacht.

Fließend sind die Grenzen auch deshalb, weil jeder seine eigene persönliche Schmerzgrenze bzw. Hemmschwelle hat. Die ist bei Trollen eher unten, während sie bei ruhigen und bedacht handelnden Personen eher weiter oben anzusiedeln ist.

Was machen wir dann, wenn uns so etwas passiert? Wir einen Text schreiben, den wir so auf keinen Fall veröffentlichen können? Wir löschen das Ganze? Oder verschieben wir ihn irgendwohin, in ein Verzeichnis, wo ganz viele solcher Texte zu finden sind? Verlegen den Zettel zwischen vielen anderen an einen Ort, ganz hinten in der Schublade? Es wäre ja eigentlich schade um die Arbeit, auch wenn das Ergebnis alles andere als erfreulich ist.

Ich habe so ein Verzeichnis zum „Dampf ablassen“. Hin und wieder kommt da ein Text hinzu. Dann lese ich auch den ein oder anderen alten Text und befinde häufig, dass er dort zu Recht steht und auch zu bleiben hat. Nicht selten passiert es, dass ich den Text lächerlich finde, mich lächerlich finde, mindestens aber unreif. Es kommt leider auch vor, dass ich hier bereits veröffentlichte Texte nach längerem „Liegenlassen“ ein weiteres Mal lese und mich irgendwie nicht mehr wohl fühle. Häufig ist es die Qualität aber manchmal ist es tatsächlich diese fließende Grenze, die der Text überschreitet. Damals vielleicht noch nicht, da hatte ich andere Grenzen, man entwickelt sich ja weiter, optimistisch gesprochen. Hoffentlich.



Wir machen jetzt einen kleinen Sprung. Und zwar zu diesem Bild. Das ist eine Skulptur von Giuseppe Penone. Ein Zedernbaumstamm, warmfarbig. Von zwei Seiten aus, vorsichtig herausgeschält hat der Künstler den Baum im Baum. Das kleine Objekt innerhalb des großen Baumes ist der gleiche Baum, als er noch klein war. Die Verästelungen und ihr Verlauf innerhalb des Baumes sowie ihr Heraustreten aus dem äußeren Stamm als dicker Ast deuten darauf hin. Unser Seminarleiter, der uns das Bild vorstellte, brachte diese Analyse an und interpretierte, dass in jedem von uns auch unsere Kindheit steckt, unser früheres Ich mit all unseren Erlebnissen, Gedanken, mit unseren Fehlern, die wir gemacht haben, mit unserem Lernen, das uns zu dem gemacht hat, was wir letztendlich geworden sind.

Er brauchte das Bild, um uns klar zu machen, weshalb er seine komischen Spiele mit uns machen konnte. Er ließ uns, erwachsene Männer und Frauen, Sprech- und Bewegungsübungen machen, die tatsächlich sehr albern waren. Alle haben mitgemacht. Wir waren, soweit ich das von den anderen Teilnehmern des Seminars sagen kann, alle begeistert. Wir haben uns dabei kennengelernt, wir haben uns begrüßt, gelacht, Faxen gemacht. Wir sind um uns herumgeschlichen, gerannt, getanzt, geschlängelt, haben unser Gesicht verzogen, Gesten verstärkt, das Übliche eben.

Er sagte, wir können uns nur deshalb so lächerlich machen, weil auch in uns so ein kleiner Baum, eine kleinere Version unser selbst steckt, die wir oder auch andere Leute, wenn sie behutsam vorgehen, aus uns heraus schälen können. Unter Anleitung besteht für den Einzelnen keine Gefahr, dass er oder sie sich allein lächerlich macht. Und darum geht es.

Machen wir uns doch einmal lächerlich. Lassen wir das Kindische, das Verdrängte, das Unliebsame doch heraus und sammeln es an einem Ort. Kein geschlossener Raum und eben doch genau das. Im Netz. In der Öffentlichkeit. In unseren Blogs. Hier sind wir mehr oder weniger anonym, hier wird intensiver gepusht aber auch schneller vergessen als in jedem anderen Medium. Vielleicht will ja auch jemand auf einen alten Text verweisen, der in diese Kategorie fällt, aus einem alten Blog oder schön versteckt im eigenen, und ihn ein weiteres Mal hervorkramen wie die selbst gebatikte Hose, die wir früher einmal angezogen haben und jetzt nicht einmal zur Verwertung geben können, weil wir damit partout nicht gesehen werden wollen.

Ein letzter kleiner Sprung: Ich saß neulich in der Schule und hörte nicht zum ersten Mal ein Eichendorff-Gedicht. Ein schönes. Titel reiche ich nach, ist aber auch nicht so wichtig. Mir dämmerte, da gab es doch was. Ich suchte in meinen frühen Aufzeichnungen und fand es zwischen ein paar wirklich schrecklichen Bleistiftskizzen und ein paar noch hässlicheren Gedichten: eine wirklich böse Verhunzung dieses schönen Gedichts. Ich muss noch ein wenig an ihr feilen, dann stelle ich sie rein. Unter dem Titel: „An der inneren Zensurbehörde vorbei gemogelt“.

Naja, für so etwas braucht es Mut, da möchte man am liebsten nicht alleine sein und sich lächerlich machen. Deshalb diese viel zu lange Erklärung für etwas ohnehin bald Vergessenes. Deshalb der Aufruf, es mir nach zu tun. Irgendwann, vielleicht morgen, vielleicht auch erst nächstes Jahr. Ich habe ja auch schon angekündigt, mit dem Rauchen aufzuhören...

Ich würde die Texte hier verlinken, jeder kann die Texte verlinken. Verlinkt euch linkisch!

Diesen Text konnte ich an meiner inneren Zensurbehörde vorbeimogeln.
Trithemius - 18. Aug, 15:20


Shhhhh - 19. Aug, 15:54

Danke sehr:)
kiezneurotiker (Gast) - 22. Aug, 18:20

there we go


Shhhhh - 23. Aug, 14:07

Dankeschön, Herr Kiezneurotiker, für diese ganz eigene Interpretation. Das eröffnet ja sozusagen ein noch größeres Feld, als ich mir anfangs gedacht hatte.

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Zuletzt aktualisiert: 22. Mär, 21:06

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