Kantinennovellettchen
Wir saßen zu fünft in diesem Raum. Es roch nach abgestandenem Rauch, was mich früher nicht gestört hätte. Meine beiden Kollegen aus der Technik – wir trafen uns zufällig am Eingang der Kantine – wollten ihre Feierabendzigarette mit ihrem Feierabendbier genießen. Wir gingen also in den kleinen Räucherraum und erzählten uns von unserem Tag, bis wir nichts mehr zu erzählen hatten. Das ging etwa 5 Minuten so. Danach schwiegen wir drei.
Uns gegenüber saß ein Schauspieler in „Zivil“. Ich nahm an, dass es seine Zivilkleidung war, denn er sah so natürlich darin aus. Er trug eins dieser rosafarbenen Polohemden mit dem kleinen grünen Reptil drauf. Er rauchte Cohiba ohne Filter und schaute hin und wieder aus seinem Skript nach oben in unsere Runde. Er bewegte dabei kaum den Kopf, denn seine Brillengläser waren so überdimensioniert, dass er nicht hätte darüber schauen können, wenn er den Kopf gehoben hätte. Wie er so dasaß mit seiner Sparsamkeit, kam er mir vor wie ein großes Reptil.
In der Ecke zwischen uns dreien und dem Reptil saß noch ein Schauspieler, dieser war kostümiert und geschminkt. Seit seinem letzten Einsatz auf der Bühne – das Stück lief ja schon geraume Zeit – muss er ein Fass Mehl abbekommen haben. Zumindest waren seine vormals schwarzen Klamotten überall von weißem Staub bedeckt. Auch er sah in ein Skript und blätterte die blau markierten Stellen weg; war wohl nicht sein Text.
Mittlerweile war es totenstill im Raucherabteil des Schauspielhauses. Hin und wieder raschelte ein Papier, eine Zigarette wurde angesteckt oder ausgedrückt, Atmung, Schuhe, die über den Boden scharren.
Kurz darauf ging die Tür auf, ein junger Mann betrat den Raum, gefolgt von einer älteren Dame. Er gehörte offensichtlich nicht zum Haus. Die Frau zeigte nur kurz auf den Zigarettenautomaten in der Ecke, murmelte etwas Unverständliches und ging wieder. Der junge Mann stellte sein Bier auf den Tisch, alle Blicke weilten auf seinen Händen, die in einem Portemonnaie nach Kleingeld suchten. Dann richteten sich die Blicke wieder weg und die Zigaretten purzelten den Schacht herab.
Ich besah mir den Automaten genauer, konnte aber keine Cohiba darin entdecken. Der junge Mann rauchte Nil. Bald ist das Stück zu Ende, dachte ich, mein Blick fiel auf die Armbanduhr des Cohibarauchers, die mir kopfüber entgegenleuchtete. Laut den riesigen Ziffern auf seiner Digitaluhr im Retrodesign war es 21:87 Uhr. Es war natürlich 21:07 Uhr, denn dem Querstrich in der Null, der wegen meines schräg darauf liegenden Blickes ebenfalls zu sehen war, war diese seltsame Zeit zu verdanken. Später stellte sich übrigens heraus, dass er doch nicht in "Zivil" war. Er musste eine Art Kurzauftritt gehabt haben, bei dem ihm jemand auf die linke Schulter kotzte; so begegneten wir uns jedenfalls später im Treppenhaus: er mit Sputum, ich mit Requisiten beladen. „Störe ich hier eigentlich?“, fragte der Nilraucher plötzlich. Niemand bejahte. Ich auch nicht, ich überließ lieber den Schauspielern das Wort. Die schüttelten nur ihren Kopf. Das habe ich noch nie gefragt, dachte ich.
Uns gegenüber saß ein Schauspieler in „Zivil“. Ich nahm an, dass es seine Zivilkleidung war, denn er sah so natürlich darin aus. Er trug eins dieser rosafarbenen Polohemden mit dem kleinen grünen Reptil drauf. Er rauchte Cohiba ohne Filter und schaute hin und wieder aus seinem Skript nach oben in unsere Runde. Er bewegte dabei kaum den Kopf, denn seine Brillengläser waren so überdimensioniert, dass er nicht hätte darüber schauen können, wenn er den Kopf gehoben hätte. Wie er so dasaß mit seiner Sparsamkeit, kam er mir vor wie ein großes Reptil.
In der Ecke zwischen uns dreien und dem Reptil saß noch ein Schauspieler, dieser war kostümiert und geschminkt. Seit seinem letzten Einsatz auf der Bühne – das Stück lief ja schon geraume Zeit – muss er ein Fass Mehl abbekommen haben. Zumindest waren seine vormals schwarzen Klamotten überall von weißem Staub bedeckt. Auch er sah in ein Skript und blätterte die blau markierten Stellen weg; war wohl nicht sein Text.
Mittlerweile war es totenstill im Raucherabteil des Schauspielhauses. Hin und wieder raschelte ein Papier, eine Zigarette wurde angesteckt oder ausgedrückt, Atmung, Schuhe, die über den Boden scharren.
Kurz darauf ging die Tür auf, ein junger Mann betrat den Raum, gefolgt von einer älteren Dame. Er gehörte offensichtlich nicht zum Haus. Die Frau zeigte nur kurz auf den Zigarettenautomaten in der Ecke, murmelte etwas Unverständliches und ging wieder. Der junge Mann stellte sein Bier auf den Tisch, alle Blicke weilten auf seinen Händen, die in einem Portemonnaie nach Kleingeld suchten. Dann richteten sich die Blicke wieder weg und die Zigaretten purzelten den Schacht herab.
Ich besah mir den Automaten genauer, konnte aber keine Cohiba darin entdecken. Der junge Mann rauchte Nil. Bald ist das Stück zu Ende, dachte ich, mein Blick fiel auf die Armbanduhr des Cohibarauchers, die mir kopfüber entgegenleuchtete. Laut den riesigen Ziffern auf seiner Digitaluhr im Retrodesign war es 21:87 Uhr. Es war natürlich 21:07 Uhr, denn dem Querstrich in der Null, der wegen meines schräg darauf liegenden Blickes ebenfalls zu sehen war, war diese seltsame Zeit zu verdanken. Später stellte sich übrigens heraus, dass er doch nicht in "Zivil" war. Er musste eine Art Kurzauftritt gehabt haben, bei dem ihm jemand auf die linke Schulter kotzte; so begegneten wir uns jedenfalls später im Treppenhaus: er mit Sputum, ich mit Requisiten beladen. „Störe ich hier eigentlich?“, fragte der Nilraucher plötzlich. Niemand bejahte. Ich auch nicht, ich überließ lieber den Schauspielern das Wort. Die schüttelten nur ihren Kopf. Das habe ich noch nie gefragt, dachte ich.
Shhhhh - 16. Feb, 13:50