Jean Genet: Notre-Dame-Des-Fleurs
Manchmal sind starke Bilder nicht förderlich. Sie fressen sich fest, überlagern darunter liegende Schichten, sind im Allgemeinen aber genau das, was selbst nach Jahren der Nichtbeachtung plötzlich wieder ans Tageslicht kommt, wenn man das Buch erneut in die Finger bekommt.
Vor Jahren, ich weiß nicht wie viele, las ich dieses Buch. Ich habe vergessen, ob ich es überhaupt ausgelesen habe. Ich kann mich beim besten Willen nicht mehr an den Schluss erinnern. Was ich nie gelesen habe, war das Vorwort, und plötzlich, als Kramberg, der das Werk im Bayrischen Rundfunk besprach, auf die drei Phasen bei seinem eigenen Leseerlebnis zu sprechen kam, war es wieder da. Nicht das Ende, leider. Das Bild. Das stärkste Bild im Buch. Kein schönes, das will ich voraus schicken. Wer also auf das Bild verzichten möchte, der kann sich jetzt die Werbung im Buch ansehen und lässt den folgenden Absatz einfach aus.
S.29-30
Kurz, er trägt seine Schande wie ein mit dem glühenden Eisen auf seine Haut gebranntes Mal, aber dieses kostbare Mal adelt ihn ebenso, wie die Gauner von einst durch die Lilienblume auf ihrer Schulter geadelt wurden. Blaue Augen, die von Faustschlägen herrühren, sind eine Schmach für die Zuhälter; aber ganz anders Mignon:
"Meine beiden Veilchensträuße", sagt er.
Er sagt auch gelegentlich, wenn er das Bedürfnis hat, zu scheißen:
"Ich hab die Zigarre schon an den Lippen."
Unter allen Büchern...
...ist eines, das sich von den anderen unterscheidet: Sein Inhalt wechselt, Mal ist er bescheiden, in anderen Fällen von Bedeutung; bei jenem löst er Kummer aus, bei einem andern helle Freude; hier sind erst wenige Seiten gefüllt, dort bereits alle, und stets bestimmt der Besitzer selbst den Inhalt: seines Sparbuches. Eines der seltenen Bücher, die den Besitzern mehr einbringen als den Herausgebern.
Autor: Jean Genet
Titel: Notre-Dame-des-Fleurs
beworbenes Produkt: Pfandbrief und Kommunalobligation
Fundstelle: zwischen S. 88 und 89

Bildquelle: Jean Genet, Notre-Dame-des-Fleurs, Rowohlt Taschenbuchverlag Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg, Oktober 1975
Vor Jahren, ich weiß nicht wie viele, las ich dieses Buch. Ich habe vergessen, ob ich es überhaupt ausgelesen habe. Ich kann mich beim besten Willen nicht mehr an den Schluss erinnern. Was ich nie gelesen habe, war das Vorwort, und plötzlich, als Kramberg, der das Werk im Bayrischen Rundfunk besprach, auf die drei Phasen bei seinem eigenen Leseerlebnis zu sprechen kam, war es wieder da. Nicht das Ende, leider. Das Bild. Das stärkste Bild im Buch. Kein schönes, das will ich voraus schicken. Wer also auf das Bild verzichten möchte, der kann sich jetzt die Werbung im Buch ansehen und lässt den folgenden Absatz einfach aus.
S.29-30
Kurz, er trägt seine Schande wie ein mit dem glühenden Eisen auf seine Haut gebranntes Mal, aber dieses kostbare Mal adelt ihn ebenso, wie die Gauner von einst durch die Lilienblume auf ihrer Schulter geadelt wurden. Blaue Augen, die von Faustschlägen herrühren, sind eine Schmach für die Zuhälter; aber ganz anders Mignon:
"Meine beiden Veilchensträuße", sagt er.
Er sagt auch gelegentlich, wenn er das Bedürfnis hat, zu scheißen:
"Ich hab die Zigarre schon an den Lippen."
Unter allen Büchern...
...ist eines, das sich von den anderen unterscheidet: Sein Inhalt wechselt, Mal ist er bescheiden, in anderen Fällen von Bedeutung; bei jenem löst er Kummer aus, bei einem andern helle Freude; hier sind erst wenige Seiten gefüllt, dort bereits alle, und stets bestimmt der Besitzer selbst den Inhalt: seines Sparbuches. Eines der seltenen Bücher, die den Besitzern mehr einbringen als den Herausgebern.
Autor: Jean Genet
Titel: Notre-Dame-des-Fleurs
beworbenes Produkt: Pfandbrief und Kommunalobligation
Fundstelle: zwischen S. 88 und 89
Bildquelle: Jean Genet, Notre-Dame-des-Fleurs, Rowohlt Taschenbuchverlag Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg, Oktober 1975
Shhhhh - 23. Nov, 06:56