Kurt Tucholsky: Schloss Gripsholm
Als ich heute Mittag von der Schule nach Hause fuhr, stolperte ich beim Lesen über ein herrliches Bild. Mein Geist war frei, ich fuhr dem Wochenende entgegen und da bemerkte ich in Tucholskys "Schloss Gripsholm" einen kleinen Absatz, der es in sich hatte:
"Die Frau war im ius. Welche eine preußische Überlegung! Ein Kind litt. Los."
In dieser Szene schleichen die drei Besucher Schloss Gripsholms um das Mädcheninternat herum, um den Zettel mit der Adresse der Mutter des jungen Mädchens zu suchen, den sie heimlich aus dem Fenster werfen sollte, damit die drei ihrer Mutter von den ungeheuerlichen Vorgängen im Internat schreiben konnten. Offenbar wurde das Kind vorher mißhandelt, als es auf der Straße von den drei Besuchern aufgehalten wurde.
Zuerst überlegte ich, was den "ius" überhaupt sei. Bis ich darauf kam, dass das Recht damit gemeint sein könnte, übersprang ich zwei Haltestellen. Als es dann klick machte, ließ mich die Rafinesse dieser Formulierung nicht mehr los. Nicht nur, dass Tucholsky hier auf das höchstwahrscheinlich antiquierte Recht im lateinischen Wortsinne anspielte, ihm gelang durch den folgenden Satz sogleich ein weiterer Schlag gegen das "Recht", indem er es als "preußische Gesinnung" abtat. Die verblüffendste Wirkung auf mich hatte allerdings der Umstand, dass "ius" klein geschrieben war. Dadurch verlor die lateinische Vokabel so viel ihres Gehalts, dass das offensichtliche Recht der Internatsleiterin, über die Kinder richten zu dürfen, ganz schnell abgetan war.
Als ich allerdings las, dass Tucholsky Jura studiert hatte, war ich mir der Rafinesse dieser Formulierung gar nicht mehr so sicher. Gefunden habe ich dazu nichts, niemand setzte sich mit diesem Wort in der Erzählung "Schloss Gripsholm" auseinander, zumindest konnte ich bei Google nichts entdecken. Google fragte mich stattdessen, ob ich es nicht lieber mit "aus" versuchen wolle.
Kommen wir aber nun zum wesentlichen. Das Buch ist eines der ältesten aus der Reihe Rowohlts Rotationsromane und selbstverständlich befindet sich darin eine Werbung.
Autor: Kurt Tucholsky
Titel: Schloss Gripsholm
beworbenes Produkt: FOX Zigaretten
Fundstelle: zwischen S. 132 und 133
"Zwischenbemerkung des Verlegers Ernst Rowohlt
Spätestens an dieser Stelle des Buches - wahrscheinlich schon früher - werden Sie sich, wenn Sie ein Raucher oder eine Raucherin sind, eine Zigarette anzünden wollen. Ein Raucher kann ein Buch nicht ohne Genuß lesen, wenn er nicht raucht.
Ich bin nicht der Reklamechef einer Zigarettenfabrik, aber ich habe diese Seite einer Zigarette verkauft. Seien Sie mir bitte nicht böse deswegen! Die besten Zeitschriften der Welt verkaufen einen Teil ihrer Seiten an Inserenten. Die Inserenten machen Zeitschriften damit überhaupt erst rentabel. Warum macht man das nicht auch mit Büchern? Es würde die Auflage der guten Bücher in der Welt vermehren.
Man soll nicht immer alles wie vorgestern machen.
Lesen Sie die nächste Seite nicht, wenn Sie glauben, daß es unfair ist, ein Inserat in ein gutes Buch einzuschalten.
Ernst Rowohlt"
Bildquelle: Kurt Tucholsky, Schloss Gripsholm, Rowohlt Taschenbuchverlag GmbH, Hamburg, Februar 1953.
"Die Frau war im ius. Welche eine preußische Überlegung! Ein Kind litt. Los."
In dieser Szene schleichen die drei Besucher Schloss Gripsholms um das Mädcheninternat herum, um den Zettel mit der Adresse der Mutter des jungen Mädchens zu suchen, den sie heimlich aus dem Fenster werfen sollte, damit die drei ihrer Mutter von den ungeheuerlichen Vorgängen im Internat schreiben konnten. Offenbar wurde das Kind vorher mißhandelt, als es auf der Straße von den drei Besuchern aufgehalten wurde.
Zuerst überlegte ich, was den "ius" überhaupt sei. Bis ich darauf kam, dass das Recht damit gemeint sein könnte, übersprang ich zwei Haltestellen. Als es dann klick machte, ließ mich die Rafinesse dieser Formulierung nicht mehr los. Nicht nur, dass Tucholsky hier auf das höchstwahrscheinlich antiquierte Recht im lateinischen Wortsinne anspielte, ihm gelang durch den folgenden Satz sogleich ein weiterer Schlag gegen das "Recht", indem er es als "preußische Gesinnung" abtat. Die verblüffendste Wirkung auf mich hatte allerdings der Umstand, dass "ius" klein geschrieben war. Dadurch verlor die lateinische Vokabel so viel ihres Gehalts, dass das offensichtliche Recht der Internatsleiterin, über die Kinder richten zu dürfen, ganz schnell abgetan war.
Als ich allerdings las, dass Tucholsky Jura studiert hatte, war ich mir der Rafinesse dieser Formulierung gar nicht mehr so sicher. Gefunden habe ich dazu nichts, niemand setzte sich mit diesem Wort in der Erzählung "Schloss Gripsholm" auseinander, zumindest konnte ich bei Google nichts entdecken. Google fragte mich stattdessen, ob ich es nicht lieber mit "aus" versuchen wolle.
Kommen wir aber nun zum wesentlichen. Das Buch ist eines der ältesten aus der Reihe Rowohlts Rotationsromane und selbstverständlich befindet sich darin eine Werbung.
Autor: Kurt Tucholsky
Titel: Schloss Gripsholm
beworbenes Produkt: FOX Zigaretten
Fundstelle: zwischen S. 132 und 133
"Zwischenbemerkung des Verlegers Ernst Rowohlt
Spätestens an dieser Stelle des Buches - wahrscheinlich schon früher - werden Sie sich, wenn Sie ein Raucher oder eine Raucherin sind, eine Zigarette anzünden wollen. Ein Raucher kann ein Buch nicht ohne Genuß lesen, wenn er nicht raucht.
Ich bin nicht der Reklamechef einer Zigarettenfabrik, aber ich habe diese Seite einer Zigarette verkauft. Seien Sie mir bitte nicht böse deswegen! Die besten Zeitschriften der Welt verkaufen einen Teil ihrer Seiten an Inserenten. Die Inserenten machen Zeitschriften damit überhaupt erst rentabel. Warum macht man das nicht auch mit Büchern? Es würde die Auflage der guten Bücher in der Welt vermehren.
Man soll nicht immer alles wie vorgestern machen.
Lesen Sie die nächste Seite nicht, wenn Sie glauben, daß es unfair ist, ein Inserat in ein gutes Buch einzuschalten.
Ernst Rowohlt"
Bildquelle: Kurt Tucholsky, Schloss Gripsholm, Rowohlt Taschenbuchverlag GmbH, Hamburg, Februar 1953.
Shhhhh - 9. Mär, 16:10