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Bei den Leisen Tönen. Manchmal braucht es einen Blog, um sich Luft zum Denken zu verschaffen. Keine Steckenpferde, Hobbies oder sonstiges Spezielles, nur Luft zum Denken.

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Opernball: Hinter den Kulissen ist es einfach überirdisch

Das Motto des diesjährigen Opernballs in Hannover ist „Einfach überirdisch“. Es gibt im Foyer eine kleine Mondkapsel, allerlei bunte Bilder mit fernen Galaxien, Spiralnebeln und sonstigen Erscheinungen, die furchtbar weit weg sind. Es gibt einen Raum der sich thematisch mit Star Trek beschäftigt, eine Barbarella-Suite, eine Bar namens Higgs-Corner und vieles mehr. Eine Zaunbaufirma muss mit dem Blumendekorateur einen Deal gemacht haben, bei dem sich beide eine goldene Nase verdient haben. Es sind im ganzen Opernhaus kleine Knäuel Aluminiumdraht verteilt worden; legte man den Draht geradeaus aus, so entstünde wahrscheinlich eine Strecke von hier bis zum Mond. In jedem dieser Knäuel stecken mindestens 3 Orchideen, dazu kommen noch jede Menge Gestecke in kleinen Vasen, Glasschalen und und und.

Nichts davon hielt für uns, die kleinen Räder im Getriebe der Requisite, eine Überraschung parat. Es war genau der gleiche Job wie im letzten Jahr, in dem Jahr davor, davor und auch noch davor. Seit meinem Einstieg als Aushilfe beim Opernball heißt es für mich und die anderen: am Donnerstag vor dem Opernball kommen mehrere große Wagenladungen mit Stühlen, Hockern, Schemeln, Sesseln, Sofas, Tischen, Beistelltischen, Bartresen, Sitzkissen, Lampen und anderen Kleinigkeiten, die sich auf allen Ebenen im Opernhaus wiederzufinden haben. Was neu war, war die formschöne, mit kleinen Fotos und Erläuterungen versehene Tafel, die am Eingangsportal, dem Hauptanlieferort, aufgestellt wurde. Der Chef stand dort mit einem Stift bewaffnet und kämpfte mit windmühlenartiger Gestik gegen das Chaos. Das Chaos ist schneller als sein Ruf, schneller als das Licht möchte man meinen, denn wir waren noch nicht ganz da und einsatzbereit, da kullerten schon die ersten hektischen Schweißperlen von den Stirnen der Verantwortlichen.

„Wie viele Stühle gehen jetzt da hin? Wie viele sind schon da? Geh mal hoch und funke mich an! Ist die Tischplatte jetzt 70 oder 80 cm im Durchmesser? Nein, die Glasplatten müssen auf den Balkon! Halt! So, jetzt kannst du losgehen, jetzt habe ich dich abgehakt!“ Ich wurde hundertmal abgehakt. Wir alle wurden bestimmt hundertmal abgehakt. Wir nahmen ein Teil, gingen zur Tafel, erfuhren unseren Bestimmungsort und stöhnten, wenn es der dritte Rang war. Es nutzte nix. Ein paar Sachen waren nachher falsch und mussten nochmal woanders hin. Ein paar Sachen kamen nicht, manches war kaputt und von anderen Sachen hatten wir zu viel. Alles in allem hatten wir durch die formschöne, mit kleinen Fotos und Erläuterungen versehene Liste einen kleinen Vorteil gegenüber dem Chaos errungen, den es uns bis zum Schluss nicht mehr streitig machen konnte.

Das Schöne an der Arbeit für die Requisite ist, man kommt in jeden Raum. Man kann sich alles ansehen, die Technik, die Dekorationen. Im Opernsaal hing ein Sonnensystem an der Decke. Verschiedene Planeten machten die Runde, mit Kratern drauf oder ohne, mit Ringen oder ohne, aber alles war sehr bunt und bewegte sich entweder um sich selbst, in der Höhe oder hing einfach still da. Der Boden war mit riesigen Tafeln bedeckt, auf dem die komplette Milchstraße abgebildet war oder nur ein unbedeutender Teil unserer oder einer fremden Galaxis. Wir fanden es nicht heraus, flachsten aber, wie der alte Ministerpräsident mit dem neuen Ministerpräsidenten über den Boden laufen würde und alle beide nach unserem Sonnensystem suchen.
„Guck mal, David, hier muss es sein!“
„Nee, Stephan, das ist viel zu nah am Zentrum, wir sind doch eher in der Peripherie!“

Auf den Seitenbühnen hatten wir leider nicht so viel zu tun, da herrschte noch am meisten Betriebsamkeit. Ich wurde mir dessen immer erst gewahr, wenn ich meinen Stuhl abgestellt hatte und plötzlich mitten im Weg einer Aktion stand, die die Technik plötzlich genau an dieser Stelle auszuführen hatte. Das konnte auch schon mal ein Gespräch sein über eine Dekoration, die sich zufällig über mir befand. Dann sprang ich flink zur Seite und suchte mir ein neues Objekt zum Hin- und Hertragen. Komischerweise war ich nie im Weg, wenn ich mich selbst auf einem befand, selbst wenn ich dabei kurz irgendwo herumstand, weil es nicht weiterging, wuselte es immer um mich herum und nie dort, wo ich war. Aber alles lief freundlich ab, kein Geschrei, kein Anschnauzen, fast alle waren die Ruhe selbst.

In anderen Galaxien, also abseits der Bühnen, gestaltete sich mein Aufenthalt auch irgendwie ambivalent. Auf dem Hinweg, beladen mit Möbeln aller Art, bahnte ich mir meinen Weg durch Floristinnen, Techniker, Fotografen, Kellner usw. und auf dem Rückweg schlenderte ich mit einem großen Pulk an Spaziergängern, die ihr Werk begutachteten, zurück zur Eingangshalle, wo uns wieder neues Gepäck erwartete. Es war immer das Gleiche. Auf dem Hinweg sah ich nur arbeitendes Volk und auf dem Rückweg war ich einer von Vielen, die mit einem Exklusivrecht ausgestattet zu sein schienen: wir waren die ersten, die sich ein Bild vom Opernball machen durften, noch vor der Eröffnung!

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Zuletzt aktualisiert: 30. Nov, 15:17

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